Inhalt

VG München, Urteil v. 13.12.2023 – M 29 K 23.3876
Titel:

Feststellung der Unzulässigkeit einer Zwangsvollstreckung

Normenkette:
BayVwZVG Art. 22, Art. 37 Abs. 4
Leitsätze:
1. Art. 21 BayVwZVG erfasst Einwendungen, die den zu vollstreckenden Anspruch betreffen und fällt in die Entscheidungskompetenz der Anordnungsbehörde. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einstellung der Vollstreckung aufgrund des Vorliegens von Vollstreckungshindernissen ist in Art. 22 BayVwZVG geregelt, während Art. 37 Abs. 4 S. 1 BayVwZVG, wonach die Anwendung der Zwangsmittel einzustellen ist, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachkommt, einen Unterfall behandelt; Adressat der Verpflichtung ist die Vollstreckungsbehörde. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung, Erfüllung der Beseitigungsverpflichtung (verneint), Zwangsvollstreckung, Unzulässigkeit, Einstellung, Einwendungen, Entscheidungskompetenz, Anordnungsbehörde, Vollstreckungsbehörde, Vollstreckungshindernisse, Beseitigungsverpflichtung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 19.08.2024 – 1 ZB 24.248
Fundstelle:
BeckRS 2023, 51956

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung.
2
Im Rahmen von zwei Baukontrollen am ... Mai 2016 und am … August 2016 stellte der Beklagte fest, dass auf den Grundstücken des Klägers mit den Fl.Nrn. 633/17, 633/16, 633/19 und 633/3 (jeweils Gemarkung ...) jeweils eine Gabionenwand mit Betonsockel als Einfriedung errichtet worden ist. Mit Bescheid vom 18. April 2017 verpflichtete der Beklagte den Kläger, innerhalb von drei Monaten ab Bestandskraft des Bescheides die als Einfriedung errichtete Gabionenwand auf den Grundstücken Fl.Nrn. 633/17, 633/16, 633/19 und 633/3 (jeweils Gemarkung …) zu beseitigen (Nr. I). Für die nicht fristgerechte und nicht vollständige Erfüllung dieser Verpflichtung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,- € angedroht (Nr. II).
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Die hiergegen erhobene Klage des Klägers wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 25. September 2019 abgewiesen (M 29 K 17.2023). Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Mai 2020 wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt (1 ZB 19.2395). Eine hiergegen erhobene Anhörungsrüge des Klägers wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Juli 2020 zurückgewiesen (1 ZB 20.1382).
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Bereits am 17. Juli 2019 hat der Kläger die Grundstücke mit den Fl.Nrn. 633/16, 633/17 und 633/19 veräußert. Die Käufer, die Eheleute M... …, wurden am 18. September 2019 im Grundbuch eingetragen.
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Bei einer Baukontrolle am ... September 2020 wurde festgestellt, dass die Gabionenwand nach wie vor nicht beseitigt worden ist.
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Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 15. September 2020 das Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Beseitigung der Gabionenwand. Zur Begründung führt er aus, er sei davon ausgegangen, dass er angesichts einer früheren Genehmigung vom 10. Juli 1980 für eine Einfriedung keine Genehmigung für die Errichtung der Gabionenwand brauche. Grundstückseinfriedungen seien im verfahrensgegenständlichen Ortsbereich von … erlaubt. Das Verbot einer bestimmten Bauausführung setze indes eine – nicht vorliegende – Einfriedungssatzung der Stadt … voraus. Der zweite Bürgermeister der Stadt … habe ihm mündlich zugesagt, dass er die Gabionenwand errichten dürfe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass zwar die straßenseitige Gabionenwand, nicht aber die Einfahrtseinfriedungen als störend angesehen würden. Auch an der nahegelegenen Autobahn befinde sich eine Gabionenwand. Soweit sich das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 25. September 2019 auf die Landschaftsschutzverordnung beziehe, werde übersehen, dass diese mangels Bestimmung eines Schutzzwecks unwirksam sei.
7
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 teilte das Landratsamt … dem Kläger mit, dass angesichts der rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahren kein Raum für weitere Verhandlungen sei und man daher beabsichtige, den Bescheid nun zu vollziehen.
8
Der Beklagte erließ am 20. Oktober 2020 gegenüber den Eigentümern der Fl.Nrn. 633/17, 633/19 und 633/16, den Eheleuten M... …, eine Duldungsverfügung hinsichtlich der mit Bescheid vom 18. April 2017 gegen den Kläger angeordneten Beseitigung der ungenehmigt als Einfriedung errichteten Gabionenwand, ordnete den Sofortvollzug an und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,- € für jeden Verpflichteten an.
9
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2020, zugestellt am 30. Oktober 2020, stellte das Landratsamt gegenüber dem Kläger das mit der Anordnung vom 18. April 2017 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 2.000,- € fällig und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000,- € für den Fall an, dass der Kläger der Beseitigungsanordnung nicht innerhalb von zwei Monaten ab Bestandskraft dieses Bescheides nachkomme.
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Die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 15. September 2021 (M 29 K 20.6240) abgewiesen. Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Mai 2022 wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt (1 ZB 22.463).
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Nachdem eine Baukontrolle am ... Februar 2022 ergeben hat, dass die Gabionenwand unverändert ist, wurde mit Schreiben des Landratsamtes vom 22. März 2022 das Zwangsgeld in Höhe von 4.000,- € fällig gestellt und ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 8.000,- € angedroht.
12
Auch eine Baukontrolle am … August 2022 ergab keine Veränderung hinsichtlich der zu beseitigenden Gabionenwand, woraufhin das Landratsamt mit Schreiben vom 10. Oktober 2022 das Zwangsgeld in Höhe von 8.000,- fällig gestellt und einen Bescheid hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme erlassen hat (Ziffer 1). Die Kosten der Ersatzvornahme wurden auf 46.000,- € veranschlagt und der Kläger aufgefordert, diesen Betrag innerhalb von 6 Wochen nach Zustellung des Bescheides zu zahlen (Ziffer 2) .
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Die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil der erkennenden Kammer vom 18. Januar 2023 abgewiesen (M 29 K 22.5451). Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Juli 2023 wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt (1 ZB 23.548).
14
Der Kläger hat mit weiterem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom ... August 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben, mit der er die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung begehrt.
15
Er macht geltend, er habe die Gabionenwand zwischenzeitlich beseitigt, indem er die Rückseiten der Metallgitterkörbe sowie die Steinfüllungen entfernt habe. Es befinde sich nunmehr nur noch ein Metallgitterzaun auf einem Betonsockel entlang seiner Grundstücksgrenze. Bei den Einfahrtsschenkeln habe er keinen Rückbau vorgenommen, da diese nicht von der Beseitigungsverfügung erfasst gewesen seien. In den Gründen des Bescheides vom 18. April 2017 sei nämlich ausgeführt, dass der Kläger den vormals vorhandenen Maschendrahtzaun auf einer Länge von ca. 75 m durch eine Gabionenwand ersetzt habe. Lediglich die parallel zum Straßenverlauf erstellten Gabionenwände seien jedoch insgesamt 75 m lang. Einschließlich der Einfahrtsschenkel ergebe sich eine Gesamtlänge von mehr als 111 m. Der Bescheid sei daher zu unbestimmt. Auch sei eine Entfernung des Betonsockels nicht von der Verfügung erfasst, da dieser im Bescheid nicht genannt worden sei. Gabionenwände benötigten nämlich keinen Betonsockel. Damit sei insgesamt keine Gabionenwand mehr vorhanden, sodass er seiner Beseitigungsverpflichtung nachgekommen sei.
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Der Kläger beantragt,
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die Vollstreckung aus dem Bescheid des Landratsamts vom 18. April 2017 für unzulässig zu erklären.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt er vor, mit Beseitigungsanordnung vom 18. April 2017 sei die Beseitigung der Einfriedung als Gabionenwand für die Grundstücke Fl.Nr. 633/17, 633/16, 633/19 und 633/3 insgesamt angeordnet worden. Auch aus der Begründung des Bescheides ergebe sich nichts Anderes. Die konkrete Länge der Gabionenwand spiele keine Rolle. Die lediglich teilweise erfolgte Entnahme der Steinfüllungen aus den Metallgitterkörben ohne Rückbau der Gitterkörbe selbst sowie des Sockels erfülle nicht die Anforderungen der Beseitigungsanordnung.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
23
Dabei kann dahinstehen, ob das Begehren des Klägers im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 767 ZPO (vgl. VG Regensburg, U. v. 6.12.2018 – RN 2 K 16.1236 – juris) oder im Wege der Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO (vgl. VG München, B. v. 11.2.2022. M 6 E 21.6506 – juris; VG Köln, GB v. 13.12.2022 – 7 K 2375/22 – juris) gerichtlich geltend gemacht werden kann.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Unzulässigkeit einer Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid des Beklagten vom 18. April 2017.
25
Soweit er Einwendungen nach Art. 21, 22 VwZVG geltend macht, ist das Ziel, die Vollstreckung aus dem Verwaltungsakt für unzulässig zu erklären, d.h. die Vollstreckbarkeit zu beseitigen. Art. 21 VwZVG erfasst Einwendungen, die den zu vollstreckenden Anspruch betreffen und fällt in die Entscheidungskompetenz der Anordnungsbehörde. Die Einstellung der Vollstreckung aufgrund des Vorliegens von Vollstreckungshindernissen ist in Art. 22 VwZVG geregelt, während Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG, wonach die Anwendung der Zwangsmittel einzustellen ist, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachkommt, einen Unterfall behandelt; Adressat der Verpflichtung ist die Vollstreckungsbehörde (vgl. hierzu: Käß in: Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Kommentar, Stand: Februar 2019, VwZVG, Art. 22 Rn. 1, 3 f.).
26
Einen solchen Antrag hat der Kläger schon nicht gestellt.
27
Überdies ist der Kläger seiner Verpflichtung aus der Beseitigungsverfügung nach wie vor nicht nachgekommen.
28
Ausweislich Ziffer 1 des Bescheides vom 18. April 2017 ist der Kläger verpflichtet, „die als Einfriedung errichtete Gabionenwand auf den Grundstücken Fl.Nrn. 633/17, 633/16, 633/19, 633/ 3 Gemarkung …, zu beseitigen“. Eine Beschränkung auf eine zu entfernende Maximallänge enthält die Beseitigungsverfügung nicht. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Tenor des Bescheides insoweit auch nicht unklar oder unbestimmt. Hierbei ist unschädlich, dass die Länge der Gabionenwand in den Gründen des Bescheides zweimal fälschlicherweise mit einer Länge von 75m angegeben worden ist, denn auch die Ausführungen des Bescheides lassen an keiner Stelle die Annahme zu, es sei lediglich eine Teilbeseitigung verfügt worden.
29
Soweit der Kläger bislang lediglich die Steinfüllungen aus der parallel zum Straßenverlauf erstellten Gabionenwand entnommen und die Rückwand der Metallgitterkörbe entfernt hat, genügt dies im Übrigen ebenfalls nicht zur Erfüllung seiner Beseitigungsverpflichtung, denn verfügt wurde die vollständige Beseitigung der Gabionenwand. Ein bloßer Rückbau, wie ihn der Kläger vorgenommen hat, ist daher nicht ausreichend. Die Erfüllung der Verpflichtung tritt demzufolge erst dann ein, wenn sämtliche Bestandteile der Gabionenwand entfernt worden sind. Hierzu zählt auch das Betonfundament. Denn wenngleich eine solche für eine Gabionenwand möglicherweise technisch nicht zwingend notwendig sein mag, hat sich der Kläger bei Errichtung der Gabionenwand dazu entschieden, diese mit einem Betonfundament zu versehen, sodass letzteres zwingend als Bestandteil der Gabionenwand des Klägers anzusehen und damit auch zu beseitigen ist.
30
Die Klage ist nach alldem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.