Titel:
Beiladungsbeschluß, Antragsgegner, Entscheidungen der Vergabekammer, Verfahren vor der Vergabekammer, Kartellverwaltungsverfahren, Nachprüfungsverfahren, Öffentlicher Auftraggeber, Zuschlagskriterien, Vergabeunterlagen, Vergabeverfahren, Verständigungsgespräche, Kartellrechtswidrigkeit, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Bundeskartellamt, Nachprüfungsantrag, Zweckentsprechende Rechtsverfolgung, Gemeinschaftsunternehmen, Ausschreibungsunterlagen, Vergaberechtsverstoß, Verstoß gegen Wettbewerbsrecht
Normenketten:
GWB § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
GWB § 124 Abs. 1 Nr. 4
GWB § 126 Nr. 2
Leitsätze:
1. Bieter müssen sich bei der Erstellung ihres Angebots mit den bekannt gemachten Wertungsmethoden auseinandersetzen. Ein sorgfältig handelnder Bieter wird verschiedene Angebotsstrategien durchdenken, um deren Erfolgsaussichten abzuschätzen. Damit sind bei konkreter Benennung aller relevanten Details zur Preis- und Qualitätswertung, die Auswirkung von verschiedenen Angebotsstrategien bei Preis und Qualität für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter erkennbar. Von einem Bieter kann insbesondere erwartet werden, dass er einfache mathematische Überlegungen anstellt.
2. Allein aus der Einstellung eines Strafverfahrens gegen Geldauflage gemäß § 153a Abs. 2 StPO kann nicht geschlossen werden, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB vorliegen. Liegen dem öffentlichen Auftraggeber konkrete Hinweise auf Vereinbarungen oder Verhaltensweisen vor, welche zur Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs führen können, dann ist er verpflichtet, diese Erkenntnisse bei seiner Ermessensentscheidung auch zu berücksichtigen und kann sich nicht allein auf die Einstellung des Strafverfahrens berufen.
3. Wurden Straf- oder Kartellverwaltungsverfahren auf eine Art. und Weise eingestellt, dass keine Entscheidung darüber getroffen wurde, ob die vorgeworfene oder untersuchte Tat begangen wurde oder ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften vorliegt, so ist für den Zeitraum des § 126 Nr. 2 GWB auf die konkrete Handlung selbst und nicht auf das Datum der Einstellung abzustellen.
Schlagworte:
Ausschlussgrund, Hinreichende Anhaltspunkte, Unzulässige Änderungen, Preisbewertungsmethode, Interessenskonflikt, Notwendige anwaltliche Vertretung, Erstattungsfähige Aufwendungen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 51993
Tenor
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerinträgt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen derAntragsgegner und der Beigeladenen.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegner und die Beigeladene war jeweils notwendig.
Gründe
1
Mit Auftragsbekanntmachung vom 19.10.2022, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 24.10.2022 unter Nr. …, schrieben die Antragsgegner einen Dienstleistungsauftrag über Personenbeförderung auf den A…-Regionalbuslinien 700, 701, 702, N 797 (Linienbündel „W… 01“ im Wege eines offenen Verfahrens aus. Zuschlagskriterien waren gemäß Abschnitt II.2.5) der Bekanntmachung die Qualität der Dienstleistung mit einer Gewichtung von 30%, davon ein Einsatzkonzept (Gewichtung 12%), ein Betriebskonzept (Gewichtung 6%) und ein Personalkonzept (Gewichtung 12%), sowie der wertungsrelevante Gesamtausgleich (Wertungspreis) mit einer Gewichtung von 70%.
2
Ausweislich der Angabe in Abschnitt I.3) der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei unter der dort genannten Internetadresse zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen waren unter anderem detaillierte Beschreibungen der Zuschlagskriterien und der einzureichenden Konzepte. Auf Seite 23 der Ausschreibungsunterlagen war unter der Ziffer 3.1.2 zur Wertung des wertungsrelevanten Gesamtausgleichs ausgeführt: „Für das Zuschlagskriterium 1 bildet der niedrigste gebotene wertungsrelevante Gesamtausgleich die Basis der Berechnung. Punkte werden für das niedrigste wertungsrelevante Angebot vergeben und für die Angebote, die innerhalb einer Bandbreite von < 15% über dem günstigsten Preis liegen. Der niedrigste gebotene wertungsrelevante Gesamtausgleich erhält die höchste Punktzahl, alle weiteren Angebote werden entsprechend ihrer Abweichung zu diesem gebotenen wertungsrelevanten Gesamtausgleich innerhalb der genannten Bandbreite linear mit geringeren Punktzahlen bewertet. Berücksichtigt werden generell nur die zur Wertung zugelassenen Angebote. Für das Zuschlagkriterium 1 werden maximal 700 Punkte vergeben.“
3
Sowohl Antragstellerin als auch Beigeladene reichten innerhalb der festgesetzten Angebotsfrist ein Angebot ein.
4
Mit Schreiben vom 27.02.2023 baten die Antragsgegner die Beigeladene um Aufklärung ihres Angebots bezüglich möglicher Ausschlussgründe nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 GWB.
5
Mit Schreiben vom 28.02.2023 erklärte die Beigeladene, dass das Kartellverwaltungsverfahren gegen die R… GmbH vom Bundeskartellamt mit Schreiben vom 01.10.2020 eingestellt worden sei. Das Straf-/Ordnungswidrigkeitenverfahren vor dem Landgericht A… gegen die R… GmbH sei mit Beschluss vom 18.10.2022 gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt worden. Das Strafverfahren vor dem Landgericht A… gegen Herrn Dr. Z… und Herrn H… sei mit Beschluss vom 14.10.2022 gem. § 153a StPO eingestellt worden. Aus dem Verständigungsgespräch vom 26.07.2022, das der Einstellung vorausgegangen sei, ergäbe sich, dass die Kammer zu dem Ergebnis gekommen sei, dass keinerlei Anhaltspunkte bestünden, dass die R… GmbH bei der Vereinbarung 2006 eingebunden gewesen sei. Zudem würden keine beweiskräftigen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Herr Dr. Z… und Herr H… vor dem Jahr 2014 von der Vereinbarung 2006 Kenntnis erlangt hätten. Ob das gesellschaftliche Konstrukt der R… ein Gemeinschaftsunternehmen und damit einen Verstoß gegen § 1 GWB darstelle, sei zwar erörtert, aber nicht weiter verfolgt oder gar geahndet worden. Es werden derzeit zudem Entflechtungsmaßnahmen rechtlich geprüft.
6
Die Beigeladene reichte zu dieser Aufklärung sowohl das Schreiben des Bundeskartellamts vom 01.10.2020 ein als auch die genannten Beschlüsse sowie die Niederschrift des Verständigungsgesprächs.
7
Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 30.03.2023 setzten die Antragsgegner die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass auf ihr Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden könne, weil es nicht das wirtschaftlichste sei und dass der von der Antragstellerin angebotene wertungsrelevante Gesamtausgleich über dem des wirtschaftlichsten Angebots liege. Zwar habe die Antragstellerin im Rahmen des Zuschlagskriteriums 2 (Qualität der Dienstleistung) weitere Punkte sammeln können. Dies habe jedoch nicht ausgereicht, um den Abstand zu dem vom Erstplatzierten angebotenen wertungsrelevanten Gesamtausgleich zu überwinden.
8
Mit Schreiben vom 04.04.2023 beanstandete die Antragstellerin die Vergabeentscheidung der Antragsgegner als vergaberechtswidrig. Die Antragstellerin rügt den Angebotspreis der Beigeladenen als ungewöhnlich niedrig und dass diese unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen hätte. Zudem rügt sie die Bewertungsvorgaben zu den verschiedenen Qualitätskonzepten als intransparent und sachwidrig. Außerdem hätten ehemalige Mitarbeiter der Beigeladenen, die nun in der Vergabestelle des A… arbeiten würden, an der Wertung mitgewirkt, so dass die Objektivität und Integrität der Wertung nicht gewährleistet sei. Insbesondere auf Grund der häufigen Fahrpersonalausfälle bei der Beigeladenen in jüngster Vergangenheit seien Bewertungsfehler bei den Qualitätskonzepten zu befürchten. Außerdem hätte die Beigeladene wegen wettbewerbswidriger Absprachen ausgeschlossen werden müssen.
9
Mit Schreiben vom 05.04.2023 antworteten die Antragsgegnerder Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Die Antragstellerin stellte daher mit Schreiben vom 05.04.2023 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
10
Die Antragstellerinträgt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Die Antragstellerin habe nur die in den Vergabeunterlagen aufgeführten Tatsachen bezüglich der Wertungssystematik gekannt, konnte aber auf Grund der Vermischung verschiedener Wertungssysteme und Wertungsmethoden nicht erkennen, dass die Vorgaben gegen vergaberechtliche Prinzipien verstoßen. Das Angebot der Beigeladenen sei ungewöhnlich niedrig und die deutlich höhere Qualität des Angebots der Antragstellerin spiegle sich nicht angemessen in der Qualitätsbewertung wieder. Das Ergebnis der Qualitätsbewertung sei für den Ausgang des Verfahrens zudem fast ohne Bedeutung, da der enge Preiskorridor die angebotenen Preise überproportional abwerte. Außerdem habe die Beigeladene die Vergabeunterlagen unzulässig geändert, da sie weder binnen 30 Minuten ein Ersatzfahrzeug bereitstellen könne, noch bis zur Betriebsaufnahme die benötigten Fahrzeuge beschaffen könne und zudem bekannt sei, dass es in der Vergangenheit bei den von der Beigeladenen betriebenen Linien häufig zu Ausfällen gekommen sei.
11
Zudem seien die Kombination aus Schulnoten, Wertungspunkten und Durchschnittsnoten in Verbindung mit der Punktvergabe durch eine fünfköpfige Wertungskommission intransparent und sachwidrig. Es fehle an einem nachvollziehbaren Schema für die Abstufungen zwischen den Noten bei der Vergabe von Zwischennoten, so dass der Bewertungskommission hier ein nahezu unbegrenzter und nicht nachprüfbarer Bewertungsspielraum verbleibe. Die Bewertungsvorgaben seien auch sachwidrig, da nicht die Qualität der Leistung, sondern die Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit des Konzepts bewertet werde. Die dokumentierte Begründung der Bewertung beschränke sich zudem auf Floskeln und sei mangels Details nicht nachvollziehbar. Insbesondere gebe es häufig keinerlei Begründung von Abwertungen von Konzepten. Schließlich arbeiteten in der Vergabestelle der Antragstellerin auch ehemalige Mitarbeiter der Beigeladenen, die bei dieser teilweise in leitender Position tätig gewesen seien, so dass die Objektivität und Integrität des Wertungsvorgangs bereits nicht gewährleistet sei.
12
Die Beigeladene müsse zudem wegen der Beteiligung an kartellrechtswidrigen Absprachen hinsichtlich des ÖPNV in der Region A… vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Die Strafprozesse gegen einen noch aktuellen und einen früheren Geschäftsführer der Beigeladenen seien zwar gegen Geldbuße eingestellt worden, die Antragsgegner hätten jedoch den Gründen für die Einstellung nachgehen müssen.
13
Die Antragstellerin beantragt
- 1.
-
gegen die Antragsgegner das Nachprüfungsverfahren einzuleiten,
- 2.
-
die Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzusetzen,
- 3.
-
der Antragstellerin Akteneinsicht gemäß § 165 GWB zu gewähren,
- 4.
-
die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären,
- 5.
-
den Antragsgegnern die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen.
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Die Antragsgegner beantragen
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angefallenen Kosten der Antragsgegner zu tragen.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegner wird für notwendig erklärt.
15
Zur Begründung tragen die Antragsgegner vor, dass das Vorbringen der Antragstellerin bezüglich der intransparenten und sachwidrigen Bewertungsvorgaben bereits präkludiert sei, da die Antragstellerin dies erstmals in ihrem Rügeschreiben vom 04.04.2023 und damit nach Ablauf der Angebotsfrist vorgebracht habe. Die von der Antragstellerin beanstandeten Bewertungssystematiken waren alle ausführlich in den Vergabeunterlagen beschrieben und die Antragstellerin wäre damit in der Lage gewesen, die nun monierten Fehler vor der Abgabe ihres Angebots zu erkennen.
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Das Angebot der Beigeladenen sei auch von den Antragsgegnern überprüft worden. Die Aufgreifschwelle sei nicht erreicht, so dass für eine vertiefte Prüfung keine Veranlassung bestanden habe. Die Antragsgegner haben insbesondere überprüft, ob die Beigeladene die Vorgaben der Vergabeunterlagen mit ihrem Angebot einhalte und haben keine Anhaltspunkte dafür finden können, dass dies nicht der Fall sein sollte. Insbesondere seien die eingereichten Unterlagen bezüglich der Bereitstellungszeit von Ersatzfahrzeugen und zur Fahrzeugbeschaffung bis zur Betriebsaufnahme geprüft worden. Eine weitergehende Prüfpflicht bestehe erst, wenn konkrete Anhaltspunkte vorlägen, die Zweifel am Leistungsversprechen begründen würden.
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Bezüglich der Preisbewertungsmethode sei für die Bieter klar ersichtlich gewesen, dass der Preis als wesentliches Zuschlagskriterium ausgestaltet worden sei. Insbesondere war die monierte Bandbreite von 15% von vornherein in den Ausschreibungsunterlagen aufgeführt gewesen und damit klar erkennbar, dass ein Angebot, dass nicht mehr innerhalb der Bandbreite zu liegen käme, keine Punkte mehr erhalte. Da der zu erwartende Gesamtausgleich pro Jahr in absoluten Zahlen als sehr hoch zu bezeichnen sei, sollte die angegebene Bandbreite und die Berechnungsmethode einen Anreiz für Angebote mit möglichst niedrigen Kosten setzen. Das Zuschlagskriterium der Qualität bestehe aus den Unterkriterien Einsatz-, Betriebs- und Personalkonzept, wozu jeweils in den Ausschreibungsunterlagen transparent und detailliert beschrieben werde, welche Inhalte nachgefragt würden und welche Punkte insoweit erzielt werden könnten. Die gegen die Zusammensetzung der Jury erhobenen Vorwürfe seien unbegründet und haltlos.
18
Bezüglich der Vorwürfe des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Beigeladenen hätten sich die Antragsgegner umfassend mit den gegen die Beigeladenen erhobenen Vorwürfen auseinandergesetzt und die erforderliche Aufklärung vorgenommen. Die Antragsgegner sähen jedoch die Ausschlusstatbestände des § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 GWB als nicht erfüllt an.
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Mit Beiladungsbeschluss vom 24.05.2023 wurde die Beigeladene beigeladen und beantragt
1. Die Nachprüfungsanträge werden zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur Rechtsverfolgung angefallenen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Beigeladene wird für notwendig erklärt.
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Die Beigeladene trägt vor, dass die Voraussetzungen eines Ausschlusses nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 GWB nicht erfüllt seien. Die Antragsgegner seien insoweit ihrer Aufklärungspflicht auch nachgekommen. Bei dem Verfahren beim Bundeskartellamt habe es sich um ein sogenanntes Verwaltungsverfahren gehandelt, in dem allein die Struktur der Beteiligungsverhältnisse an der B…, der Holdinggesellschaft der Unternehmen, die mittelbar über die B… an der Beigeladenen beteiligt waren, geprüft worden sei. Das Bundeskartellamt habe ausdrücklich und bewusst davon abgesehen, Bußgeldverfahren gegen die Beigeladene bzw. weitere in der Region S… / O… tätige Busunternehmen einzuleiten. Dies sei unter anderem deshalb geschehen, da die Staatsanwaltschaft A… bzw. das LG A… die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Aspekte des Vorgangs geprüft habe. Sämtliche beim Landgereicht A… anhängigen Verfahren seien eingestellt worden. Das Verfahren gegen die damaligen Geschäftsführer der Beigeladenen sei nach § 153a StPO eingestellt worden. Es lägen daher insbesondere keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen von Vereinbarungen vor, die i.S.d. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken würden. Auch seien keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass nachweislich schwere Verfehlungen begangen wurden, die die Integrität der Beigeladenen infrage stellen könnten. Solche Nachweise verlange aber § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB.
21
In der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2023 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme.
22
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
23
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
24
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
25
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB. Die Antragsgegner sind Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.
26
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
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1. Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig.
28
1.1. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerinhat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch den ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis der Beigeladenen, unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen durch die Beigeladene, die Wertung ihres Angebots sowie den unterlassenen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen wegen wettbewerbswidriger Absprachen geltend gemacht.
29
1.2. Die von der Antragstellerin erhobenen Rügen hinsichtlich der Wertungsmethodik des Preises und der Bewertungsvorgaben für die Konzepte sind nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert, da die Antragstellerin die dazu geltend gemachten Verstöße aus den Vergabeunterlagen hätte erkennen können und spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Abgabe der Angebote hätte rügen müssen.
30
Der Maßstab für die Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes i.S.v. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 GWB ist ein objektiver; es kommt darauf an, was ein fachkundiges Unternehmen des angesprochenen Bieterkreises bei Anwendung der im Vergabeverfahren üblicherweise anzuwendenden Sorgfalt zu erkennen vermochte. Dabei kommt es nicht nur auf die Erkenntnismöglichkeiten in tatsächlicher Hinsicht an, sondern die Erkennbarkeit muss sich auch auf die rechtliche Beurteilung beziehen. Insoweit dürfen keine überspannten Anforderungen an die Rechtskenntnisse von Wirtschaftsteilnehmern gestellt werden. Ein Bieter muss jedoch dann, wenn bei der Beschäftigung mit den Ausschreibungsunterlagen Ungereimtheiten oder möglicherweise wettbewerbsverzerrende Effekte ohne weiteres ersichtlich sind, auch laienhaft und für sich selbst eine Beurteilung vornehmen, ob hierin möglicherweise ein Vergaberechtsverstoß liegt. Voraussetzung für die Begründung einer Rügeobliegenheit ist nicht etwa eine rechtliche Gewissheit vom Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes, sondern es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die konkrete Maßnahme des öffentlichen Auftraggebers, hier die Ausgestaltung der Wertungsmatrix, vergaberechtswidrig ist. Dabei ist ausreichend, dass der Bieter erkennen kann, dass mit der konkreten Maßnahme des öffentlichen Auftraggebers eine Verschlechterung seiner Zuschlagschance verbunden sein kann, die er für sachlich nicht gerechtfertigt hält (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 01.03.2021 – 7 Verg 1/21).
31
1.2.1. Die Antragstellerin hätte gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB die erstmalig im Schriftsatz vom 19.07.2023 vorgebrachte Beanstandung, dass durch die Preisbewertungsmethode bereits minimale Abstände zum niedrigsten Angebotspreis empfindliche Punktabzüge zur Folge haben und in der Konsequenz die Qualitätsbewertung faktisch bedeutungslos würde, vor Abgabe ihres Angebots rügen müssen.
32
Die Preiswertungsmethode war zusammen mit der Berechnung der Bandbreite für die wertungsrelevanten Angebote auf Seite 23 der Ausschreibungsunterlagen detailliert beschrieben und vollständig transparent gemacht. Für jeden fachkundigen Bieter bestand damit die Möglichkeit, anhand verschiedener Angebotsstrategien deren Erfolgsaussichten abzuschätzen. Ein Bieter, der sich im Rahmen seiner Angebotserstellung mit den möglichen Angebotsstrategien bezüglich eines Verhältnisses von Angebotspreis und angebotener Qualität beschäftigt, war eindeutig zu erkennen, dass nur Angebote, die sehr nahe am günstigsten Angebot liegen, in der Preisbewertung noch eine signifikante Anzahl an Punkten erhalten können und damit eine reelle Chance auf den Zuschlag haben. Mit einfachen mathematischen Überlegungen konnte ein Bieter berechnen, dass Angebote, welche mehr als ca. 7% über dem preislich günstigsten Angebot liegen, den Preisvorsprung des günstigsten Angebots auch bei voller Punktzahl in den Qualitätskriterien nicht mehr aufholen können. Aus den Beschreibungen der Wertungsmethode für den Preis und der maximal erreichbaren Anzahl für die Punkte bei der Qualität, konnte ein Bieter im Rahmen der Abwägung seiner Angebotsstrategie damit erkennen, dass der Angebotspreis für Zuschlagschance des Angebots die absolut entscheidende Rolle spielt und ein teureres, aber qualitativ hochwertiges Angebot bei der Ausgestaltung der konkreten Angebotswertung deutlich schlechtere Zuschlagschancen hat als ein günstigeres Angebot, das nicht oder nur wenig über die in den Vergabeunterlagen geforderten Qualitätsstandards hinausgeht.
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Aus der konkreten Ausgestaltung der Preis- und Qualitätswertung, die der Erstellung des Angebots in konzeptioneller und kalkulatorischer Hinsicht zentral zugrunde liegt, waren die Auswirkung von verschiedenen Angebotsstrategien bei Preis und Qualität für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter erkennbar, einschließlich des Vorteils einer Niedrigpreis-Strategie. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war für eine Erkennbarkeit der vermeintlichen Vergaberechtswidrigkeit keine spezielle Vergaberechtskenntnis oder die Auswertung verschiedener vergaberechtlicher Entscheidungen durch den angesprochenen Bieterkreis notwendig. Einem Bieter in der Situation der Antragstellerin musste bewusst sein, dass die Methode der Punkteverteilung hinsichtlich des Zuschlagskriteriums Preis auch zu seinem Nachteil im Wettbewerb gereichen konnte, und er konnte in der Laiensphäre durchaus beurteilen, ob er diese Wettbewerbsbedingungen annehmen und akzeptieren will oder nicht. Genau hierauf stellt die Rügeobliegenheit i.S.v. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ab: Der Bieter soll sich frühzeitig, schon während der Angebotserstellung, entscheiden, ob er eine Vorgabe des öffentlichen Auftraggebers in den Ausschreibungsunterlagen hinnimmt oder sie als einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Wettbewerbs ansieht und wegen der damit verbundenen Gefahr der Verschlechterung seiner Zuschlagschancen gegenüber dem Auftraggeber auf deren Abänderung vor Ablauf der Angebotsfrist dringt (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 01.03.2021 – 7 Verg 1/21).
34
1.2.2. Die Antragstellerin hätte gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB die erstmalig in der Rüge vom 04.04.2023 vorgebrachte Beanstandung, dass die Bewertungsvorgaben für die Konzepte intransparent und sachwidrig seien, vor Abgabe ihres Angebots rügen müssen.
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Ein Bieter muss immer dann, wenn bei der Beschäftigung mit den Ausschreibungsunterlagen Ungereimtheiten oder intransparente Vorgaben ersichtlich sind, zumindest laienhaft und für sich selbst eine Beurteilung vornehmen, ob hierin möglicherweise ein Vergaberechtsverstoß liegt. Voraussetzung für die Begründung einer Rügeobliegenheit ist nicht etwa eine rechtliche Gewissheit vom Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes, sondern es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die konkrete Maßnahme des öffentlichen Auftraggebers, hier die Bewertungsvorgaben für die Konzepte, vergaberechtswidrig ist und mit der konkreten Maßnahme des öffentlichen Auftraggebers eine Verschlechterung seiner Zuschlagschance verbunden sein kann, die er für sachlich nicht gerechtfertigt hält.
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In den Vergabeunterlagen sind für die für das Zuschlagskriterium „Qualität der Dienstleistung“ einzureichenden Konzepte (Einsatzkonzept, Betriebskonzept, Personalkonzept) umfangreiche Vorgaben und Erläuterungen gemacht worden. Die Bewertungsmethode für die verschiedenen Konzepte wurde ausführlich und individuell für jedes einzureichende Konzept beschrieben. Dabei wurden sowohl die Themenfelder, zu denen die Antragsgegner Aussagen erwarteten, als auch das Bewertungsschema, die Zusammensetzung der Bewertungskommission sowie das Vorgehen zur Ermittlung der Wertungspunkte benannt. Zusätzlich haben die Antragsgegner ein ausführliches Rechenbeispiel zu jedem der Unterkriterien beigefügt.
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In ihrer Gesamtheit ist die Konzeptwertung zunächst durchaus komplex, kann aber denklogisch in ihre diversen Einzelaspekte – nämlich Erwartungshorizont, Bewertungsmatrix, Besetzung der Bewertungskommission sowie Berechnung der Noten und Bewertungspunkte – zerlegt werden und ist damit für einen durchschnittlichen Bieter auch jeweils in diesen Einzelteilen erfassbar und verständlich, so dass die Antragstellerin etwaige Unklarheiten oder sachwidrige Vorgaben hätte rügen können. Die Antragstellerin hat auch keine konkreten Punkte vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass erst durch das Zusammenspiel der einzelnen Aspekte der Wertung eine besondere Intransparenz oder Diskriminierung entstehen würde, die über den Vorwurf der reinen Komplexität der von den Antragsgegnern gewählten Bewertungsmethode hinausgeht.
38
2. Der Nachprüfungsantrag istjedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegner, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, nicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
39
2.1. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auszuschließen. Zwar haben sich die Antragsgegner nicht im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums gehalten, als sie zu dem Ergebnis gelangt sind, dass bis auf die Würdigung des Gerichts, dass es sich bei der Beigeladenen um ein kartellrechtswidriges Gemeinschaftsunternehmen handeln könnte, keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein i.S.d. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB wettbewerbswidriges Verhalten der Beigeladenen erkennbar sei. Allerdings ist der zulässige Zeitraum für einen Ausschluss der Beigeladenen in Bezug auf alle im Verständigungsgespräch vom 26.07.2022 benannten Anhaltspunkte für ein kartellrechtswidriges Verhalten der Beigeladenen nach § 126 Nr. 2 GWB bereits abgelaufen.
40
2.1.1. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB sieht die Möglichkeit des Ausschlusses eines Unternehmens vor, wenn der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.
41
An die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Anhaltspunkte für eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung sind strenge Anforderungen zu stellen. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf, der sich die Vergabekammer anschließt, liegen hinreichende Anhaltspunkte im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB vor, wenn aufgrund objektiver Tatsachen die Überzeugung gewonnen werden kann, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt wurden, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt haben. Die Tatsachen beziehungsweise Anhaltspunkte müssen so konkret und aussagekräftig sein, dass die Verwirklichung eines Kartellverstoßes zwar noch nicht feststeht, jedoch hierüber nahezu Gewissheit besteht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2018 – Verg 39/17). Der öffentliche Auftraggeber muss hierfür keinen Nachweis über den Rechtsverstoß erbringen, es genügt vielmehr, dass er über „hinreichende Anhaltspunkte“ für eine Vereinbarung oder ein abgestimmtes Verhalten zur Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs verfügt. Damit wird offenbar dem Umstand Rechnung getragen, dass wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen in der Praxis nur schwer – nämlich in der Regel nur durch aufwändige kartellbehördliche Ermittlungen – nachweisbar sind (Beck VergabeR/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 124 Rn. 57).
42
Die Antragsgegner haben sich unzulässiger Weise auf den Standpunkt zurückgezogen, dass nach der Einstellung des gegen die (ehemaligen) Geschäftsführer der Beigeladenen geführten Strafverfahren gegen Geldauflage gemäß 153a Abs. 2 StPO sowie der Einstellung des Kartellverwaltungsverfahrens und des Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Beigeladene keine hinreichenden Anhaltspunkte im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB vorlägen.
43
Aus dem von der Beigeladenen vorgelegten Protokoll über das Verständigungsgespräch vor dem Landgericht A… vom 26.07.2022 ergeben sich jedoch mehrere Anhaltspunkte, die laut der vorläufigen Einschätzung des Vorsitzenden auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme stark auf einen Verstoß gegen § 1 GWB hindeuten. Die Antragsgegner hätten bei einer derartigen Formulierung im Verständigungsprotokoll die zehn explizit aufgeführten Sachverhalte und Begründungen jeweils detailliert bewerten und eine Entscheidung darüber treffen müssen, ob dies ein hinreichender Anhaltspunkt ist. Den Aussagen des Vorsitzenden der 7. Strafkammer des Landgerichts A… ist immerhin eine Beweisaufnahme vorangegangen und es wurden konkrete Vorkommnisse mit Namen und Daten sowie den entsprechenden Beweismitteln wie Protokollen der Gesellschafterversammlungen benannt, anhand derer die Antragsgegner den zugrundeliegenden Sachverhalt mit vertretbarem Aufwand weiter hätten ermitteln und diesen zur Grundlage ihrer Beurteilung machen können.
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Soweit die Antragstellerin im Schriftsatz vom 26.09.2023 vorträgt, dass die Beigeladene immer noch ein kartellrechtswidriges Gemeinschaftsunternehmen sei bzw. über die B… an einem kartellrechtswidrigen Gemeinschaftsunternehmen beteiligt sei, fehlt es hier derzeit bereits an den nötigen hinreichenden Anhaltspunkten nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB.
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Die Frage, ob die Beigeladene selbst ein kartellrechtswidriges Gemeinschaftsunternehmen sei, wurde zwar im Verständigungsgespräch erörtert, jedoch wurden hierzu gerade – im Gegensatz zu den konkreten einzelnen Absprachen im Verständigungsprotokoll vom 26.07.2022 – keine detaillierten Ausführungen und rechtlichen Erwägungen mitgeteilt, anhand derer die Antragsgegner diesem Vorwurf weiter nachgehen könnten. Insbesondere wurden weder vom Bundeskartellamt noch vom Landgericht A… irgendwelche Maßnahmen angeordnet, die auf die Beigeladene selbst als potentiell kartellrechtswidriges Gemeinschaftsunternehmen zielen. Insbesondere wurden in keiner der Einstellungen Entflechtungsmaßnahmen als Auflagen angeordnet. Hinsichtlich der von der Antragstellerin vorgetragenen kartellrechtswidrigen Beteiligung an der B… als Mutter der Beigeladenen enthalten weder der im Kartellverwaltungsverfahren ergangene Einstellungsbeschluss noch die in den Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren vor dem Landgericht A… ergangenen Beschlüsse oder der Vergabeakte beiliegenden Protokolle konkrete Tatsachenfeststellungen und rechtliche Hinweise. Die B… wird vielmehr überhaupt nur am Rande erwähnt, nämlich, dass ihre Gesellschafter als potentielle Zeugen für wettbewerbswidrige Absprachen in der Vergangenheit zwischen den einzelnen Busunternehmern gehört werden könnten.
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2.1.2. Die fehlerhafte Beurteilung der den Antragsgegnern vorliegenden Anhaltspunkte zu einem möglichen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht aus, da alle in dem Verständigungsprotokoll genannten Vorkommnisse, die hinreichende Anhaltspunkte begründen könnten, bereits so weit in der Vergangenheit liegen, dass die Frist für einen Ausschluss der Beigeladenen nach § 126 Nr. 2 GWB bereits abgelaufen ist.
47
Nach § 126 Nr. 2 GWB kann ein Unternehmen bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 124 GWB höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis ausgeschlossen werden. Mit dem Ereignis ist das in den jeweiligen Ausschlussgründen umschriebene „Fehlverhalten“ gemeint (Stolz in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 126 Rn. 9). Es hängt vom jeweiligen Ausschlussgrund ab, auf welches „betreffende Ereignis“ abzustellen ist (BT-Drs. 18/6281 S. 111). Beim Ausschlussgrund des Verstoßes gegen Wettbewerbsrecht nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB kann das betreffende Ereignis auch die Feststellung des Verstoßes gegen Wettbewerbsrecht durch die zuständige Kartellbehörde oder ein Gericht sein (vgl. EuGH, Urteil vom 24.10.2018 – Rs. C-124/17). Diese Entscheidung des EuGH ist auf den vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht übertragbar, weil über die ursprünglichen strafrechtlichen Vorwürfe gegen die Geschäftsführer der Beigeladenen aufgrund der Einstellung der Verfahren nach § 153 a Abs. 2 StPO gegen Geldauflage nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 16.01.1991 – 1 BvR 1326/90) gerade keine Entscheidung darüber getroffen wurde, ob der Beschuldigte die ihm durch die Anklage vorgeworfene Tat begangen hat oder nicht.
48
Auch das Kartellverwaltungsverfahren gegen die Beigeladene wurde von der 9. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts am 01.10.2020 eingestellt, da sie bereits die Verfolgung der Kartellordnungswidrigkeiten an die Staatsanwaltschaft A… abgegeben hat und diese Anklage vor dem Landgericht A… erhoben hat. Durch den Beschluss des Landgerichts A…, die Hauptverhandlung zu eröffnen, sah das Bundeskartellamt dem öffentlichen Interesse an der Verfolgung und Abstellung eines möglichen Kartellrechtsverstoßes damit Rechnung getragen. Auch hier liegt damit keine Feststellung eines Verstoßes gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften durch die zuständige Behörde vor, ab dem nach der Entscheidung des EuGH der Ausschlusszeitraum zu berechnen wäre.
49
Damit ist nach dem Wortlaut des § 126 GWB auf das „betreffende Ereignis“ abzustellen, wobei es nicht auf die Kenntnis des öffentlichen Auftraggebers von dem Ereignis, sondern vielmehr auf das Ereignis selbst ankommt. Die durch das Protokoll des Verständigungsgespräches vom 26.07.2022 ermittelten Verdachtsmomente stammen alle aus dem Jahr 2015 oder von davor. Aktuell sieht die Vergabekammer keine weiteren Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene sich neben denen in den Protokollen der Gesellschafterversammlung und des Arbeitskreises der B… erwähnten marktrelevanten Absprachen bis zum Jahr 2015, welche im Protokoll des Verständigungsgesprächs vom 26.07.2022 erwähnt werden, an nachweislichen weiteren Vereinbarungen oder Abstimmungen beteiligt hätte, welche den Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB erfüllen könnten. Der nach § 126 Nr. 2 GWB zulässige Zeitraum für Ausschlüsse nach § 124 GWB von höchstens drei Jahren wäre damit ab der letzten im Protokoll des Verständigungsgesprächs erwähnten Verständigung zu berechnen. Da diese aus dem Jahr 2015 stammt, wäre die Frist von drei Jahren bereits längst abgelaufen, selbst wenn man unterstellt, dass die im Protokoll erwähnten Handlungen den Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB erfüllen, so dass ein Ausschluss auf diese Handlungen nicht mehr gestützt werden könnte.
50
2.2. Die Antragsgegner waren nicht verpflichtet das Angebot der Beigeladenen auf Grund eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises nach § 60 Abs. 1 VgV aufzuklären.
51
Nach § 60 Abs. 1 VgV hat der öffentliche Auftraggeber, wenn Preis oder Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen, vom Bieter Aufklärung zu verlangen. Wann ein ungewöhnlich niedriger Angebotspreis und mithin eine Aufklärungspflicht des öffentlichen Auftraggebers vorliegt, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Frage der Unangemessenheit eines Preises kann sich nicht nur aufgrund des signifikanten Abstandes zum nächstgünstigen Gebot im selben Vergabeverfahren stellen, sondern gleichermaßen etwa bei augenfälliger Abweichung von in vergleichbaren Vergabeverfahren oder sonst erfahrungsgemäß verlangten Preisen (vgl. OLG München, Beschluss vom 21.05.2010 – Verg 2/10). Hinsichtlich des Preisabstands sind in der Rechtsprechung jedoch insoweit Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten. Diese Aufgreifschwelle ist jedenfalls bei einem Preisabstand von 20% zum nächsthöheren Angebot erreicht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.04. 2012 – Verg 61/11).
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Der Angebotsabstand zwischen den Angeboten der Beigeladenen und der Antragstellerin lag weit unter der Aufgreifschwelle von 20% und auch der Preisabstand zur Schätzung der Antragsgegner indizierte keine Preisaufklärung, da das Angebot der Beigeladenen über der Schätzung der Antragsgegner lag. Die Antragsgegner überprüften dennoch den Preisunterschied aus den mit den Angeboten eingereichten Unterlagen und kamen zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene als Bestandsauftragnehmerin ihre Erfahrungen mit der Erbringung der Dienstleistung bei der Preisgestaltung einbringen konnte und bei den einzusetzenden Fahrzeugen zulässige Einsparungen für sie möglich waren.
53
Die Vergabekammer sieht daher keine Anhaltspunkte dafür, die Entscheidung der Antragsgegner zu beanstanden, das Angebot der Beigeladenen bereits nicht als ungewöhnlich niedrig einzustufen.
54
2.3. Die Antragsgegner waren nicht verpflichtet das Angebot der Beigeladenen auf Grund unzulässiger Änderungen an den Vergabeunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen.
55
2.3.1. Die Antragsgegner haben die Übereinstimmung des Angebots der Beigeladenen mit den Vorgaben der Vergabeunterlagen zur Ersatzfahrzeugstellung im Vergabevermerk „Prüfung Wertung W…P 01“ ab Seite 45 geprüft. Sie sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass die vorgegebenen Mindestanforderungen an die Ersatzfahrzeugstellung eingehalten sind. Dazu haben sie die eingereichten Standorte und Kartenausdrucke überprüft sowie das von der Beigeladenen beschriebene Konzept zur Echtzeitüberwachung durch die Leitstelle einbezogen. Die Vergabekammer sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene die Vorgabe, dass Ersatzfahrzeuge innerhalb von 30 Minuten nach Ausfall eines Fahrzeugs bereitgestellt werden müssen, nicht einhalten kann. Die Beigeladene hat insbesondere mehrere Standorte für Ersatzfahrzeuge genannt, die in einem Radius liegen, welcher eine Bereitstellung innerhalb von 30 Minuten unter normalen Umständen plausibel erscheinen lässt.
56
2.3.2. Die Beigeladene hat ein Schreiben ihres Lieferanten über die Lieferzeiten für Neufahrzeuge vorgelegt, aus welchem hervorgeht, dass eine Lieferung der Neufahrzeuge für den Vollbetrieb mit dem in den Vergabeunterlagen zum Angebotszeitpunkt kalkulierten Zeiten möglich ist.
57
Ein Auftraggeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet ist, zu überprüfen, ob die Bieter ihre mit dem Angebot verbindlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werden. Er darf sich vielmehr auch ohne Überprüfung auf die Leistungsversprechen der Bieter verlassen. Eine Überprüfungspflicht des öffentlichen Auftraggebers ergibt sich nur dann, wenn konkrete Tatsachen das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.07.2015 – Verg 11/15).
58
Da die Antragstellerin außer der allgemeinen angespannten Marktlage keine weiteren konkreten Hinweise dazu vorgetragen hat aus denen zu schließen wäre, dass die Beigeladene das Leistungsversprechen nicht einhalten könne, und die Antragsgegner sich zudem die rechtzeitige Verfügbarkeit der Neufahrzeuge vom Lieferanten der Beigeladenen bestätigen haben lassen, durften die Antragsgegner zurecht auf dieses Leistungsversprechen der Beigeladenen vertrauen.
59
2.3.3. Auch bezüglich des Vortrags der Antragstellerin, dass die Schlechtleistungen der Beigeladenen in der Vergangenheit Zweifel an der Erfüllung ihres Leistungsversprechens begründen würden, kann die Vergabekammer keine Abweichung des Angebots von den Vergabeunterlagen erkennen. Soweit die Antragstellerin ausführt, die Beigeladene habe zu wenig Personal, weswegen im ersten Quartal häufiger Verkehrsdienstleistungen und der Schülerverkehr ausgefallen sein, ist allein in einer Schlechtleistung der Vergangenheit noch kein Indiz darin zu sehen, dass die Beigeladene nicht vorhat das Leistungsversprechen zu erfüllen. Die Antragsgegner hatten im Rahmen der Ausschreibung explizit ein Personalkonzept abgefragt, in welchem die Sicherstellung des erforderlichen Fahrpersonalbedarfs während der Vertragslaufzeit dargestellt werden sollte. Die Beigeladene hat für ihr eingereichtes Personalkonzept von der Bewertungsjury durchgehend die Note 1 bzw. 1,5 erhalten. Die Antragsgegner haben damit das Personalkonzept der Beigeladenen als vollständig, plausibel und realistisch umsetzbar bewertet. Die Vergabekammer kann keine weiteren Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Beigeladene ihr eingereichtes Personalkonzept nicht einzuhalten gedenkt und daher ihr Leistungsversprechen nicht erfüllen will oder kann.
60
2.4. Die Vergabekammer kann keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass für Personen in der Bewertungskommission ein Interessenskonflikt bestünde und diese nach § 6 Abs. 1 VgV nicht am Vergabeverfahren hätten mitwirken dürfen. Es besteht für ehemalige Beschäftigte eines Bieterunternehmens keine Vermutung eines Interessenskonflikts nach § 6 Abs. 3 Nr. 3 VgV. Grund für die Vermutung der Voreingenommenheit nach § 6 Abs. 3 Nr. 3 VgV ist das sich aus der engen rechtlichen und wirtschaftlichen Bindung an den Bieter ergebende Interesse, diesen bei der Vergabeentscheidung zu bevorzugen. Diese engen rechtlichen und wirtschaftlichen Bindungen enden jedoch mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, so dass für das Fortbestehen der Vermutung eines Interessenskonflikts über die Beendigung der Tätigkeit hinaus kein Raum besteht. Auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung konnte die Antragstellerin keine Anhaltspunkte für einen Interessenskonflikt vortragen, die über den Punkt, dass die betreffenden Personen früher bei der Beigeladenen beschäftigt waren, hinausgingen.
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2.5. Die Antragstellerin kann durch die vermeintlich fehlerhafte Wertung der von ihr eingereichten Konzepte nicht in ihren Rechten verletzt sein.
62
Da die Rüge der Antragstellerin hinsichtlich der Preisbewertungsmethode präkludiert ist und zudem die Bewertungsmethode für den Preis nach Auffassung der Vergabekammer wohl auch zulässig wäre, kann die Antragstellerin aufgrund des deutlich niedrigeren Preises der Beigeladenen durch eine etwaige fehlerhafte Bewertung ihres Angebots nicht in ihren Rechten verletzt sein. In der Preiswertung hat die Beigeladene mit dem günstigsten Angebotspreis die vollen 700 Punkte erhalten und die Antragstellerin nur 123 Punkte. Mit den maximal erreichbaren 300 Punkten für die Angebotswertung kann die Antragstellerin daher selbst dann nicht den ersten Rang erreichen, wenn sie die volle Punktzahl im Qualitätswettbewerb und die Beigeladene dort 0 Punkte erhielte.
63
3. Kosten des Verfahrens
64
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragstellerin.
65
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
66
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Für eine Reduktion der Gebühren aus Gründen der Billigkeit nach § 182 Abs. 3 Satz 6 GWB gab es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte (wie z.B. erhebliche Einsparungen beim Bearbeitungsaufwand).
67
Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraftverrechnet.
68
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegner beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
69
Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Über die Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei ist danach zu fragen, ob die Antragsgegner unter den Umständen des Falls auch selbst in der Lage gewesen wären, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.03.2020 – Verg 38/18). Bei durchschnittlich schwierigen Nachprüfungsverfahren wird bei einem öffentlichen Auftraggeber, der regelmäßig mit Vergabeverfahren betraut ist und eine eigene Vergabestelle unterhält, die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung nicht in jedem Fall bejaht werden können. Die anwaltliche Vertretung war im vorliegenden Fall allerdings dennoch erforderlich, da das Verfahren komplexe Fragen im Hinblick auf die Beurteilung der Voraussetzungen eines Ausschlusses nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB aufwarf sowie eine juristische Bewertung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Ausschlussgrundes auch im Hinblick auf vorangegangene strafrechtliche Ermittlungen erforderte. Damit geht der Streitstoff über die Themen hinaus, die eine fachkundige und mit juristischen Mitarbeitern besetzte Vergabestelle selbständig bewältigen können muss.
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Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09).
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Die Beigeladenehat sich durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag und die Stellung von Anträgen aktiv am Verfahren beteiligt. Hierdurch hat sie das gegenständliche Verfahren wesentlich gefördert und ein Kostenrisiko auf sich genommen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2014, VII-Verg 12/03).
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Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S. 1, S. 2 und 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Denn eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung kann im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB von der Beigeladenen nicht erwartet werden. Zur Verteidigung ihrer Rechte ist die Beigeladene hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie bezüglich des im Raum stehenden Ausschlusses nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auf anwaltliche Vertretung angewiesen.