Inhalt

AG München, Beschluss v. 13.03.2023 – 1533 M 36105/23
Titel:

Vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Nutzungsentschädigung, Elektronisches Dokument, Elektronischer Rechtsverkehr, Schuldnerverzeichnis, Sofortige Beschwerde, Vermögenslosigkeit, Mietrückstände, Aufhebung, Ersatzwohnraum, Verfahrenskosten, Beschlüsse des Amtsgerichts, Qualifizierte elektronische Signatur, Unpfändbarkeit, Beschwerdeschrift, Beschwerde gegen, Räumungsschutz, Rechtsbehelfsbelehrung, Gläubigerbefriedigung, Befriedigung der Gläubiger

Schlagworte:
Beschwerde, Einstellung der Zwangsvollstreckung, Mietrückstände, Räumungsschutz, Vermögenslosigkeit, Vollstreckungsinteresse, Schutzbedürfnis der Gläubigerin
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Beschluss vom 15.03.2023 – 14 T 3233/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 51835

Tenor

Der Beschwerde vom 13.03.2023 wird abgeholfen.
Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 10.03.2023 wird aufgehoben.

Gründe

1
Die Gläubigerseite hat mit Schreiben vom 13.03.2023 sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 10.03.2023 eingelegt und beantragt diesen aufzuheben.
2
Die Beschwerde wurde u.a. damit begründet, dass im jetzigen Verfahren der Schuldner zu 1) seit Mai 2022 die Miete/Nutzungsentschädigung von monatlich 4.650,00 EUR schuldig ist. Berücksichtigt man dabei die jetzige Einstellung der Zwangsvollstreckung bis 01.05.2023, so sind dies 12 Monate, mithin allein ohne Zinsen und Verfahrenskosten von 55.800,00 EUR die der Schuldner zu 1) als Schaden bei der Gläubigerin verursacht.
3
Die Schuldner hätten also schon im Mai 2022, als wiederum nach 2021 die Miete nicht bezahlt wurde, sich nach einer Ersatzwohnung umsehen müssen, und nicht erst jetzt. Eigentlich hätten die Schuldner bereits um Jahr 2021, als der erste Räumungsprozess lief, erkennen müssen, das sie die Miete für eine Villa in G.er Bestlage künftig nicht mehr stemmen können.
4
Die Gläubigerin verliert durch die Einstellung der Zwangsvollstreckung wiederum mehrere Monatsmieten, auch weil man die Villa renovieren wird müssen. Mithin sind das allein bei zwei Monatsmieten 9.300,00 EUR, die die Schuldner aufgrund ihrer Vermögenssituation bzw. Vermögenslosigkeit nicht die Miete/Nutzungsentschädigung zahlen können. Die Gläubigerin hat bereits ab dem 01.04.2023 Nachmieter gefunden.
5
Die Gläubwürdigkeit der Schuldner in Bezug auf einen Auszug zum 01.05.2023 und für das Bestehen von Ersatzwohnraum bestehen Zweifel.
6
Die Authentizität des neuen Mietvertrages und vor allem dessen Umsetzung wird bereits jetzt bestritten. Mit einem Auszug der Schuldner spätestens zum 01.05.2023 wird deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu rechnen sein.
7
Jeder vernünftige und rechtschaffende Vermieter lässt sich eine Mieterselbstauskunft geben. Da der Schuldner zu 1) amtsbekannt unpfändbar ist und dies auch durch ein öffentlich einsehbares Schuldnerverzeichnis dokumentiert ist, dürfte es dann nicht überraschen, wenn es dann mit dem Umzug und den neuen Vermieter nicht klappen sollte.
8
Den Schuldnern ist grundsätzlich Räumungsschutz zu gewähren, wenn ein neuer Mietvertrag vorgelegt wurde und der freiwillige Auszug innerhalb von 3 Monaten erfolgt. Ein mehrfacher Umzug und hieraus resultierende doppelte Umzugskosten können im Einzelfall eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung rechtfertigen (Zöller/Seibel ZPO § 765a Rn. 12; enger Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter ZPO § 765a Rn. 26).
9
Allerdings kann eine sittenwidrige Härte nur dann bejaht werden, wenn Ersatzwohnraum kurzfristig zur Verfügung steht und keine Mietrückstände bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Keinesfalls darf hier eine Einstellung erfolgen, wenn die Miete seit Mai 2022 in Höhe von monatlich 4.650,00 EUR nicht mehr bezahlt wurde und die Zahlung der Nutzungsentschädigung bis zum Auszugstermin nicht sichergestellt ist.
10
Aus einer Abfrage im Schuldnerverzeichnis vom 06.09.2022 ergibt sich für den Schuldner zu 1), dass eine Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen ist. Der Schuldner zu 1) kann daher als vermögenslos bezeichnet werden. Die Schuldnerin zu 2) hat zur Vermeidung der Mietrückstände nichts beigetragen und scheint daher zur Befriedigung der Gläubigerin nicht geeignet zu sein.
11
Die nicht bezahlte Nutzungsentschädigung liegt mittlerweile bei 55.800,00 EUR, hinzu kommen bislang angefallene Zinsen und Verfahrenskosten.
12
Das Schutzbedürfnis der Gläubigerin, die aufgrund ihres Titels ein erhebliches Vollstreckungsinteresse hat, ist im vollen Umfang zu würdigen. Bei der erforderlichen Abwägung ist das Interesse der Gläubigerin nach § 985 BGB begründet und durch Artikel 14 GG geschützt. Aufgrund der hohen Forderungen gegenüber den Schuldnern und der Vermögenslosigkeit kann ein weiterer finanzieller Ausfall der Gläubigerin nicht mehr zugemutet werden.
13
Durch den bereits eingetretenen Vermögensschaden bei der Gläubigerin sind die Schuldner durch § 765 a ZPO nicht weiter zu schützen.
14
Der Beschwerde der Gläubigerseite ist daher abzuhelfen und der Beschluss des Amtsgerichts München vom 10.03.2023 aufzuheben.