Titel:
Verurteilung wegen Mordes – Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe
Normenkette:
StGB § 211 Abs. 2 Var. 4
Leitsätze:
1. Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen nach der Rechtsprechung in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren. (Rn. 524) (redaktioneller Leitsatz)
2. Entscheidungserheblich sind demnach die Gründe, die den Täter in Wut oder Verzweiflung versetzt oder ihn zur Tötung aus Hass oder Eifersucht gebracht haben. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung, die sowohl die näheren Umstände der Tat sowie deren Entstehungsgeschichte als auch die Persönlichkeit des Täters und dessen Beziehung zum Opfer einschließt. (Rn. 525) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes ist dabei den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen. (Rn. 526) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ergibt sich das Tötungsmotiv aus einer Trennung vom Ehe-, Lebens- oder Intimpartner, kann für einen niedrigen Beweggrund sprechen, dass der Täter dem anderen Teil aus übersteigertem Besitzdenken das Lebensrecht abspricht, den berechtigten Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben bestrafen will oder dass er handelt, weil er die Trennung nicht akzeptiert und eifersüchtig ist. Gegen das Vorliegen eines niedrigen Beweggrundes kann dagegen sprechen, dass die Trennung zu tatbestimmenden und tatauslösenden Gefühlen der Verzweiflung und inneren Ausweglosigkeit geführt hat. Zu bedenken kann dabei auch sein, dass nicht selten der Täter die Trennung selbst maßgeblich zu verantworten hat. (Rn. 527) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, stellt für sich gesehen kein gegen die Annahme niedriger Beweggründe sprechendes Indiz dar. (Rn. 528) (redaktioneller Leitsatz)
6. In subjektiver Hinsicht erfordert die Annahme eines niedrigen Beweggrundes, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann. (Rn. 529) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mord, niedrige Beweggründe, Eifersucht, Wut, Trennung, übersteigertes Besitzdenken
Vorinstanzen:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 14.12.2022 – 1 StR 311/22
LG München I, Urteil vom 24.02.2022 – 2 Ks 124 Js 179130/15
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.07.2024 – 1 StR 229/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 51383
Tenor
I. Der Angeklagte S… S…, geboren am … in …,, ist schuldig des Mordes in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe.
II. Er wird deswegen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
III. Von der Mindestverbüßungsdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe gelten 3 Monate als vollstreckt.
IV. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Nebenklägers.
Angewandte Strafvorschriften:
§§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 52 StGB, 52 Abs. 1 Nr. 2b i.V.m. Anlage 2 Unterabschnitt 1 S. 1 WaffG
Entscheidungsgründe
1
Am 04.08.2015 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 05:44 Uhr und 05:58 Uhr tötete der Angeklagte im Schlafzimmer des Reiheneckhauses am ...weg in ... seine von ihm getrenntlebende Ehefrau O S durch einen im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe aufgesetzten Kopfdurchschuss, den er in Tötungsabsicht mit der in seinem Besitz befindlichen halbautomatischen Selbstladepistole, Fabrikat CZ, Modell 75, Kaliber 9 mm Luger, Waffennummer D2928, abfeuerte. O S verstarb unmittelbar infolge dieses Kopfdurchschusses an zentraler Lähmung. Der Angeklagte fasste seinen Tatentschluss spontan, nachdem er von dem ...-Chat der Getöteten mit einem anderen Mann Kenntnis erlangt hatte, in welchem sie sich an diesem interessiert gezeigt und diesem ein Foto von sich, auf dem sie lediglich BH und Slip trug, geschickt hatte (vgl. B., S. 14).
2
Durch die Tötung seiner getrenntlebenden Ehefrau wollte sich der Angeklagte für ihre Trennung von ihm rächen und sie zugleich für ihren Kontakt mit einem anderen Mann mit dem Tod bestrafen. Er war eifersüchtig und wütend darüber, dass seine Ehefrau nach ihrer Trennung von ihm bereits im Kontakt mit einem anderen Mann stand, sich an diesem interessiert gezeigt und diesem ein Foto von sich, auf dem sie lediglich BH und Slip trug, geschickt hatte. Der Angeklagte erkannte zudem, dass seine Hoffnung, seine Ehefrau zur Aufgabe ihres Trennungsentschlusses bewegen zu können, vergeblich gewesen war. Er war jedoch aufgrund seines übersteigerten Besitzdenkens nicht bereit, den von seiner Ehefrau gefassten Entschluss zur endgültigen Trennung von ihm sowie ihr Festhalten an dieser Entscheidung zu akzeptieren. Dabei war ihm bewusst, dass seine Ehefrau berechtigt war, über die Frage der Fortsetzung oder Beendigung ihrer Ehe eine freie und eigenständige Entscheidung zu treffen, und dass er überdies durch sein Verhalten gegenüber seiner …Jahre jüngeren Partnerin maßgeblich zum Scheitern ihrer Ehe beigetragen hatte.
3
Der Angeklagte war bei der Tat in vollem Umfang schuldfähig (vgl. C.IV., S. 98).
4
Die Tat des Angeklagten stellt sich strafrechtlich dar als Mord in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 52 StGB, 52 Abs. 1 Nr. 2b i.V.m. Anlage 2 Unterabschnitt 1 S. 1 WaffG (vgl. D., S. 102).
5
Das Tatmotiv des Angeklagten erfüllt das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe gemäß § 211 Abs. 2 Var. 4 StGB (vgl. D.I.4., S. 103).
6
Der Angeklagte, der das ihm zur Last gelegte Waffendelikt von Anfang an einräumte, bestritt bis zuletzt, O… S… vorsätzlich getötet zu haben (vgl. C.II., S. 24). Nachdem er zunächst einen erfolgreichen Suizid der Getöteten mit der unerlaubt in seinem Besitz befindlichen Schusswaffe behauptet hatte, gab er im weiteren Verlauf bis zuletzt vor, dass O… S… im Rahmen eines Unfallgeschehens zu Tode gekommen sei, als er den Versuch unternommen habe, sie von der Begehung eines Suizids mit der Schusswaffe abzuhalten, indem er versucht habe, ihr die Waffe abzunehmen. Allerdings ließ sich der Angeklagte hinsichtlich der Einzelheiten des Geschehens wechselnd und widersprüchlich ein (vgl. C.III.25.a., S. 66, C.III.25.b., S. 70, und C.III.25.c., S. 71).
7
Das Schwurgericht wertete die Einlassung des Angeklagten als Schutzbehauptung und gründete seine abweichende Überzeugung auf eine Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung gewonnenen Indizien und in Betracht zu ziehenden Umstände (vgl. unten C.III.25., S. 65, und C.III.28., S. 94).
8
Die in der Hauptverhandlung gewonnenen Indizien weisen unmittelbar auf die Täterschaft des Angeklagten in dem bezeichneten Sinn hin:
- Die Schmauchspurenbefunde an den Händen des Tatopfers sprechen gegen eine Schussabgabe durch die Getötete (vgl. C.III.25.d., S. 72).
- Der Schmauchspurenbefund an seinen Händen entlastet den Angeklagten nicht (vgl. C.III.25.e., S. 81).
- Die Ausrichtung der Stanzmarke an der Einschussverletzung im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe des Tatopfers spricht gegen eine Schussabgabe durch die Getötete und erst recht gegen eine mit der rechten Hand erfolgte Schussabgabe durch die Getötete (vgl. C.III.25.f., S. 83).
- Die Stanzmarke am Kopf der Getöteten belegt einen aufgesetzten Schuss. Ein solcher spricht gegen eine versehentliche Schussabgabe im Rahmen einer Rangelei (vgl. C.III.25.g., S. 85).
- Die Kopfhaltung der Getöteten im Zeitpunkt der Schussabgabe spricht gegen eine Rangelei um die Waffe (vgl. C.III.25.h., S. 86).
- Der Angeklagte hatte die Gelegenheit zur Begehung der Tat. Andere Personen scheiden als Täter aus (vgl. C.III.25.i., S. 87).
- Der Angeklagte hatte ein Motiv für die Tat (vgl. C.III.25.j., S. 88).
- Die Tat ist für den Angeklagten nicht persönlichkeitsfremd (vgl. C.III.25.k., S. 88).
9
Alle diese Indizien schließen sich wie ein Ring um den festgestellten Geschehensablauf. Dem Schwurgericht ist bewusst, dass es sich hierbei nicht um einen zwingenden Schluss handelt. Indes lassen die Indizien wegen ihrer Zahl und Geschlossenheit keinen vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen zu. Bei der Gesamtwürdigung hat das Schwurgericht die einzelnen Indizien gewichtet und in Beziehung zueinander gesetzt. Von wesentlicher Bedeutung für die Strafkammer waren der Schmauchspurenbefund an den Händen der Getöteten sowie die Lokalisation und Ausrichtung der Stanzmarke an ihrem Kopf.
10
Die denktheoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, bei welchem der Angeklagte den Abzug der Waffe nicht betätigt haben könnte, erachtet die Strafkammer bei einer Gesamtwürdigung der Indizien als so fernliegend, dass sie ausgeschlossen werden konnte. Auch die denktheoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, bei welchem der Angeklagte den Abzug der Waffe lediglich versehentlich betätigt haben könnte, erachtet das Schwurgericht vor dem gesamten Indizienhintergrund als so fernliegend, dass sie ebenfalls ausgeschlossen werden konnte.
11
Das Schwurgericht hat gegen den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt (vgl. E., S. 111). Die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten im Sinne des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB war nicht festzustellen (vgl. E.2., S. 111).
12
Es war eine Kompensation für rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung auszusprechen (vgl. F., S. 112). Hierbei hielt die Strafkammer eine Kompensation von 3 (drei) Monaten für angemessen (vgl. F.4., S. 114).
13
Eine Maßregel der Besserung und Sicherung war gegen den Angeklagten nicht zu verhängen (vgl. G., S. 115).
14
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO, wobei die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten und des Nebenklägers hiervon umfasst sind (vgl. H., S. 116).
15
Im Einzelnen hat das Schwurgericht Folgendes festgestellt:
A. Persönliche Verhältnisse
I. Lebenslauf und Werdegang
18
Im Jahr … reiste der Angeklagte nach Deutschland ein und hielt sich fortan in … auf, wo bereits seine Schwester, inzwischen verheiratete R…, mit ihrem Ehemann lebte. Auf deren Vermittlung heiratete der Angeklagte am 16.10.1987 deren … Freundin B… B… in der Hoffnung, hierdurch einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Als sich diese Hoffnung nicht erfüllte, kam es zu Gewalttätigkeiten des Angeklagten gegenüber seiner Ehefrau, woraufhin sich diese bereits zum Jahreswechsel 1987/88 wieder vom Angeklagten trennte und die Scheidung beantragte (vgl. unten A.I.3.b., S. 8).
19
Aufgrund einer Ausweisungsverfügung vom 19.01.1988 musste der Angeklagte Deutschland verlassen und kehrte nach … zurück. Dort heiratete er am 03.11.1988 auf Vermittlung seiner Schwester deren Arbeitskollegin, die … Staatsangehörige B… S…, inzwischen verheiratete B…, deren Familiennamen er annahm (vgl. unten A.I.3.c., S. 9). Infolgedessen kehrte der Angeklagte nach …zurück und erhielt einen Aufenthaltstitel.
20
Im Laufe der Jahre arbeitete der Angeklagte in … zunächst im Bereich der Verlegung und Reparatur von Kabeln, danach bei dem Unternehmen …, wo er mit dem Einbau von Autoradios betraut war, und anschließend bei einem Elektrounternehmen, wo sein Arbeitsverhältnis Anfang der 1990er Jahre durch einen Aufhebungsvertrag mit Abfindungszahlung beendet wurde.
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Danach war der Angeklagte längere Zeit arbeitslos, während seine damalige Ehefrau B… S… arbeitete und mit ihren Erwerbseinkünften im Wesentlichen den gemeinsamen Lebensunterhalt bestritt.
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Mitte der 1990er Jahre absolvierte der Angeklagte erfolgreich eine Schulung im Sicherheitsbereich bei der Industrie- und Handelskammer. Anschließend arbeitete er zunächst bei einer Sicherheitsfirma und danach bei, wo er etwa im Jahr 1998 O… K…, seine spätere Ehefrau und das Opfer der verfahrensgegenständlichen Straftat, kennenlernte.
23
Nach einer Operation wegen eines … im Jahr 1997 (vgl. unten A.II.1., S. 12) war der Angeklagte noch einige Jahre bei beschäftigt, übte allerdings seine Tätigkeit zunächst nur noch in eingeschränktem Umfang und schließlich gar nicht mehr aus, da er arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Bei ihm bestand eine depressive Symptomatik (vgl. unten A.II.1., S. 12). Sein Antrag auf Bezug einer Erwerbsminderungsrente, der zunächst scheiterte, war einige Jahre später schließlich erfolgreich. Seither ging der Angeklagte keiner Erwerbstätigkeit mehr nach und lebte mit seiner Familie von staatlichen Transferleistungen.
24
3. Der Angeklagte war in seinem Leben viermal verheiratet. Seine ersten drei Ehen wurden jeweils auf Antrag der Ehefrauen, die sich von ihm getrennt hatten, geschieden. Auch seine vierte Ehefrau, das Tatopfer, trennte sich vom Angeklagten und beabsichtigte, die Scheidung von ihm zu beantragen. Sie wurde jedoch vor der Umsetzung dieses Vorhabens am 04.08.2015 vom Angeklagten erschossen (vgl. unten B., S. 14).
25
a. Im Alter von etwa … Jahren heiratete der Angeklagte in …seine erste Ehefrau L… Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor. Im Jahr … wurde die Tochter M… geboren, im Jahr …der Sohn Z… Im Jahr … oder … verließ die Ehefrau des Angeklagten ihn und die beiden gemeinsamen Kinder aus unbekannten Gründen und beantragte die Scheidung, die einige Zeit später vollzogen wurde. Die beiden Kinder lebten nach dem Weggang ihrer Mutter bis zur Heirat des Angeklagten mit B… S… (vgl. unten A.I.3.c., S. 9) bei dessen Schwester S… R… in … Nach der Heirat des Angeklagten mit B… S… wurde ihm von einem … Gericht das Sorgerecht für die beiden gemeinsamen Kinder zugesprochen.
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b. Nach seiner Einreise nach Deutschland im Jahr 1987 (vgl. oben A.I.2., S. 7) heiratete der Angeklagte am 16.10.1987 im … Generalkonsulat in M. auf Vermittlung seiner zwischenzeitlich in M. lebenden Schwester S… R… deren … Freundin B… B… in der Hoffnung, hierdurch einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Nachdem der Angeklagte in der Ausländerbehörde der Stadt … erfahren hatte, dass sich diese Hoffnung nicht erfüllte, reagierte er seine Verärgerung hierüber nach der Rückkehr in die eheliche Wohnung an seiner Ehefrau ab, indem er dieser Schläge und Fußtritte versetzte, wodurch sie Prellungen, Hämatome und nicht unerhebliche Schmerzen erlitt. Überdies beschädigte er die seiner Ehefrau gehörende Wohnungseinrichtung.
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Fortan übte der Angeklagte nahezu täglich körperliche Gewalt gegenüber seiner Ehefrau aus, indem er sie am ganzen Körper mit Ausnahme des Kopfes schlug und trat, wodurch sie Schmerzen und zum Teil Hämatome erlitt. Zudem zeigte er sich eifersüchtig und besitzergreifend. Er verbot seiner Ehefrau nicht nur den Umgang mit anderen Männern, sondern auch, in ihrer Freizeit allein die Wohnung zu verlassen. So durfte B… B…beispielsweise weder allein zum Zigarettenholen gehen noch allein ihre Eltern besuchen.
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Eines Abends sperrte der Angeklagte seine Ehefrau und sich selbst im gemeinsamen Schlafzimmer ein, legte sich ins Bett und verlangte von B… B…, über mehrere Stunden regungslos neben dem Bett zu stehen, während er darin lag und sie beobachtete. Im weiteren Verlauf zog sich der Angeklagte Cowboystiefel an und trat auf seine Ehefrau ein, wodurch diese Hämatome am ganzen Körper erlitt. Voller Todesangst stellte B… B… Fluchtüberlegungen an und erwog sogar, aus dem Fenster der im vierten Obergeschoss gelegenen Wohnung zu springen, um zu versuchen, auf diese Weise auf den Balkon der im dritten Obergeschoss gelegenen Nachbarwohnung zu gelangen. Letztlich nahm sie von dieser Überlegung wieder Abstand, war jedoch fortan fest entschlossen, die erste ihr sich bietende Gelegenheit zu nutzen, um den Angeklagten zu verlassen und die Scheidung von ihm zu beantragen.
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Im Zeitraum um den Jahreswechsel 1987/88 herum waren der Angeklagte und seine Ehefrau gemeinsam mit einem Taxi auf dem Heimweg, als der Angeklagte das Taxi bei seiner Schwester anhalten ließ, um dieser einen kurzen Besuch abzustatten, während er seine Ehefrau im Taxi auf ihn warten ließ. Als sich der Angeklagte bei seiner Schwester aufhielt, erkannte B… B… darin die ersehnte Gelegenheit zur Flucht und forderte den Taxifahrer eindringlich auf, sofort mit ihr wegzufahren, weil der Angeklagte sie sonst umbringen werde. Nach einem kurzen Zögern kam der Taxifahrer dieser Aufforderung nach und fuhr B… B… auf ihre Bitte hin zu ihrer Cousine, die in den zu dem Restaurantbetrieb an ihrem Arbeitsplatz gehörenden Räumlichkeiten ein Zimmer bewohnte.
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Als der Angeklagte auf der Suche nach seiner Ehefrau noch am selben Abend in dem Restaurant erschien, um sie zurückzuholen, wurde B… B… von ihrer Cousine und dem Restaurantbetreiber vor ihm im Keller versteckt und zu ihrer Sicherheit dort eingesperrt. Gegenüber dem Angeklagten wurde ihre Anwesenheit erfolgreich geleugnet, woraufhin dieser wieder allein wegfuhr. Anschließend wurde B… B… in ein Krankenhaus verbracht, wo ihre durch die Misshandlungen des Angeklagten erlittenen Hämatome dokumentiert und medizinisch versorgt wurden. Danach wandte sich B… B… an ihren Vater, der mithilfe eines Rechtsanwalts für den Vollzug ihrer angestrebten Scheidung vom Angeklagten sorgte.
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c. Als der Angeklagte aufgrund einer Ausweisungsverfügung vom 19.01.1988 Deutschland verlassen musste und nach … zurückkehrte, ließ er seine beiden Kinder aus erster Ehe (vgl. oben A.I.3.a., S. 8) bei seiner Schwester in… zurück. Nachdem die Kinder während der kurzzeitigen Ehe des Angeklagten mit B… B… ebenfalls bei S… R… gelebt hatten, war diese nunmehr sehr darum bemüht, eine Ehefrau für den Angeklagten zu finden, die insbesondere auch bereit war, die Mutterrolle für dessen zwei Kinder zu übernehmen.
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Vor diesem Hintergrund machte sie ihre Arbeitskollegin B… S… mit den beiden Kindern bekannt und informierte sie, dass sich der Angeklagte in … aufhalte und einen … Aufenthaltstitel benötige, den er durch Heirat mit einer … Staatsangehörigen wie B… S… erlangen könne. Diese hatte kurz zuvor erfahren, dass sie selbst nicht in der Lage sei, Kinder zu bekommen. Da sie die beiden Kinder des Angeklagten sofort in ihr Herz geschlossen hatte, sah sie die Heirat des Angeklagten als einfache Möglichkeit an, fortan die Mutterrolle für zwei Kinder einnehmen zu können. Sie willigte deshalb in den Vorschlag ein, den Angeklagten, mit dem sie auf Vermittlung seiner Schwester telefonisch in Kontakt stand, in … zu heiraten. Gemeinsam mit S… R…fuhr B… S… daraufhin nach … und heiratete dort aus den genannten Gründen am 03.11.1988 den Angeklagten, der ihren Familiennamen annahm. Wenige Wochen nach der Heirat kehrte der Angeklagte nach … zurück und erhielt, wie von ihm angestrebt, einen Aufenthaltstitel. In der Folge wurde ihm von einem …Gericht das Sorgerecht für seine beiden Kinder aus erster Ehe zugesprochen. Danach lebten diese beim Angeklagten und seiner dritten Ehefrau B… S… in einer Wohnung am … in … bei … Im Januar 1989 misshandelte der Angeklagte seine Ehefrau erstmals körperlich. Anlass hierfür war, dass diese sich von einem Arbeitskollegen mit dem Auto hatte mitnehmen lassen. Vereinbarungsgemäß sollte B… S… nach der Arbeit zu S… R… fahren, wo sich der Angeklagte zu Besuch aufhielt. Um die Strecke schneller zurückzulegen, ließ sich B… S… von einem in der Nähe wohnenden Arbeitskollegen mit dem Auto mitnehmen, wovon sie dem Angeklagten nach ihrer Ankunft freudig erzählte. Dieser war hierüber jedoch verärgert und billigte es aus Eifersucht und übersteigerten Besitzdenkens nicht, dass seine Ehefrau mit einem anderen Mann im Auto mitgefahren war. Um seine Verärgerung hierüber abzureagieren und seine Ehefrau für ihr Verhalten zu bestrafen, versetzte er ihr nach der gemeinsamen Rückkehr in die eheliche Wohnung zahlreiche Faustschläge und Tritte am ganzen Körper, wovon B… S…zahlreiche Hämatome sowie Schwellungen im Gesicht davontrug. Sie begab sich danach in ärztliche Behandlung.
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Weniger als ein Jahr später kam es im Rahmen eines gemeinsamen Aufenthalts der Eheleute in der Geburtsstadt des Angeklagten zu einem weiteren körperlichen Angriff von diesem auf seine Ehefrau. Anlass hierfür war, dass B… S… einem Mann, der die beiden in …nach Hause gefahren hatte, zur Verabschiedung die Hand gereicht hatte. Der Angeklagte rügte danach seine Ehefrau, dass eine Frau einem Mann nur dann die Hand reichen dürfe, wenn sie dazu aufgefordert werde. Um sie für ihr Verhalten zu bestrafen und seine Verärgerung hierüber an ihr abzureagieren, versetzte der Angeklagte seiner Ehefrau wieder etliche kraftvoll ausgeführte Schläge, wodurch diese Schmerzen und Hämatome erlitt, und nahm ihr überdies ihren Reisepass weg.
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B… S… wollte sich zwar einerseits wegen der vom Angeklagten gegen sie verübten körperlichen Misshandlungen von diesem trennen, fühlte sich jedoch andererseits durch ihre sehr starke emotionale Bindung an dessen Kinder hieran gehindert, da sie unbedingt weiterhin die Mutterrolle für diese ausüben wollte. Sie beschloss deshalb, sich Aggressionen des Angeklagten, welcher Art auch immer, nicht länger gefallen zu lassen, und reagierte fortan gleichermaßen aggressiv. Sie war zudem fest entschlossen, sich im Falle eines weiteren körperlichen Angriffs des Angeklagten auch körperlich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Hierdurch gelang es ihr, den Angeklagten so weit in die Schranken zu weisen, dass keine weiteren körperlichen Misshandlungen mehr folgten und er sich auf verbale Aggressionen beschränkte, die sie entsprechend konterte.
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Im Jahr 1997 hielt es B… S… jedoch nicht mehr länger in der Ehe mit dem Angeklagten aus und trennte sich – wegen ihrer weiterhin vorhandenen Zuneigung zu dessen beiden Kindern schweren Herzens – von ihm. Die von ihr beantragte Scheidung von ihm erfolgte 1998.
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Nach der bereits vollzogenen Trennung überredete der Angeklagte B… S… zu einem Treffen mit ihm, um eine Einigung zu erzielen und im Guten auseinanderzugehen. Nach dem Treffen, das in einem Biergarten stattfand, machten sie sich am Abend des 04.08.1997 in ihrem bisherigen Familienfahrzeug gemeinsam auf den Heimweg, wobei der Angeklagte das Steuer übernahm.
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Auf der Fahrt wurde der Angeklagte verbal aggressiv und verlangte nachdrücklich, dass B… S… ihm künftig das Auto überlassen solle, wozu diese jedoch nicht bereit war, da es sich um ein Leasingfahrzeug handelte, dessen Vertrag allein auf sie lief und dessen Leasingraten sie allein zahlte. Um den psychischen Druck auf seine getrenntlebende Ehefrau hinsichtlich seiner Forderung zu erhöhen, fuhr der Angeklagte, der immer aggressiver wurde und fortwährend Drohungen ausstieß, in der Dunkelheit der Abendstunden mit dem Fahrzeug auf einem Waldweg tief in einen Wald hinein und verringerte dabei zunehmend die Geschwindigkeit.
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B… S… befürchtete, dass ihr in der Abgeschiedenheit des dunklen Waldes ein körperlicher Angriff des Angeklagten drohe, den sie nicht überleben werde. Voller Todesangst riss sie während der Fahrt die Fahrzeugtür auf, sprang aus dem fahrenden Pkw, rollte sich auf dem Boden ab und versteckte sich in der Dunkelheit des Waldes. Dort wartete sie, bis der Angeklagte mit dem Fahrzeug wieder rückwärts aus dem Wald herausgefahren war und sich mit diesem entfernt hatte. Danach begab sich B… S… zu Fuß ebenfalls aus dem Wald, verbrachte die Nacht in einem Hotel und suchte am nächsten Tag eine Polizeidienststelle auf, um mithilfe der Polizei den Besitz an ihrem Fahrzeug zurückzuerlangen, was ihr gelang. Zu dem Angeklagten hatte sie seither keinen Kontakt mehr.
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d. Etwa im Jahr 1998 lernte der Angeklagte an seinem Arbeitsplatz bei O… K…, seine spätere Ehefrau und das Opfer der verfahrensgegenständlichen Straftat, kennen und ging mit ihr eine Beziehung ein. Die Heirat folgte am 24.08.2002. Seither trugen beide Eheleute den gemeinsamen Familiennamen S… Aus der Beziehung und Ehe des Angeklagten mit dem Tatopfer gingen … gemeinsame Kinder hervor: Am 22.06.2015 vollzog O S die endgültige Trennung vom Angeklagten und beabsichtigte, sich von ihm scheiden zu lassen. Vor der Umsetzung dieses Vorhaben wurde sie am 04.08.2015 vom Angeklagten erschossen (vgl. unten B. I., S. 14).
40
Der Angeklagte ist inzwischen Großvater.
41
4. Der Angeklagte verfügt über Immobilieneigentum in . Am 17.01.2005 legte er die eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse ab. Er bezieht Erwerbsminderungsrente in Deutschland sowie eine Rente in und lebte seit Anfang der 2000er Jahre mit seiner Familie von staatlichen Transferleistungen. Darüber hinaus wurde über die aktuellen Vermögensverhältnisse und etwaige derzeitige Schulden des Angeklagten nichts bekannt.
II. Gesundheitszustand und Suchtmittelkonsum
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1. Der Angeklagte musste sich im Jahr 1997 einer Operation wegen eines unterziehen. Weder von dem noch von der Operation hat der Angeklagte bleibende Folgen davongetragen. Während der Untersuchungshaft in diesem Verfahren wurde der Angeklagte am 21.04.2020 einer weiteren Operation diesbezüglich unterzogen… Diese Operation verlief ebenfalls erfolgreich und folgenlos.
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Nach der Erstoperation wegen …bestand beim Angeklagten eine depressive Symptomatik, die er nach eigenen Angaben damals gegenüber den ihn behandelnden und begutachtenden Ärzten deutlich übertrieben dargestellt und zum Teil simuliert hatte, um die Erfolgsaussichten seines Antrags auf Bezug einer Erwerbsminderungsrente zu erhöhen, da er vorzeitig berentet werden wollte.
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Darüber hinaus hat sich der Angeklagte nicht in psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung begeben und im Laufe seines Lebens weder ernste Erkrankungen gehabt noch folgenschwere Unfälle – insbesondere unter Beteiligung des Kopfes – erlitten, durch die seine strafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB berührt sein könnte.
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2. Der Angeklagte trinkt Alkohol nur gelegentlich im sozialüblichen Rahmen. Illegale Betäubungsmittel hat er nie konsumiert. Einen Medikamentenmissbrauch hat er nie betrieben. Zur Tatzeit rauchte der Angeklagte noch Zigaretten. Inzwischen ist er seit einigen Jahren Nichtraucher.
III. Intelligenz und Persönlichkeit
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1. Beim Angeklagten, der die Mitwirkung an einer psychiatrischen Exploration verweigerte, weshalb auch keine testpsychologische Untersuchung durchgeführt wurde, liegt keine Intelligenzminderung von forensischer Relevanz vor. Nach dem klinischen Eindruck verfügt er über eine durchschnittliche bis knapp unterdurchschnittliche Intelligenzausstattung.
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Dieser Eindruck steht auch im Einklang mit seiner biografischen Entwicklung. Diese zeigt, dass der Angeklagte nicht nur über die Fähigkeit zur praktischen Lebensbewältigung im Alltag verfügt, sondern auch in der Lage war, nach dem regulären Schulbesuch in seiner Heimat eine Berufsausbildung als Elektriker zu absolvieren und danach in diesem Berufsfeld auch zu arbeiten. Ferner war er in der Lage, die Fremdsprache Deutsch so gut zu erlernen, dass er eine Schulung im Sicherheitsbereich bei der Industrie- und Handelskammer erfolgreich absolvieren und anschließend in diesem Berufsfeld auch arbeiten konnte. Für eine relevante hirnorganische Beeinträchtigung des Angeklagten bestehen keine Anhaltspunkte.
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2. Die Persönlichkeit des Angeklagten liegt innerhalb der normalpsychologischen Bandbreite. Eine Persönlichkeitsstörung liegt nicht vor. Im Umgang mit seinen Partnerinnen zeigte der Angeklagte aggressive und impulsive Persönlichkeitszüge. Diese sind jedoch nicht so stark ausgeprägt, dass sie zu tief verwurzelten, anhaltenden Verhaltensmustern führen würden, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen würden. So trat der Angeklagte etwa an den zahlreichen Hauptverhandlungstagen ohne erkennbare Anstrengung adäquat, höflich und freundlich auf. Relevante psychopathologische Auffälligkeiten zeigten sich bei ihm nicht.
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Der …-jährige Angeklagte ist nicht vorbestraft. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 16.08.2023 weist für ihn keine Eintragung auf.
50
Der Angeklagte wurde in diesem Verfahren erstmals am 11.12.2019 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts …vom 25.11.2019 (Az.: ER III Gs 12097/19), der ihm am 12.12.2019 eröffnet wurde, festgenommen. Seither befand sich der Angeklagte zunächst bis 24.02.2022 ununterbrochen in dieser Sache in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt … Am 24.02.2022 wurde der Haftbefehl mit Beschluss des Landgerichts …aufgehoben und der Angeklagte mit Urteil dieses Gerichts vom selben Tag vom Vorwurf des Mordes freigesprochen.
51
Nach der Aufhebung des landgerichtlichen Urteils vom 24.02.2022 durch den Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.12.2022 (Az.: 1 StR 311/22) und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts erließ das Landgericht München I am 28.03.2023 erneut Haftbefehl (Az.: 1 Ks 124 Js 179130/15) gegen den Angeklagten. Am 29.03.2023 wurde der Angeklagte aufgrund dieses Haftbefehls, der ihm am selben Tag eröffnet wurde, erneut festgenommen. Seither befand sich der Angeklagte wieder ununterbrochen in dieser Sache in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt …
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Der Angeklagte und seine … Jahre jüngere Ehefrau O… S…, das spätere Tatopfer, hatten sich etwa im Jahr 1998 an ihrem gemeinsamen Arbeitsplatz … kennengelernt und waren seit dem 24.08.2002 miteinander verheiratet. Ihre … gemeinsamen Kinder wurden am geboren. Der Angeklagte und O…S… gingen seit 1999 keiner Erwerbstätigkeit mehr nach und lebten in der Folge von staatlichen Transferleistungen, wobei das Arbeitsverhältnis des Angeklagten bei seitens der …GmbH erst im Jahr 2005 gekündigt wurde, obwohl er bereits seit dem Jahr 1999 keine Arbeitsleistung mehr erbracht hatte.
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Bei O S wurde im Jahr 1999 eine Epilepsie diagnostiziert, welche fortan eine dauerhafte medikamentöse Behandlung erforderlich machte. Überdies zog sich O S am 05.03.2000 bei einem Sturz vom Balkon der damals von dem Paar bewohnten Wohnung im fünften Obergeschoss des Anwesens … in … zahlreiche Frakturen zu, die in der Folge mehrere Operationen im Rahmen von stationären Krankenhausaufenthalten erforderlich machten. Beim Angeklagten, der sich im Jahr 1997 einer Operation wegen …hatte unterziehen müssen, bestand eine depressive Symptomatik. Sein Antrag auf Bezug einer Erwerbsminderungsrente, der zunächst scheiterte, war einige Jahre später schließlich erfolgreich. Am 01.11.2010 bezogen die Eheleute mit ihren Kindern ein … im weg in, dessen Mietkosten seither stets vollständig im Rahmen von staatlichen Transferleistungen beglichen wurden.
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O S wurde im Laufe der Jahre zunehmend unglücklich und unzufrieden in ihrer Ehe. Während der Angeklagte mit dem erreichten Zustand hinsichtlich des Lebensstandards und der Lebensgestaltung ohne Arbeit zufrieden war, hatte O S, als sie sich von ihren Sturzfolgen gesundheitlich erholt hatte und ihre Erkrankung an Epilepsie medikamentös gut behandelt war, Ambitionen und Zukunftswünsche für sich selbst und ihre Kinder. Anders als ihr Ehemann wollte sie ein Leben führen, in welchem Ziele verfolgt werden und auch Arbeit eine Rolle spielt. In ihren Vorstellungen bezüglich der Erziehung der gemeinsamen Kinder fühlte sie sich vom Angeklagten nicht unterstützt. Sie litt zudem unter seiner verbalen Aggressivität ihr gegenüber.
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Infolgedessen fasste O S Ende des Jahres 2011 den Entschluss, sich vom Angeklagten zu trennen und die Scheidung von ihm zu beantragen. Um Weihnachten 2011 herum fuhr sie deshalb allein nach und ließ den Angeklagten mit den gemeinsamen Kindern zu Hause zurück, um Abstand von ihm zu gewinnen und ihre Trennung von ihm in die Wege zu leiten. Mit E-Mail vom 29.12.2011 beauftragte O S einen Rechtsanwalt, sie im Scheidungsverfahren zu vertreten. Jedoch befürchtete sie in der Folge nachteilige Auswirkungen der Trennung auf das Wohlergehen ihrer Kinder, die sie unbedingt vermeiden wollte. Deshalb entschloss sie sich, zum Wohl ihrer Kinder die Ehe mit dem Angeklagten fortzusetzen und zu ihm zurückzukehren. Mit E-Mail vom 05.01.2012 nahm sie deshalb die Beauftragung des Rechtsanwalts für das Scheidungsverfahren zurück.
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In den folgenden Jahren nahm die Unzufriedenheit von O S in ihrer Ehe mit dem Angeklagten weiter zu. Sie fühlte sich von ihm bei der Umsetzung ihrer Ideen und Träume nicht unterstützt und vermisste bei ihm jegliches Interesse für die schulischen Belange ihrer gemeinsamen Kinder. Zudem fühlte sie sich überlastet, da sie sich nicht nur um die Kinder, sondern auch um sämtliche bürokratischen Angelegenheiten der Familie zu kümmern hatte, weil der Angeklagte damit nichts zu tun haben wollte. Darüber hinaus litt sie weiterhin unter seiner verbalen Aggressivität sowie ferner unter der psychischen Gewalt, die der bestimmende Angeklagte ihr gegenüber ausübte, indem er sie erniedrigte und ihr zugleich einredete, wie glücklich sie sein müsse, ihn als Partner zu haben, da er so viele Frauen haben könne, wie er wolle, während sie nur jemanden finden könne, der sie ausnutzen werde. Wiederholt gab O S dem Angeklagten zu verstehen, dass dieser sich ändern müsse, wenn ihm an einer Fortsetzung der Ehe mit ihr gelegen sei. Ihre Aufforderungen blieben jedoch erfolglos. Weder im Verhalten des Angeklagten noch in seiner Einstellung kam es zu einer nachhaltigen Veränderung.
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Infolgedessen reifte in O S in der ersten Hälfte des Jahres 2015 der Entschluss, sich nunmehr endgültig vom Angeklagten zu trennen und die Scheidung von ihm zu erwirken, da sie inzwischen zu der Überzeugung gelangt war, dass ihre Kinder bei einer Fortführung des Zusammenlebens mehr leiden würden als im Falle einer Trennung und Scheidung. Am 22.06.2015 hatte O S einen Termin bei der Schuldnerberatung wahrzunehmen und war verärgert darüber, dass sich der Angeklagte wie üblich nicht darum kümmerte. Aufgrund dieser Verärgerung fasste O S den Entschluss, ihr Vorhaben nunmehr in die Tat umzusetzen und die endgültige Trennung vom Angeklagten sofort zu vollziehen. Bei ihrer Rückkehr von dem Termin erklärte sie dem Angeklagten, dass sie nicht mehr könne und nicht mehr wolle; sie halte es mit ihm nicht mehr aus und werde sich nun endgültig von ihm trennen.
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Sie packte daraufhin ihre Sachen und zog gemeinsam mit ihrer ältesten Tochter, die erklärt hatte, bei ihrer Mutter bleiben zu wollen, sowie unter Mitnahme ihrer beiden Hunde aus dem ehelichen Haushalt im Anwesen weg,, aus. O S fuhr mit dem bislang als Familienfahrzeug genutzten Pkw, amtliches Kennzeichen, gemeinsam mit ihrer Tochter und den beiden Hunden nach zu ihrer Mutter N K, die im Anwesen Str., eine Eigentumswohnung bewohnte, in welcher sie sich allerdings die meiste Zeit des Jahres nicht aufhielt, da sie überwiegend in lebte. N K war damit einverstanden, dass ihre Tochter fortan mit ihrer Enkelin und den zwei Hunden in ihrer Wohnung lebte.
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O S veranlasste umgehend die einwohnermelderechtliche Ummeldung für sich und ihre Tochter und meldete diese zudem unverzüglich in einer schule in an, die diese fortan besuchte. Ferner beauftragte O S eine Rechtsanwältin mit der Wahrnehmung ihrer familienrechtlichen Interessen. Neben der Scheidung vom Angeklagten strebte sie vorrangig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder an und wollte mit allen Kindern im Anwesen weg,, leben, aus welchem der Angeklagte nach ihrem Wunsch ausziehen sollte. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.07.2015 wurde beim Amtsgericht – Familiengericht – ihr Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die gemeinsamen Kinder eingereicht, der dem Angeklagten zusammen mit einer gerichtlichen Ladung zu dem für den 26.08.2015 bestimmten familiengerichtlichen Anhörungstermin am 30.07.2015 zugestellt wurde.
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Nicht zuletzt hierdurch wurde dem Angeklagten die Endgültigkeit der von seiner Ehefrau vollzogenen Trennung deutlich vor Augen geführt. Allerdings war er nicht bereit, den Entschluss seiner Ehefrau, sich diesmal endgültig von ihm zu trennen, zu akzeptieren, und wollte sich mit einer Trennung nicht abfinden, weshalb er immer wieder telefonisch, per SMS und über den Messenger-Dienst ... den Kontakt mit ihr suchte. Er strebte die Fortsetzung der Ehe an, da er es sich in dieser bequem eingerichtet hatte und die praktizierte Aufgabenverteilung, wonach sich O S nicht nur um die Kinder, sondern auch um sämtliche bürokratischen Angelegenheiten der Familie zu kümmern hatte, weil der nicht erwerbstätige, frühberentete Angeklagte damit nichts zu tun haben wollte, vollständig seiner Wunschvorstellung entsprach.
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O S hielt an ihrem Trennungsentschluss jedoch unvermindert fest. Seit ihrem Auszug stand sie zwar mit dem Angeklagten telefonisch und über den Messenger-Dienst ... in Kontakt, da sie weiterhin um das Wohlergehen der gemeinsamen Kinder besorgt war, die sie regelmäßig beim Angeklagten in besuchte und zum Teil auch kurzzeitig zu sich nach holte, während sich unterdessen im Austausch beim Angeklagten aufhielt.
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Daneben genoss O S aber auch ihre seit dem Auszug aus dem ehelichen Haushalt erlangte Freiheit, suchte über die Online-Dating-Plattform „...“ Kontakt zu anderen Männern und traf sich in mit Männern, die sie von Anfang an offen über ihre aktuelle familiäre Situation informierte. Dabei zeigte sie sich an sexuellen Kontakten interessiert, ohne zugleich eine neue feste Partnerschaft anzustreben, und äußerte, dass sie zuvor erst einmal die Scheidung von ihrem Ehemann vollziehen wolle. Am Abend des 02.08.2015 traf sich O S mit H, den sie am 30.07.2015 über die Online-Dating-Plattform „...“ kennengelernt hatte an einem See in . Hierbei kam es zwar zum Austausch einiger Intimitäten, aber keinem weitergehenden Sexualkontakt.
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Am 03.08.2015 befand sich O S in einem akuten finanziellen Engpass. Um diesen bis zur nächsten Zahlung staatlicher Transferleistungen durch das Jobcenter, die sie für Mitte August erwartete, zu überbrücken, beabsichtigte sie, sich vom Angeklagten Geld zu leihen. Als dieser sie am 03.08.2015 um 22:13 Uhr anrief, sprachen sie in einem rund 35-minütigen Telefonat unter anderem darüber, am Folgetag vom Familienwohnsitz in aus gemeinsam einen Ausflug mit allen Kindern zu unternehmen. O S, die aufgrund ihrer Sorge um das Wohlergehen insbesondere auch der Kinder diesem Vorhaben positiv gegenüberstand, verwies hierbei auf ihren akuten finanziellen Engpass und äußerte, derzeit insbesondere kein Geld für Benzin zu haben. Die Aussicht, dass ihr der Angeklagte nach ihrer Ankunft in Geld für Benzin überlassen wolle, genügte O S nicht, da sie ihm insoweit misstraute und befürchtete, er werde ihr das in Aussicht gestellte Geld letztlich vorenthalten, um sie dadurch faktisch an der Rückfahrt nach zu hindern und somit zumindest eine vorübergehende Fortsetzung des Zusammenlebens im ehelichen Haushalt zu erzwingen. Deshalb schlug O S dem Angeklagten vor, dass dieser ihr vorab das Geld in übergeben solle. Sie kamen daraufhin überein, dass der Angeklagte seine von ihm getrenntlebende Ehefrau in besuchen könne, wenn er ihr Geld für Benzin mitbringe. Anschließend würden sie gemeinsam mit ihrer Tochter nach fahren und am nächsten Tag den avisierten Familienausflug unternehmen.
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Der Angeklagte sah darin eine günstige Gelegenheit, im Zuge des sich hieraus ergebenden persönlichen Kontakts seine Ehefrau endlich dazu bewegen zu können, ihren Trennungsentschluss aufzugeben und die Ehe mit ihm fortzusetzen. Er machte sich deshalb umgehend auf den Weg nach und ließ die gemeinsamen Kinder, die zum damaligen Zeitpunkt knapp Jahre alt waren, unbeaufsichtigt in dem von ihnen bewohnten Haus in allein zurück. Der Angeklagte begab sich mit dem Fahrrad zum S-Bahnhof, fuhr mit der S-Bahn zum und von dort mit dem Taxi zur Wohnung seiner in lebenden Schwester, um sich für die nächtliche Fahrt deren Pkw zu leihen. Mit diesem machte er sich anschließend auf den Weg nach .
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Unterdessen sandte O S um 23:51 Uhr über den Messenger-Dienst ... ein Foto ihres lediglich mit BH und Slip bekleideten Körpers, auf dem ihr neues, kurz zuvor gestochenes Bauchnabel-Piercing mit einem Kreuzanhänger gut zu sehen war, zusammen mit der Textnachricht
„Das wäre deins solange du willst; –)“ an ihren Bekannten D . Diesem hatte sie zuvor von ihrer Absicht, sich ein entsprechendes Piercing stechen zu lassen, erzählt. O S hatte D in kennengelernt und war an einer zumindest sexuellen Beziehung mit ihm interessiert. Er hatte ihr jedoch bei einer persönlichen Begegnung bereits unmissverständlich mitgeteilt, aufgrund ihrer familiären Situation an einer Beziehung mit ihr – und sei sie auch nur rein sexueller Art – nicht interessiert zu sein. Diese Haltung wiederholte D auch in Textnachrichten, die er im Anschluss an das übersandte Foto per ...-Chat mit O S austauschte, während diese ihr Begehren ihm gegenüber zum Ausdruck brachte. Mit der Entgegnung, dass er ein Monster sei, beendete D um 23:59:45 Uhr von seiner Seite diesen Chat und reagierte nicht mehr auf die nachfolgenden vier Textnachrichten, die O S bis 00:21 Uhr an ihn versandte.
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Der Angeklagte traf am 04.08.2015 gegen 01:00 Uhr in ein und ließ sich von einem Taxi, dem er mit seinem Fahrzeug hinterherfuhr, den Weg zur Wohnanschrift seiner getrenntlebenden Ehefrau zeigen, suchte diese dort auf und brachte ihr wie vereinbart Geld in nicht näher feststellbarer Höhe für Benzin mit, das er ihr übergab. Anschließend machten sie sich in zwei Fahrzeugen – der Angeklagte in dem von seiner Schwester geliehenen Pkw sowie O S mit der gemeinsamen Tochter und den zwei Hunden in dem bislang als Familienfahrzeug genutzten Pkw – auf den Weg nach . Nachdem der Angeklagte in M. seiner Schwester den entliehenen Pkw zurückgebracht hatte, setzten sie die Fahrt gemeinsam in dem bislang als Familienfahrzeug genutzten Pkw fort, dessen Steuer nunmehr der Angeklagte übernahm. Gegen 03:05 Uhr kaufte er an der - Tankstelle in der Str.,, zwei Flaschen Wein und eine Schachtel Zigaretten, bevor sie zu Hause im Anwesen weg in eintrafen.
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Im Erdgeschoss des Hauses traf O S auf ihre knapp jährige Tochter, die auf der Couch im Wohnzimmer eingeschlafen war, weckte diese und schickte sie in ihr Bett, das sich im ersten Obergeschoss befand, wo die Kinder bereits in ihren Betten schliefen. Als auch zu Bett gegangen war, begaben sich der Angeklagte und O S in das frühere gemeinsame Schlafzimmer im zweiten Obergeschoss. Dort tranken sie von dem zuvor gekauften Wein, wobei sich der Angeklagte nur ein Glas einschenkte, wovon er jedoch nur eine sehr geringe Menge trank. Er stellte sein Glas auf dem Bett ab, wo dieses umfiel, sodass sich eine größere Menge Wein auf das Bett ergoss. Ferner spielten sie ab 03:40 Uhr knapp zwei Stunden lang über eine Applikation auf dem Mobiltelefon der späteren Getöteten Musik ab.
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Zwischen dem Angeklagten und seiner von ihm getrenntlebenden Ehefrau kam es in der Folge zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr, wobei O S diesen lediglich als Sexualkontakt ansah, der ihr willkommen war, nachdem insbesondere der von ihr angestrebte Sexualkontakt mit ihrem Bekannten D nicht zustande gekommen war, dieser sich hieran auch weiterhin nicht interessiert zeigte und es auch bei dem Treffen mit ihrem neuen Bekannten H am Abend des 02.08.2015 nur zum Austausch einiger Intimitäten, aber keinem weitergehenden Sexualkontakt gekommen war. An ihrem Trennungsentschluss hielt O S unvermindert fest und gab dementsprechend auch dem Angeklagten keinen Anlass für die begründete Annahme, dass sie ihren Trennungsentschluss aufgegeben habe oder aufgeben werde und die Ehe mit ihm fortsetzen wolle.
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Obwohl der Angeklagte somit keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür hatte, dass seine von ihm getrenntlebende Ehefrau ihre Haltung geändert habe oder ändern werde, und er deshalb auch seinerseits dem einvernehmlichen Vollzug des Geschlechtsverkehrs keine dementsprechende – über einen bloßen Sexualkontakt hinausgehende – Bedeutung beimaß, hoffte er weiterhin, seine Ehefrau zur Aufgabe ihres Trennungsentschlusses und Fortsetzung der Ehe mit ihm bewegen zu können.
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Jedoch brachte O S auch nach dem einvernehmlich vollzogenen Geschlechtsverkehr gegenüber dem Angeklagten weiterhin zum Ausdruck, dass sie an ihrem Trennungsentschluss unvermindert festhielt. Um 05:37 Uhr wurde auf ihrem Mobiltelefon die Musik-Applikation beendet und kurz darauf ihr ...-Chat mit D aufgerufen und angezeigt, von dessen Existenz und Inhalt der Angeklagte im Zuge dessen – ohne dass O S ihn damit aktiv konfrontierte – Kenntnis erlangte, was bei ihm Eifersucht und Wut hervorrief. Seine unmittelbare Reaktion auf diesen Chat hatte zur Folge, dass um 05:38 Uhr der Akku aus diesem Gerät gewaltsam – entweder manuell oder im Zuge eines Aufpralls des Mobiltelefons auf einer harten Fläche – entfernt wurde.
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Der Angeklagte war eifersüchtig und wütend darüber, dass seine Ehefrau nach ihrer Trennung von ihm bereits im Kontakt mit einem anderen Mann stand, sich an diesem interessiert gezeigt und diesem ein Foto von sich, auf dem sie lediglich BH und Slip trug, geschickt hatte. Der Angeklagte erkannte zudem, dass seine Hoffnung, seine Ehefrau zur Aufgabe ihres Trennungsentschlusses bewegen zu können, vergeblich gewesen war. Er war jedoch aufgrund seines übersteigerten Besitzdenkens nicht bereit, den von seiner Ehefrau gefassten Entschluss zur endgültigen Trennung von ihm sowie ihr Festhalten an dieser Entscheidung zu akzeptieren. Dabei war ihm bewusst, dass seine Ehefrau berechtigt war, über die Frage der Fortsetzung oder Beendigung ihrer Ehe eine freie und eigenständige Entscheidung zu treffen, und dass er überdies durch sein Verhalten gegenüber seiner zwanzig Jahre jüngeren Partnerin maßgeblich zum Scheitern ihrer Ehe beigetragen hatte.
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Der Angeklagte beschloss spontan, seine von ihm getrenntlebende Ehefrau mit der in seinem Besitz befindlichen halbautomatischen Selbstladepistole, Fabrikat CZ, Modell 75, Kaliber 9 mm Luger, Waffennummer D2928, zu töten, um sich auf diese Weise für ihre Trennung von ihm zu rächen und sie zugleich für ihren Kontakt mit einem anderen Mann mit dem Tod zu bestrafen. Er bewahrte die Pistole im Schlafzimmer in einer mit einem Zahlen-Vorhängeschloss versperrten kleinen Truhe auf, die auf der knapp oberhalb des Fußbodens verlaufenden Fensterbank der bodentiefen Fensterfront zur Dachterrasse stand, vor der sich ein flach oberhalb des Fußbodens verlaufender Heizkörper befand. In der Truhe befand sich die Pistole in einem Tuch eingewickelt zusammen mit passender Munition in einem Stoffbeutel. Wie der Angeklagte wusste, besaß er nicht die für den Umgang mit dieser Waffe erforderliche Erlaubnis.
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Während O S den zuvor gewaltsam aus ihrem Mobiltelefon entfernten Akku wieder in das Gerät einsetzte und dieses um 05:40 Uhr wieder einschaltete, entnahm der Angeklagte die Pistole und Munition aus der Truhe und richtete im weiteren Verlauf die mit einer Patrone geladene Pistole auf seine zu diesem Zeitpunkt lediglich mit einem Slip bekleidete Ehefrau. Der Angeklagte nahm das Mobiltelefon an sich und schaltete in der Folge mehrfach dessen Bildschirm durch Drücken einer der Tasten am Gerät ein und wieder aus, während er die geladene Schusswaffe weiterhin auf O S richtete, die deshalb um ihr Leben fürchtete.
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Am 04.08.2015 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 05:44 Uhr und 05:58 Uhr setzte der Angeklagte seinen zuvor gefassten Entschluss in die Tat um. Er setzte die Mündung der Waffe im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe seiner Ehefrau auf, die sich zu diesem Zeitpunkt mit nach rechts geneigtem Kopf vor dem Fußende des Bettes in einer knienden, hockenden oder sitzenden Position am Boden mit Blickrichtung zum Bett befand, und feuerte in dieser Position mit seiner Pistole einen Schuss auf O S ab, um diese zu töten. Das abgefeuerte Geschoss trat im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe in den Kopf der Getöteten ein und auf der rechten Kopfseite wieder aus. Dieser aufgesetzte Kopfdurchschuss war unmittelbar tödlich und führte bei O S zur sofortigen Handlungsunfähigkeit.
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Um für die Tötung seiner von ihm getrenntlebenden Ehefrau strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen zu werden, beschloss der Angeklagte, einen Suizid seiner Ehefrau zu behaupten. Er bereitete diese Verteidigungsstrategie dadurch vor, dass er der reglosen Getöteten, deren Finger der rechten Hand gebeugt waren, als vermeintlichen Beleg für ihren Suizid eine der zusammen mit der Waffe aufbewahrten Patronen so zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand schob, dass die Patrone im Bereich des Zeigefingergrundgelenks zu liegen kam und das Anzündhütchen zwischen Zeigefinger und Daumen zu sehen war. Zehn weitere Patronen lagen nach dem Geschehen verstreut auf dem Schlafzimmerboden. Die Tatwaffe legte der Angeklagte am Boden zwischen dem Fußende des Bettes und der Getöteten auf der Höhe von deren Beinen ab.
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In Umsetzung seiner Verteidigungsstrategie schrie der Angeklagte gegen 05:59 Uhr laut nach seiner ältesten Tochter und forderte diese auf, sofort den Notarzt zu alarmieren, woraufhin diese umgehend einen Notruf bei der Integrierten Rettungsleitstelle absetzte. Ihre Schwester lief unterdessen zur Nachbarfamilie T und bat diese um Hilfe, woraufhin S T und seine Lebensgefährtin N M umgehend herbeieilten. Inzwischen und in der Folge wusch sich der Angeklagte im Badezimmer im ersten Obergeschoss mehrfach die Hände, das Gesicht und den Oberkörper.
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Als gegen 06:12 Uhr die alarmierten Rettungskräfte eintrafen, wurden sie vom Angeklagten in Empfang genommen, der ihnen den Weg zum Schlafzimmer im zweiten Obergeschoss zeigte. Aufforderungsgemäß nahm der Angeklagte auch den etwa eine Minute später vor Ort eintreffenden Notarzt Dr. W in Empfang. In weiterer Umsetzung seiner zuvor beschlossenen Verteidigungsstrategie, wonach er einen Suizid der Getöteten vorgeben wollte, behauptete der Angeklagte gegenüber dem Notarzt, vor einer halben Stunde einen Schuss gehört zu haben, und spiegelte damit vor, dass sich O S zum Zeitpunkt der Schussabgabe allein im Schlafzimmer im zweiten Obergeschoss befunden habe. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, gingen der Notarzt und die Rettungskräfte deshalb von einem Suizid der Getöteten aus und gaben die vom Angeklagten erhaltene Information sowie die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass O S bei der rund eine halbe Stunde zuvor erfolgten Schussabgabe vermeintlich allein im Zimmer gewesen sei, entsprechend an die wenig später ebenfalls eintreffenden Polizeibeamten weiter.
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Dem Angeklagten erschien es im weiteren Verlauf jedoch zu riskant, seine Anwesenheit bei der Schussabgabe weiter zu leugnen. Er behauptete deshalb gegenüber seinem Nachbarn S T während ihres gemeinsamen Aufenthalts im ersten Obergeschoss, dass er versucht habe, seine Ehefrau von der Begehung eines Suizids mit der Schusswaffe abzuhalten, und dass O S im Rahmen der hierbei stattgefundenen Rangelei die Waffe an sich genommen und sich mit dieser anschließend in seiner Gegenwart erschossen habe.
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In der Folge wurde der Angeklagte von A H, einem Mitarbeiter des seitens der Integrierten Rettungsleitstelle verständigten Kriseninterventionsteams, in einem Zimmer im ersten Obergeschoss betreut. Auch ihm berichtete der Angeklagte in Fortführung seiner geänderten Verteidigungsstrategie, dass er bei der Schussabgabe im Zimmer anwesend gewesen sei. A H, der zuvor von den vor Ort anwesenden Polizeibeamten die Information hinsichtlich eines Suizids der bei der Schussabgabe vermeintlich allein im Zimmer befindlichen Getöteten erhalten hatte, gab diese neue Information mit Einverständnis des Angeklagten an die Polizeikräfte vor Ort weiter. Diese ordneten aufgrund dieser neuen Information an, dass der Angeklagte unverzüglich das Haus zu verlassen und sich vor dem Haus aufzuhalten habe.
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In Begleitung von A H nahm der Angeklagte auf einer Bank vor dem Haus Platz, wo ihm zur Spurensicherung Papiertüten über beide Hände gestülpt wurden. Er beschloss, seine bisherige Verteidigungsstrategie der Behauptung eines erfolgreichen Suizids der Getöteten abzuändern und vielmehr ein Unfallgeschehen anlässlich eines von ihm unternommenen Versuchs, seine Ehefrau von der Begehung eines Suizids mit der Schusswaffe abzuhalten, vorzuspiegeln. Zu diesem Zweck behauptete er nunmehr, dass sich bei der Rangelei zwischen ihm und seiner Ehefrau um die Waffe plötzlich ein Schuss gelöst und O S tödlich getroffen habe.
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Diese Verteidigungsstrategie behielt der Angeklagte fortan bei und berichtete dementsprechend diese Version unter anderem auch seinem Nachbarn S T, als er mit ihm am Folgetag noch einmal über das Geschehen sprach. Aufgrund der abweichenden Sachverhaltsschilderung gegenüber der ersten, ihm vom Angeklagten am Vortag mitgeteilten Version war S T irritiert und verzichtete deshalb auf jegliche Nachfragen.
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O S verstarb unmittelbar infolge des vom Angeklagten abgegebenen Kopfdurchschusses an zentraler Lähmung. Sie war sofort handlungsunfähig und erlitt im Wesentlichen eine massive Zerstörung von Hirnsubstanz sowie eine Zertrümmerung des Schädeldachs und der Schädelbasis, letztere besonders intensiv ausgeprägt in der vorderen Schädelgrube links, ferner eine Zerreißung der harten Hirnhaut, kräftige Einblutungen in die Kopfschwarte und unter die Knochenhaut des Schädeldachs sowie eine Verletzung arterieller Gefäße, die einen erheblichen Blutverlust zur Folge hatte. Es kam zum Austritt größerer Mengen an Hirnsubstanz.
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Der Angeklagte war bei der Tat in vollem Umfang schuldfähig.
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Der Angeklagte räumte das ihm zur Last gelegte Waffendelikt von Anfang an ein, bestritt jedoch bis zuletzt, seine getrenntlebende Ehefrau O S vorsätzlich getötet zu haben. Nachdem er zunächst einen erfolgreichen Suizid seiner getrenntlebenden Ehefrau mit der unerlaubt in seinem Besitz befindlichen Schusswaffe behauptet hatte, gab er im weiteren Verlauf bis zuletzt vor, dass O S im Rahmen eines Unfallgeschehens zu Tode gekommen sei, als er den Versuch unternommen habe, sie von der Begehung eines Suizids mit der Schusswaffe abzuhalten, indem er versucht habe, ihr die Waffe abzunehmen. Allerdings ließ sich der Angeklagte hinsichtlich der Einzelheiten des Geschehens wechselnd und widersprüchlich ein. Das Schwurgericht wertete die Einlassung des Angeklagten als Schutzbehauptung und gründete seine abweichende Überzeugung auf eine Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung gewonnenen Indizien und in Betracht zu ziehenden Umstände (vgl. unten C.III.25., S. 65, und C.III.28., S. 94).
I. Persönliche Verhältnisse
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1. Die Feststellungen zum Lebenslauf und Werdegang des Angeklagten beruhen auf seiner entsprechenden glaubhaften Einlassung zu seinen persönlichen Verhältnissen in der Hauptverhandlung, soweit sich nicht aus den folgenden Ausführungen etwas anderes ergibt. Den nachfolgend aufgeführten Feststellungen liegen die jeweils genannten Beweismittel zugrunde:
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a. Die Feststellungen mit ausländerrechtlichem Bezug sowie die Feststellung zum Datum und Ort der Eheschließung mit B B beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen KHK a.D. P, der über die entsprechenden Ergebnisse der von ihm vorgenommenen Auswertung der Ausländerakte des Angeklagten berichtete.
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Die übrigen Feststellungen zur Ehe des Angeklagten mit B B und insbesondere zu den im Verlauf dieser Ehe verübten Gewalttätigkeiten des Angeklagten stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin B B . Die audiovisuell einvernommene Zeugin, die mehr als 35 Jahre nach ihrer kurzzeitigen Ehe mit dem Angeklagten noch erkennbar unter dem nachhaltigen Eindruck der damals von diesem verübten und von ihr als traumatisch erlebten Gewalttätigkeiten stand und deshalb nach wie vor große Angst vor diesem hat, sagte ruhig, sachlich und erkennbar erinnerungskritisch aus. Anzeichen für Belastungseifer waren nicht erkennbar.
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Ihre Angaben zu den erlittenen körperlichen Misshandlungen wurden durch die glaubhaften Angaben des Zeugen KHK a.D. S bestätigt, der über die Ergebnisse seiner Auswertung der polizeilichen Vorgangsverwaltung hinsichtlich der bezüglich des Angeklagten vorhandenen Einträge berichtete. Ein polizeilicher Vorgang aus dem Dezember 1987 habe Körperverletzungshandlungen des Angeklagten zum Nachteil von B B zum Gegenstand gehabt. Neben dem von der Zeugin B geschilderten ersten Vorfall nach dem Besuch der Ausländerbehörde sei von zahlreichen körperlichen Misshandlungen in den Monaten danach bis zur Flucht von B B vor dem Angeklagten die Rede gewesen, welche damals der Polizei zur Kenntnis gebracht worden seien.
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b. Die Feststellungen zur Ehe des Angeklagten mit B S basieren auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin B B, vormals S . Diese sagte ruhig, sachlich und erkennbar erinnerungskritisch sowie ohne Anzeichen für Belastungseifer aus, weshalb kein Anlass bestand, den Wahrheitsgehalt ihrer Angaben in Zweifel zu ziehen. Ihre Angaben zum Vorfall vom 04.08.1997 wurden durch die glaubhaften Angaben des Zeugen KHK a.D. S bestätigt, wonach sich hierzu ein entsprechender Eintrag in der polizeilichen Vorgangsverwaltung gefunden habe.
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c. Das Datum der Eheschließung des Angeklagten mit dem Tatopfer stützt die Strafkammer auf die glaubhaften Angaben des Zeugen KHK a.D. P zu der von ihm vorgenommenen Auswertung der Ausländerakten des Angeklagten und des Tatopfers, aus welchen sich übereinstimmend das festgestellte Hochzeitsdatum ergeben habe.
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Die Feststellungen zu den Geburtsdaten der gemeinsamen Kinder des Angeklagten und des Tatopfers beruhen auf den Angaben der Zeugin KHKin S, die über die entsprechenden Ergebnisse ihrer diesbezüglich durchgeführten Ermittlungen glaubhaft berichtete. Der Angeklagte vermochte die Geburtsdaten seiner Kinder zum Teil nicht oder nicht sicher zu benennen.
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d. Die Feststellung, dass der Angeklagte am 17.01.2005 die eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse ablegte, basiert auf der Verlesung eines Schreibens des Gerichtsvollziehers H vom 17.01.2005, in welchem dieser dem Angeklagten diesen Umstand bescheinigte.
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2. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und Suchtmittelkonsum des Angeklagten stützen sich auf seine entsprechende Einlassung in der Hauptverhandlung sowie auf die entsprechenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen PD Dr. S, der über seine in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse hinaus auch die in den Akten enthaltenen Unterlagen mit Bezug zum Gesundheitszustand des Angeklagten auswertete. Die Ausführungen des Sachverständigen, die von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgingen, waren sachkundig, widerspruchsfrei und überzeugend.
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3. Die Feststellungen zur Intelligenz und Persönlichkeit des Angeklagten beruhen auf den entsprechenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen PD Dr. S, die auch insoweit sachkundig, widerspruchsfrei und überzeugend waren und von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgingen.
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4. Die Feststellung zur Vorstrafenfreiheit des Angeklagten beruht auf der Verlesung des Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 16.08.2023.
II. Einlassungen des Angeklagten zur Sache
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Der Angeklagte machte gegenüber verschiedenen Personen bei unterschiedlichen Gelegenheiten Angaben zur Sache und ließ sich sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung zur Sache ein. Nachdem er zunächst einen erfolgreichen Suizid seiner getrenntlebenden Ehefrau mit der unerlaubt in seinem Besitz befindlichen Schusswaffe behauptet hatte, gab er im weiteren Verlauf bis zuletzt vor, dass O S im Rahmen eines Unfallgeschehens zu Tode gekommen sei, als er den Versuch unternommen habe, sie von der Begehung eines Suizids mit der Schusswaffe abzuhalten, indem er versucht habe, ihr die Waffe abzunehmen. Allerdings ließ sich der Angeklagte hinsichtlich der Einzelheiten des Geschehens wechselnd und widersprüchlich ein. Die Einlassung des Angeklagten wertete die Strafkammer als Schutzbehauptung.
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1. Der (sachverständige) Zeuge Dr. W berichtete glaubhaft, dass er am 04.08.2015 um 06:02 Uhr als Notarzt alarmiert worden und um 06:13 Uhr am Anwesen weg in eingetroffen sei. Dort sei er von einem Mann, der angegeben habe, in diesem Haus zu wohnen, an der Hauseingangstür in Empfang genommen und im Haus nach oben zu der verstorbenen Patientin geführt worden. Dieser Mann habe angegeben, vor einer halben Stunde einen Schuss gehört zu haben.
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Wie Dr. W darlegte, sei er aufgrund dieser Äußerung des Mannes, welche er an die Rettungskräfte und die wenig später eingetroffenen Polizeibeamten weitergegeben habe, davon ausgegangen, dass die Verstorbene zum Zeitpunkt der Schussabgabe allein im Zimmer gewesen sei.
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Im Einklang damit stehen die Angaben des damals als Rettungskraft vor Ort eingesetzten Zeugen K, der in der Hauptverhandlung erstmals in dem gesamten Strafverfahren als Zeuge vernommen wurde. Dieser bekundete glaubhaft, vor Ort eine Information erhalten zu haben, auf deren Grundlage er bislang davon ausgegangen sei, dass die Verstorbene zum Zeitpunkt der Schussabgabe allein im Zimmer gewesen sei. Die ihm bei seiner Einvernahme in der Hauptverhandlung vorgehaltene Information, dass bei der Schussabgabe eine weitere Person im Raum anwesend gewesen sei, sei für ihn nach so vielen Jahren neu.
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Dass es sich bei dem Mann, der die vom (sachverständigen) Zeugen Dr. W berichtete Äußerung diesem gegenüber tätigte, um den Angeklagten handelte, schließt das Schwurgericht zunächst daraus, dass der Mann seinen Angaben zufolge in dem Haus wohnte, was zum damaligen Zeitpunkt allein auf den Angeklagten zutraf.
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Darüber hinaus erklärte der Zeuge S T, der beim Eintreffen von Notarzt und Rettungskräften als einziger weiterer Mann ebenfalls vor Ort war, dass er sich hundertprozentig sicher sei, weder Notarzt noch Rettungskräfte an der Hauseingangstür in Empfang genommen zu haben. Ebenso sicher sei er sich, dass er niemandem gegenüber jemals behauptet habe, am Morgen des 04.08.2015 einen Schuss gehört haben, zumal dies nicht den Tatsachen entspreche. Er habe keinen Schuss gehört.
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Die Angaben des Zeugen T waren glaubhaft. Er sagte ruhig, sachlich und ohne Anzeichen für Be- oder Entlastungseifer aus. Ferner machte er seine Angaben sehr erinnerungskritisch und sagte stets sofort, wenn er sich an etwas nach der langen Zeit nicht mehr oder nicht mehr genau zu erinnern vermochte.
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2. Ebenfalls glaubhaft berichtete der Zeuge S T, dass ihm der Angeklagte bei zwei Gelegenheiten von den Ereignissen in der Nacht auf den 04.08.2015 sowie von dem für O S tödlichen Schuss berichtet habe.
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a. Zu den Ereignissen in der Nacht auf den 04.08.2015 habe der Angeklagte den glaubhaften Angaben des Zeugen T zufolge angegeben, dass die getrenntlebenden Eheleute miteinander telefoniert und vereinbart hätten, gemeinsam etwas mit den Kindern zu unternehmen. O S habe daraufhin geäußert, nicht zu wissen, wie sie dies bewerkstelligen solle, da sie kein Geld mehr zum Tanken ihres Autos habe. Daraufhin habe sich der Angeklagte von seiner Schwester deren Auto geliehen, sei zu seiner Ehefrau gefahren und habe ihr Geld zum Tanken gebracht. Anschließend seien sie gemeinsam mit zwei Fahrzeugen nach gefahren. Dabei sei seine Ehefrau, die unter erheblichem Alkoholeinfluss gestanden habe, mit einer Geschwindigkeit von 180 km/h über die Autobahn gefahren, sodass der Angeklagte Angst um seine in ihrem Fahrzeug sitzende Tochter gehabt und seine Ehefrau während der Fahrt telefonisch ermahnt habe. Nach ihrer Ankunft in sei seine Ehefrau in lustiger Stimmung gewesen und habe im Wohnzimmer des Hauses getanzt.
105
b. Daran, was ihm der Angeklagte über die Ereignisse im Zusammenhang mit der Schussabgabe erzählt habe, könne er sich nach der langen Zeit nicht mehr im Einzelnen erinnern. Er wisse nur noch, dass der Angeklagte ihm hiervon das erste Mal bereits kurz nach dem Vorfall berichtet habe, als sie sich am frühen Morgen des 04.08.2015 gemeinsam im ersten Obergeschoss des Hauses im lweg aufgehalten hätten, nachdem er, der Zeuge, und seine damalige Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau von verständigt und um Hilfe gebeten worden seien. Das zweite Gespräch zwischen ihm und dem Angeklagten hierüber habe zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden, allerdings wisse er nach der langen Zeit nicht mehr, wann und bei welcher Gelegenheit dies gewesen sei. Er sei jedoch damals zeitnah nach dem Vorfallstag von der Polizei als Zeuge vernommen worden und habe hierbei alles wahrheitsgemäß so angegeben, wie er es damals noch frisch in Erinnerung gehabt habe.
106
Wie der Zeuge KHK a.D. P glaubhaft berichtete, habe er S T, den Nachbarn des Angeklagten, am 13.08.2015 als Zeugen vernommen. Dieser habe glaubhaft angegeben, dass der Angeklagte, als sie sich während des Einsatzes der Rettungskräfte gemeinsam im ersten Obergeschoss des Tatanwesens aufgehalten hätten, auf dem Flur hin und her gegangen sei und in deutscher Sprache geäußert habe, dass sich seine Ehefrau umgebracht habe. Laut KHK a.D. P habe der Angeklagte dem Zeugen T dessen glaubhaften Angaben zufolge in dieser Situation zum vorangegangenen Geschehen ferner Folgendes berichtet:
107
Als der Angeklagte nach dem kurzzeitigen Verlassen des gemeinsamen Schlafzimmers wieder in dieses zurückgekehrt sei, sei seine Ehefrau vor ihm gestanden und habe die Schusswaffe auf ihre Brust gerichtet. Er habe sie gefragt, was das solle, und nach der Waffe gegriffen, um sie ihr zu entreißen, wobei es zu einem Gerangel gekommen sei.
108
Laut KHK a.D. P habe der Zeuge T in seiner Schilderung dann zunächst kurz innegehalten und darauf hingewiesen, dass ihm der Angeklagte zum weiteren Geschehen zwei unterschiedliche Versionen erzählt habe.
109
In der Situation, als sie sich während des Einsatzes der Rettungskräfte gemeinsam im ersten Obergeschoss des Tatanwesens aufgehalten hätten, habe der Angeklagte ihm gegenüber angegeben, dass seine Ehefrau dann die Waffe an sich genommen und sich anschließend mit dieser erschossen habe. Demgegenüber habe der Angeklagte am nächsten Tag, als der Zeuge T seinen Angaben zufolge diesen noch einmal gefragt habe, was genau passiert sei, behauptet, dass es in dem Gerangel zur Schussabgabe gekommen sei. Er habe seiner Ehefrau die Waffe abnehmen wollen, als diese die Waffe auf ihre Brust gerichtet habe. O S habe jedoch ebenfalls an der Waffe gezogen, wobei es zum Schuss gekommen sei. Der Angeklagte habe nicht damit gerechnet, dass die Waffe geladen gewesen sei.
110
Wie der Zeuge T laut KHK a.D. P glaubhaft erläutert habe, habe er nach der zweiten Schilderung den Angeklagten nicht weiter befragt, weil ihm sofort aufgefallen sei, dass dieser ihm beim ersten Mal eine Version erzählt habe, bei welcher sich O S – ohne Beteiligung des Angeklagten – selbst erschossen habe, während die zweite Version, wonach sich der Schuss in dem Gerangel gelöst habe, für ihn so geklungen habe, dass der Angeklagte aufgrund des Gerangels um die Waffe mitbeteiligt gewesen sei. Der Zeuge T habe sich seinen Angaben zufolge danach über die zwei unterschiedlichen Schilderungen des Angeklagten Gedanken gemacht und sich gefragt, was wirklich passiert sei.
111
3. Wie der Zeuge H berichtete, sei er seit 23 Jahren ehrenamtlich beim Kriseninterventionsteam tätig und am 04.08.2015 um 06:07 Uhr in dieser Funktion alarmiert worden. Einige Minuten nach seinem Eintreffen am Anwesen weg in gegen 06:19 Uhr habe er von den polizeilichen Einsatzkräften vor Ort die Information erhalten, dass sich die Ehefrau des im Haus anwesenden Mannes und zugleich Mutter der anwesenden Kinder mit einer Pistole erschossen habe. Dies habe er so verstanden, dass die Suizidentin bei der Schussabgabe allein gewesen sei.
112
Er habe sich dann zunächst mit Einverständnis der Polizeibeamten kurz im zweiten Obergeschoss des Hauses einen unmittelbaren Eindruck von der Leiche der Verstorbenen und der Auffindesituation verschafft und sich anschließend zum Angeklagten in das erste Obergeschoss begeben. Dieser habe sich dort, heftig weinend, gemeinsam mit seinem Nachbarn, Herrn T, und seiner ältesten und zweitältesten Tochter aufgehalten. Gegen 06:28 Uhr habe er mit der Betreuung des Angeklagten begonnen und sich mit ihm allein in ein Kinderzimmer im ersten Obergeschoss begeben. Dort habe der Angeklagte, der ersichtlich ein großes Redebedürfnis gehabt habe, angefangen, ihm von dem vorangegangenen Geschehen zu erzählen. Der Angeklagte habe berichtet, dass er versucht habe, seiner Ehefrau die Waffe zu entreißen, und bei der Schussabgabe dabei gewesen sei.
113
Da diese Äußerungen des Angeklagten laut dem Zeugen H im Widerspruch zu den Informationen gestanden hätten, die er zuvor von den Einsatzkräften erhalten habe, habe er dies mit Einverständnis des Angeklagten umgehend den Polizeibeamten vor Ort mitgeteilt. Der Angeklagte habe bei der Erteilung seines Einverständnisses hinzugefügt, dass dies die Wahrheit sei und er der Polizei nichts anderes sagen werde. Wie der Zeuge H weiter bekundete, hätten die Polizeibeamten daraufhin umgehend angeordnet, dass er mit dem Angeklagten sofort das Haus zu verlassen habe und sich mit ihm vor diesem aufhalten solle. Er sei mit dem Angeklagten dieser Aufforderung nachgekommen und habe mit ihm auf einer Bank vor dem Haus Platz genommen. Dort seien dem Angeklagten im weiteren Verlauf von einem Polizeibeamten Papiertüten über die Hände gestülpt worden.
114
Auf der Bank vor dem Haus habe der Angeklagte weiter über die Geschehnisse der vorangegangenen Nacht und des frühen Morgens gesprochen. Laut dem Zeugen H sei aus seiner Sicht hierbei auffällig gewesen, dass ihm der Angeklagte einen lückenlosen, schlüssig wirkenden Geschehensablauf flüssig und zusammenhängend berichtet habe. Dies habe er angesichts der Schwere des vorangegangenen Ereignisses – dem für den Angeklagten überraschenden Tod seiner Ehefrau – als ungewöhnlich und bemerkenswert empfunden, da nach seiner langjährigen Erfahrung in der Krisenintervention die von ihm betreuten Personen in aller Regel hierzu nicht in der Lage seien, was aufgrund der vorangegangenen, potenziell traumatischen Erlebnisse der Betroffenen ohne weiteres nachvollziehbar sei.
115
Den weiteren Angaben des Zeugen H zufolge habe ihm der Angeklagte im Einzelnen Folgendes berichtet:
116
a. Zur Vorgeschichte habe der Angeklagte angegeben, dass seine Ehefrau einige Zeit zuvor ausgezogen sei, um ihren persönlichen Interessen nachgehen zu können. Seine Ehefrau habe sich von ihm scheiden lassen wollen und sei in die Wohnung ihrer Mutter nach gezogen. Die gemeinsame Tochter sei bei der Mutter geblieben und mit ihr umgezogen, während die anderen Kinder bei ihm geblieben seien.
117
b. Zu den Ereignissen in der Nacht auf den 04.08.2015 habe der Angeklagte laut dem Zeugen H angegeben, dass die Eheleute in einem in dieser Nacht geführten Telefonat für den kommenden Tag einen gemeinsamen Ausflug mit allen Kindern geplant hätten. Deshalb sei seine Ehefrau mit der ältesten Tochter und den beiden Hunden mit dem Auto von nach gekommen. Bei ihrem Eintreffen in gegen 01:00 Uhr habe der Angeklagte feststellen müssen, dass seine Ehefrau „sturzbetrunken“ gewesen sei. Er habe ihr deshalb Vorhaltungen gemacht.
118
Nachdem die älteste Tochter zu Bett gegangen sei, hätten seine Ehefrau und er Rotwein getrunken und dann im Schlafzimmer Sex miteinander gehabt. Beim Sex fordere seine Ehefrau immer bestimmte Spiele wie etwa die Fesselung mit Handschellen, das Verbinden der Augen und die Bedrohung mit einer Pistole, welche er zur Zeit des Bosnienkrieges mit nach Deutschland genommen habe und für die er keinen Waffenschein besitze. Für die Sexspiele nehme er aber immer das Magazin heraus. Seine Ehefrau fordere ihn immer auf, sie als Hure zu beschimpfen und sie im gefesselten Zustand zu schlagen. Er komme ihren Wünschen nach, obwohl er das verrückt finde.
119
c. Die Ereignisse im Zusammenhang mit der Schussabgabe habe der Angeklagte gegenüber dem Zeugen H laut dessen Angaben folgendermaßen geschildert:
120
Nach dem Sex sei er auf die im Stockwerk darunter gelegene Toilette gegangen. Bei seiner Rückkehr in das Schlafzimmer sei seine Ehefrau am Fußende des Bettes gesessen, habe die Waffe gegen ihre Brust gerichtet und geschrien, dass alles keinen Sinn mehr habe mit ihrer Erkrankung und sie deshalb nicht mehr leben wolle. Er habe sie aufgefordert, damit aufzuhören. Als sie dann die Pistole gegen ihren Kopf gerichtet habe, habe er versucht, ihr die Waffe zu entreißen, wobei er davon ausgegangen sei, dass sich keine Patronen in der Waffe befänden. Es sei zu einem Gerangel gekommen, bei welchem sich plötzlich ein Schuss gelöst habe. Wie der Zeuge H2. weiter berichtete, sei der Angeklagte seinen Angaben zufolge dann nach unten gelaufen und habe seine Tochter aufgefordert, die Nummer 112 anzurufen.
121
Die Angaben des Zeugen H l waren glaubhaft. Der Zeuge sagte ruhig, sachlich und erkennbar erinnerungskritisch ohne Anzeichen für Be- oder Entlastungseifer aus. Er hatte am 05.08.2015 einen ausführlichen Einsatzbericht geschrieben, in welchem er seinen Angaben zufolge die vom Angeklagten ihm gegenüber getätigten Äußerungen wahrheitsgemäß niedergelegt habe. Anhand dieses Berichts vermochte sich der Zeuge, der noch eine gute Erinnerung an den Einsatz hatte, auch die Details der vom Angeklagten getätigten Äußerungen ins Gedächtnis zurückzurufen. Es bestand keinerlei Anlass am Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen zu zweifeln.
122
4. Der Zeuge KOK P vom Kommissariat für Todesermittlungen des Polizeipräsidiums bekundete glaubhaft, dass er am 04.08.2015 um 08:02 Uhr am Anwesen weg in eingetroffen sei. Bei seinem Eintreffen sei der Angeklagte, dessen Händen sich in Papiertüten befunden hätten, auf einer Bank vor dem Haus gesessen. Bei ihm habe sich ein Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams aufgehalten. Wie der Zeuge KOK P weiter glaubhaft angab, habe er zunächst den Angeklagten informatorisch befragt, bevor er sich in das Haus begeben und sich im zweiten Obergeschoss einen unmittelbaren Eindruck von der Leiche der Verstorbenen und der Auffindesituation verschafft habe.
123
a. Den glaubhaften Angaben des Zeugen KOK P zufolge habe der Angeklagte bei der informatorischen Befragung zur Vorgeschichte Folgendes angegeben:
124
Seitdem er und seine Ehefrau sich vor einigen Monaten getrennt hätten, habe seine Ehefrau ihn regelmäßig besucht, wobei es regelmäßig zum Geschlechtsverkehr zwischen ihnen gekommen sei. Seine Ehefrau habe es immer gerngehabt, wenn er sie mit der Waffe – eine nicht registrierte Ceska, die er in den Zeiten des Bosnienkriegs erworben habe – berührt und gestreichelt habe. Sie habe die Waffe auch gern zwischen ihren Schenkeln gehabt, wobei die Waffe immer entladen gewesen sei. Sie hätten während des Geschlechtsverkehrs auch verschiedene Situationen mit dieser Waffe durchgespielt, wobei sie auch Handschellen und eine Augenbinde verwendet hätten. In der vorangegangenen Nacht habe er mit seiner Ehefrau Geschlechtsverkehr gehabt.
125
b. Die Ereignisse im Zusammenhang mit der Schussabgabe habe der Angeklagte im Rahmen der informatorischen Befragung durch KOK P dessen glaubhaften Angaben zufolge wie folgt berichtet:
126
Er habe gegen 06:00 Uhr die Toilette aufgesucht. Bei seiner Rückkehr sei seine Ehefrau mit der Waffe in der Hand auf der Bettkante gesessen und habe angefangen, lauter zu reden. Sie habe sich über ihr Leben beklagt und geklagt, dass sie gerne frei sei, aber wegen der fünf Kinder nicht habe frei sein können. Dann sei sie plötzlich aufgestanden, habe sich vor das Bett gestellt, die Waffe genommen und diese gegen ihr Herz gerichtet. Er habe versucht, ihr die Waffe wegzunehmen, und sie hätten im Stehen miteinander gerangelt. Dann habe es plötzlich einen Knall geben und seine Ehefrau sei sofort zu Boden gefallen. Wie der Zeuge KOK P glaubhaft klarstellend erläuterte, habe der Angeklagte das Geschehen ihm gegenüber so geschildert, dass sich der Schuss bei einer Rangelei im Stehen gelöst habe und insbesondere auch seine Ehefrau im Moment der Schussabgabe gestanden sei.
127
Ebenfalls glaubhaft legte der Zeuge KOK P weiter dar, dass der Angeklagte seinen Angaben zufolge dann sofort die Waffe genommen und diese von seiner Ehefrau weg, glaublich in Richtung ihrer Beine, geworfen habe. Nachdem seine Ehefrau zu Boden gegangen sei, habe er sofort nach seiner ältesten Tochter gerufen, die daraufhin mit der Tochter gekommen sei. Er habe sie aufgefordert, Hilfe bei der Nachbarin holen, was auch geschehen sei. Auch der Notarzt sei verständigt worden.
128
5. Der Zeuge EKHK A von der Mordkommission des Polizeipräsidiums M. bekundete glaubhaft, dass er am 04.08.2015 von 10:35 Uhr bis 16:06 Uhr den Angeklagten im Hinblick auf den ohne die entsprechende Erlaubnis ausgeübten Besitz der Pistole, aus welcher der tödliche Schuss auf O S abgegeben worden sei, als Beschuldigten wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz vernommen habe. Hierbei habe der Angeklagte im Wesentlichen folgende Angaben zur Sache gemacht:
129
a. Zur Vorgeschichte habe der Angeklagte angegeben, dass seine Ehefrau vor etwa zwei Monaten einen Termin bei der Schuldnerberatung gehabt habe, weil sie 300,- Euro Rundfunkgebühren nicht bezahlt habe. Bei ihrer Rückkehr von dem Termin habe sie ihm vorgeworfen, dass sie sich immer um sämtliche bürokratischen Angelegenheiten der Familie kümmern müsse, da er sich gar nicht darum kümmere. Sie habe erklärt, dass sie nicht mehr könne und nicht mehr wolle. Sie verlasse ihn; nunmehr sei „Schluss“.
130
Wie EKHK A r weiter glaubhaft berichtete, habe die älteste gemeinsame Tochter dem Angeklagten zufolge erklärt, mit der Mutter mitzugehen, damit diese nicht allein sei. Laut dem Angeklagten sei seine Ehefrau mit in eine leerstehende Eigentumswohnung ihrer Mutter in gezogen. Seither hätten sie öfter miteinander telefoniert und seine Ehefrau habe ihn und die übrigen vier gemeinsamen Kinder auch öfter – insbesondere an den Wochenenden – in besucht. Zwischen ihnen habe es keinen Sorgerechtsstreit gegeben, sondern es sei um das Aufenthaltsbestimmungsrecht gegangen. Es habe aber keinen Streit gegeben. Seine Ehefrau habe mit den Kindern in dem bislang gemeinsam bewohnten Haus in wohnen wollen und er habe aus dem Haus ausziehen sollen. Er habe ihr gesagt, dass dies kein Problem für ihn sei; er werde sich eine Wohnung suchen und in der Nähe seiner Kinder sein. In der Beziehung zwischen ihm und seiner Ehefrau habe es nie körperliche Gewalt, insbesondere auch keine Schläge gegeben. Sie seien lediglich gelegentlich lauter geworden. Sie hätten einander geliebt.
131
b. Zu den Ereignissen in der Nacht auf den 04.08.2015 habe der Angeklagte laut EKHK A im Wesentlichen angegeben, dass er in dieser Nacht zum ersten Mal seit dem Auszug seiner Ehefrau Sex mit ihr gehabt habe. Sie hätten beabsichtigt, tagsüber gemeinsam mit den Kindern einen Ausflug zu unternehmen. Dem sei ein Telefonat zwischen ihm und seiner Ehefrau vorausgegangen, in welchem diese geäußert habe, dass sie kein Geld habe, da sie erst Mitte des Monats wieder welches vom Jobcenter bekomme. Sie habe erklärt, dass sie kein Geld für Essen und Trinken habe und erst recht nicht für Benzin. Auf seine Frage, was sie nun machen sollten, habe seine Ehefrau vorgeschlagen, dass er zu ihr kommen könne, wenn er Geld für Benzin habe.
132
Wie der Zeuge EKHK A weiter glaubhaft berichtete, habe sich der Angeklagte seinen Angaben zufolge daraufhin mit dem Fahrrad zum S-Bahnhof begeben und sei mit der S-Bahn zum sowie von dort mit dem Taxi zur Wohnung seiner in lebenden Schwester gefahren, um sich für die nächtliche Fahrt deren Pkw zu leihen. Mit diesem habe er sich anschließend auf den Weg nach gemacht. Am 04.08.2015 gegen 01:00 Uhr sei er in eingetroffen und habe sich von einem Taxi, dem er mit seinem Fahrzeug hinterhergefahren sei, den Weg zur Wohnanschrift seiner Ehefrau zeigen lassen.
133
Als er dort angekommen sei, habe seine Ehefrau in der Wohnung zu Musik getanzt. Ihm sei eine fast leere Flasche Wein aufgefallen und er habe bemerkt, dass seine Ehefrau „ein bisschen angetrunken“ gewesen sei. Um zu verhindern, dass sie noch mehr trinke, habe er den in einem Glas vorhandenen restlichen Wein schnell ausgetrunken. Als er seine Ehefrau auf ihre Alkoholisierung und die beabsichtigte Autofahrt von nach angesprochen habe, habe sie erklärt, dass sie nicht so viel Wein getrunken habe.
134
Sie seien dann mit zwei Fahrzeugen – die Tochter im Fahrzeug bei seiner Ehefrau – nach gefahren, wo er seiner Schwester ihren Pkw zurückgebracht habe. Von dort seien sie zu dritt im Auto seiner Ehefrau weiter nach gefahren, wobei er das Steuer übernommen habe und auf der Fahrt wegen Geschwindigkeitsüberschreitung geblitzt worden sei. An der -Tankstelle in habe er Zigaretten sowie auf Wunsch seiner Ehefrau zwei Flaschen Wein gekauft, bevor sie gegen 02:30 Uhr oder 03:00 Uhr zu Hause in eingetroffen seien. Bei ihrer Ankunft sei die Tochter aufgewacht. Nachdem und zu Bett gegangen seien, hätten seine Ehefrau und er sich mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern nach oben ins Schlafzimmer begeben. Dort hätten sie sich auf das Fußende des Bettes gesetzt, miteinander geredet, Wein in die Gläser eingeschenkt und davon getrunken. Im Gegensatz zu seiner Ehefrau habe er allerdings nicht viel von dem Wein getrunken und sein Glas neben sich auf das Bett gestellt, wo dieses umgekippt sei, sodass sich Wein auf das Bett ergossen habe. Sie hätten dann die beiden Gläser auf der Kommode abgestellt, während die Weinflasche auf dem Boden gestanden sei. Ein Tablett hätten sie als Aschenbecher verwendet.
135
Dann habe seine Ehefrau von ihrem Handy Musik abgespielt und ihm signalisiert, dass sie Sex mit ihm haben wolle. Sie habe sich ausgezogen und ihn aufgefordert, sich zu ihr auf das Bett zu begeben. Sie habe ihn gefragt, ob sie ihr „Spielchen machen“ sollten, was er zunächst abgelehnt habe. Sie habe ihn dann aber wiederholt aufgefordert, die Pistole zu holen, und schließlich angekündigt, dass sie diese andernfalls selbst holen werde. Seine Ehefrau, welche die Pistole früher auch zerlegt und wieder zusammengebaut sowie diese auch gereinigt habe, habe gewusst, wo er die Pistole aufbewahrt habe. Beim Sex habe seine Ehefrau auch immer wieder gewollt, dass er sie mit Handschellen fessle, ihr die Augen mit einem Tuch verbinde, ihr das Kopfkissen auf das Gesicht drücke und sie Hure nenne. Auch in der vorangegangenen Nacht habe seine Ehefrau mit den Handschellen, die oben am Bett gehangen seien, gefesselt werden wollen. Jedoch hätten sie diese nicht benutzt, weil er nicht darauf vorbereitet gewesen sei und den Schlüssel hierfür nicht bei sich gehabt habe.
136
Er sei der wiederholten Aufforderung seiner Ehefrau, die Pistole zu holen, nachgekommen. Die Pistole sei – eingewickelt in einem Tuch – zusammen mit den Patronen in einem Stoffbeutel im Schlafzimmer „ganz unten hinter dem Schrank“ aufbewahrt worden. „Zwischen dem Schrank und der Wand“ sei „ein bisschen Platz“. Er habe die Pistole und die Patronen in dem Stoffbeutel immer „rechts unten“ hinter den Schrank geschoben. „Hinter dem Schrank“ sei die Pistole nie geladen gewesen. Das Magazin habe sich manchmal in der Pistole und manchmal außerhalb befunden. Das Magazin der Pistole, welches etwa 10 bis 14 Patronen gefasst habe, sei wie immer leer gewesen. Wie viele Patronen sich in dem Stoffbeutel befunden hätten, wisse er nicht.
137
Nachdem er den Inhalt des Stoffbeutels auf das Bett geschüttet habe, habe seine Ehefrau mit den Patronen gespielt, von denen auch welche auf den Boden gefallen seien, die er wieder aufgehoben habe. Seine Ehefrau habe auch die Pistole in der Hand gehabt, mit ihr gespielt, ihn mit der Pistole an verschiedenen Körperstellen berührt und ihn aufgefordert, dasselbe bei ihr zu tun. Überall, wo er sie berührt habe, am Körper und am Kopf, habe sie gestöhnt. Das Magazin habe sich hierbei mal in der Pistole und mal nicht darin befunden. Seine Ehefrau habe ihn auch aufgefordert, sie mit der Pistole an den Geschlechtsteilen zu berühren, aber das sei ihm zu viel gewesen. Dann hätten sie die Pistole beiseitegelegt und miteinander Geschlechtsverkehr gehabt. Auf Aufforderung seiner Ehefrau habe er diese auch an verschiedenen Körperstellen gebissen.
138
c. Die Ereignisse im Zusammenhang mit der Schussabgabe habe der Angeklagte in seiner wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz geführten Beschuldigtenvernehmung nach den glaubhaften Angaben des Vernehmungsbeamten EKHK Anzinger im Wesentlichen folgendermaßen geschildert:
139
Nach dem Sex hätten sie sich wieder auf das Fußende des Bettes gesetzt und über ihre Kinder sowie über ihre Probleme geredet. Er habe darauf hingewiesen, dass die Kinder traurig seien, wenn ihre Mutter nicht da sei, und sie jeden Tag nach ihrer Mutter fragten. Er habe berichtet, dass seit dem Auszug seiner Ehefrau jeden Tag merklich nervöser geworden und den ganzen Tag wie abwesend sei; entweder schlafe sie oder sie spiele mit dem Handy. Er habe ferner erzählt, dass einen Tag lang auf der Couch gesessen sei und große Tränen geweint habe, weil ihre Mutter nicht da sei. Daraufhin habe seine Ehefrau angefangen, „brutal“ zu weinen. Auf seine Frage, was los sei, habe sie ihn aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen. Anschließend habe er versucht, das Thema zu wechseln.
140
Als dann die Hunde im Wohnzimmer zu bellen angefangen hätten, habe er sich zu ihnen nach unten begeben, sie zur Ruhe ermahnt und die Gardine zugezogen. Als er anschließend ins Schlafzimmer zurückgekehrt sei, habe seine Ehefrau weiter geweint und geäußert, dass sie nicht mehr könne. Als er geäußert habe, dass alles besser werde, sie könne im Haus bleiben und er werde eine Wohnung in der Nähe finden, habe sie verneint und hinzugefügt, dass er das nicht verstehe. Er habe sie aufgefordert, sich zu beruhigen, und sei nach unten auf die Toilette gegangen.
141
Als er von der Toilette zurückgekehrt sei, sei seine Ehefrau mit der Pistole in der – glaublich linken – Hand auf dem Bett gesessen und dann aufgestanden. Sie habe die Pistole gegen ihre Brust gerichtet und geschrien, sie könne nicht ohne ihre Freiheit und nicht ohne ihre Kinder, sie könne aber auch nicht mit ihren Kindern, weil sie sonst keine Freiheit habe, sie brauche ihr Leben nicht mehr. Er habe sie gefragt, was sie tue, ob sie „spinn[e]“. Er habe sich ihr genähert, um ihr die Pistole abzunehmen, bevor sie sich eine Patrone vom Boden nehme. Er habe dann nach der Pistole gegriffen und sie hätten beide an dieser gezogen, wobei seine Ehefrau geschrien habe, er solle sie lassen. Dann seien sie „beide fast irgendwie umgefallen“. Seine Ehefrau sei „irgendwie auf die Knie“ gegangen und er habe sich mit dem rechten Ellbogen auf der Kommode abgestützt. Sie hätten die Waffe hin und her gezogen und seien „fast umgefallen“, als sich plötzlich ein Schuss gelöst habe.
142
Wer bei dem Gerangel den Finger am Abzug gehabt habe, wisse er nicht. Seine Ehefrau und er hätten beide an der Waffe gezogen. Mal sei seine Hand oben gewesen, dann ihre; mal sei seine Hand unten gewesen, dann ihre. Sie hätten beide die Pistole überall gepackt und sie gedreht. Plötzlich sei der Schuss gefallen, seine Ehefrau sei umgefallen und dann am Boden gelegen. Er habe die Pistole genommen und zu ihren Füßen geworfen. Er habe seine Ehefrau gerufen und geschüttelt. Plötzlich habe er Blut an seinen Füßen bemerkt. Dann habe er nach seiner Tochter gerufen, sei die Treppe hinuntergelaufen und habe seine Tochter aufgefordert, schnell den Notarzt zu rufen, was getan habe. Noch vor dem Notarzt seien die Nachbarn eingetroffen.
143
6. Der Zeuge S, Mitarbeiter des Kreisjugendamts, berichtete glaubhaft, dass er zusammen mit seinem Vorgesetzten dem Angeklagten am 18.08.2015 einen Hausbesuch abgestattet habe. Hierbei habe der Angeklagte die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Tod seiner Ehefrau im Wesentlichen wie folgt geschildert:
144
a. Zu den Ereignissen in der Nacht auf den 04.08.2015 habe der Angeklagte laut dem Zeugen S angegeben, dass die Eheleute für den 04.08.2015 eine gemeinsame Unternehmung geplant hätten, weshalb der Angeklagte nach zu seiner Ehefrau gefahren sei. Diese habe bei seiner Ankunft getanzt und sei infolge des Konsums von Alkohol etwas angetrunken gewesen. Gleichwohl sei sie dann mit dem Auto nach gefahren. Der Angeklagte sei ihr in einem weiteren Fahrzeug gefolgt.
145
Als sie relativ spät am Abend in angekommen seien, habe der Angeklagte die Kinder ins Bett gebracht. Anschließend sei er zur Tankstelle gefahren, um Zigaretten zu kaufen. Auf Wunsch seiner Ehefrau habe er auch Wein mitgebracht, nachdem er zuvor mit ihr noch eine kurze Diskussion darüber geführt habe, ob es klug sei, noch mehr Wein zu trinken.
146
Am frühen Morgen des 04.08.2015 sei seine Ehefrau schon ziemlich alkoholisiert gewesen. Er habe dann mit ihr darüber gesprochen, wie es den Kindern in der Trennungssituation gehe. Als er erzählt habe, dass insbesondere ab und zu nach ihrer Mutter frage und weine, habe seine Ehefrau heftig reagiert und von ihm verlangt, sie in Ruhe zu lassen. Er habe versucht, sie zu beschwichtigen und die Situation herunterzuspielen, indem er darauf verwiesen habe, dass sie grundsätzlich einen guten Umgang in der Trennung hätten und für die Kinder da seien. Dann habe er wegen Hundegebells kurzzeitig das Schlafzimmer verlassen, um für Ruhe zu sorgen.
147
Bei seiner Rückkehr ins Schlafzimmer habe seine Ehefrau die Pistole in der Hand gehabt, die er seit vielen Jahren besessen habe und mit der die Eheleute zuvor im Rahmen von sexuellen Praktiken gespielt hätten. Zudem habe seine Ehefrau mit der Munition gespielt. Er habe sie gebeten, dies zu unterlassen. Zu diesem Zeitpunkt sei er davon ausgegangen, dass die Waffe nicht geladen sei. Seine Ehefrau habe sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden, habe heftig geweint und immer wieder gesagt, dass er sie in Ruhe lassen solle. Er sei dann auf die Toilette gegangen.
148
b. Die Ereignisse im Zusammenhang mit der Schussabgabe habe der Angeklagte gegenüber dem Zeugen S laut dessen Angaben folgendermaßen geschildert:
149
Nach seiner Rückkehr von der Toilette habe seine Ehefrau nochmals schlechter ausgesehen und die Waffe auf sich selbst gerichtet. Zwar habe er zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, ob die Waffe geladen sei, jedoch habe er seine Ehefrau aufgefordert, ihm die Waffe auszuhändigen. Dies habe sie aber nicht getan. Als er dann nach der Waffe gegriffen habe, sei eine Rangelei entstanden, bei welcher beide versucht hätten, die Waffe an sich zu bringen. Schließlich hätten beide das Gleichgewicht verloren und die Rangelei auf dem Boden fortgesetzt. Seine Ehefrau habe eine Judotechnik angewandt, bei der sie die Waffe zwischen Händen und Kopf eingeklemmt habe, um die Griffkraft zu maximieren. Plötzlich habe sich ein Schuss gelöst, der seine Ehefrau in den Kopf getroffen habe. Er habe daraufhin sofort nach seiner ältesten Tochter geschrien und diese aufgefordert, Rettungskräfte zu verständigen, was sie auch getan habe.
150
Die ruhig, sachlich und erkennbar erinnerungskritisch getätigten Angaben des Zeugen S waren glaubhaft. Anzeichen für Be- oder Entlastungseifer fanden sich nicht. Der Zeuge hatte am 20.08.2015 einen Aktenvermerk über den Hausbesuch fertiggestellt, in welchem er seinen Angaben zufolge die vom Angeklagten ihm gegenüber getätigten Äußerungen wahrheitsgemäß niedergelegt habe. Mithilfe dieses Berichts vermochte sich der Zeuge, der viele Punkte, wie beispielsweise die Schilderung des Angeklagten zu der von seiner Ehefrau angewandten Judotechnik mit Einklemmen der Waffe zwischen Händen und Kopf zur Maximierung der Griffkraft, noch in präsenter Erinnerung hatte, auch die übrigen Details der vom Angeklagten ihm gegenüber getätigten Äußerungen in Erinnerung zurückrufen.
151
7. Wie der Zeuge Richter am Landgericht Dr. S glaubhaft berichtete, habe sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor der 2. Strafkammer des Landgerichts München I erstmals am 15. Hauptverhandlungstag (30.07.2021) zur Sache eingelassen und am 17. Hauptverhandlungstag (13.09.2021) wenige ergänzende Angaben gemacht.
152
a. Zur Vorgeschichte habe der Angeklagte am 15. Hauptverhandlungstag nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Richter am Landgericht Dr. S angegeben, dass ihn seine Ehefrau nicht wegen eines Streits verlassen habe. Sie sei ausgezogen, nachdem sie von der Schuldnerberatung zurückgekommen sei. Er habe sich gedacht, wenn seine Ehefrau diesmal nicht zu ihm zurückkomme, dann gehe das Leben auch weiter. Er sei ja vor der Ehe mit ihr auch schon verheiratet gewesen.
153
b. Zu den Ereignissen in der Nacht auf den 04.08.2015 habe der Angeklagte am 15. Hauptverhandlungstag laut Richter am Landgericht Dr. S angegeben, dass seine Ehefrau mit der Tochter freiwillig zu ihm zurückgekommen sei. Am nächsten Tag hätten sie gemeinsam einen Ausflug unternehmen wollen. Auf der gemeinsamen Autofahrt nach Hause hätten sie miteinander gelacht, sich gefreut, geredet, aber auch geschwiegen. Unterwegs seien sie wegen Geschwindigkeitsüberschreitung geblitzt worden. Auch bei der Ankunft zu Hause hätten sie miteinander gelacht. Er habe auch noch ein bis drei Flaschen Wein und Zigaretten an einer Tankstelle gekauft.
154
Als die Kinder im Bett gewesen seien, hätten seine Ehefrau und er sich nach oben ins Schlafzimmer begeben und miteinander Geschlechtsverkehr gehabt. Hierbei sei auch die Pistole verwendet worden, die er – eingewickelt in einem Tuch – zusammen mit den Patronen in einem Stoffbeutel aufbewahrt habe. Er habe den Inhalt des Stoffbeutels auf dem Bett ausgeschüttet und dabei nicht nachgeschaut, ob sich Patronen in der Waffe befunden hätten.
155
Nach dem Geschlechtsverkehr habe die Pistole auf dem Bett gelegen. Seine Ehefrau und er hätten sich hingesetzt und über ihre Situation sowie über die Kinder gesprochen. Er habe seiner Ehefrau gesagt, dass die Kinder traurig seien. Er habe ihr erzählt, dass wegen ihrer Mutter oft geweint habe und nicht aus ihrem Zimmer im Keller herausgekommen sei und dass die anderen Kinder nicht nach draußen hätten gehen wollen, sondern sich vielmehr nur im Haus aufgehalten hätten. Seine Ehefrau habe darüber geklagt, dass die Kinder sie nicht oft angerufen hätten, und habe gedacht, dass die Kinder sie nicht mehr liebten. Während er glücklich gewesen sei, dass seine Ehefrau längere Zeit bei ihm und den Kindern habe bleiben wollen, sei diese hingegen immer trauriger geworden und habe angefangen zu weinen.
156
Das Handy seiner Ehefrau sei ihr in dieser Nacht heruntergefallen. Er habe es in dieser Nacht höchstens einmal aufgehoben, aber ansonsten nicht in der Hand gehabt. Er habe insbesondere nicht in ihr Handy geschaut und keine Chats gesehen. Den Code für das Handy seiner Ehefrau habe er nicht gekannt.
157
Wegen Hundegebells sei er kurzzeitig nach unten gegangen, um für Ruhe zu sorgen. Bei seiner Rückkehr habe seine Ehefrau immer noch geweint und sei „fix und fertig“ gewesen. Er sei dann auf die Toilette gegangen.
158
Am 17. Hauptverhandlungstag habe der Angeklagte nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Richter am Landgericht Dr. S zu den Ereignissen in der Nacht auf den 04.08.2015 ergänzend angegeben, dass er bei der gemeinsamen Autofahrt nach Hause das Steuer übernommen habe, weil seine Ehefrau betrunken gewesen sei. Er hingegen habe in der Nacht auf den 04.08.2015 insgesamt nicht viel Alkohol getrunken. Mit seiner Ehefrau habe er zu keinem Zeitpunkt über andere Männer gesprochen. Er habe auch nichts von anderen Männern seiner Ehefrau gewusst. In dem Gespräch mit seiner Ehefrau über ihre Situation habe er ihr angeboten, dass er aus dem Haus ausziehe. Sie habe darauf erwidert, dass er erst einmal abwarten solle. Es habe in der Nacht auf den 04.08.2015 keinen Streit zwischen ihnen und auch keine Provokation von Seiten seiner Ehefrau gegeben, sodass er keinen Grund gehabt habe „auszurasten“. Er habe nachfolgend vielmehr versucht, den Tod seiner Ehefrau zu verhindern.
159
c. Die Ereignisse im Zusammenhang mit der Schussabgabe habe der Angeklagte nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Richter am Landgericht Dr. S am 15. Hauptverhandlungstag im Wesentlichen folgendermaßen geschildert:
160
Bei seiner Rückkehr von der Toilette habe er vermutet, dass seine Ehefrau die Pistole geladen habe. Überall auf dem Boden seien Patronen gelegen. Er habe versucht, mit seiner Ehefrau zu reden, die immer noch traurig gewesen sei wegen der Kinder und der aktuellen Situation. Seine Ehefrau habe ihn aufgefordert, das Zimmer zu verlassen. Er habe sich ihr genähert, um ihr die Waffe abzunehmen. Dann sei es zu einer Rangelei im Stehen gekommen. Seine Ehefrau habe eine Judotechnik angewandt, mit der sie versucht habe, ihn mit dem Fuß zum Fallen zu bringen. Sie seien daraufhin beide umgefallen und hätten am Boden weitergerangelt. Dabei habe er seine Ehefrau aufgefordert, die Waffe wegzulegen. Seine Ehefrau habe die Waffe wohl in der rechten Hand gehalten. Sie sei beidhändig gewesen, habe allerdings die rechte Hand mehr benutzt als die linke.
161
Seine Ehefrau sei dann am Boden gesessen und habe mit der rechten Hand den Lauf der Waffe festgehalten. Ihre Füße hätten in Richtung Bett gezeigt. Er sei – aus Sicht seiner Ehefrau – links von ihr am Boden gekniet und habe versucht, mit seiner über der rechten Hand seiner Ehefrau befindlichen linken Hand die Finger ihrer rechten Hand aufzubiegen und auf diese Weise ihre rechte Hand zu öffnen und vom Lauf der Waffe zu lösen. Als er dabei gewesen sei, die Finger ihrer rechten Hand am Lauf der Waffe aufzubiegen, und gemerkt habe, dass er es beinahe geschafft habe, auf diese Weise ihre Finger vom Lauf der Waffe zu lösen, habe sich ein Schuss gelöst.
162
Kurz bevor sich der Schuss gelöst habe, habe seine Ehefrau mit ihrer linken Hand die Waffe losgelassen. Nachdem sich der Schuss gelöst habe, sei seine Ehefrau „in Richtung Wanddefekt“ umgefallen. In diesem Moment sei die Pistole aus ihrer und seiner Hand herausgefallen. Er habe anschließend die Pistole aus ihrer und seiner Reichweite geworfen. Da seine Ehefrau reglos gewesen sei, habe er sie geschüttelt. Er habe viel Blut gesehen. Dann habe er seine Tochter gerufen und ihr gesagt, dass etwas mit ihrer Mutter passiert sei und sie sofort den Notarzt rufen solle. Er habe sich sein Gesicht gewaschen und sich dann in eines der Kinderzimmer begeben.
163
Der Angeklagte habe laut Richter am Landgericht Dr. S betont, dass er versucht habe, die Schussabgabe zu verhindern, indem er seiner Ehefrau die Pistole abnehme, was ihm jedoch nicht gelungen sei. In dem Gerangel sei es zur Schussabgabe gekommen. Dies habe sich innerhalb von Sekunden abgespielt. Seine Ehefrau habe immer mindestens eine Hand an der Pistole gehabt, sodass sich seine Hand zu keinem Zeitpunkt „frei“ an der Waffe befunden habe.
164
Am 17. Hauptverhandlungstag habe der Angeklagte nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Richter am Landgericht Dr. S zu den Ereignissen im Zusammenhang mit der Schussabgabe ergänzend angegeben, nicht zu wissen, wessen Hand sich am Abzug befunden habe, als sich der Schuss gelöst habe. Auf Vorhalt, dass nach seinen am 15. Hauptverhandlungstag gemachten Angaben seine Ehefrau ihre rechte Hand am Lauf der Pistole gehabt und mit ihrer linken Hand kurz vor der Schussabgabe die Waffe losgelassen habe, habe der Angeklagte dies als zutreffend bestätigt. Auf weiteren Vorhalt, dass in der rechten Hand seiner Ehefrau, mit welcher diese nach der Einlassung des Angeklagten den Pistolenlauf festgehalten habe, eine Patrone aufgefunden worden sei, habe der Angeklagte erklärt, nicht zu wissen, wie die Patrone in die rechte Hand seiner Ehefrau gekommen sei.
165
8. In der Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer des Landgerichts München I ließ sich der Angeklagte am 1. Hauptverhandlungstag zur Sache ein. Zusammenfassend erklärte er, dass er „nichts gemacht“ und insbesondere seine Ehefrau „nicht erschossen“ habe. Er machte im Wesentlichen folgende Angaben:
166
a. Zur Vorgeschichte gab der Angeklagte an, dass sich seine Ehefrau vor ihrem Umzug nach verändert und mehr Alkohol getrunken habe als zuvor. Sie sei wegen ihrer Erkrankung an Epilepsie traurig und enttäuscht gewesen. Sie habe Alkohol konsumiert, obwohl sie täglich 1000 mg Carbamazepin eingenommen habe. Aber er habe sie nicht darauf ansprechen können, weil es sonst Streit gegeben hätte. Auch in … habe seine Ehefrau mehr Alkohol getrunken als früher, wie er bei Telefonaten mit ihr bemerkt habe. Sie habe auch eingeräumt, dass sie Wein trinke.
167
b. Zu den Ereignissen in der Nacht auf den 04.08.2015 ließ sich der Angeklagte zusammengefasst wie folgt ein:
168
Seine Ehefrau habe ihn am Nachmittag des 03.08.2015 angerufen und gesagt, dass sie kein Geld und nichts mehr zu essen habe. Sie wisse nicht, was sie machen solle. Als er ihr gesagt habe, dass er Geld habe, habe sie angeboten, dass er ihr das Geld in … übergeben solle. Auf seine Bitte habe ihm seine Schwester ihr Auto geliehen. Er sei mit dem Fahrrad zur S-Bahn, mit der S-Bahn nach und von dort weiter zu seiner Schwester gefahren. Von dort habe er sich am Abend des 03.08.2015 gegen 22:00 / 23:00 Uhr mit ihrem Auto auf den Weg nach gemacht. In habe er sich von einem Taxi, welchem er nachgefahren sei, den Weg zu der Wohnung zeigen lasse, welche seine Ehefrau mit der gemeinsamen ältesten Tochter bewohnt habe.
169
Bei seiner Ankunft sei seine Ehefrau erkennbar „besoffen“ gewesen. Sie habe in der Wohnung Musik gehört und getanzt. Er habe in der Wohnung eine geöffnete Weinflasche mit einem kleinen Rest Wein darin gesehen und seine Ehefrau gefragt, warum sie getrunken habe. Als sie hierauf entgegnet habe, dass er gleich wieder gehen könne, wenn er so mit ihr spreche, habe er nichts mehr gesagt.
170
Seine Ehefrau habe dann vorgeschlagen, dass sie mit nach fahre, um gemeinsam mit ihm und allen Kindern einen schönen Tag zu verbringen. Er habe entgegnet, dass dies nicht möglich sei, da sie „besoffen“ sei. Seine Ehefrau habe aber deutlich gemacht, dass sie unbedingt nach fahren wolle. Da er keinen Streit mit ihr gewollt habe, habe er hierauf nichts mehr erwidert und lediglich den kleinen Rest Wein – zwei, allenfalls drei Schlucke – aus der Weinflasche getrunken, um zu verhindern, dass seine Ehefrau diesen auch noch trinke. In der Nacht oder am Vortag habe er bis dahin weder Alkohol noch Betäubungsmittel noch Medikamente konsumiert.
171
Sie hätten sich dann in zwei Fahrzeugen auf den Weg nach gemacht. Seine Ehefrau sei deutlich schneller gefahren als er. Er habe sich mit seinem Fahrzeug in „normale[r] Geschwindigkeit“ fortbewegt. Als er sich mit seinem Auto erst im Bereich von befunden habe, habe seine Ehefrau ihn angerufen und gefragt, wo er denn sei; sie sei bereits in in der Nähe der Wohnung seiner Schwester. Seine Ehefrau habe dann zusammen mit in ihrem Fahrzeug in auf ihn gewartet. Nach seiner Ankunft seien sie weiterhin mit zwei Fahrzeugen zu seiner Schwester gefahren, welcher er das entliehene Fahrzeug zurückgebracht habe. Anschließend hätten sie die Fahrt gemeinsam im Fahrzeug seiner Ehefrau fortgesetzt, in welchem er das Steuer übernommen habe. Die Stimmung im Fahrzeug sei „normal“ und ruhig gewesen. Während ein wenig gesprochen habe, sei seine Ehefrau überwiegend ruhig gewesen. An einer Tankstelle habe er zwei Flaschen Rotwein und Zigaretten gekauft.
172
Als sie zu Hause in angekommen seien, sei aufgewacht und habe ihre Geschwister gerufen, sodass alle Kinder wach geworden und aufgestanden seien. Die Kinder hätten seine Ehefrau nur kurz mit einer Umarmung begrüßt und seien dann gleich wieder zu Bett gegangen. Seine Ehefrau habe sich hierüber gewundert und diesen Umstand als ein Zeichen fehlender Zuneigung ihrer Kinder interpretiert. Er habe seiner Ehefrau daraufhin erklärt, dass die Kinder nur müde seien. Alle Kinder hätten ihre Betten in den im ersten Obergeschoss des Hauses gelegenen Zimmern gehabt.
173
Anschließend hätten seine Ehefrau und er sich mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern in das Schlafzimmer im zweiten Obergeschoss begeben und dort Musik eingeschaltet. Da er generell kaum Alkohol trinke und Wein nicht möge, sondern lieber Bier trinke, habe er sich nur ein Glas Wein eingeschenkt und das Glas neben sich auf dem Bett abgestellt. Das Glas sei in der Folge umgefallen, sodass sich eine größere Menge Wein auf das Bett ergossen habe. Getrunken habe er von dem Wein nur eine sehr geringe, nicht näher bezifferbare Menge. Diese habe er bereits kurz nach dem Einschenken getrunken. Er habe jedenfalls in der Folge zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Alkoholwirkungen bei sich gespürt. Seine Ehefrau hingegen, die Rotwein gern gemocht habe, habe mehrere Gläser Wein aus dieser Flasche getrunken und diese geleert, obwohl sie während ihres Aufenthalts im Haus in ihre Dauermedikation Carbamazepin eingenommen habe. Er selbst habe in der Nacht auf den 04.08.2015 oder am Vortag keine Medikamente eingenommen oder sonstige Substanzen konsumiert.
174
Da es schon spät gewesen sei, habe er gedacht, dass sie sich schlafen legen würden. Seine Ehefrau hingegen habe mit ihm Sex haben wollen und sich gewünscht, dass er mit den Handschellen, die am Bett gehangen seien, ihre Hände fessle. Allerdings habe er den Schlüssel hierfür nicht griffbereit gehabt. Dieser habe sich bei den anderen Schlüsseln im Erdgeschoss befunden. Dann habe sich seine Ehefrau stattdessen „das Spiel mit der Pistole“ gewünscht, welches sie oft gespielt hätten, und habe ihn aufgefordert, die Pistole zu holen. Er sei dieser Aufforderung nachgekommen.
175
Die Pistole habe er – eingewickelt in einem Tuch – zusammen mit den Patronen in einem beigefarbenen Stoffbeutel „hinter dem Kleiderschrank“ im Schlafzimmer aufbewahrt. „Hinter dem Schrank ganz unten“ habe sich ein „Hohlraum zur Wand“ befunden, in welchen er den Stoffbeutel hineingelegt habe. Erstmals behauptete der Angeklagte nunmehr, dass er den Schrank etwa 10 cm von der Wand weggezogen habe, um an den Stoffbeutel mit der Pistole und den Patronen zu gelangen. Anschließend habe er den Schrank wieder zurückgeschoben. Da an der Unterseite des Schrankes „Filzknöpfe“, also Filzgleiter, angebracht gewesen seien, habe er den Schrank auf dem am Boden verlegten PVC-Belag leicht schieben und ziehen können. Das Magazin habe sich wie immer in der Pistole befunden und sei leer gewesen. Alle Patronen hätten sich im Stoffbeutel befunden. Außer seiner Ehefrau und ihm selbst habe niemand die Pistole in der Hand gehabt.
176
Nachdem er den Inhalt des Stoffbeutels auf das Bett geschüttet habe, habe seine Ehefrau mit den Patronen gespielt, indem sie mehrfach drei Patronen hochgeworfen und wieder aufgefangen habe. Ihrem Wunsch entsprechend habe er seine Ehefrau mit der Pistole am ganzen Körper berührt. Dann hätten sie die Pistole beiseitegelegt und miteinander Geschlechtsverkehr gehabt.
177
Danach hätten sie sich auf das Fußende des Bettes gesetzt und miteinander geredet. Seine Ehefrau habe auf einmal angefangen zu weinen. Auf seine Frage, was mit ihr los sei, habe sie ihn aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen, und hinzugefügt, dass sie schuld sei und alles kaputtgemacht habe; die Kinder liebten sie nicht mehr, dies habe sie bei der kurzen Begrüßung gespürt. Er habe versucht, seine Ehefrau zu beruhigen.
178
Dann hätten die Hunde im Erdgeschoss gebellt und er sei kurz nach unten gegangen, um für Ruhe zu sorgen. Bei seiner Rückkehr ins Schlafzimmer sei seine Ehefrau mit ihrem Handy in der Hand neben der Kommode gestanden, habe weiterhin geweint und Wein getrunken.
179
Einmal sei ihr das Handy heruntergefallen. Beim Aufprall auf den Boden habe sich der Deckel vom Gerät gelöst und der Akku sei herausgefallen. Er habe das Gerät, den Akku und den Deckel vom Boden aufgehoben und seiner weiterhin weinenden Ehefrau gegeben. Der Code für ihr Handy sei ihm nicht bekannt gewesen. Er habe dann weiter versucht, sie zu beruhigen, woraufhin sie ihn aufgefordert habe, sie in Ruhe zu lassen.
180
Er habe seiner Ehefrau angeboten, ihm zu sagen, wann sie in das Haus zu den Kindern zurückkehren wolle, dann werde er das Haus verlassen. Dies habe seine Ehefrau aber abgelehnt und erklärt, dass sie gegenwärtig noch nicht in das Haus zurückkehren wolle. Deshalb habe er auch noch keinen Anlass gesehen, nach einer Wohnung für sich zu suchen. Er habe zunächst abwarten wollen.
181
Dann habe seine Ehefrau ihm vorgeworfen, dass er das Bett im Schlafzimmer umgestellt habe und es im Schlafzimmer nicht mehr nach ihr rieche. Der Angeklagte erläuterte in diesem Zusammenhang, dass er nach dem Auszug seiner Ehefrau das Bett um 180 Grad gedreht habe, sodass dessen Fußende, welches sich ursprünglich unterhalb des kleinen, runden Fensters befunden habe, sich nunmehr in der Raummitte gegenüber der Kommode befunden habe, während das ursprünglich in diesem Bereich gelegene Kopfende des Bettes sich nunmehr unterhalb des kleinen, runden Fensters befunden habe.
182
Über andere Männer habe seine Ehefrau nicht mit ihm gesprochen. Dann sei er auf die Toilette gegangen.
183
c. Die Ereignisse im Zusammenhang mit der Schussabgabe schilderte der Angeklagte im Wesentlichen folgendermaßen:
184
Bei seiner Rückkehr von der Toilette sei seine Ehefrau, mit dem Rücken zum Bett gewandt, im Schlafzimmer gestanden und habe die Pistole in ihrer rechten Hand so vor ihre rechte Brust gehalten, dass der Lauf der Pistole senkrecht nach oben gezeigt habe. Die Patronen seien am Boden gelegen. Mit den Fragen, was das solle und was seine Ehefrau da mache, habe er sich ihr genähert und nach der Pistole gegriffen, um sie ihr abzunehmen. Sie hätten beide an der Pistole gezogen und seien dann beide umgefallen. Auf welche Weise sie an der Waffe gezogen hätten, insbesondere wer die Pistole wo und wie gegriffen habe und ob die Griffposition gewechselt habe, wisse er nach der langen Zeit nicht mehr.
185
Nachdem seine Ehefrau und er zu Boden gegangen seien, hätten sie beide weiter an der Waffe gezogen. Seine Ehefrau sei mit Blickrichtung zum Bett und mit angewinkelten Beinen, die ebenfalls in Richtung Bett gezeigt hätten, am Boden gesessen. Er sei neben ihrer linken Körperseite mit einem Bein am Boden gekniet und habe den Fuß des anderen Beins am Boden aufgestellt.
186
Seine Ehefrau und er hätten zunächst beide ihre Hände an der Waffe gehabt. Seine Ehefrau habe mit ihrer rechten Hand den Lauf der Pistole festgehalten. Seine linke Hand habe sich über ihrer rechten Hand ebenfalls am Pistolenlauf befunden. Er habe mit seiner rechten Hand den Griff der Pistole umfasst, wobei er nicht wisse, ob sein Finger dabei die ganze Zeit am Abzug gewesen sei. Die linke Hand seiner Ehefrau habe sich zunächst über seiner rechten Hand ebenfalls am Pistolengriff befunden. Seine Ehefrau habe die Waffe an ihre linke Kopfseite gezogen, während er ebenfalls an der Waffe gezogen und versucht habe, sie vom Kopf seiner Ehefrau wegzuziehen.
187
Er habe ferner versucht, mit seiner über der rechten Hand seiner Ehefrau befindlichen linken Hand die Finger ihrer rechten Hand aufzubiegen und auf diese Weise ihre rechte Hand zu öffnen und vom Lauf der Waffe zu lösen. In dem Moment, als es ihm gerade gelungen sei, die Finger ihrer rechten Hand aufzubiegen und auf diese Weise vom Lauf der Waffe zu lösen, habe sich ein Schuss gelöst.
188
Im Zeitpunkt der Schussabgabe habe sich nur noch seine rechte Hand am Pistolengriff befunden und nur sein Finger am Abzug, da seine Ehefrau mit ihrer linken Hand kurz zuvor seine rechte Hand am Pistolengriff losgelassen habe, während sich ihre rechte Hand nach wie vor am Pistolenlauf befunden habe. Der Angeklagte stellte ausdrücklich klar, dass sich im Zeitpunkt der Schussabgabe weder eine Hand seiner Ehefrau am Pistolengriff noch ein Finger seiner Ehefrau am Abzug der Pistole befunden habe. Wie der Angeklagte auf Nachfrage erklärte, könne es sein, dass er den Abzug betätigt habe, als er mit seiner rechten Hand am Pistolengriff die Waffe nach hinten – mithin von seiner Ehefrau weg – gezogen habe, denn der Schuss habe sich währenddessen gelöst.
189
Als sich der Schuss gelöst habe, habe seine Ehefrau die Pistole weiterhin an ihre linke Kopfseite gehalten. Nach dem Schuss sei seine Ehefrau zur Seite umgefallen. Da sie reglos am Boden gelegen sei, habe er sie an der Schulter gerüttelt und lautstark angesprochen. In ihrem Kopfbereich habe er Blut wahrgenommen. Anschließend sei er aufgestanden und habe nach seiner Tochter gerufen und diese aufgefordert, den Notarzt zu verständigen. Er habe ihr gesagt, dass ihre Mutter einen epileptischen Anfall erlitten habe. sei seiner Aufforderung nachgekommen, während seine Tochter zu den Nachbarn gelaufen sei und diese herbeigeholt habe.
190
Sein Nachbar habe ihn aufgefordert, dass er sich sein Gesicht waschen solle. Dieser Aufforderung sei er mit viel Wasser nachgekommen. Dabei habe er sich nur einmal mit den Händen Wasser in sein Gesicht gespritzt, nicht auch seine Hände gewaschen. Er sei schockiert gewesen. Seine beiden Töchter hätten ihn umarmt und beruhigt. Zu der in der rechten Hand seiner Ehefrau aufgefundenen Patrone erklärte der Angeklagte, nicht zu wissen, wie die Patrone in ihre Hand gekommen sei.
191
9. In seinem (ersten) letzten Wort am 12. Hauptverhandlungstag beteuerte der Angeklagte, seine Ehefrau „nicht umgebracht“ zu haben, und fügte hinzu, dass er sie „hundertprozentig“ nicht umgebracht habe. Er sei seit ihrem Tod „kaputt“ und habe gesundheitliche Probleme bekommen. Sie sei die Mutter seiner Kinder. Er habe für sie einen Grabstein gekauft und ihr Grab gepflegt.
192
Noch heute trage er den Ehering. Seine Ehefrau habe früher immer zu ihm gesagt, dass sie nicht mit ihm und nicht ohne ihn könne. Er habe kein schlechtes Bild von seiner Ehefrau gehabt und nie etwas gesagt. Ihr Tod fühle sich für ihn so an, als habe man ihm einen Arm abgenommen, sodass sein Körper nicht mehr vollständig sei. Wenn sie sie sich von ihm getrennt hätte, dann wäre sein Arm zwar verletzt gewesen und hätte eine Narbe davongetragen, wäre jedoch an seinem Körper geblieben. Seine Ehefrau und er hätten sich wegen der Kinder weiterhin gesehen. Der Angeklagte schloss seine Ausführungen mit dem Satz, dass er „es nicht gemacht“ habe.
193
10. In seinem (zweiten) letzten Wort am 13. Hauptverhandlungstag erklärte der Angeklagte, dass er alles gesagt habe und sich auf seine Ausführungen vom vorangegangenen Hauptverhandlungstag beziehe.
194
Der festgestellte Sachverhalt beruht auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte. Im Übrigen stützen sich die Feststellungen auf die nachfolgend dargelegten Beweismittel und Erwägungen. Soweit der Angeklagte bis zuletzt bestritt, seine getrenntlebende Ehefrau O S vorsätzlich getötet zu haben, wertete die Strafkammer dies als Schutzbehauptung und gründete ihre abweichende Überzeugung auf eine Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung gewonnenen Indizien und in Betracht zu ziehenden Umstände (vgl. unten C.III.25., S. 65, und C.III.28., S. 94).
195
1. Die Feststellungen zum Zeitraum 1998 bis 2010 beruhen auf der entsprechenden Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung sowie zusätzlich und ergänzend auf den Angaben der Zeugen KHK a.D. S, KHK a.D. P und KHKin S sowie auf den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständige PD Dr. S. KHK a.D. S berichtete glaubhaft über seine entsprechenden Erkenntnisse aus der Auswertung von bei der Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten sichergestellten Unterlagen. KHK a.D. P und KHKin S präsentierten glaubhaft die in den von ihnen gesichteten Behandlungsunterlagen der Getöteten enthaltenen Fakten. Der psychiatrische Sachverständige PD Dr. S legte überzeugend und sachkundig seine entsprechenden, bei der Auswertung der den Angeklagten betreffenden ärztlichen Unterlagen und medizinischen Gutachten gewonnenen Erkenntnisse dar. Die Zeugin KHKin S berichtete darüber hinaus glaubhaft über Daten und Fakten zu den Wohnverhältnissen der Familie S, die in den von ihr ausgewerteten Akten des Kreisjugendamts enthalten waren. Im Übrigen wird auf die Ausführungen oben unter C.I.1.c., S. 23, Bezug genommen.
196
2. Die Feststellungen zu der zunehmenden Unzufriedenheit der Getöteten in ihrer Ehe und ihrem Ende des Jahres 2011 gefassten Trennungsentschluss sowie zur Beauftragung eines Rechtsanwalts mit ihrer Vertretung im von ihr angestrebten Scheidungsverfahren und der Rücknahme dieses Mandatsauftrags beruhen auf der Verlesung der beiden E-Mails der Getöteten an Rechtsanwalt T vom 29.12.2011 (vgl. nachfolgend a.) und 05.01.2012 (vgl. unten C.III.2.b., S. 43). Diese seien nach den glaubhaften Angaben der Zeugin KHKin S im Rahmen der Auswertung der sichergestellten Datenträger aufgefunden worden.
197
a. Die am 29.12.2011 um 00:45 Uhr von der Getöteten an Rechtsanwalt T versandte EMail, welche zur Verlesung kam, hat folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr T, seit geraumer Zeit habe ich Probleme in meiner Ehe, Probleme für die ich schon lange versucht habe Lösungen zu finden jedoch bis heute erfolglos blieb.
Mein Mann und ich lebten uns in diesen 10 Jahren unserer Ehe so auseinander, daß leider nur wenig übrigblieb von dem was wir früher teilten.
Sei es Wünsche für die Zukunft, Ambitionen, Vorstellung über Kindererziehung oder die Vorstellung wie der jeweilige Ehepartner sein sollte und was eigentlich eine Ehe ausmacht. Mein Mann ist mit dem Status Quo zufrieden und hat anscheinend alles erreicht in seinem Leben was er wollte. Mir jedoch reicht ein Leben ohne Arbeit, ohne Ziele nicht aus. Er ist schon lange antriebslos, depressiv und voll Aggressivität die er regelmäßig an mir und den Kindern ausläßt. Zugegeben er wurde niemals handgreiflich, Worte aber können einen Menschen noch mehr verletzen.
Momentan befinde ich mich in da ich die Distanz brauchte um einen klaren Kopf zu kriegen damit ich Entscheidungen treffen kann die nicht von Emotionen geleitet werden und für meine Kinder das Beste für ihre Zukunft darstellen. Deshalb hab ich mich entschieden diese Agonie den Kindern und mir zu ersparen und wende mich hiermit an Sie mit der Bitte mich bei einer Scheidung zu vertreten und rechtlich zu beraten und zu unterstützen.
P. S In den nächsten Tagen wird meine Mutter Sie anrufen und sich wie ich verstand, treffen. Dabei können Sie ihr dann sagen wobei und wie sie am Besten mir behilflich sein kann in diesem Vorhaben, ganz besonders da es dann letztendlich um die Kinder gehen wird.“
198
b. Die am 05.01.2012 um 17:19 Uhr von der Getöteten an Rechtsanwalt T versandte EMail, welche zur Verlesung kam, hat folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr T, bezugnehmend auf meine Email vom 29.12.2011 würde ich Sie bitten die Angelegenheit momentan ad acta zu legen, da ich trotz allem versuche alles zum Besten meiner Kinder zu regeln.
199
3. Die Feststellungen im Zusammenhang mit der in den folgenden Jahren weiter zunehmenden Unzufriedenheit der Getöteten in ihrer Ehe mit dem Angeklagten und den Gründen für ihren im Jahr 2015 umgesetzten Trennungsentschluss basieren auf der Verlesung der deutschen Übersetzung des Facebook-Messenger-Chatverkehrs vom 09.07.2015 ab 21:21 Uhr zwischen O S und ihrem von ihr als „mein Pate“ angesprochenen Bekannten A, der sie umgekehrt ebenfalls als „meine Patin“ ansprach.
200
a. Dieser Facebook-Messenger-Chat wurde vom Facebook-Account der Getöteten in serbokroatischer bzw. bosnischer Sprache geführt und hat folgenden Inhalt:
201
Auf die Frage von A, was das Problem sei und ob er helfen könne, antwortete O S, dass es dafür leider zu spät sei. Auf die Aufforderung von A, im Hinblick auf die Kinder „die Sachen“ wieder „auszubügeln“, fügte die Getötete hinzu, dass es eine lange Geschichte sei und die Kinder mehr leiden würden, wenn sie zusammenblieben. Weiter führte sie aus, dass es nicht das erste Mal sei, dass sie dem Angeklagten zu verstehen gegeben habe, dass er sich ändern müsse. Dieser sei hierzu jedoch nicht in der Lage. Auf die erneute Frage von A, was das Problem zwischen der Getöteten und dem Angeklagten sei, antwortete O S mit folgender Nachricht:
„Ok kurz gesagt: Der Mann ist mein Kind geworden. Alle Speere brechen sich an meinem Rücken er hat nicht gearbeitet er hat mich nicht unterstützt als ich meine Ideen und Träume hatte er hat sich nicht um die Kinder gekümmert er weiß doch nicht mal was für Noten die Kinder haben oder wer ihr Klassenlehrer ist.
Alles was zu erledigen war habe ich erledigt er hat nur sich selbst seine Schmerzen und keinen anderen gesehen. Er ist sehr egozentrisch negativ und aggressiv geworden. Ich konnte das alles nicht mehr ertragen. Das ist nur kurz, aber wie ich sagte, es ist eine lange Geschichte.“
202
Nach dem Einwurf von A, dass er nicht wisse, was er sagen solle, und ihr glaube, fuhr O S mit folgender Nachricht fort:
„Er wusste es mich zu erniedrigen und zu erzählen, wie glücklich ich sein müsste, dass ich ihn habe.
Er könne haben, wie viele er wolle, und ich könne nur jemanden finden, der mich ausnutzen würde usw.
Wenn ich Klavier gespielt habe meinte er, ich sei depressiv, wenn ich ein Buch gelesen habe, hat er nur den Kopf geschüttelt. Wir sind sehr verschieden, mein Pate, wir haben eine andere Sichtweise auf dieses Leben und erwarten unterschiedliche Sachen. Er gibt sich mit Essen und Trinken zufrieden und mir reicht das nicht. Ich würde meinen Kindern mehr bieten wollen als ein Haus und die Schule.“
203
Nachfolgend teilte O S mit, dass sie in der Wohnung ihrer Mutter in lebe und sie ihre – „“ genannte – Tochter, die mit ihr mitgekommen sei, dort in der Schule angemeldet habe. Im weiteren Verlauf schrieb A, dass O S sich mit dem Angeklagten versöhnen solle, und fügte hinzu, dass dieser alle Bedingungen akzeptieren und sich „sicherlich“ ändern werde. Hierauf antwortete O S mit folgender Nachricht:
„Mein Pate, bitte nicht. Es ist in der Zwischenzeit sehr viel passiert, er hat sich gezeigt“
204
Anschließend forderte A die Getötete auf, es noch einmal mit dem Angeklagten zu versuchen, und fügte hinzu, dass nach dessen Aussage die Kinder nur schwiegen und schliefen; diese würden krank werden. Hierauf entgegnete O S, dass der Angeklagte dann ihr die Kinder geben solle, was dieser aber nicht wolle. Sie fügte hinzu, dass der Angeklagte nicht in der Lage sei, auf die Kinder aufzupassen. Auf den Einwurf von A, dass die Getötete und der Angeklagte beide nachgeben müssten, beendete O S diesen Facebook-Messenger-Chat mit folgender Nachricht:
„Mein Pate, zurückgehen werde ich nicht mehr, für mich waren diese Jahre furchtbar zumindest diese letzten“
205
b. Wie die Zeugin KHKin S glaubhaft darlegte, sei dieser Chatverkehr der Getöteten auf dem sichergestellten Mobiltelefon des Angeklagten aufgefunden worden. Wie die Zeugin erläuterte, bedeute dieser Umstand, dass sich der Angeklagte in den Facebook-Account der Getöteten eingeloggt haben müsse. Diese von der Zeugin KHKin S gezogene, nachvollziehbare und plausible Schlussfolgerung macht sich die Strafkammer zu eigen.
206
c. Diese Schlussfolgerung wird überdies gestützt durch eine – ebenfalls auf dem sichergestellten Mobiltelefon des Angeklagten aufgefundene – Facebook-Messenger-Chat-Nachricht von O S an den Angeklagten vom 10.07.2015 um 18:46 Uhr. Die deutsche Übersetzung dieser wiederum in bzw. Sprache verfassten Nachricht kam ebenfalls zur Verlesung. Darin wirft O S dem Angeklagten vor, dass er einerseits von ihr verlangt habe, ihm ihr Facebook-Passwort mitzuteilen, was sie getan habe, während er andererseits sein eigenes Facebook-Passwort geändert habe, wie sie nunmehr festgestellt habe. Sie fügte hinzu, dass es zwar sein gutes Recht sei, sein Facebook-Passwort zu ändern, er dann aber nicht die Mitteilung ihres Facebook-Passworts verlangen dürfe. Der Umstand, dass er ihr am Vorabend nichts von der Änderung gesagt habe, bedeute, dass er etwas verheimliche. Dies wiederum bedeute, dass sie ihm nicht trauen könne.
207
4. Die Feststellungen zu der am 22.06.2015 von O S vollzogenen Trennung vom Angeklagten beruhen im Wesentlichen auf der Einlassung des Angeklagten (vgl. nachfolgend a.). Diese wird durch die im Weiteren genannten Beweismittel bestätigt und ergänzt (vgl. unten C.III.4.b., S. 46, und C.III.4.c., S. 47).
208
a. Der Angeklagte machte zusammengefasst folgende Angaben:
209
(1) Gegenüber dem Zeugen H vom Kriseninterventionsteam bekundete der Angeklagte, dass seine Ehefrau einige Zeit zuvor ausgezogen sei, um ihren persönlichen Interessen nachgehen zu können. Seine Ehefrau habe sich von ihm scheiden lassen wollen und sei in die Wohnung ihrer Mutter nach gezogen. Die älteste gemeinsame Tochter sei bei der Mutter geblieben und mit ihr umgezogen, während die Kinder bei ihm geblieben seien (vgl. oben C.II.3.a., S. 27).
210
(2) In seiner Beschuldigtenvernehmung vom 04.08.2015 gab der Angeklagte an, dass seine Ehefrau vor etwa zwei Monaten einen Termin bei der Schuldnerberatung gehabt habe, weil sie 300,- Euro Rundfunkgebühren nicht bezahlt habe. Bei ihrer Rückkehr von dem Termin habe sie ihm vorgeworfen, dass sie sich immer um sämtliche bürokratischen Angelegenheiten der Familie kümmern müsse, da er sich gar nicht darum kümmere. Sie habe erklärt, dass sie nicht mehr könne und nicht mehr wolle. Sie verlasse ihn; nunmehr sei „Schluss“.
211
Die älteste gemeinsame Tochter habe erklärt, mit der Mutter mitzugehen, damit diese nicht allein sei. Laut dem Angeklagten sei seine Ehefrau mit in eine leerstehende Eigentumswohnung ihrer Mutter in gezogen. Seither hätten sie öfter miteinander telefoniert und seine Ehefrau habe ihn und die übrigen vier gemeinsamen Kinder auch öfter – insbesondere an den Wochenenden – in besucht. Zwischen ihnen habe es keinen Sorgerechtsstreit gegeben, sondern es sei um das Aufenthaltsbestimmungsrecht gegangen. Es habe aber keinen Streit gegeben. Seine Ehefrau habe mit den Kindern in dem bislang gemeinsam bewohnten Haus in wohnen wollen und er habe aus dem Haus ausziehen sollen. Er habe ihr gesagt, dass dies kein Problem für ihn sei; er werde sich eine Wohnung suchen und in der Nähe seiner Kinder sein (vgl. oben C.II.5.a., S. 30).
212
(3) Dass seine Ehefrau nach der Rückkehr von einem Termin bei der Schuldnerberatung ausgezogen sei, bekundete der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung vor der 2. Strafkammer des Landgerichts München I. Seinen weiteren Angaben zufolge habe er sich gedacht, wenn seine Ehefrau diesmal nicht zu ihm zurückkomme, dann gehe das Leben auch weiter. Er sei ja vor der Ehe mit ihr auch schon verheiratet gewesen (vgl. oben C.II.7.a., S. 34).
213
b. Wie die Zeugin KHKin S glaubhaft berichtete, habe sich in den von ihr ausgewerteten Akten des Kreisjugendamts ein Vermerk über einen am 30.06.2015 durchgeführten Hausbesuch beim Angeklagten gefunden. In diesem Aktenvermerk seien von dem Mitarbeiter des Kreisjugendamts die vom Angeklagten im Rahmen des Hausbesuchs getätigten Angaben niedergelegt worden. Demnach habe der Angeklagte beim Hausbesuch am 30.06.2015 gegenüber dem Mitarbeiter des Kreisjugendamts angegeben, er befürchte, dass es sich um eine „endgültige Trennung“ handle. Seine Ehefrau habe die Tochter in einer Realschule in angemeldet. Sie habe das Auto mitgenommen; er habe keinen Zugriff auf ihr Konto. Seine Ehefrau sei jedoch zuvor zu Besuch gewesen, habe ihm seine „Grundsicherung“ gebracht und angekündigt, ihm auch das Kindergeld vorbeizubringen. Am Tag ihres Weggangs habe seine Ehefrau ihm gesagt, dass sie es nicht mehr aushalte. Er vermute, dass sie ihren Auszug schon länger geplant habe.
214
Den weiteren glaubhaften Angaben der Zeugin KHK S zufolge hätten die Akten des Kreisjugendamts ferner einen Vermerk über ein gemeinsames Gespräch der Eheleute S beinhaltet, welches am 16.07.2015 beim Kreisjugendamt stattgefunden habe. Demnach habe O S bei diesem Gespräch geäußert, dass sie sich in den vergangenen Monaten zu ihrer Entscheidung hinsichtlich einer Trennung durchgerungen habe. Obwohl die Trennung für sie wichtig sei und sie neben der Scheidung vom Angeklagten das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für alle fünf Kinder anstrebe, mit denen sie im Haus am weg in leben wolle, wolle sie den Kindern den Vater erhalten. O S habe daher vorgeschlagen, dass der Angeklagte eine Wohnung in der Nähe beziehen könne. Dessen Aggressionen hätten sich nicht gegen die Kinder gerichtet. O S habe dem Aktenvermerk zufolge bei diesem Gespräch ferner angegeben, einmal pro Woche zu dem Angeklagten und den Kindern nach zu fahren und mit ihnen fast täglich Telefonate zu führen.
215
c. Die Feststellungen zum Einzug der Getöteten mit ihrer Tochter und den zwei Hunden in die Eigentumswohnung ihrer Mutter in stützen sich ergänzend auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Mutter des Tatopfers, der Zeugin N K.
216
5. Die Feststellungen zu dem von O S mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.07.2015 beim Amtsgericht München – Familiengericht – gestellten Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder und zu dem hierdurch veranlassten familiengerichtlichen Verfahren stützen sich auf die Verlesung der entsprechenden Inhalte der familiengerichtlichen Akte. Darunter befand sich insbesondere auch ein Nachweis über die am 30.07.2015 an den Angeklagten erfolgte Zustellung des anwaltlichen Schriftsatzes samt gerichtlicher Ladung zu dem für den 26.08.2015 bestimmten familiengerichtlichen Anhörungstermin.
217
Wie die Zeugin KHKin S glaubhaft berichtete, seien die entsprechenden, an den Angeklagten zugestellten Unterlagen – der anwaltliche Schriftsatz vom 21.07.2015 sowie das gerichtliche Ladungsschreiben vom 28.07.2015 samt familiengerichtlicher Verfügung vom 27.07.2015 – am 04.08.2015 im Tatanwesen auf der Kaminablage im Wohnzimmer aufgefunden, fotokopiert und im Original im Tatanwesen hinterlegt worden. Diese dem Angeklagten zugestellten Unterlagen wurden zudem in Augenschein genommen und auszugsweise verlesen.
218
6. Dass der Angeklagte immer wieder telefonisch, per SMS und über den Messenger-Dienst ... den Kontakt mit seiner getrenntlebenden Ehefrau suchte, ergibt sich aus den Erkenntnissen, die bei der Auswertung der sichergestellten Mobiltelefone des Angeklagten und der Getöteten gewonnen werden konnten. Hierüber berichtete glaubhaft die Zeugin KHKin S . Ferner kam der vom Mobiltelefon der Getöteten gefertigte Extraktionsbericht über Telefonkontakte zwischen den Mobilfunkanschlüssen der Getöteten und des Angeklagten im Zeitraum vom 30.06. bis 04.08.2015 zur Verlesung. Darüber hinaus wurden exemplarisch die deutschen Übersetzungen von in bzw. Sprache verfassten Chat-Nachrichten verlesen, die zwischen den Mobilfunkanschlüssen des Angeklagten und der Getöteten per SMS sowie zwischen ihren Accounts über den Messenger-Dienst ... ausgetauscht wurden.
219
a. So gingen laut dem Extraktionsbericht am 17., 18., 20., 21., 22. und 23.07.2015 vom Mobilfunkanschluss des Angeklagten insgesamt 19 Anrufe – darunter 12 nicht angenommene Anrufversuche – auf dem Mobilfunkanschluss der Getöteten ein. Am 25.07.2015 gingen zwischen 02:46 Uhr und 02:48 Uhr drei sowie zwischen 23:34 Uhr und 23:50 Uhr zwei nicht angenommene Anrufversuche vom Anschluss des Angeklagten auf dem Mobilfunkanschluss der Getöteten ein. Die Anrufversuche vom 25.07.2015 fanden eine Fortsetzung in 14 nächtlichen, nicht angenommenen Anrufversuchen des Angeklagten am 26.07.2015 zwischen 02:15 Uhr und 02:57 Uhr sowie in einem um 03:05 Uhr eingehenden Anruf, welcher schließlich angenommen wurde.
220
Der nächste Anruf vom Account des Angeklagten über den Messenger-Dienst ... erfolgte am 26.07.2015 um 10:10 Uhr, dem am Mittag dieses Tages von 13:32 Uhr bis 13:33 Uhr drei weitere, nicht angenommene Anrufversuche des Angeklagten folgten. Am 27., 28. und 29.07.2015 gingen vom Mobilfunkanschluss des Angeklagten insgesamt acht Anrufe – darunter zwei nicht angenommene Anrufversuche – auf dem Mobilfunkanschluss der Getöteten ein. Am 31.07.2015 um 00:35 Uhr folgte ein nicht angenommener Anrufversuch vom Mobilfunkanschluss des Angeklagten. Der nächste Anruf vom Mobilfunkanschluss des Angeklagten am 02.08.2015 um 17:53 Uhr wurde angenommen.
221
Am Abend des 03.08.2015 ging um 22:13 Uhr auf dem Mobilfunkanschluss der Getöteten ein Anruf vom Mobilfunkanschluss des Angeklagten ein, der zu einem rund 35-minütigen Telefonat führte. Der letzte Kontakt zwischen den beiden Mobilfunkanschlüssen fand laut Extraktionsbericht am 04.08.2015 um 01:54 Uhr statt, als ein vom Mobilfunkanschluss des Angeklagten eingehender Anruf zu einem rund 9,5-minütigen Telefonat führte.
222
b. Als drei Anrufversuche des Angeklagten am 18.07.2015 zwischen 22:51 Uhr und 22:53 Uhr am Mobilfunkanschluss der Getöteten nicht angenommen wurden, schrieb er seiner getrenntlebenden Ehefrau um 22:54 Uhr über den Messenger-Dienst ... eine Nachricht mit der Frage, warum sie sich nicht melde. Als O S hierauf um 23:39 Uhr zurückfragte, wer sich nicht melde, verwies er darauf, dass er „die ganze Zeit“ anrufe. O S erklärte daraufhin, dass sie an diesem Tag im Schwimmbad gewesen seien und man dorthin kein Handy mitnehme. Auf den Einwand des Angeklagten, dass er erst angerufen habe, als sie bereits zu Hause gewesen seien, erläuterte O S, dass sie gleich nach ihrer Rückkehr mit dem Hund hinausgegangen sei und wiederum ihr Handy nicht mitgenommen habe.
223
Im weiteren Verlauf dieses Chats klagte O S in einer am 19.07.2015 um 00:21 Uhr versandten Nachricht darüber, dass der Angeklagte sich darüber aufrege, wenn sie seine Anrufe nicht annehme, und beschwerte sich darüber, dass er nicht die Möglichkeit in Erwägung ziehe, dass sie ihr Handy nicht bei sich habe oder dessen Klingeln nicht gehört habe oder tätigkeitsbedingt an der Annahme seines Anrufs gehindert sein könne. Vielmehr denke er immer sofort, sie wolle seine Anrufe nicht annehmen. Dies bedeute aus ihrer Sicht, dass der Angeklagte erwarte, dass sie „springen“ solle, wenn er anrufe.
224
In einer am 19.07.2015 um 00:34 Uhr versandten Nachricht beschuldigte der Angeklagte seine getrenntlebende Ehefrau, dass diese die Applikation ... ausgeschaltet habe. In ihrer Antwort brachte O S ihr Unverständnis diesbezüglich zum Ausdruck und erklärte, dass die Applikation auf ihrem Handy immer eingeschaltet sei. Sie fragte daraufhin den Angeklagten, ob dieser erkenne, wie anstrengend er sei, und fügte hinzu, dass sie ihm immer Rechenschaft ablegen und alles erklären müsse, weil er immer alles falsch sehe und falsch verstehe und deshalb böse sei. Dies sei anstrengend. In einer am 19.07.2015 um 00:52 Uhr versandten Nachricht bestritt der Angeklagte dies und fügte hinzu, es sei seltsam, dass sie sich nicht melde oder ihm nicht wenigstens etwas schreibe, wenn er anrufe. Um 01:36 Uhr versandte der Angeklagte an seine getrenntlebende Ehefrau eine Nachricht, in welcher er konstatierte, dass diese wieder die Applikation ... ausgeschaltet habe, und fügte um 01:38 Uhr ironisch „Danke vielmals“ hinzu. Am nächsten Morgen antwortete O S um 07:13 Uhr hierauf, dass sie nichts ausgeschaltet habe, sondern eingeschlafen sei.
225
c. Im Verlauf der 14 nächtlichen, von der Getöteten nicht angenommenen Anrufversuche am 26.07.2015 zwischen 02:15 Uhr und 02:57 Uhr schrieb der Angeklagte um 02:50 Uhr eine SMS an seine getrenntlebende Ehefrau, in welcher er diese aufforderte, aufzuwachen und ihm Bescheid zu geben, ob mit den Kindern alles in Ordnung sei. Hierauf antwortete O S um 03:01 Uhr mit folgender SMS-Nachricht:
„Bist du eigentlich noch normal? Du rufst jede Nacht bis irgendwann spät an, schreibst usw.
Die Kinder schlafen schon seit laaaaangem und alles ist ok und ich möchte gerne schlafen“
226
Hierauf reagierte der Angeklagte um 03:02 Uhr mit einer SMS-Nachricht, in welcher er seine getrenntlebende Ehefrau fragte, warum sie sich nicht melde, wenn sie wach sei. Darauf antwortete O S um 03:03 Uhr, dass sie nicht wach sei, sondern er sie aufgeweckt habe. Um 03:05 Uhr erwiderte der Angeklagte eine knappe Entschuldigung und fügte hinzu, er wolle seiner Ehefrau etwas bezüglich der Tochter sagen. Daraufhin nahm O S den unmittelbar anschließenden, ebenfalls um 03:05 Uhr erfolgten Anruf des Angeklagten entgegen, woran sich ein knapp 39-minütigen Telefonat anschloss.
227
7. Dass der Angeklagte nicht bereit war, den Entschluss seiner Ehefrau, sich diesmal endgültig von ihm zu trennen, zu akzeptieren, sich mit einer Trennung nicht abfinden wollte und die Fortsetzung der Ehe anstrebte, schließt die Strafkammer aus einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände sowie exemplarisch aus den in bzw. Sprache verfassten ...Nachrichten des Angeklagten an die Getötete vom 28. und 29.07.2015, deren Übersetzung in die deutsche Sprache zur Verlesung kam. In diesen Nachrichten versicherte der Angeklagte seiner getrenntlebenden Ehefrau, dass er sich nunmehr ändern werde. Damit kündigte er an, nunmehr der langjährigen Forderung seiner Ehefrau nachkommen zu wollen, deren Nichterfüllung durch den Angeklagten ein Grund für ihre Trennung war (vgl. oben C.III.3., S. 44).
228
Zunächst bekundete der Angeklagte in einer am 28.07.2015 um 17:11 Uhr versandten Nachricht, dass es ihm sehr leidtue und es schmerzhaft sowie unverzeihlich sei, dass er so sei, wie er sei. Als hierauf keine Reaktion der Getöteten erfolgte, versandte er um 20:35 Uhr eine weitere Nachricht, in welcher er ankündigte, dass er „sicherlich komplett anders sein“ werde. Auch auf diese Nachricht reagierte O S nicht. Um 20:38 Uhr hielt der Angeklagte in einer weiteren Nachricht fest, dass die Getötete nicht antworte, obwohl sie online sei, und fügte hinzu, dass er dann nicht wisse, warum er schreibe. Zwei nachfolgende, über den Messenger-Dienst ... getätigte Anrufe des Angeklagten um 20:40 Uhr und 20:43 Uhr wurden von der Getöteten nicht entgegengenommen. Ein weiterer Anruf des Angeklagten um 20:47 Uhr führte schließlich zu einem rund 5,5-minütigen Telefonat, dem auf einen weiteren Anruf des Angeklagten um 20:56 Uhr ein rund 4-minütiges Telefonat folgte.
229
Am 29.07.2015 um 00:02 Uhr schrieb der Angeklagte in einer ...-Nachricht an seine getrenntlebende Ehefrau, dass er sich vielleicht doch ändern könne. Hierauf erwiderte O S um 00:04 Uhr, dass sie dies erst glaube, wenn sie dies sehe. In einer um 00:50 Uhr versandten Nachricht räumte der Angeklagte ein, dass er vielleicht auch anstrengend sei, und erklärte, dass er sich sicherlich ändern müsse. Auf seine im weiteren Verlauf um 00:53 Uhr gestellte Frage, ob O S denke, dass er sich langsam ändere, antwortete diese wenige Sekunden später, dies nicht zu wissen. Um 00:56 Uhr appellierte der Angeklagte an seine getrenntlebende Ehefrau, dass diese es doch fühle, und fügte hinzu, er fühle, dass er sich langsam mit Gottes Hilfe beruhige.
230
8. Dass der Angeklagte es sich in der Ehe bequem eingerichtet hatte und die praktizierte Aufgabenverteilung vollständig seiner Wunschvorstellung entsprach, ist ein Rückschluss, den die Strafkammer nach einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände und gewonnenen Indizien gezogen hat. Hierbei fand insbesondere auch Berücksichtigung, dass es vor der von O S am 22.06.2015 vollzogenen Trennung weder im Verhalten noch in der Einstellung des Angeklagten zu einer nachhaltigen Veränderung kam, obwohl seine Ehefrau ihm im Verlauf der Ehe wiederholt zu verstehen gab, dass er sich ändern müsse, wenn ihm an einer Fortsetzung der Ehe mit ihr gelegen sei (vgl. oben C.III.3.a., S. 44).
231
9. Die Feststellung, dass O S nach ihrem Auszug ihre Kinder beim Angeklagten besuchte und zum Teil auch kurzzeitig zu sich nach holte, während sich unterdessen im Austausch beim Angeklagten aufhielt, stützt die Strafkammer auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin . Diese werden gestützt durch entsprechende Erkenntnisse aus der Auswertung der Chat-Nachrichten, die einerseits zwischen der Getöteten und dem Angeklagten sowie andererseits zwischen den beiden jeweils mit ihren Kindern ausgetauscht wurden.
232
Aus diesem Umstand sowie aus den nachfolgend genannten weiteren Umständen schließt die Strafkammer, dass O S um das Wohlergehen ihrer Kinder besorgt war. Sie beantragte die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die vier jüngeren Kinder (vgl. oben C.III.5., S. 47), wollte den Kindern aber zugleich den Vater erhalten und schlug deshalb vor, dass der Angeklagte eine Wohnung in der Nähe beziehen könne (vgl. oben C.III.4.b., S. 46). Obwohl sie bereits geschlafen hatte, nahm O S am 26.07.2015 um 03:05 Uhr einen nächtlichen Anruf des Angeklagten entgegen und führte mit ihm ein knapp 39-minütiges Telefonat, nachdem dieser ihr geschrieben hatte, dass er ihr etwas bezüglich der Tochter sagen wolle (vgl. C.III.6.c., S. 49). Ferner ergibt sich die Sorge der Getöteten um das Wohlergehen ihrer Kinder auch aus einer Gesamtwürdigung der Erkenntnisse aus den ausgewerteten ChatNachrichten.
233
10. Dass O… S… über die Online-Dating-Plattform „...“ Kontakt zu anderen Männern suchte, ergibt sich aus den entsprechenden Erkenntnissen aufgrund der Sichtung der auf dem sichergestellten Laptop gesicherten Daten, worüber der Sachverständige KOM K… überzeugend berichtete. Ferner wurden die gefertigten Screenshots von den auf der Plattform „...“ von der Getöteten ausgetauschten Chat-Nachrichten in Augenschein genommen. Soweit die Chat-Nachrichten in deutscher Sprache verfasst waren, kamen sie auszugsweise zur Verlesung. Die in bzw. Sprache verfassten Chat-Nachrichten wurden von der für die, und Sprache als Dolmetscherin und Übersetzerin öffentlich bestellten und allgemein beeidigten Sprachsachverständigen B… übersetzt und hinsichtlich verwendeter Redewendungen erläutert.
234
11. Die Feststellungen zu den Männerkontakten der Getöteten in …, namentlich ihren Kontakten zu H… und D…, beruhen auf den Angaben der Zeugen L… (vormals H…) und D… sowie ergänzend auf den Angaben der Vernehmungsbeamtin KHKin S…
235
a. Wie der Zeuge L… (vormals H…) berichtete, habe er O…S… am 30.07.2015 auf der Online-Dating-Plattform „...“ kennengelernt und sich mit ihr ein einziges Mal am Abend des 02.08.2015 an einem See in … persönlich getroffen. Hierbei sei es zwischen ihnen zum Austausch von Intimitäten, aber keinem weitergehenden Sexualkontakt gekommen. In den Chat-Nachrichten vor ihrem persönlichen Treffen hätten sie sich über ihre Interessen ausgetauscht und einander von sich erzählt. O…S… habe ihm mitgeteilt, dass sie in Trennung lebe und noch nicht offiziell geschieden sei. Ferner habe sie erklärt, dass sie keine neue feste Beziehung suche, sondern zunächst ihre Scheidung „über die Bühne bringen“ wolle. Bei ihrem persönlichen Treffen habe sie ferner berichtet, dass sie seit etwa zwei Monaten in Trennung lebe. Sie habe überdies erzählt, dass derzeit eine Tochter bei ihr wohne, sie sich aber wünsche, irgendwann mit allen ihren … Kindern zusammenzuwohnen. O… S…habe hinzugefügt, dass dieser Wunsch aber leider nicht so leicht umsetzbar sei und die Umsetzung noch einige Zeit in Anspruch nehmen werde.
236
Die ruhig, sachlich und erkennbar erinnerungskritisch gemachten Angaben des Zeugen L… (vormals H…) waren glaubhaft. Es bestand kein Anlass, ihren Wahrheitsgehalt in Zweifel zu ziehen. Anzeichen für Be- oder Entlastungseifer fanden sich nicht.
237
b. Wie der Zeuge D… schilderte, habe er O… S… im Sommer 2015 kennengelernt, als diese in dem von ihm betriebenen Ladengeschäft Einkäufe getätigt habe. Als sie sich kurz darauf in der … Innenstadt zufällig getroffen hätten, hätten sie ihre Telefonnummern ausgetauscht und seien in der Folge in Kontakt geblieben. O… S… habe erzählt, dass sie sich von ihrem Ehemann scheiden lassen wolle. Dabei habe sie zum Ausdruck gebracht, dass es in diesem Zusammenhang mit ihrem Ehemann Streit gebe. An weitere Äußerungen der Getöteten hinsichtlich ihrer angestrebten Scheidung vermochte sich der Zeuge D… nach der langen Zeit nicht mehr zu erinnern. Allerdings habe er seinen Angaben zufolge bei seiner zeitnah im Sommer 2015 erfolgten polizeilichen Zeugenvernehmung alles wahrheitsgemäß erzählt, was er damals noch frisch in Erinnerung gehabt habe (vgl. unten C.III.11.c., S. 53).
238
Wie der Zeuge D… weiter bekundete, habe er noch in Erinnerung, dass O… S… in seiner Gegenwart wiederholt von ihrem Ehemann auf ihrem Mobiltelefon angerufen worden sei. Diese Telefonate, die von O… S… in seiner Gegenwart in einer fremden Sprache geführt worden seien, welche er nicht verstanden habe, habe er atmosphärisch als anstrengend und unangenehm empfunden. O… S…, die an einer zumindest sexuellen Beziehung mit ihm großes Interesse gezeigt habe, habe ihm erzählt, dass sie … Kinder und zwei Hunde habe. Da er selbst jedoch auf der Suche nach einer Frau gewesen sei, um mit dieser eine eigene Familie zu gründen, sei er schon allein wegen ihrer familiären Situation an einer Beziehung mit O… S… – und sei sie auch nur rein sexueller Art – nicht interessiert gewesen. Dies habe er ihr auch bei einem Treffen in seiner Wohnung, bei welchem sie sich einmal geküsst hätten, unmissverständlich mitgeteilt. Den Austausch weiterer Intimitäten über diesen Kuss hinaus habe er deshalb abgelehnt.
239
O… S… habe dies zwar akzeptiert, aber auch ein wenig gekränkt gewirkt, dass er nicht einmal an einer rein sexuellen Beziehung mit ihr interessiert gewesen sei. Sie habe ihm ferner erzählt, dass sie beabsichtige, sich ein Bauchnabelpiercing stechen zu lassen. In diesem Zusammenhang habe sie ihm einmal digital ein Foto eines mit BH und Slip bekleideten weiblichen Körpers mit einem Bauchnabelpiercing übersandt. Da jedoch das Foto auf Höhe des Halses geendet habe und somit kein Gesicht erkennbar gewesen sei, habe er nicht beurteilen können, ob es sich bei der auf dem Foto abgebildeten Frau tatsächlich um O… S… gehandelt habe, zumal er ihren unbekleideten Körper nicht gekannt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten des in der Nacht auf den 04.08.2015 geführten ...Chats, in welchem O… S… dieses Foto an D… übersandte, wird auf die Ausführungen unten unter C.III.17., S. 55, verwiesen.
240
Die Angaben des Zeugen D… waren glaubhaft. Er sagte ruhig, sachlich und erkennbar erinnerungskritisch aus. Anzeichen für Be- oder Entlastungseifer lagen nicht vor. Für Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Angaben bestand kein Anlass.
241
c. Die Zeugin KHKin S…bekundete glaubhaft, dass sie D… am 20.08.2015 als Zeugen vernommen habe. Dieser habe hierbei unter anderem glaubhaft angegeben, dass O… S… ihm gegenüber geäußert habe, sie könne es nicht abwarten, sich von ihrem Ehemann scheiden zu lassen. Dieser verstehe das aber nicht oder wolle es nicht verstehen.
242
12. Die Feststellungen zu dem akuten finanziellen Engpass der Getöteten am 03.08.2015 sowie zu dem am 03.08.2015 um 22:13 Uhr geführten Telefonat zwischen dem Angeklagten und der Getöteten beruhen auf der Einlassung des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung und, soweit sie hiervon abweichen oder darüber hinausgehen, auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
243
a. In seiner Beschuldigtenvernehmung ließ sich der Angeklagte dahingehend ein, dass er und seine Ehefrau beabsichtigt hätten, am 04.08.2015 tagsüber gemeinsam mit den Kindern einen Ausflug zu unternehmen. Dem sei ein Telefonat zwischen ihm und seiner Ehefrau vorausgegangen, in welchem diese geäußert habe, dass sie kein Geld habe, da sie erst Mitte des Monats wieder welches vom Jobcenter bekomme. Sie habe erklärt, dass sie kein Geld für Essen und Trinken habe und erst recht nicht für Benzin. Auf seine Frage, was sie nun machen sollten, habe seine Ehefrau vorgeschlagen, dass er zu ihr kommen könne, wenn er Geld für Benzin habe (vgl. oben C.II.5.b., S. 30).
244
Im Einklang mit seinen Angaben bei der Beschuldigtenvernehmung gab der Angeklagte auch gegenüber dem Zeugen T… an, dass er mit seiner getrenntlebenden Ehefrau telefoniert und vereinbart habe, gemeinsam etwas mit den Kindern zu unternehmen. O… S…habe daraufhin geäußert, nicht zu wissen, wie sie dies bewerkstelligen solle, da sie kein Geld mehr zum Tanken ihres Autos habe. Daraufhin habe sich der Angeklagte von seiner Schwester deren Auto geliehen, sei zu seiner Ehefrau gefahren und habe ihr Geld zum Tanken gebracht (vgl. oben C.II.2.a., S. 25).
245
Soweit der Angeklagte auch gegenüber dem Zeugen H… angab, dass die Eheleute in einem in der Nacht auf den 04.08.2015 geführten Telefonat für den kommenden Tag einen gemeinsamen Ausflug mit allen Kindern geplant hätten (vgl. oben C.II.3.b., S. 27), steht auch dies im Einklang mit seiner oben dargelegten Einlassung.
246
b. Die Einlassung des Angeklagten hinsichtlich des sich daraus ergebenden akuten finanziellen Engpasses der Getöteten wird bestätigt durch die Angaben der Zeugin N… K…, der Mutter des Tatopfers. Wie diese glaubhaft bekundete, habe sich ihre Tochter am 03.08.2015 telefonisch bei ihr gemeldet und ihr erzählt, dass sie aktuell Schwierigkeiten mit ihrem Auto und momentan kein Geld habe. Sie warte auf die nächste Geldzahlung des Jobcenters. O…S… habe ferner erklärt, dass sie versuchen werde, sich Geld vom Angeklagten zu leihen.
247
13. Dass das vom Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung erwähnte Telefonat am 03.08.2015 um 22:13 Uhr stattfand, rund 35 Minuten dauerte und vom Angeklagten ausging, stützt die Strafkammer auf die entsprechenden Erkenntnisse aus der Auswertung des vom Mobiltelefon der Getöteten gefertigten, verlesenen Extraktionsberichts über Telefonkontakte zwischen den Mobilfunkanschlüssen der Getöteten und des Angeklagten im Zeitraum vom 30.06. bis 04.08.2015. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter C.III.6.a., S. 48, Bezug genommen.
248
Den glaubhaften Ausführungen der Zeugin KHKin S… entnahm die Strafkammer, dass es in diesem Zeitraum keine weiteren Telefonverbindungen zwischen Telekommunikationsanschlüssen, welche den beiden Beteiligten zuzuordnen wären, insbesondere keine Festnetzverbindungen, gab.
249
Durch den verlesenen Extraktionsbericht ist die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach das Telefonat am Nachmittag des 03.08.2015 stattgefunden und seine Ehefrau ihn angerufen habe (vgl. oben C.II.8.b., S. 37), widerlegt.
250
14. Dass O… S… dem Angeklagten misstraute, ergibt sich aus ihrer am 10.07.2015 um 18:46 Uhr an ihn versandten Facebook-Messenger-Chat-Nachricht, in welcher sie ihm ausdrücklich schrieb, dass sie ihm nicht trauen könne (vgl. oben C.III.3.c., S. 45). Dass O… S… befürchtete, er werde ihr das in Aussicht gestellte Geld letztlich vorenthalten, um sie dadurch faktisch an der Rückfahrt nach …zu hindern und somit zumindest eine vorübergehende Fortsetzung des Zusammenlebens im ehelichen Haushalt zu erzwingen, schließt das Schwurgericht aus ihrem Vorschlag, dass der Angeklagte ihr vorab das Geld in …übergeben solle, in Zusammenschau mit ihrem vorhandenen Misstrauen.
251
15. Dass der Angeklagte in dem Vorschlag der Getöteten, ihr vorab das Geld in … zu übergeben, eine günstige Gelegenheit sah, im Zuge des sich hieraus ergebenden persönlichen Kontakts seine Ehefrau endlich dazu bewegen zu können, ihren Trennungsentschluss aufzugeben und die Ehe mit ihm fortzusetzen, schließt das Schwurgericht aus einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände. Dass der Angeklagte mit seiner nächtlichen Fahrt nach …zur Geldübergabe ein persönliches Ziel verfolgte, drängt sich angesichts des immensen Aufwands, den er für die Durchführung dieses Vorhabens betrieb, geradezu auf.
252
In der Nacht, wohl gegen 23:00 Uhr, ließ der Angeklagte die … bei ihm lebenden – damals knapp …und … Jahre alten – Kinder unbeaufsichtigt allein zu Hause zurück, begab sich mit dem Fahrrad zum S-Bahnhof …, fuhr mit der S-Bahn zum … und von dort mit dem Taxi zur Wohnung seiner in …lebenden Schwester, um sich für die nächtliche Fahrt deren Pkw zu leihen. Mit diesem machte er sich anschließend auf den Weg nach …, wo er sich gegen 01:00 Uhr von einem Taxi, dem er mit seinem Fahrzeug hinterherfuhr, den Weg zur Wohnanschrift seiner getrenntlebenden Ehefrau zeigen ließ.
253
Objektiv lag keine Situation vor, die eine nächtliche Fahrt mit dem immensen Aufwand, den der Angeklagt betrieb, sowie mit dem Risiko, welches damit einherging, dass er seine … jüngeren Kinder unbeaufsichtigt allein zu Hause zurückließ, geboten oder gerechtfertigt hätte. Es handelte sich weder um einen Notfall noch bestand ein terminlicher Zwang, den geplanten Familienausflug mit allen Kindern unbedingt am 04.08.2015 durchführen zu müssen. Selbst wenn der Angeklagte davon ausgegangen sein sollte, dass O… und …S… wegen des angegebenen finanziellen Engpasses zu wenig zu essen haben könnten, hätte kein Anlass dafür bestanden, mitten in der Nacht unter den dargelegten Umständen die Fahrt nach … zu unternehmen.
254
16. Die Feststellungen zu den näheren Umständen der Fahrt des Angeklagten nach … in der Nacht auf den 04.08.2015 gründen sich auf die entsprechende Einlassung des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung (vgl. oben C.II.5.b., S. 30), welche die Strafkammer als plausibel und glaubhaft erachtet. Seine Angaben zum Entleihen des Fahrzeugs von seiner Schwester wurden von dieser, der Zeugin R…, glaubhaft bestätigt.
255
17. Die Feststellungen zu dem am 03.08.2015 um 23:51 Uhr von der Getöteten über den MessengerDienst ... an D… versandten Foto und den im Anschluss daran zwischen den beiden ausgetauschten Textnachrichten beruhen maßgeblich auf den Ausführungen des Sachverständigen KHK Dipl.-Inf. F…, der seine bei der Sicherung und Sichtung der Daten des Mobiltelefons der Getöteten gewonnenen Erkenntnisse darlegte sowie auf den weiteren genannten Beweismitteln.
256
a. Wie der Sachverständige KHK Dipl.-Inf. F… ausführte, sei am 03.08.2015 um 23:51 Uhr über den Messenger-Dienst ... vom Account der Getöteten ein Foto eines mit lediglich BH und Slip bekleideten Frauenkörpers (ohne Kopf), auf dem ein Bauchnabel-Piercing mit einem Kreuzanhänger zu sehen sei, an den Account von D… versandt worden. Dieses Foto sei mit dem Mobiltelefon der Getöteten am 30.07.2015 um 16:45 Uhr aufgenommen und am 03.08.2015 um 23:15 Uhr als Vorschaubild in der Applikation „…“ hochgeladen und im sogenannten Cache dieser Applikation abgespeichert worden. Ob über das Hochladen hinaus mit diesem Foto noch ein weiterer Vorgang in der Applikation „…“ durchgeführt worden sei, sei nicht erkennbar und lasse sich deshalb nicht nachvollziehen. Von diesem Foto verschaffte sich das Schwurgericht durch Inaugenscheinnahme einen eigenen unmittelbaren Eindruck.
257
Der Zeuge D… gab glaubhaft an, dass ihm O… S… einmal digital ein Foto eines mit BH und Slip bekleideten weiblichen Körpers mit einem Bauchnabelpiercing übersandt habe, nachdem sie ihm zuvor von ihrer Absicht, sich ein Bauchnabelpiercing stechen zu lassen, erzählt habe (vgl. oben C.III.11.b., S. 52).
258
Im Hinblick auf das auf dem Foto erkennbare Bauchnabelpiercing bekundete die Zeugin KHKin S… glaubhaft, dass der Leichnam von O… S…ein Bauchnabelpiercing mit dem identischen Aussehen getragen habe. Zudem erkenne sie anhand des Fotohintergrundes sowie des auf dem Foto sichtbaren Bodenbelags die von der Getöteten bewohnte Wohnung in … wieder, in welcher sie sich am 10.08.2015 anlässlich der Durchsuchung dieser Wohnung aufgehalten habe.
259
Aufgrund einer Gesamtwürdigung der dargelegten Umstände sowie angesichts dessen, dass die Statur des auf dem Foto abgebildeten Frauenkörpers derjenigen des Leichnams der Getöteten entspricht, wie sie auf den hiervon in Augenschein genommenen Fotos erkennbar war, gelangte das Schwurgericht zu der Überzeugung, dass es sich bei dem auf dem übersandten Foto abgebildeten Frauenkörper um denjenigen der Getöteten handelt.
260
b. Wie der Sachverständige KHK Dipl.-Inf. F…weiter ausführte, sei das am 03.08.2015 um 23:51 Uhr vom ...-Account der Getöteten übersandte Foto zusammen mit der Textnachricht „Das wäre deins solange du willst; –)“ an den ...-Account von D… übersandt worden. Um 23:55 Uhr sei vom Account von D…hierauf mit folgender Nachricht reagiert worden:
„Willst du mich locken ha… danke für dein Foto an mich macht mich wirklich sehr an. Ich werde dir nicht gut tun ich bin gift für dich in mir hast du deinen meister gefunden. Glaub mir du willst nicht das ich dir weh tu ich will dir auch nicht weh tun. Warum verstehst du das nicht? Danach heißt es ich sein ein ar… warum tust du dir das selber an?“
261
Im Anschluss daran seien um 23:56 Uhr, 23:57 Uhr und 23:59 Uhr drei Textnachrichten mit folgendem Wortlaut vom Account der Getöteten an den Account von D… versandt worden:
„Ich weiß nicht…vielleicht weil ich meinen Meister gesucht habe?“, „Ein Arsch bist du nicht. Meinst du mir ist es nicht klar dass es nicht für die Ewigkeit ist?“ sowie „Ich will dich einfach…nein ich brauche dich“.
262
Wenige Sekunden nach der letzten der drei Nachrichten sei hierauf vom Account von D… – ebenfalls um 23:59 Uhr – mit der Nachricht „Ich bin ein Monster“ reagiert worden. Dies sei zugleich die letzte Nachricht gewesen, die vom Account von D… versandt worden sei. Danach seien vom Account der Getöteten um 00:00 Uhr, 00:01 Uhr, 00:02 Uhr und 00:21 Uhr noch vier weitere Textnachrichten mit folgendem Wortlaut an den Account von D… versandt worden: „Nein bist du nicht…“, „Du hast mich einfach in deinen Bann gezogen. Ich komme nicht mehr davon los…“, „Willst du mich?“ sowie „Du willst mein Meister sein? [Lächelndes Emoticon mit nur auf einer Seite hochgezogenem Mundwinkel] ein Meister versteckt sich nicht“. Auf diese Nachrichten sei keine Reaktion mehr erfolgt.
263
Die sachkundigen Ausführungen des sehr erfahrenen Sachverständigen KHK Dipl.-Inf. F… waren widerspruchsfrei und überzeugend. Sie gingen auch von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
264
Der Zeuge D… bekundete glaubhaft, dass seine Mobilfunknummer und sein mit dieser angelegter ...-Account im Sommer 2015 ausschließlich von ihm genutzt worden seien. Somit seien alle von seinem Account versandten ...-Nachrichten von ihm geschrieben worden.
265
18. Die Feststellungen zur Autofahrt von … nach … und dem Einkauf an der Tankstelle in … beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit dieser gefolgt werden konnte, sowie auf den nachfolgend genannten Beweismitteln.
266
a. Die Einlassung des Angeklagten, wonach die Fahrt von … nach … in zwei Fahrzeugen erfolgt sei, wobei die Tochter … bei ihrer Mutter im Fahrzeug mitgefahren sei, während er allein im Pkw seiner Schwester gefahren sei, wird gestützt durch die glaubhaften Angaben des Zeugen EKHK H… zu einer polizeilich erfassten Geschwindigkeitsüberschreitung des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … am 04.08.2015 um 02:24 Uhr im … in …, Richtung Westen, und die von der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage hierbei gefertigten Lichtbilder, welche in Augenschein genommen wurden. Wie auf den Lichtbildern erkennbar ist, saß zu diesem Zeitpunkt O… S… am Steuer des Fahrzeugs und ein Mädchen – dem Anschein nach … – auf dem Beifahrersitz. Laut EKHK H… hätten die Messdaten ergeben, dass das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 64 km/h anstelle der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h unterwegs gewesen sei.
267
b. Die Einlassung des Angeklagten, wonach die Weiterfahrt von der Anschrift seiner Schwester in … nach … zu dritt in dem zuvor von seiner Ehefrau gefahrenen Pkw erfolgt sei, dessen Steuer er übernommen habe, wird gestützt durch die glaubhaften Angaben des Zeugen EKHK A… zu einer weiteren polizeilich erfassten Geschwindigkeitsüberschreitung des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … am 04.08.2015 um 02:38 Uhr auf der …in …und die von der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage hierbei gefertigten Lichtbilder, welche in Augenschein genommen wurden. Wie auf den Lichtbildern erkennbar ist, saß zu diesem Zeitpunkt der Angeklagte am Steuer des Fahrzeugs und O… S… auf dem Beifahrersitz. Auf der Rückbank hinter dem Fahrersitz ist der obere Teil eines Kopfes mit langen Haaren erkennbar, der sich widerspruchsfrei damit in Einklang bringen lässt, dass … nunmehr auf der Rückbank saß. Laut EKHK A… hätten die Messdaten ergeben, dass das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 72 km/h anstelle der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h unterwegs gewesen sei.
268
c. Die Einlassung des Angeklagten, wonach er an der …l-Tankstelle in … Zigaretten und zwei Flaschen Wein gekauft habe (vgl. oben C.II.5.b., S. 30), wird bestätigt durch die glaubhaften Angaben des Zeugen PHK L… zu seinen in dieser …-Tankstelle durchgeführten Ermittlungen. Diese hätten die Sicherung und Auswertung der Videoaufzeichnungen aus der Überwachungsanlage sowie die Durchsicht der Kassenbelege umfasst. Seine vor Ort vorgenommene Überprüfung der auf der Videoüberwachungsanlage eingestellten Uhrzeit habe ergeben, dass diese mit der Realzeit übereingestimmt habe. Ferner habe er ermittelt, dass die Uhrzeit der Kasse im Tankstellengebäude rund zwei Minuten nachgegangen sei.
269
Wie auf den in Augenschein genommenen Screenshots der Videoaufnahmen erkennbar ist, machte sich der Angeklagte um 03:04 Uhr auf den Weg von seinem auf dem Tankstellengelände abgestellten Fahrzeug in Richtung des Tankstellengebäudes, in welchem er um 03:05 Uhr an der Kasse einen Bezahlvorgang vornahm. Wenige Sekunden später stieg er mit einer blauen Tüte in der Hand wieder auf dem Fahrerplatz des Pkw ein. Der von PHK L… zu diesem Bezahlvorgang ermittelte Kassenbeleg, der zur Verlesung kam, weist – entsprechend der um zwei Minuten verspäteten Uhrzeiteinstellung – als Uhrzeit 03:03 Uhr aus und belegt den Kauf einer Schachtel Zigaretten sowie von zwei 0,75-L-Flaschen Rotwein zum Preis von insgesamt 19,48 Euro.
270
d. Im Hinblick auf die angebliche Alkoholisierung der Getöteten ist die Einlassung des Angeklagten wechselnd und widersprüchlich und schon deshalb nicht glaubhaft. Während der Angeklagte gegenüber dem Zeugen H… angab, dass O… S… bei ihrem Eintreffen in … „sturzbetrunken“ gewesen sei (vgl. oben C.II.3.b., S. 27), bezeichnete er sie in seiner Beschuldigtenvernehmung lediglich als „ein bisschen angetrunken“ (vgl. C.II.5.b., S. 30). Im Einklang mit Letzterem sprach der Angeklagte auch gegenüber dem Zeugen S… davon, dass seine Ehefrau etwas angetrunken gewesen sei (vgl. oben C.II.6.a., S. 33). In der Hauptverhandlung wiederum bezeichnete er seine Ehefrau als erkennbar „besoffen“ (vgl. oben C.II.8.b., S. 37).
271
In diesem Zusammenhang ist relevant, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung erstmals in all den Jahren behauptete, seine Ehefrau habe sich in der Zeit vor ihrem Umzug nach … verändert und mehr Alkohol getrunken als zuvor. Auch in … habe seine Ehefrau mehr Alkohol getrunken als früher, wie er bei Telefonaten mit ihr bemerkt habe. Sie habe auch eingeräumt, dass sie Wein trinke (vgl. oben C.II.8.a., S. 37). Der Angeklagte war somit in der Hauptverhandlung erkennbar bestrebt, einen erheblichen Alkoholkonsum der Getöteten zu behaupten. Aufgrund des geschilderten Aussageverhaltens schenkt die Strafkammer dieser Einlassung jedoch keinen Glauben und ist davon überzeugt, dass O… S… beim Fahrtantritt in …, wenn überhaupt, dann allenfalls leicht alkoholisiert war.
272
Dies wird gestützt durch die Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. S… und das verlesene Blutalkoholgutachten, wonach im Oberschenkelvenenblut des Leichnams der Getöteten eine Alkoholkonzentration von 0,42 ‰ im Mittelwert gemessen wurde.
273
Wie Prof. Dr. S… darlegte, habe sie ausgehend von der Einlassung des Angeklagten, wonach O… S… mehrere Gläser Wein aus der ins Schlafzimmer mitgenommenen Flasche Wein getrunken und diese geleert habe, während er sich nur ein Glas Wein eingeschenkt habe (vgl. oben C.II.8.b., S. 37), eine Trinkmenge von 550 ml Rotwein mit 11 Vol-% Alkohol unterstellt, was 48,8 g reinen Alkohol beinhalte. Ferner habe die Sachverständige – ausgehend von dem gemessenen Gewicht des Leichnams der Getöteten von 56 kg sowie unter Berücksichtigung des Verlusts von Blut und Gehirnsubstanz – ein Körpergewicht von 58 kg angenommen. Dieses führe zu einem reduzierten Körpergewicht von 34,8 kg, welches für die nachfolgenden Berechnungen zugrunde gelegt worden sei.
274
Unter Berücksichtigung eines Zeitraums von rund zwei Stunden zwischen Trinkbeginn und Todeseintritt sowie einer entsprechenden Abbauzeit und einer stündlichen Abbaurate in den drei Varianten 0,1 ‰, 0,15 ‰ und 0,2 ‰ errechne sich bei dieser Trinkmenge für den Todeszeitpunkt eine maximale Blutalkoholkonzentration von 1,05 ‰, eine wahrscheinliche Blutalkoholkonzentration von 0,81 ‰ sowie eine Mindestblutalkoholkonzentration von 0,33 ‰. Wenn man diese Ergebnisse mit der tatsächlich gemessenen Blutalkoholkonzentration von 0,42 ‰ vergleiche, lasse sich daraus schließen, dass eine erhebliche Alkoholisierung der Getöteten im Sinne von „besoffen“ bereits bei Fahrtantritt in … aus rechtsmedizinischer Sicht als unwahrscheinlich anzusehen sei.
275
Die von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgehenden Ausführungen der sehr erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. S… waren sachkundig, widerspruchsfrei und überzeugend.
276
19. Die Feststellungen zu den näheren Umständen der Ankunft im Haus am …weg . in … und insbesondere zu dem hierbei erfolgten Zusammentreffen der Getöteten (nur) mit ihrer Tochter … – und nicht, wie vom Angeklagten in seiner Einlassung in der Hauptverhandlung behauptet, mit allen … Kindern (vgl. oben C.II.8.b., S. 37) – basieren auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin …
277
20. Die Feststellung, dass ab 03:40 Uhr knapp zwei Stunden lang über eine Applikation auf dem Mobiltelefon der Getöteten Musik abgespielt wurde, basiert auf den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen KHK Dipl.-Inf. F… Demnach sei auf dem Mobiltelefon der Getöteten um 03:40:19 Uhr die Applikation „Samsung Music Player“ gestartet und nach einer Laufzeit von einer Stunde, 56 Minuten und 45 Sekunden um 05:37:04 Uhr beendet worden.
278
21. Die Feststellung, dass es zwischen dem Angeklagten und der Getöteten in der Folge zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr kam, stützt sich auf die entsprechende Einlassung des Angeklagten, die im Einklang mit den Ergebnissen des molekularbiologischen sowie des rechtsmedizinischen Gutachtens steht. In den Sedimenten der vom Vaginalbereich der Getöteten gefertigten Abstriche fand sich nur das DNA-Material des Angeklagten. Der Leichnam der Getöteten wies im Genitalbereich keine Befunde auf, welche auf einen gewaltsam ausgeführten Geschlechtsverkehr hindeuten würden.
279
a. Die Zeugin KHKin S… bekundete glaubhaft, dass der Mundhöhlenabstrich des Angeklagten mit der Bezeichnung DAD… anonymisiert worden sei.
280
b. Wie die DNA-Sachverständige Prof. Dr. A… darlegte, handle es sich bei dem biologischen Material in den Sedimenten der Abstriche Scheide 1, Scheide 2, Vaginal 1, Vaginal 2 und Vaginal 3, welche im Rahmen der Obduktion vom Leichnam der Getöteten genommen worden seien, autosomal um Einzelspuren, welche vollständig mit den DNA-Merkmalen der Person DAD…, also des Angeklagten, übereinstimmten. Nach Häufigkeitsberechnungen unter Verwendung der in der sogenannten STRidER-Datenbank hinterlegten Frequenztabellen für die europäische Bevölkerung zeige eine von über 30 Milliarden nicht verwandter Personen das in den Sedimenten der genannten Abstriche nachgewiesene DNAMerkmalmuster. Deshalb sei angesichts der Größe der Weltbevölkerung aus gutachterlicher Sicht ohne begründeten Zweifel davon auszugehen, dass das biologische Material in den Sedimenten der genannten Abstriche von der Person DAD…, also vom Angeklagten, stamme.
281
Die von großer Sachkunde getragenen Ausführungen der sehr erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. A… waren widerspruchsfrei, überzeugend und gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
282
c. Die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. S… legte auch insoweit überzeugend dar, dass der Leichnam der Getöteten im Geschlechtsbereich keine Befunde aufgewiesen habe, welche auf einen gewaltsam ausgeführten Geschlechtsverkehr hindeuten würden.
283
22. Dass O… S… den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr lediglich als willkommenen Sexualkontakt ansah, an ihrem Trennungsentschluss unvermindert festhielt und dementsprechend auch dem Angeklagten keinen Anlass für die begründete Annahme gab, dass sie ihren Trennungsentschluss aufgegeben habe oder aufgeben werde und die Ehe mit ihm fortsetzen wolle, schließt das Schwurgericht aus einer Gesamtwürdigung der gewonnenen Erkenntnisse und festgestellten Umstände. Dasselbe gilt für die Feststellung, dass der Angeklagte keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür hatte, dass seine von ihm getrenntlebende Ehefrau ihre Haltung geändert habe oder ändern werde, und er deshalb auch seinerseits dem einvernehmlichen Vollzug des Geschlechtsverkehrs keine dementsprechende – über einen bloßen Sexualkontakt hinausgehende – Bedeutung beimaß.
284
a. Wie sich aus den Angaben der Zeugen L… (vormals H…) und D… (vgl. oben C.III.11.a., S. 51, und C.III.11.b., S. 52) sowie aus dem ...-Chat mit D… in der Nacht auf den 04.08.2015 (vgl. oben C.III.17., S. 55) ergibt, war O… S…zur Tatzeit auf der Suche nach einem Sexualkontakt, wobei sie – wie sich aus den genannten Beweisergebnissen ebenfalls ergibt – einen solchen erkennbar nicht von einer darüber hinausgehenden Beziehung mit der entsprechenden Person abhängig machte.
285
b. Bloße Sexualkontakte mit einem früheren Partner nach der Trennung von diesem waren für O… S… nicht ungewöhnlich. Wie der Zeuge K… berichtete, habe er Mitte der 1990er Jahre rund vier Jahre lang eine Beziehung mit O… S… geführt. Sie hätten auch eine Zeit lang zusammengewohnt. Nach ihrer Trennung hätten sie sich eine geraume Zeit lang weiterhin getroffen und einvernehmlich Sex miteinander gehabt. Dabei sei für beide Seiten stets klar gewesen, dass sie keine Beziehung mehr miteinander geführt hätten und es sich lediglich um bloße Sexualkontakte gehandelt habe, welche ihnen beiden mangels anderer Partner willkommen gewesen seien. Die Angaben des Zeugen K… waren glaubhaft. Es bestand kein Anlass für Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner ruhig, sachlich und erkennbar erinnerungskritisch gemachten Angaben, welche keine Anzeichen für Be- oder Entlastungseifer aufwiesen.
286
c. Die Einstellung der Getöteten, einen Sexualkontakt nicht von einer darüberhinausgehenden Beziehung mit der entsprechenden Person abhängig zu machen, entspricht der eigenen Einstellung des Angeklagten. Diese wurde deutlich, als sich der Angeklagte am 6. Hauptverhandlungstag auf entsprechende Befragung zu seiner Beziehung zu M… äußerte.
287
(1) Die Eheleute S… und N… T… (Letztere vormals M…), die Nachbarn des Angeklagten, bekundeten übereinstimmend und glaubhaft, dass einige Zeit nach dem Tod der Getöteten eine gewisse M… aus der Heimat des Angeklagten bei diesem eingezogen sei und ihn bei der Versorgung der Kinder und der Erledigung des Haushalts unterstützt habe. Sie sei der deutschen Sprache nicht mächtig gewesen und habe – immer wieder unterbrochen von Phasen der zumindest mehrwöchigen oder vielleicht auch mehrmonatigen Abwesenheit – mit dem Angeklagten und dessen Kindern im Anwesen …weg … gelebt.
288
(2) Den glaubhaften Angaben des Zeugen EKHK H… zufolge sei der Angeklagte am 11.12.2019 gegen 07:55 Uhr erstmals in diesem Verfahren aufgrund Haftbefehls im Tatanwesen festgenommen worden. Rund zehn Minuten später sei Frau M…, die ausweislich ihres Reisepasses wie der Angeklagte in …, geboren sei, im Tatanwesen eingetroffen. Vor Ort habe sich aufklären lassen, dass sie zuvor die jüngeren Kinder des Angeklagten zur Schule gebracht habe.
289
(3) Wie die Zeugin KHKin S… glaubhaft berichtete, habe … bei der anlässlich der (erstmaligen) Festnahme des Angeklagten am 11.12.2019 durchgeführten Durchsuchung des Tatanwesens mitgeteilt, dass das Zimmer im ersten Obergeschoss, welches zur Tatzeit von ihr und ihrer Schwester … gemeinsam bewohnt worden sei, nunmehr vom Angeklagten bewohnt werde, während sie selbst das vormalige Elternschlafzimmer im zweiten Obergeschoss und ihre Schwester … ein Zimmer im Keller bewohne.
290
Wie auf den in Augenschein genommenen, anlässlich der Durchsuchung am 11.12.2019 gefertigten Lichtbildern zu sehen ist und auch von der Zeugin KHKin S… erläutert wurde, befand sich damals in dem laut … vom Angeklagten bewohnten Zimmer im ersten Obergeschoss, an dessen Zimmertür außen noch die Schriftzüge „…“ und „…“ angebracht waren, ein breites Bett, in welchem insbesondere die darin angeordneten Kopfkissen darauf schließen lassen, dass es sich hierbei um den Schlafplatz vom zwei Personen handelte. An der gegenüber dem Fußende des Bettes gelegenen Wand stand ein Fernsehgerät auf einem TV-Sideboard. KHKin S… bekundeten ferner glaubhaft, dass sich in dem zweiten Zimmer im ersten Obergeschoss wie schon zur Tatzeit die Schlafplätze der … Kinder des Angeklagten befunden hätten.
291
Nach einer Gesamtwürdigung dieser Wohnverhältnisse liegt nahe, dass der Angeklagte und M… gemeinsam in dem breiten Bett in dem Zimmer im ersten Obergeschoss schliefen, zumal laut KHKin S… im Haus keine weitere Schlafstätte vorhanden gewesen sei, welche als Schlafplatz von M… in Betracht gekommen wäre. Deshalb ist die Strafkammer von den dargelegten Schlafverhältnissen auch überzeugt. Diese Schlafverhältnisse hat der Angeklagte nach längerer Befragung schließlich auch in der Hauptverhandlung eingeräumt (vgl. nachfolgend (4)).
292
(4) Der Angeklagte verneinte am 6. Hauptverhandlungstag vehement die an ihn gerichtete Frage, ob es in seinem Leben eine neue Frau gebe oder gegeben habe. Auch die anschließende konkrete Nachfrage, ob er mit M… eine Beziehung habe oder gehabt habe, verneinte er nachdrücklich auch bei mehrmaliger Wiederholung dieser Frage. Der Angeklagte erläuterte, dass er anlässlich eines Heimaturlaubs in …über einen Nachbarn M… kennengelernt habe, die in der Vergangenheit bereits verschiedenen Menschen bei Bedarf geholfen habe. Sie sei in dem Haus in … eingezogen und habe ihm ausschließlich bei der Versorgung seiner Kinder und im Haushalt geholfen. M… sei stets nach drei Monaten Aufenthalt in … aus ausländerrechtlichen Gründen wieder für ein paar Monate zurück nach …gegangen und dann wieder für drei Monate zu ihm nach … gekommen.
293
Der Angeklagte erklärte ausdrücklich, dass er nie eine Beziehung mit M… geführt habe. Die anschließende noch konkretere Frage nach einer sexuellen Beziehung mit M… bejahte der Angeklagte dann allerdings sofort und erklärte ohne Zögern freimütig, dass er eine solche in der Vergangenheit mit M… geführt habe. Er fügte hinzu, dass dies ja etwas ganz anderes sei. Bloß weil er eine sexuelle Beziehung mit einer Frau eingehe, müsse er mit dieser ja keine weitergehende Beziehung führen oder gar eine längerfristige Partnerschaft oder sogar Ehe mit ihr in Erwägung ziehen. In diesem Zusammenhang erklärte der Angeklagte ferner, dass er sich in der Vergangenheit ein gemeinsames Schlafzimmer mit M… geteilt und – unter anderem in der Phase vor seiner erstmaligen Inhaftierung in dieser Sache – gemeinsam mit ihr in einem Bett geschlafen habe.
294
d. Im Übrigen hat auch der Angeklagte in seiner Einlassung nie behauptet, dass die Getötete ihm im Zuge des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs in der Nacht auf den 04.08.2015 Anlass für die begründete Annahme gegeben hätte, sie habe ihren Trennungsentschluss aufgegeben oder werde ihn aufgeben und wolle die Ehe mit ihm fortsetzen. Auch hat der Angeklagte in seiner Einlassung nie behauptet, dass er seinerseits dem einvernehmlichen Vollzug des Geschlechtsverkehrs mit seiner getrenntlebenden Ehefrau eine über einen bloßen Sexualkontakt hinausgehende Bedeutung beigemessen hätte.
295
23. Die Feststellungen, dass am 04.08.2015 um 05:37 Uhr auf dem Mobiltelefon der Getöteten ihr ...-Chat mit D… aufgerufen, um 05:38 Uhr der Akku aus diesem Gerät gewaltsam – entweder manuell oder im Zuge eines Aufpralls des Mobiltelefons auf einer harten Fläche – entfernt, um 05:40 Uhr das Gerät wieder eingeschaltet und in der Folge mehrfach dessen Bildschirm durch Drücken einer der Tasten am Gerät eingeschaltet wurde, beruhen auf den auch insoweit sachkundigen, widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen KHK Dipl.-Inf. F…
296
a. Wie dieser darlegte, lasse sich anhand der von dem Mobiltelefon der Getöteten dokumentierten Daten nachvollziehen, dass 24 Sekunden nach der um 05:37:04 Uhr erfolgten Beendigung der Applikation „Samsung Music Player“ um 05:37:28 Uhr der ...-Chat mit dem Account von D… aufgerufen und angezeigt worden sei. 48 Sekunden später um 05:38:16 Uhr finde sich ein plötzlicher Abbruch der Aufzeichnungen, bevor um 05:40 Uhr ein erneutes Einschalten des Geräts dokumentiert sei. Das Einschalten des Geräts erfolge, indem man den seitlich am Gerät angebrachten Druckknopf längere Zeit betätige. Anschließend fahre das Betriebssystem hoch, was eine gewisse Zeit in Anspruch nehme. Erst danach würden Vorgänge vom Gerät aufgezeichnet.
297
Wie der Sachverständige ausführte, sei das Gerät vor dem um 05:40 Uhr dokumentierten Einschalten nicht ordnungsgemäß ausgeschaltet worden. Für einen plötzlichen Abbruch der Aufzeichnungen ohne ordnungsgemäßes Ausschalten, wie hier, seien zwei verschiedene Ursachen denkbar. Als eine theoretisch mögliche Ursache komme ein sogenannter Absturz des Betriebssystems in Betracht. Allerdings sei das auf dem Gerät installierte Betriebssystem sehr stabil gelaufen und generell nur äußerst selten abgestürzt. Wie der Sachverständige weiter ausführte, habe er überdies das Mobiltelefon der Getöteten nach der durchgeführten Datensicherung zahlreichen Tests unterzogen, bei denen sich das Betriebssystem als absolut stabil erwiesen habe. Es lägen keinerlei Anhaltspunkte für einen Systemfehler vor. Er halte es deshalb für äußerst unwahrscheinlich, dass im konkreten Fall ein Absturz des Betriebssystems zu dem plötzlichen Abbruch der Aufzeichnungen geführt habe.
298
Die zweite mögliche Ursache für den plötzlichen Abbruch der Aufzeichnungen, welche dem Sachverständigen zufolge im konkreten Fall aus den genannten Gründen ganz überwiegend wahrscheinlich sei, sei eine gewaltsame Entfernung des Akkus. Diese könne entweder unmittelbar manuell vorgenommen werden oder finde auch statt, wenn sich im Zuge eines Aufpralls des Mobiltelefons auf einer harten Fläche die Abdeckung des Akkus aus dem Gehäuse löse und der Akku im Zuge dessen aus dem Gerät herausfalle.
299
Wie KHK Dipl.-Inf. F…ferner darlegte, sei nach dem Einschalten des Geräts noch wiederholt der Bildschirm eingeschaltet worden. Zum Einschalten des Bildschirms sei es erforderlich, entweder den unten mittig oder den seitlich am Gerät angebrachten Druckknopf zu betätigen. Das Ausschalten des Bildschirms erfolge entweder manuell durch Betätigen des seitlich am Gerät angebrachten Druckknopfes oder automatisch nach 30 Sekunden Untätigkeit.
300
Sowohl beim Einschalten des Bildschirms als auch beim Einschalten des Geräts werde zunächst der sogenannte Sperrbildschirm angezeigt. Um den eigentlichen Bildschirm anzuzeigen und gegebenenfalls in der Folge eine Applikation aufzurufen, müsse der Bildschirm erst durch die Eingabe des entsprechenden Codes entsperrt werden. Das Entsperren sei damals vom Gerät noch nicht aufgezeichnet worden, so dass nicht nachvollzogen werden könne, ob nach dem Einschalten des Bildschirms (auch im Zuge des Einschaltens des Geräts) dieser zusätzlich auch entsperrt worden sei. Jedoch lasse sich mit Sicherheit sagen, dass nach dem Aufrufen des ...-Chats mit D… um 05:37:28 Uhr jedenfalls keine Applikation mehr aufgerufen und somit auch dieser ...-Chat kein weiteres Mal mehr angezeigt worden sei. Denn – anders als das Entsperren des Bildschirms – sei damals das Aufrufen einer Applikation stets vom Gerät aufgezeichnet worden. In den Aufzeichnungen nach 05:37:28 Uhr finde sich kein Aufrufen einer Applikation mehr.
301
Dem Sachverständigen zufolge seien nach dem um 05:40 Uhr erfolgten Einschalten des Geräts – abgesehen von zwei Statusmeldungen hinsichtlich der Akkuladung – nur noch folgende Ein- und Ausschaltvorgänge bezüglich des Bildschirms vom Gerät aufgezeichnet worden:
302
Um 05:42:13 Uhr sei der Bildschirm ein- und 11 Sekunden später wieder ausgeschaltet worden. Weitere 33 Sekunden später um 05:42:57 Uhr sei der Bildschirm erneut ein- und wiederum 11 Sekunden später erneut ausgeschaltet worden. Weitere 2 Sekunden später um 05:43:20 Uhr sei der Bildschirm ein weiteres Mal ein- und 24 Sekunden später wieder ausgeschaltet worden. Bereits eine weitere Sekunde später um 05:43:45 Uhr sei der Bildschirm erneut ein- und 44 Sekunden später um 05:44:29 Uhr wieder ausgeschaltet worden. Danach sei der Bildschirm erst 13 Minuten und 38 Sekunden später um 05:58:07 Uhr erneut ein- und 21 Sekunden später wieder ausgeschaltet worden.
303
Danach habe sich der Bildschirm um 06:00:00 Uhr und 06:30:00 Uhr erneut ein- und jeweils eine Minute und zehn Sekunden später wieder ausgeschaltet. Insoweit habe sich anhand der Gerätedaten nachvollziehen lassen, dass sich um 06:00:00 Uhr und 06:30:00 Uhr jeweils der auf diese beiden Uhrzeiten eingestellte Wecker eingeschaltet habe, was mit einem automatischen Einschalten des Bildschirms einhergegangen sei. Der Wecker habe bei diesem Gerätetyp eine Minute lang geklingelt. Weitere 10 Sekunden später habe sich um 06:01:10 Uhr und 06:31:10 Uhr der Bildschirm jeweils wieder automatisch ausgeschaltet.
304
Demgegenüber sei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte bei allen anderen genannten Einschaltvorgängen davon auszugehen, dass der Bildschirm des Mobiltelefons manuell durch eine Person eingeschaltet worden sei.
305
b. Der Angeklagte gab in der Hauptverhandlung sowohl vor der 2. Strafkammer (vgl. oben C.II.7.b., S. 35) als auch vor der 1. Strafkammer (vgl. oben C.II.8.b., S. 37) des Landgerichts München I konstant an, dass er den Code für das Handy der Getöteten nicht gekannt habe.
306
c. Dass der Angeklagte von der Existenz und dem Inhalt des ...-Chats der Getöteten mit D… im Zuge des um 05:37 Uhr erfolgten Aufrufens und Anzeigens Kenntnis erlangte, dies bei ihm Eifersucht und Wut hervorrief (vgl. unten C.III.28.a., S. 94) und seine unmittelbare Reaktion auf diesen Chat zur Folge hatte, dass der Akku aus diesem Gerät entfernt wurde, ist ein Rückschluss, den die Strafkammer nach einer Gesamtwürdigung der dargelegten Beweisergebnisse und vorhandenen Indizien gezogen hat.
307
24. Den Feststellungen zur Tatzeit am 04.08.2015 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 05:44 Uhr und 05:58 Uhr liegen die folgenden Umstände und Erwägungen zugrunde:
308
Wie oben unter C.III.23.a., S. 63, dargelegt, wurde der Bildschirm des Mobiltelefons der Getöteten zwischen 05:42:13 Uhr und 05:44:29 Uhr insgesamt vier Mal ein- und wieder ausgeschaltet. Danach folgt ein Zeitfenster von 13 Minuten und 38 Sekunden, in welchem keine Aktion an dem Mobiltelefon stattfand, bevor dessen Bildschirm um 05:58:07 Uhr erneut ein- und 21 Sekunden später wieder ausgeschaltet wurde. Zwar wäre die Abgabe eines Schusses, welche innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde erfolgt, zeitlich ohne weiteres auch zwischen den vier Ein- und Ausschaltvorgängen zwischen 05:42:13 Uhr und 05:44:29 Uhr möglich. Jedoch erachtet es die Strafkammer als wesentlich wahrscheinlicher und naheliegender, dass die Schussabgabe in dem nachfolgenden längeren Zeitfenster zwischen 05:44 Uhr und 05:58 Uhr erfolgte. Angesichts dessen, dass der Notruf von dem von … genutzten Mobilfunkanschluss bei der Integrierten Rettungsleitstelle bereits um 05:59:25 Uhr einging, schließt das Schwurgericht eine erst nach dem genannten Zeitfenster erfolgte Schussabgabe aus. Darüber hinaus war eine weitere zeitliche Eingrenzung der Tatzeit nicht möglich, zumal keiner der Zeugen die Abgabe eines Schusses gehört hat.
309
25. Die Feststellungen zur Schussabgabe durch den Angeklagten auf die Getötete beruhen auf einer Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung gewonnenen Indizien und in Betracht zu ziehenden Umstände. Der Angeklagte, der das ihm zur Last gelegte Waffendelikt von Anfang an einräumte, bestritt zwar bis zuletzt, seine getrenntlebende Ehefrau O… S…vorsätzlich getötet zu haben. Das Schwurgericht wertete seine Einlassung jedoch als Schutzbehauptung.
310
Die Einlassung des Angeklagten zur Schussabgabe sowie zu dem angeblichen Motiv der Getöteten für den von ihm behaupteten Suizid bzw. Suizidversuch ist wechselnd und widersprüchlich (vgl. unten C.III.25.a., S. 66, und C.III.25.b., S. 70). Schon deshalb ist sie nicht glaubhaft. Auch zu seinem Vorstellungsbild hinsichtlich des Ladezustands der Waffe machte der Angeklagte wechselnde und widersprüchliche Angaben (vgl. unten C.III.25.c., S. 71).
311
Die in der Hauptverhandlung gewonnenen Indizien weisen unmittelbar auf die Täterschaft des Angeklagten in dem bezeichneten Sinn hin:
- Die Schmauchspurenbefunde an den Händen des Tatopfers sprechen gegen eine Schussabgabe durch die Getötete (vgl. unten C.III.25.d., S. 72).
- Der Schmauchspurenbefund an seinen Händen entlastet den Angeklagten nicht (vgl. unten C.III.25.e., S. 81).
- Die Ausrichtung der Stanzmarke an der Einschussverletzung im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe des Tatopfers spricht gegen eine Schussabgabe durch die Getötete und erst recht gegen eine mit der rechten Hand erfolgte Schussabgabe durch die Getötete (vgl. unten C.III.25.f., S. 83).
- Die Stanzmarke am Kopf der Getöteten belegt einen aufgesetzten Schuss. Ein solcher spricht gegen eine versehentliche Schussabgabe im Rahmen einer Rangelei (vgl. unten C.III.25.g., S. 85).
- Die Kopfhaltung der Getöteten im Zeitpunkt der Schussabgabe spricht gegen eine Rangelei um die Waffe (vgl. unten C.III.25.h., S. 86).
- Der Angeklagte hatte die Gelegenheit zur Begehung der Tat. Andere Personen scheiden als Täter aus (vgl. unten C.III.25.i., S. 87).
- Der Angeklagte hatte ein Motiv für die Tat (vgl. unten C.III.25.j., S. 88).
- Die Tat ist für den Angeklagten nicht persönlichkeitsfremd (vgl. unten C.III.25.k., S. 88).
312
Alle diese Indizien schließen sich wie ein Ring um den festgestellten Geschehensablauf. Dem Schwurgericht ist bewusst, dass es sich hierbei nicht um einen zwingenden Schluss handelt. Indes lassen die Indizien wegen ihrer Zahl und Geschlossenheit keinen vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen zu. Bei der Gesamtwürdigung hat das Schwurgericht die einzelnen Indizien gewichtet und in Beziehung zueinander gesetzt. Von wesentlicher Bedeutung für die Strafkammer waren der Schmauchspurenbefund an den Händen der Getöteten sowie die Lokalisation und Ausrichtung der Stanzmarke an ihrem Kopf.
313
Die denktheoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, bei welchem der Angeklagte den Abzug der Waffe nicht betätigt haben könnte, erachtet die Strafkammer bei einer Gesamtwürdigung der Indizien als so fernliegend, dass sie ausgeschlossen werden konnte. Auch die denktheoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, bei welchem der Angeklagte den Abzug der Waffe lediglich versehentlich betätigt haben könnte, erachtet das Schwurgericht vor dem gesamten Indizienhintergrund als so fernliegend, dass sie ebenfalls ausgeschlossen werden konnte.
314
a. Die Einlassung des Angeklagten zur Schussabgabe ist wechselnd und widersprüchlich.
315
Schon deshalb ist sie nicht glaubhaft.
316
(1) Indem der Angeklagte gegenüber dem Notarzt Dr. W…behauptete, vor einer halben Stunde einen Schuss gehört zu haben, spiegelte er vor, dass sich O… S… zum Zeitpunkt der Schussabgabe allein im Tatortzimmer befunden habe und er hierbei jedenfalls nicht im selben Zimmer anwesend gewesen sei (vgl. oben C. II.1., S. 24).
317
(2) In der Folge hielt der Angeklagte nicht daran fest, seine Anwesenheit bei der Schussabgabe zu leugnen. Gegenüber seinem Nachbarn, dem Zeugen S… T…, schilderte der Angeklagte am Morgen des 04.08.2015 sowie am Folgetag zwei unterschiedliche, sich widersprechende Versionen des Geschehens, was dem Zeugen T…sofort auffiel und ihn stutzig machte.
318
Konstant behauptete der Angeklagte gegenüber dem Zeugen T…, dass es zwischen ihm und seiner Ehefrau zu einem Gerangel gekommen sei, als diese die Schusswaffe auf ihre Brust gerichtet habe. Am Morgen des 04.08.2015 berichtete ihm der Angeklagte ferner, dass seine Ehefrau dann die Waffe an sich genommen und sich anschließend mit dieser erschossen habe. Demgegenüber bekundete er am Folgetag, dass es in dem Gerangel zur Schussabgabe gekommen sei. Er habe seiner Ehefrau die Waffe abnehmen wollen, als diese die Waffe auf ihre Brust gerichtet habe. O… S… habe jedoch ebenfalls an der Waffe gezogen, wobei es zum Schuss gekommen sei (vgl. oben C.II.2.b., S. 25).
319
(3) Während der Angeklagte gegenüber dem Zeugen T… angab, dass es zwischen ihm und seiner Ehefrau zu einem Gerangel gekommen sei, als diese die Schusswaffe auf ihre Brust gerichtet habe, erklärte er gegenüber dem Zeugen H… vom Kriseninterventionsteam im Widerspruch dazu, dass er versucht habe, seiner Ehefrau die Waffe zu entreißen, als diese die Pistole gegen ihren Kopf gerichtet habe. Weiter gab er gegenüber dem Zeugen H… an, dass es zu einem Gerangel gekommen sei, bei welchem sich plötzlich ein Schuss gelöst habe (vgl. oben C.II.3.c., S. 28).
320
(4) Gegenüber dem Zeugen KOK P… gab der Angeklagte wiederum – ähnlich wie gegenüber dem Zeugen T… und im Widerspruch zu seinen Angaben gegenüber dem Zeugen H… – an, dass er versucht habe, seiner Ehefrau die Waffe wegzunehmen, als diese die Waffe gegen ihr Herz gerichtet habe. Bei einer Rangelei im Stehen habe sich plötzlich ein Schuss gelöst. Der Angeklagte schilderte gegenüber dem Zeugen KOK P… das Geschehen so, dass O… S… im Moment der Schussabgabe gestanden sei (vgl. oben C.II.4.b., S. 29).
321
(5) In seiner Beschuldigtenvernehmung gab der Angeklagte an, dass seine Ehefrau, die mit der Pistole in der – glaublich linken – Hand auf dem Bett gesessen sei, aufgestanden sei und die Pistole gegen ihre Brust gerichtet habe. Er habe sich ihr genähert, um ihr die Pistole abzunehmen, bevor sie sich eine Patrone vom Boden nehme. Er habe dann nach der Pistole gegriffen und sie hätten beide an dieser gezogen, wobei seine Ehefrau geschrien habe, er solle sie lassen. Dann seien sie „beide fast irgendwie umgefallen“. Seine Ehefrau sei „irgendwie auf die Knie“ gegangen und er habe sich mit dem rechten Ellbogen auf der Kommode abgestützt. Sie hätten die Waffe hin und her gezogen und seien „fast umgefallen“, als sich plötzlich ein Schuss gelöst habe. Wer bei dem Gerangel den Finger am Abzug gehabt habe, wisse er nicht. Seine Ehefrau und er hätten beide an der Waffe gezogen. Mal sei seine Hand oben gewesen, dann ihre; mal sei seine Hand unten gewesen, dann ihre. Sie hätten beide die Pistole überall gepackt und sie gedreht. Plötzlich sei der Schuss gefallen, seine Ehefrau sei umgefallen und dann am Boden gelegen (vgl. oben C.II.5.c., S. 32).
322
(6) Gegenüber dem Zeugen S… vom Kreisjugendamt … gab der Angeklagte an, dass seine Ehefrau die Waffe auf sich selbst gerichtet habe. Als er nach der Waffe gegriffen habe, sei eine Rangelei entstanden, bei welcher beide versucht hätten, die Waffe an sich zu bringen. Schließlich hätten beide das Gleichgewicht verloren und die Rangelei auf dem Boden fortgesetzt. Gegenüber dem Zeugen S… behauptete der Angeklagte zum einzigen Mal, dass seine Ehefrau eine Judotechnik angewandt habe, bei der sie die Waffe zwischen Händen und Kopf eingeklemmt habe, um die Griffkraft zu maximieren. Plötzlich habe sich ein Schuss gelöst, der seine Ehefrau in den Kopf getroffen habe (vgl. oben C.II.6.b., S. 34).
323
(7) In der Hauptverhandlung vor der 2. Strafkammer des Landgerichts München I gab der Angeklagte an, dass er sich seiner Ehefrau genähert habe, um ihr die Waffe abzunehmen. Dann sei es zu einer Rangelei im Stehen gekommen. Zwar sprach der Angeklagte nachfolgend wieder von einer Judotechnik, die seine Ehefrau angewandt habe, dies jedoch in einem ganz anderen Zusammenhang und in einer ganz anderen Form als bei seiner Schilderung gegenüber der Zeugen S… Der Angeklagte behauptete bei dieser Gelegenheit zum einzigen Mal, dass seine Ehefrau eine Judotechnik angewandt habe, mit der sie versucht habe, ihn mit dem Fuß zum Fallen zu bringen. Sie seien daraufhin beide umgefallen und hätten am Boden weitergerangelt. Seine Ehefrau habe die Waffe wohl in der rechten Hand gehalten. Sie sei beidhändig gewesen, habe allerdings die rechte Hand mehr benutzt als die linke.
324
Seine Ehefrau sei dann am Boden gesessen und habe mit der rechten Hand den Lauf der Waffe festgehalten. Ihre Füße hätten in Richtung Bett gezeigt. Er sei – aus Sicht seiner Ehefrau – links von ihr am Boden gekniet und habe versucht, mit seiner über der rechten Hand seiner Ehefrau befindlichen linken Hand die Finger ihrer rechten Hand aufzubiegen und auf diese Weise ihre rechte Hand zu öffnen und vom Lauf der Waffe zu lösen. Als er dabei gewesen sei, die Finger ihrer rechten Hand am Lauf der Waffe aufzubiegen, und gemerkt habe, dass er es beinahe geschafft habe, auf diese Weise ihre Finger vom Lauf der Waffe zu lösen, habe sich ein Schuss gelöst.
325
Kurz bevor sich der Schuss gelöst habe, habe seine Ehefrau mit ihrer linken Hand die Waffe losgelassen. Nachdem sich der Schuss gelöst habe, sei seine Ehefrau „in Richtung Wanddefekt“ umgefallen. In diesem Moment sei die Pistole aus ihrer und seiner Hand herausgefallen. Wie der Angeklagte angab, sei es in dem Gerangel zur Schussabgabe gekommen. Dies habe sich innerhalb von Sekunden abgespielt. Seine Ehefrau habe immer mindestens eine Hand an der Pistole gehabt, sodass sich seine Hand zu keinem Zeitpunkt „frei“ an der Waffe befunden habe (vgl. oben C.II.7.c., S. 36).
326
(8) In der Hauptverhandlung gab der Angeklagte an, dass seine Ehefrau, mit dem Rücken zum Bett gewandt, im Schlafzimmer gestanden sei und die Pistole in ihrer rechten Hand vor ihre rechte Brust gehalten habe. Abweichend von seinen früheren Angaben, wonach seine Ehefrau die Waffe auf sich oder gegen ihre Brust gerichtet habe, behauptete der Angeklagte nunmehr erstmals, dass seine Ehefrau die Pistole so gehalten habe, dass der Lauf der Pistole senkrecht nach oben gezeigt habe. Er habe sich ihr genähert und nach der Pistole gegriffen, um sie ihr abzunehmen. Sie hätten beide an der Pistole gezogen und seien dann beide umgefallen. Auf welche Weise sie an der Waffe gezogen hätten, insbesondere wer die Pistole wo und wie gegriffen habe und ob die Griffposition gewechselt habe, wisse er nach der langen Zeit nicht mehr.
327
Nachdem seine Ehefrau und er zu Boden gegangen seien, hätten sie beide weiter an der Waffe gezogen. Seine Ehefrau sei mit Blickrichtung zum Bett und mit angewinkelten Beinen, die ebenfalls in Richtung Bett gezeigt hätten, am Boden gesessen. Er sei neben ihrer linken Körperseite mit einem Bein am Boden gekniet und habe den Fuß des anderen Beins am Boden aufgestellt.
328
Seine Ehefrau und er hätten zunächst beide ihre Hände an der Waffe gehabt. Seine Ehefrau habe mit ihrer rechten Hand den Lauf der Pistole festgehalten. Seine linke Hand habe sich über ihrer rechten Hand ebenfalls am Pistolenlauf befunden. Er habe mit seiner rechten Hand den Griff der Pistole umfasst, wobei er nicht wisse, ob sein Finger dabei die ganze Zeit am Abzug gewesen sei. Die linke Hand seiner Ehefrau habe sich zunächst über seiner rechten Hand ebenfalls am Pistolengriff befunden. Seine Ehefrau habe die Waffe an ihre linke Kopfseite gezogen, während er ebenfalls an der Waffe gezogen und versucht habe, sie vom Kopf seiner Ehefrau wegzuziehen.
329
Er habe ferner versucht, mit seiner über der rechten Hand seiner Ehefrau befindlichen linken Hand die Finger ihrer rechten Hand aufzubiegen und auf diese Weise ihre rechte Hand zu öffnen und vom Lauf der Waffe zu lösen. Abweichend von seinen Angaben in der Hauptverhandlung vor der 2. Strafkammer des Landgerichts München I, wonach sich ein Schuss gelöst habe, als er gemerkt habe, dass er es beinahe geschafft habe, die Finger ihrer rechten Hand durch Aufbiegen vom Lauf der Waffe zu lösen, bekundete der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer des Landgerichts München I, dass sich ein Schuss in dem Moment gelöst habe, als es ihm gerade gelungen sei, die Finger ihrer rechten Hand aufzubiegen und auf diese Weise vom Lauf der Waffe zu lösen.
330
Im Zeitpunkt der Schussabgabe habe sich nur noch seine rechte Hand am Pistolengriff befunden und nur sein Finger am Abzug, da seine Ehefrau mit ihrer linken Hand kurz zuvor seine rechte Hand am Pistolengriff losgelassen habe, während sich ihre rechte Hand nach wie vor am Pistolenlauf befunden habe. Der Angeklagte stellte ausdrücklich klar, dass sich im Zeitpunkt der Schussabgabe weder eine Hand seiner Ehefrau am Pistolengriff noch ein Finger seiner Ehefrau am Abzug der Pistole befunden habe. Wie der Angeklagte auf Nachfrage erklärte, könne es sein, dass er den Abzug betätigt habe, als er mit seiner rechten Hand am Pistolengriff die Waffe nach hinten – mithin von seiner Ehefrau weg – gezogen habe, denn der Schuss habe sich währenddessen gelöst. Als sich der Schuss gelöst habe, habe seine Ehefrau die Pistole weiterhin an ihre linke Kopfseite gehalten. Nach dem Schuss sei seine Ehefrau zur Seite umgefallen (vgl. oben C.II.8.c., S. 40).
331
b. Auch die Einlassung des Angeklagten zu dem angeblichen Motiv der Getöteten für ihren von ihm behaupteten Suizid bzw. Suizidversuch ist wechselnd und widersprüchlich und schon deshalb nicht glaubhaft.
332
(1) Nur gegenüber dem Zeugen H… behauptete der Angeklagte, seine Ehefrau habe geschrien, dass alles keinen Sinn mehr habe mit ihrer Erkrankung und sie deshalb nicht mehr leben wolle (vgl. oben C.II.3.c., S. 28).
333
(2) Gegenüber dem Zeugen KOK P… gab der Angeklagte demgegenüber an, seine Ehefrau habe sich über ihr Leben beklagt und geklagt, dass sie gerne frei sei, aber wegen der … Kinder nicht habe frei sein können (vgl. oben C.II.4.b., S. 29).
334
(3) In seiner Beschuldigtenvernehmung behauptete der Angeklagte, seine Ehefrau habe angefangen, „brutal“ zu weinen, als er ihr erzählt habe, dass … einen Tag lang auf der Couch gesessen sei und große Tränen geweint habe, weil ihre Mutter nicht da sei, nachdem er zuvor ferner berichtet habe, dass … seit dem Auszug seiner Ehefrau jeden Tag merklich nervöser geworden und … den ganzen Tag wie abwesend sei; entweder schlafe sie oder sie spiele mit dem Handy. Als seine Ehefrau im weiteren Verlauf die Pistole gegen ihre Brust gerichtet habe, habe sie geschrien, sie könne nicht ohne ihre Freiheit und nicht ohne ihre Kinder, sie könne aber auch nicht mit ihren Kindern, weil sie sonst keine Freiheit habe, sie brauche ihr Leben nicht mehr (vgl. oben C.II.5.c., S. 32).
335
(4) Während nach den Angaben des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung seine Erzählung über … der unmittelbare Auslöser dafür gewesen sein soll, dass die Getötete angefangen habe, „brutal“ zu weinen, behauptete der Angeklagte gegenüber dem Zeugen S…, dass seine Ehefrau heftig reagiert und von ihm verlangt habe, sie in Ruhe zu lassen, als er ihr erzählt habe, dass insbesondere …ab und zu nach ihrer Mutter frage und weine (vgl. oben C.II.6.a., S. 33).
336
(5) In der Hauptverhandlung vor der 2. Strafkammer des Landgerichts München I ließ sich der Angeklagte dahingehend ein, er habe seiner Ehefrau gesagt, dass die Kinder traurig seien, und ihr erzählt, dass … wegen ihrer Mutter oft geweint habe und nicht aus ihrem Zimmer im Keller herausgekommen sei und dass die anderen Kinder nicht nach draußen hätten gehen wollen, sondern sich vielmehr nur im Haus aufgehalten hätten (vgl. oben C.II.7.b., S. 35).
337
Diese Angaben sind schon deshalb unglaubhaft, da sich … zur Tatzeit tatsächlich ein Zimmer im ersten Obergeschoss des Tatanwesens mit ihrer älteren Schwester … teilte und erst zur Zeit der erstmaligen Festnahme des Angeklagten in diesem Verfahren am 11.12.2019 ein Zimmer im Keller bewohnte (vgl. oben C.III.22.c(3), S. 61, und C.II.8.b., S. 37).
338
Weiter gab der Angeklagte an, seine Ehefrau habe darüber geklagt, dass die Kinder sie nicht oft angerufen hätten. Sie habe gedacht, dass die Kinder sie nicht mehr liebten. Während er glücklich gewesen sei, dass seine Ehefrau längere Zeit bei ihm und den Kindern habe bleiben wollen, sei diese hingegen immer trauriger geworden und habe angefangen zu weinen (vgl. oben C.II.7.b., S. 35). Er habe versucht, mit seiner Ehefrau zu reden, die immer noch traurig gewesen sei wegen der Kinder und der aktuellen Situation. Seine Ehefrau habe ihn aufgefordert, das Zimmer zu verlassen (vgl. oben C. II.7.c., S. 36).
339
(6) In der Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer des Landgerichts München I behauptete der Angeklagte, dass seine Ehefrau auf einmal angefangen habe zu weinen. Auf seine Frage, was mit ihr los sei, habe sie ihn aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen, und hinzugefügt, dass sie schuld sei und alles kaputtgemacht habe; die Kinder liebten sie nicht mehr, dies habe sie bei der kurzen Begrüßung gespürt (vgl. oben C.II.8.b., S. 37).
340
c. Auch zu seinem Vorstellungsbild hinsichtlich des Ladezustands der Waffe machte der Angeklagte wechselnde und widersprüchliche Angaben.
341
(1) Gegenüber dem Zeugen T… gab der Angeklagte an, nicht damit gerechnet zu haben, dass die Waffe geladen gewesen sei (vgl. oben C.II.2.b., S. 25). Auch gegenüber dem Zeugen H… bekundete der Angeklagte, er sei davon ausgegangen, dass sich keine Patronen in der Waffe befänden (vgl. oben C.II.3.c., S. 28). In der Beschuldigtenvernehmung gab der Angeklagte an, dass er sich seiner Ehefrau genähert habe, um ihr die Pistole abzunehmen, bevor sie sich eine Patrone vom Boden nehme (vgl. oben C.II.5.c., S. 32). Auch diese Einlassung impliziert, dass er davon ausgegangen sei, es befinde sich noch keine Patrone in der Waffe und die Pistole müsse erst mit einer vom Boden noch aufzuhebenden Patrone geladen werden.
342
(2) Demgegenüber ließ der Angeklagte gegenüber dem Zeugen S… offen, von welchem Ladezustand der Waffe er ausgegangen sei, und erklärte lediglich, nicht gewusst zu haben, ob die Waffe geladen sei (vgl. C.II.6.b., S. 34).
343
(3) Im Widerspruch zu seiner anfänglich konstanten, oben unter (1) dargelegten, sinngemäßen Behauptung, er sei davon ausgegangen, dass die Waffe nicht geladen sei, behauptete der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor der 2. Strafkammer des Landgerichts München I erstmals, er habe vermutet, dass seine Ehefrau die Pistole geladen habe (vgl. oben C.II.7.c., S. 36).
344
(4) In der Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer des Landgerichts München I äußerte sich der Angeklagte nicht zu seinem Vorstellungsbild hinsichtlich des Ladezustands der Waffe.
345
d. Die Schmauchspurenbefunde an den Händen des Tatopfers sprechen gegen eine Schussabgabe durch die Getötete.
346
Der Schmauchspurenbefund an der linken Hand des Tatopfers ist mit einer Schussabgabe durch die Getötete mit der linken Hand nicht zu vereinbaren. Dies gilt auch für die denktheoretisch mögliche Variante einer im Zeitpunkt der Schussabgabe abgedeckten linken Schusshand. Der Schmauchspurenbefund spricht auch dagegen, dass sich die linke Hand des Tatopfers im Zeitpunkt der Schussabgabe unverdeckt in unmittelbarer Nähe zur Waffe befand.
347
Der Schmauchspurenbefund an der rechten Hand des Tatopfers ist mit einer Schussabgabe durch die Getötete mit der rechten Hand – in der typischen Variante einer im Zeitpunkt der Schussabgabe unverdeckten Schusshand – nicht zu vereinbaren. Er spricht auch dagegen, dass sich die rechte Hand im Zeitpunkt der Schussabgabe unverdeckt in unmittelbarer Nähe zur Waffe befand. Der denktheoretisch möglichen Variante einer im Zeitpunkt der Schussabgabe abgedeckten rechten Schusshand steht der Schmauchspurenbefund an der rechten Hand des Tatopfers zwar nicht von vornherein entgegen. Für diese Variante bestehen indes keinerlei Anhaltspunkte. Sie wird noch nicht einmal vom Angeklagten behauptet. Nach dessen Einlassung soll sich die rechte Hand des Tatopfers vielmehr – im Wesentlichen abgedeckt durch seine linke Hand – am Lauf der Pistole befunden haben.
348
Der Schmauchspurenbefund an der rechten Hand des Tatopfers lässt sich durch die in dieser Hand aufgefundene Patrone zwanglos erklären (vgl. unten C.III.25.d(8), S. 80).
349
(1) Der Spurensicherungsbeamte KHK E… legte glaubhaft dar, dass er die am Tatort auf der Kommode im Schlafzimmer sichergestellte Pistole, Fabrikat CZ, Modell 75, als Asservat 3.1 erfasst habe. Ferner habe er am Tatort auf dem Teppich vor dem Bett im Schlafzimmer zehn Patronen, Kaliber 9mm Luger, Fabrikat Federal Cartridge (FC), sichergestellt und als Asservate 2.1.01 bis 2.1.10 erfasst. Darüber hinaus habe er eine Patrone desselben Typs in der rechten Hand des Tatopfers sichergestellt und diese als Asservat 4.4 erfasst. Ebenfalls auf dem Teppich vor dem Bett im Schlafzimmer habe er eine Patronenhülse desselben Typs sichergestellt und als Asservat 2.1.11 erfasst. Ferner habe er im Schlafzimmer unter der Heizung einen Geschossmantel, bezeichnet als Asservat 2.1.12, sowie unter dem Bett einen Geschosskern, bezeichnet als Asservat 2.1.13, sichergestellt.
350
Wie der Zeuge KHK E… ausführte, habe er überdies insgesamt fünf Schmauchabtastungen mit Stiftprobentellern von den beiden Händen des Angeklagten – drei von der rechten Hand sowie zwei von der linken Hand – gesichert und als Spuren 5.0.01 bis 5.0.05 erfasst. Er habe sowohl von der Innen- als auch von der Außenseite des Daumen-Zeigefinger-Bereichs der rechten (Spuren 5.0.01 und 5.0.02) und linken Hand (Spuren 5.0.03 und 5.0.04) sowie von einer schwarzen Antragung an der rechten Handfläche mittig (Spur 5.0.05) jeweils eine Schmauchabtastung mittels Stiftprobenteller vorgenommen.
351
(2) Der als Notarzt tätige (sachverständige) Zeuge Dr. W… und der Zeuge K… vom Rettungsdienst bekundeten übereinstimmend und damit glaubhaft, dass ein Mitglied der Rettungskräfte die Schusswaffe, die ursprünglich zwischen dem Fußende des Bettes und der Getöteten auf der Höhe von deren Beinen am Boden gelegen habe, auf der Kommode im Schlafzimmer abgelegt habe, da sich die Waffe ursprünglich störend in ihrem Arbeitsbereich befunden habe.
352
(3) Wie der Waffensachverständige Dipl.-Ing. (FH) Z… vom Bayerischen Landeskriminalamt, Sachgebiet 207 (Waffen), berichtete, sei er am 04.08.2015 von der Mordkommission des Polizeipräsidiums M. zu dem Fall hinzugezogen worden.
353
(a) Er habe den Tatort und die dort aufgefundene Waffe sowie das Tatopfer vor Ort in Augenschein genommen. Bei der Waffe handle es sich um eine halbautomatische Selbstladepistole, Fabrikat CZ, Modell 75, Kaliber 9 mm Luger, Waffennummer D2928. Wie der Waffensachverständige erläuterte, lasse sich aus dem Zustand der am Tatort von ihm in Augenschein genommenen Pistole mit nach hinten gespanntem Schlitten bei in die Waffe eingeführtem Magazin, wie er auf den von der Strafkammer in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort erkennbar sei, nur dadurch erklären, dass zuvor mit der Waffe ein Schuss abgegeben worden sei und sich in dem in die Waffe eingeführten Magazin keine weitere Patrone mehr befinde.
354
(b) Seinen Angaben zufolge habe der Sachverständige ferner insgesamt fünf Schmauchabtastungen mit Stiftprobentellern von den beiden Händen des Tatopfers – drei von der linken Hand sowie zwei von der rechten Hand – gesichert. Die drei Stiftprobenteller von der linken Hand habe er an der Handinnenseite, ferner am Daumen-Zeigefinger-Bereich sowie vom vorderen Bereich des Zeigefingers abgenommen. Die zwei Schmauchabtastungen von der rechten Hand habe er zum einen an der Handinnenseite und zum anderen am Daumen-Zeigefinger-Bereich gesichert.
355
(c) Der Sachverständige legte dar, dass ihm in der Folge die Waffe (Asservat 3.1), elf Stück Patronenmunition mit Teilmantelgeschossen im Kaliber 9mm Luger, Fabrikat Federal Cartridge (FC) (Asservate 2.1.01 bis 2.1.10 und 4.4) sowie drei Munitionsteile, welche allesamt am Tatort sichergestellt worden seien, übergeben worden seien. Bei den drei Munitionsteilen habe es sich im Einzelnen um eine Patronenhülse, Fabrikat Federal Cartridge (FC) (Asservat 2.1.11), und zwei Geschossteile – einen stark deformierten Geschossmantel (Asservat 2.1.12) sowie einen ebenfalls deformierten Geschosskern aus Blei (Asservat 2.1.13) – gehandelt.
356
(d) Dipl.-Ing. (FH) Z… führte weiter aus, dass er in der Folge mit der am Tatort sichergestellten Waffe (Asservat 3.1) und der sichergestellten Munition eine Funktionsüberprüfung durchgeführt und Vergleichsmunitionsteile gewonnen habe. Dabei sei es möglich gewesen, mit dieser Waffe störungsfrei in halbautomatischer Schussfolge zu schießen.
357
(e) Die vergleichsmikroskopische Untersuchung des gewonnenen Vergleichsmaterials mit dem sichergestellten Geschossmantel (Asservat 2.1.12) und der sichergestellten Patronenhülse (Asservat 2.1.11) habe jeweils anhand individualcharakteristischer Verfeuerungsspuren eine eindeutige Übereinstimmung ergeben, sodass aus waffensachverständiger Sicht spurenmäßig feststehe, dass der Geschossmantel (Asservat 2.1.12) und die Patronenhülse (Asservat 2.1.11) aus der Waffe (Asservat 3.1) verschossen worden seien. Der sichergestellte Geschosskern aus Blei (Asservat 2.1.13) sei, wie sich anhand von dessen gemessenem Gewicht sagen lasse, spurenmäßig ebenfalls dem Teilmantelgeschoss zuzuordnen, welches in die oben genannten Bestandteile zerlegt worden sei.
358
(f) Seinen Angaben zufolge habe der Sachverständige darüber hinaus mit der sichergestellten Waffe (Asservat 3.1) Versuche durchgeführt, um die typische Schmauchbelegung sowohl einer Schusshand, welche – dem typischen Szenario entsprechend – im Zeitpunkt der Schussabgabe unverdeckt sei, als auch einer Schusshand, welche im Zeitpunkt der Schussabgabe durch die Hand einer anderen Person bestmöglich abgedeckt sei, zu ermitteln. Hierbei sei vom DaumenZeigefinger-Bereich der Schusshand, welche die Waffe unmittelbar in der Hand gehalten habe, jeweils vor und nach dem Schuss eine Schmauchabtastung mit Stiftprobentellern genommen worden. Dies sei sowohl mit der bei der Schussabgabe unverdeckten Schusshand als auch mit der bei der Schussabgabe durch die Hand einer anderen Person abgedeckten Schusshand erfolgt, sodass insgesamt vier Stiftprobenteller genommen worden seien.
359
(4) Wie die Mikrospuren-Sachverständige Dr. G… vom Bayerischen Landeskriminalamt, Sachgebiet 204 (Mikrospuren / Biologie), berichtete, habe sie eine Schmauchspuren-Untersuchung mittels Rasterelektronenmikroskopie / Energiedispersiver Röntgenspektroskopie (REM / EDX) durchgeführt.
360
(a) Zur Referenzschmauchbestimmung seien ihr eine Patrone (Asservat 2.1.03), ein Stiftprobenteller mit einer – vom Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) Z… gefertigten – Schmauchabtastung vom Inneren der Patronenhülse (Asservat 2.1.11) sowie ein Stiftprobenteller mit einer – von einer Labormitarbeiterin gefertigten – Schmauchabtastung von der Außenseite der Pistole (Asservat 3.1) übergeben worden.
361
Ferner habe sie jeweils fünf Stiftprobenteller mit den Schmauchabtastungen von den Händen des Tatopfers (vgl. oben C.III.25.d(3)(b)., S. 73) und des Angeklagten (vgl. oben C.III.25.d(1), S. 72) sowie vier Stiftprobenteller von den vom Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) Z… durchgeführten Versuchen mit unverdeckter und abgedeckter Schusshand (vgl. oben C.III.25.d(3)(f)., S. 74) erhalten.
362
(b) Die genannten Spurenträger seien präpariert und einer automatischen Partikelanalyse (Schmaucherkennungsroutine) mit der Gerätekombination Rasterelektronenmikroskop / Röntgenmikrobereichsanalyse (REM / RMA) unterzogen worden. Anschließend seien die so gewonnenen Analyseergebnisse standardmäßig durch eine ausführliche visuelle Nachkontrolle überprüft worden. Ferner seien die Partikel den Kategorien A bis C zugeordnet und entsprechend bewertet worden.
363
Wie die Sachverständige erläuterte, umfasse die Kategorie A Partikel, welche in ihrer elementaren Zusammensetzung in charakteristischer Weise mit dem Referenzschmauch übereinstimmten. Der Kategorie B seien all jene Partikel zuzuordnen, deren elementare Zusammensetzung den allgemeinen Kriterien für die Identifizierung von Schussrückständen entspreche. Zur Kategorie C zählten solche Partikel, für welche (auch) andere Entstehungsmechanismen als Schussrückstände bekannt seien.
364
Laut Dr. G… sei der Referenzschmauch im vorliegenden Fall durch Partikel in der Zusammensetzung PbBaSb (Blei-Barium-Antimon) und PbBaSbSn (BleiBarium-Antimon-Zinn) gekennzeichnet. Bei diesen handle es sich somit um die Partikel der Kategorie A.
365
Besonders hervorzuheben seien im vorliegenden Fall ferner die der Kategorie C zuzuordnenden Bismut-Chlor-Partikel, welche nicht als Schussrückstände aufträten und auch sonst nicht als typischerweise an Schusswaffen auftretende Partikel bekannt seien. Vielmehr handle es sich um Perlglanzpigmente, welche typischerweise in Make-up-Produkten wie etwa Lidschatten, Lippenstift oder Nagellack vorhanden seien, aber auch bisweilen an Schmuckstücken oder Knöpfen nachgewiesen werden könnten.
366
Darüber hinaus seien an den Spurenträgern in unterschiedlicher Anzahl Partikel der Kategorie B sowie weitere Partikel der Kategorie C nachgewiesen worden.
367
(c) Die Sachverständige Dr. G… präsentierte die Ergebnisse ihrer Schmauchspuren-Untersuchung.
368
i. Demnach seien an dem von der Außenseite der Pistole genommenen Stiftprobenteller mehr als 1.500 Bismut-Chlor-Partikel nachgewiesen worden. ii. Hinsichtlich der drei Stiftprobenteller von der linken Hand des Tatopfers habe die Schmauchspurenuntersuchung folgende Ergebnisse erbracht: Am Stiftprobenteller vom Daumen-Zeigefinger-Bereich seien drei Partikel der Kategorie A und etwa 6.500 Bismut-Chlor-Partikel, an demjenigen von der Handinnenseite ein Partikel der Kategorie A und etwa 4.500 Bismut-Chlor-Partikel sowie an demjenigen vom vorderen Bereich des Zeigefingers kein einziger Partikel der Kategorie A und über 800 Bismut-Chlor-Partikel vorhanden gewesen.
369
Die Untersuchung der beiden Stiftprobenteller von der rechten Hand des Tatopfers habe zu folgenden Ergebnissen geführt: Am Stiftprobenteller vom Daumen-Zeigefinger-Bereich, welcher insgesamt über 20.000 Partikel aufgewiesen habe, hätten sich etwas mehr als vierzig Partikel der Kategorie A und über 11.000 Bismut-Chlor-Partikel gefunden sowie an demjenigen von der Handinnenseite etwa zehn Partikel der Kategorie A und etwa 8.500 BismutChlor-Partikel.
370
Die fünf Stiftprobenteller von den Händen des Tatopfers hätten über die im Einzelnen genannten Befunde auch Partikel der Kategorie B sowie eine Vielzahl von Partikeln der Kategorie C aufgewiesen. Insgesamt habe es sich um sehr reichhaltige Befunde gehandelt, welche darauf schließen ließen, dass die Hände des Tatopfers vor der Abnahme der Schmauchabtastungen nicht gewaschen oder in anderer Weise gereinigt worden seien. Andernfalls wäre eine geringere Gesamtzahl der Partikel und auch eine geringe Anzahl der BismutChlor-Partikel zu erwarten.
371
iii. Hinsichtlich der drei Stiftprobenteller von der rechten Hand des Angeklagten habe die Schmauchspurenuntersuchung folgende Ergebnisse erbracht: Am Stiftprobenteller von der Innenseite des Daumen-Zeigefinger-Bereichs (Spur 5.0.01) seien ein Partikel der Kategorie A und über 1.800 Bismut-ChlorPartikel, an demjenigen von der Außenseite des Daumen-ZeigefingerBereichs (Spur 5.0.02) kein Partikel der Kategorie A und über 800 BismutChlor-Partikel sowie an demjenigen von der schwarzen Antragung an der rechten Handfläche mittig (Spur 5.0.05) kein einziger Partikel der Kategorie A, aber über 250 Bismut-Chlor-Partikel vorhanden gewesen.
372
Die Untersuchung der beiden Stiftprobenteller von der linken Hand des Angeklagten habe zu folgenden Ergebnissen geführt: Am Stiftprobenteller von der Innenseite des Daumen-Zeigefinger-Bereichs (Spur 5.0.03) hätten sich ein Partikel der Kategorie A und etwa 2.200 Bismut-Chlor-Partikel sowie am Stiftprobenteller von der Außenseite des Daumen-Zeigefinger-Bereichs (Spur 5.0.04) kein Partikel der Kategorie A und ebenfalls etwa 2.200 Bismut-ChlorPartikel gefunden.
373
Die Befunde der fünf Stiftprobenteller des Angeklagten seien hinsichtlich ihrer Gesamtzahl der Partikel deutlich weniger reichhaltig gewesen als diejenigen des Tatopfers. Sie seien ohne weiteres damit in Einklang zu bringen, dass sich der Angeklagte vor der Abnahme der Schmauchabtastungen mehrfach unter anderem die Hände gewaschen habe (vgl. unten C.III.25.e(4), S. 82, und C.III.25.e(5), S. 82).
374
Wie die Sachverständige weiter ausführte, könne sie auf der Grundlage selbst durchgeführter Versuche aufgrund ihrer Berufserfahrung sagen, dass der überwiegende Teil von Schmauchpartikeln durch Händewaschen beseitigt werde. Dabei gehe sie davon aus, dass bereits mit reinem Wasser sehr viele Partikel entfernt würden. Allerdings könne der Reinigungseffekt durch das Aneinanderreiben der Hände im Wasser sowie durch die Hinzunahme von Seife jeweils noch erhöht werden. Dementsprechend würden auch Schmauchpartikel im Rahmen von sonstigen, mit den Händen durchgeführten Waschmaßnahmen beseitigt. Der an den Händen des Angeklagten nachgewiesene Schmauchbefund und die Anzahl der Bismut-Chlor-Partikel stünden dem nicht entgegen und seien mit – jedenfalls nicht hundertprozentig erfolgreichen – Waschmaßnahmen ohne weiteres in Einklang zu bringen.
375
Im Hinblick darauf, dass die Anwendung von Make-up-Produkten bei einem Mann eher fernliege, lasse sich der Befund der Bismut-Chlor-Partikel an den Händen des Angeklagten ohne weiteres durch einen Transfer der Partikel im Wege von Berührungen der Getöteten erklären, zumal die von deren Händen genommenen Abtastungen, wie dargelegt, eine weit höhere Vielzahl von Bismut-Chlor-Partikeln aufgewiesen hätten (vgl. oben C.III.25.d(4)(c) ii., S. 75).
376
iv. Auch der Befund von mehr als 1.500 Bismut-Chlor-Partikeln an dem von der Außenseite der Pistole genommenen Stiftprobenteller (vgl. oben C. III.25.d(4)(c) i., S. 75) lasse sich der Mikrospuren-Sachverständigen zufolge zwanglos durch einen Transfer der Partikel erklären. Insoweit komme neben einem direkten Transfer durch unmittelbaren Kontakt der Getöteten mit der Pistole gleichermaßen ein indirekter Transfer in Betracht. Hierunter verstehe man, dass die Partikel zum Beispiel von der Getöteten auf den Angeklagten und von diesem auf die Pistole oder beispielsweise von der Getöteten auf einen anderen Gegenstand und durch Kontakt zwischen diesem Gegenstand und der Pistole auf diesen übertragen würden. Über den Zeitpunkt der Transferereignisse könne keine Aussage getroffen werden.
377
v. Hinsichtlich der vier Stiftprobenteller, die bei den vom Sachverständigen Dipl.Ing. (FH) Z… durchgeführten Versuchen mit unverdeckter und abgedeckter Schusshand, abgenommen worden seien, habe die Schmauchspurenuntersuchung laut Dr. G… folgende Ergebnisse erbracht: Am Stiftprobenteller, welcher vom Daumen-Zeigefinger-Bereich der Schusshand vor dem Schuss mit unverdeckter Schusshand abgenommen worden sei, sei kein Schmauchbefund nachweisbar gewesen. An dem nach dem Schuss mit unverdeckter Schusshand abgenommenen Stiftprobenteller vom DaumenZeigefinger-Bereich der Schusshand seien über 5.000 Partikel der Kategorie A nachgewiesen worden.
378
Am Stiftprobenteller, welcher vom Daumen-Zeigefinger-Bereich der Schusshand vor dem Schuss mit abgedeckter Schusshand abgenommen worden sei, habe sich ein Partikel der Kategorie B gefunden. Insoweit liege es nahe, dass es sich hierbei um eine Kontamination handle. Am Stiftprobenteller, welcher vom Daumen-Zeigefinger-Bereich der Schusshand nach dem Schuss mit abgedeckter Schusshand abgenommen worden sei, seien 14 Partikel der Kategorie A nachgewiesen worden.
379
Bismut-Chlor-Partikel hätten sich an keinem der vier Stiftprobenteller gefunden.
380
(5) Wie der Waffensachverständige Dipl.-Ing. (FH) Z… hinsichtlich der Kategorisierung von Partikeln zur Bewertung von Schmauchspuren erläuterte, seien für die Frage, ob sich Schmauchrückstände von einem mit der sichergestellten Pistole (Asservat 3.1) abgegebenen Schuss fänden, allein die Partikel der Kategorie A von Relevanz. Nur diese ließen sich ausschließlich als Schmauch von einem Schuss mit dieser spezifischen Waffe erklären, während für die Partikel der Kategorien B und C stets auch andere Ursachen in Betracht kämen. Deshalb besäßen lediglich die Partikel der Kategorie A eine belastbare Aussagekraft dahingehend, dass sie von einem Schuss mit der sichergestellten Pistole (Asservat 3.1) herrührten.
381
(a) Wie sich aus den oben unter C.III.25.d(4)(c) v., S. 77, dargelegten Ausführungen der Sachverständigen Dr. G… zum Ergebnis der Schmauchspurenuntersuchung ergebe, seien im Fall des typischen Szenarios einer unverdeckten Schusshand über 5.000 Partikel der Kategorie A an dem Stiftprobenteller vom DaumenZeigefinger-Bereich der Schusshand zu erwarten. Demgegenüber hätten sich an der linken Hand der Getöteten insgesamt nur vier und an ihrer rechten Hand insgesamt nur etwas mehr als fünfzig Partikel der Kategorie A gefunden (vgl. oben C.III.25.d(4)(c) ii., S. 75). Laut Dipl.-Ing. (FH) Z… seien diese Befunde an beiden Händen des Tatopfers demnach mit einer Schussabgabe durch die Getötete in der typischen Variante einer im Zeitpunkt der Schussabgabe unverdeckten Schusshand nicht zu vereinbaren. In gleicher Weise sprächen die Befunde dagegen, dass sich die Hände der Getöteten im Zeitpunkt der Schussabgabe unverdeckt in unmittelbarer Nähe zur Waffe befunden hätten.
382
(b) Wie sich aus den oben unter C.III.25.d(4)(c) v., S. 77, dargelegten Ausführungen der Sachverständigen Dr. G… zum Ergebnis der Schmauchspurenuntersuchung ergebe, sei im Fall der denktheoretisch möglichen Variante einer im Zeitpunkt der Schussabgabe bestmöglichen Abdeckung der Schusshand ein Befund in der Größenordnung von etwa 14 Partikeln der Kategorie A zu erwarten. Angesichts dessen lasse sich dem Waffensachverständigen zufolge der Schmauchspurenbefund an der linken Hand des Tatopfers mit insgesamt vier Partikeln der Kategorie A auch mit dem Szenario einer abgedeckten Schusshand nicht vereinbaren, da selbst in diesem Fall eine mehr als dreimal so große Anzahl an Partikeln der Kategorie A zu erwarten wäre. Laut Dipl.-Ing. (FH) Z…sei der Schmauchspurenbefund an der linken Hand des Tatopfers somit weder in der typischen Variante einer im Zeitpunkt der Schussabgabe unverdeckten Schusshand noch in der atypischen Variante einer im Zeitpunkt der Schussabgabe abgedeckten Hand mit einer Schussabgabe durch die Getötete zu vereinbaren.
383
Hingegen lasse sich der Schmauchspurenbefund an der rechten Hand des Tatopfers mit insgesamt etwas mehr als fünfzig Partikeln der Kategorie A mit dem Szenario einer im Zeitpunkt der Schussabgabe abgedeckten rechten Schusshand in Einklang bringen und schließe dieses nicht von vornherein aus. Dasselbe gelte für ein alternatives Szenario, bei welchem sich die rechte Hand der Getöteten im Zeitpunkt der Schussabgabe abgedeckt in unmittelbarer Nähe zur Waffe befinde.
384
(c) Wie der Waffensachverständige weiter ausführte, komme allerdings auch die in der rechten Hand der Getöteten aufgefundene Patrone (Asservat 4.4) als Erklärung für den Schmauchspurenbefund an der rechten Hand des Tatopfers in Betracht. Seinen Angaben zufolge habe Dipl.-Ing. (FH) Z… diese Patrone mit einer Stereolupe auf mögliche Spuren von Ladevorgängen untersucht und hierbei individualcharakteristische Spuren festgestellt, aus welchen sich ableiten lasse, dass die sichergestellte Waffe (Asservat 3.1) mindestens zweimal mit dieser Patrone (Asservat 4.4) geladen gewesen und manuell wieder entladen worden sei.
385
Unter der Voraussetzung, dass die Waffe nicht vor den beiden Ladevorgängen akribisch gereinigt worden sei, sodass sämtliche aus früheren Schüssen mit dieser Waffe resultierenden Schmauchrückstände restlos entfernt worden seien, sei davon auszugehen, dass bei den mindestens zwei erfolgten Ladevorgängen Schmauchrückstände aus der Waffe auf die Patrone übertragen worden seien. Dipl.-Ing. (FH) Z… wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Schmauchrückstände in einer Waffe sehr lange Zeiträume – auch Jahrzehnte – überdauern könnten, wenn sie nicht im Rahmen einer gründlichen Reinigung der Waffe entfernt würden. Bei Hautkontakt mit der Patrone würden die Schmauchrückstände von dieser auf die Haut übertragen.
386
(d) In Übereinstimmung mit der Mikrospuren-Sachverständigen Dr. G… bekundete auch der Waffensachverständige Dipl.-Ing. (FH) Z…, dass Schmauchrückstände ohne weiteres durch Händewaschen oder im Rahmen von sonstigen, mit den Händen durchgeführten Waschmaßnahmen entfernt werden könnten.
387
(6) Die Ausführungen der Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) Z…und Dr. G… waren sachkundig, widerspruchsfrei und überzeugend. Sie gingen auch von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
388
(7) Das Schwurgericht schloss sich den Ausführungen der beiden Sachverständigen aufgrund eigener Überzeugungsbildung an. Soweit der Angeklagte in seinen anfänglichen Einlassungen eine Schussabgabe durch die Getötete zumindest als möglich implizierte, ist dies durch den Schmauchspurenbefund an den Händen des Tatopfers widerlegt. Dieser steht zwar der denktheoretisch möglichen Variante einer im Zeitpunkt der Schussabgabe abgedeckten rechten Schusshand der Getöteten nicht von vornherein entgegen. Für diese Variante bestehen indes keinerlei Anhaltspunkte. Sie wird noch nicht einmal vom Angeklagten behauptet. Nach dessen Einlassung soll sich die rechte Hand des Tatopfers vielmehr – im Wesentlichen abgedeckt durch seine linke Hand – am Lauf der Pistole befunden haben. Anhaltspunkte dafür, dass die Hände des Tatopfers nach der Schussabgabe und vor den Spurensicherungsmaßnahmen gewaschen oder anderweitigen Reinigungsmaßnahmen unterzogen und etwaige ursprünglich vorhandene Schmauchspuren hierdurch beseitigt worden wären, bestehen – anders als im Fall des Angeklagten (vgl. unten C.III.25.e., S. 81) – nicht.
389
(8) Ausgehend von den oben unter C.III.25.d(5)(c) dargelegten Ausführungen des Waffensachverständigen ist die Strafkammer davon überzeugt, dass der Schmauchspurenbefund an der rechten Hand des Tatopfers im Wesentlichen auf die in dieser Hand aufgefundene Patrone (Asservat 4.4.) zurückzuführen ist.
390
Hierfür spricht insbesondere, dass etwas mehr als vierzig Partikel der Kategorie A – und damit der weit überwiegende Teil des Schmauchbefunds der rechten Hand des Tatopfers von insgesamt etwas mehr als fünfzig Partikeln – an demjenigen Stiftprobenteller nachgewiesen wurden, welcher vom Daumen-Zeigefinger-Bereich genommen wurde. Denn zur Überzeugung des Schwurgerichts wurde die Patrone (Asservat 4.4.) zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand des Tatopfers in ihre Endposition, in der sie aufgefunden wurde, geschoben, sodass eine hierbei erfolgte Übertragung von Schmauchpartikeln insbesondere in den Daumen-Zeigefinger-Bereich der rechten Hand der Getöteten nicht nur zwanglos möglich war, sondern auch naheliegt.
391
Wie auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern von der rechten Hand der Getöteten erkennbar ist, waren die Finger dieser Hand gebeugt und die Patrone (Asservat 4.4.) lag so im Bereich des Zeigefingergrundgelenks, dass das Anzündhütchen zwischen Zeigefinger und Daumen zu sehen war. Diese Lokalisation und Ausrichtung der Patrone legen unter Berücksichtigung des anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilder gewonnenen Gesamteindrucks nahe, dass die Patrone zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand in diese Position geschoben wurde. Denn die Lokalisation und Ausrichtung der Patrone bewegen sich nicht innerhalb der Bandbreite dessen, was im Falle eines Ergreifens oder aktiven Festhaltens natürlicherweise – mithin ohne besondere Anstrengung hinsichtlich einer ungewöhnlichen Greifhaltung – zu erwarten wäre.
392
Darüber hinaus müsste die Getötete die Patrone bereits vor der Schussabgabe ergriffen und festgehalten haben, da sie nach den Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen nach der Schussabgabe sofort handlungsunfähig war und unmittelbar an zentraler Lähmung verstarb (vgl. unten C.III.29., S. 96). Ein Anlass dafür, warum und bei welcher Gelegenheit die Getötete vor der Schussabgabe eine Patrone in die rechte Hand genommen und in dieser – noch dazu in der skizzierten auffälligen und ungewöhnlichen Art und Weise – festgehalten haben sollte, ist nicht ersichtlich.
393
Nach einer Gesamtwürdigung aller Indizien ist das Schwurgericht davon überzeugt, dass der Angeklagte nach der Schussabgabe die Patrone (Asservat 4.4.) in der dargestellten Art und Weise in die rechte Hand der reglos am Boden liegenden Getöteten geschoben hat. Anhaltspunkte dafür, dass dies durch eine andere Person erfolgte, nachdem der Angeklagte nach seiner Tochter … gerufen hatte und in der Folge die Nachbarn sowie Rettungskräfte verständigt wurden, liegen nicht vor.
394
Das nachfolgende Aussageverhalten des Angeklagten, der zunächst einen vollendeten Suizid seiner Ehefrau behauptete, erlaubt nach einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände und vorhandenen Indizien einen Rückschluss auf das diesbezügliche Motiv des Angeklagten, welches zur Überzeugung der Strafkammer darin bestand, der Getöteten die Patrone als vermeintlichen Beleg für ihren Suizid in die Hand zu legen.
395
e. Der Schmauchspurenbefund an seinen Händen entlastet den Angeklagten nicht.
396
Zur Überzeugung des Schwurgerichts wusch sich der Angeklagte nach der Schussabgabe und vor der an seinen Händen durchgeführten Spurensicherung im Badezimmer im ersten Obergeschoss des Tatanwesens mehrfach die Hände, das Gesicht sowie den Oberkörper und beseitigte hierdurch ursprünglich an seiner Schusshand vorhandene Schmauchspuren.
397
(1) Wie der Zeuge PHK F… glaubhaft berichtete, sei er am Morgen des 04.08.2015 als Außendienstleiter im Einsatz gewesen. Er sei gegen 06:45 Uhr am Anwesen …weg . in … eingetroffen und von den bereits anwesenden Polizeikollegen vor Ort über den bisherigen Sachstand informiert worden. Etwa 15 Minuten nach seinem Eintreffen, mithin gegen 07:00 Uhr, seien auf seine Anweisung hin die Hände des Angeklagten in Papiertüten gesteckt worden, um etwaige an den Händen vorhandene Spuren zu sichern.
398
(2) Der Erstzugriffsbeamte POM K… gab glaubhaft an, dass er nach dem Eintreffen des Außendienstleiters PHK F… auf dessen Anweisung hin die Hände des Angeklagten in Papiertüten gesteckt habe, welche er zuvor aus dem Einsatzfahrzeug geholt habe.
399
(3) Der Angeklagte hatte bereits in der Hauptverhandlung vor der 2. Strafkammer des Landgerichts München I angegeben, dass er sich sein Gesicht gewaschen habe, bevor er sich in eines der Kinderzimmer begeben habe (vgl. oben C.II.7.c., S. 36). In der Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer ließ sich der Angeklagte dahingehend ein, dass er von seinem Nachbarn, mithin dem Zeugen S… T…, aufgefordert worden sei, sich sein Gesicht zu waschen. Dieser Aufforderung sei er mit viel Wasser nachgekommen. Dabei habe er sich nur einmal mit den Händen Wasser in sein Gesicht gespritzt, nicht auch seine Hände gewaschen (vgl. oben C.II.8.c., S. 40).
400
(4) Wie der Zeuge S… T…auch insoweit glaubhaft bekundete, sei er am Morgen des 04.08.2015 von seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau geweckt und aufgefordert worden, sich schnell mit ihr ins Nachbarhaus zu begeben, da … sie um Hilfe gebeten habe. Im ersten Obergeschoss des Nachbarhauses habe er den sichtlich aufgeregt hin und her laufenden Angeklagten angetroffen. Dieser sei nur mit einer Unterhose bekleidet und auffällig nass gewesen. In der Folge habe sich der Angeklagte in seiner Anwesenheit noch mindestens dreimal in das im ersten Obergeschoss gelegene Badezimmer begeben und dort immer wieder die Hände, das Gesicht und den Oberkörper mit auffällig viel Wasser gewaschen. Darauf, ob der Angeklagte zum Waschen auch Seife benutzt habe, habe der Zeuge T seinen Angaben zufolge nicht geachtet.
401
(5) Diese Angaben des Zeugen T…werden durch die Angaben seiner Ehefrau bestätigt. Die Zeugin N… T… (vormals M…) berichtete glaubhaft, dass sie am Morgen des 04.08.2015 durch Klingeln an ihrer Wohnungstür wach geworden sei. An der Tür sei sie von … um Hilfe gebeten worden. Sie habe daraufhin ihren damaligen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann geweckt und aufgefordert, schnell mit ihr ins Nachbarhaus zu laufen. Dort sei ihr in der Folge aufgefallen, dass sich der nur mit einer Unterhose bekleidete Angeklagte wiederholt die Hände, das Gesicht und den Oberkörper mit viel Wasser gewaschen habe. Darauf, ob der Angeklagte zum Waschen auch Seife benutzt habe, habe die Zeugin T… ihren Angaben zufolge nicht geachtet.
402
(6) Auf der Grundlage der soeben dargelegten Zeugenaussagen sowie unter Berücksichtigung der insoweit übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. G… (vgl. oben C.III.25.d(4)(c) iii., S. 76) und Dipl.-Ing. (FH) Z… (vgl. oben C.III.25.d(5)(d), S. 80) zur Möglichkeit des Entfernens von ursprünglich vorhandenen Schmauchspuren an den Händen durch Händewaschen oder im Rahmen von sonstigen, mit den Händen durchgeführten Waschmaßnahmen gelangte das Schwurgericht zu der Überzeugung, dass der Angeklagte den weit überwiegenden Teil der ursprünglich an seiner Schusshand vorhandenen Schmauchpartikel dadurch entfernte, dass er sich vor den an seinen Händen durchgeführten Spurensicherungsmaßnahmen im Badezimmer im ersten Obergeschoss des Tatanwesens mehrfach die Hände, das Gesicht und den Oberkörper wusch.
403
f. Die Ausrichtung der Stanzmarke an der Einschussverletzung im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe des Tatopfers spricht gegen eine Schussabgabe durch die Getötete und erst recht gegen eine mit der rechten Hand erfolgte Schussabgabe durch die Getötete.
404
(1) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. S… vom Institut für Rechtsmedizin der Universität M. darlegte, habe sich bei der am 04.08.2015 ab 14:55 Uhr durchgeführten Obduktion der Getöteten im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe eine annähernd dreieckige, lochartige Wunde gefunden, deren Zentrum 2,5 cm vor und 4 cm oberhalb der Mündung des äußeren Gehörgangs gelegen sei. In diesem Bereich sei die seitliche Stirnregion eingesunken gewesen. Diese dreieckige Wunde habe mit der 2 cm messenden Basis des Dreiecks in Richtung der Scheitelregion des Schädels und mit der Spitze des Dreiecks in Richtung des linken Unterkiefers gezeigt. Die von der Basis bis zur Dreiecksspitze gemessene Höhe der Wunde habe 3 cm betragen. Im Wundinneren seien Knochenfragmente sichtbar gewesen.
405
Laut der Sachverständigen habe sich an dem auf Seiten des linken Ohrs gelegenen Dreiecksschenkel der Wunde eine annähernd rechteckige, 1,3 cm hohe und 1 cm breite Schürfung befunden, deren Breite sich unmittelbar an diesem Wundrand befunden habe und an diesem entlang verlaufen sei. Die Höhe dieser annähernd rechteckigen Schürfung sei mithin vom oberen Ansatz des linken Ohrs zu dem soeben genannten Dreiecksschenkel der Wunde verlaufen. Anders ausgedrückt, habe sich die annähernd rechteckige Schürfung in der beschriebenen Ausrichtung zwischen dem soeben genannten Dreiecksschenkel der Wunde und dem oberen Ansatz des linken Ohrs befunden.
406
Bei einer Betrachtung der Wunde unter dem Mikroskop habe sich gezeigt, dass sich an der soeben beschriebenen Schürfung sowie innerhalb der Wunde schmauchtypisches silbergraues Material und entsprechende Partikel befunden hätten.
407
(2) Prof. Dr. S… erläuterte, dass es sich bei der unter (1) beschriebenen Wunde um die Einschussverletzung handle, wie sich aus der Wundmorphologie und nicht zuletzt aus den Schmauchablagerungen ableiten lasse. Bei der Wundinspektion sei erkennbar gewesen, dass sich das Profil der Waffenmündung als sogenannte Stanzmarke auf der Haut abgebildet habe. Zu dem Profil der Waffenmündung in diesem Sinn zähle neben der Mündung als solcher auch der rechteckige, metallische Korpus des vorderen Bereichs der in Augenschein genommenen Waffe (Asservat 3.1), der sich unterhalb des Waffenlaufs und der Mündung befinde. Dieser Korpus habe sich vorliegend in der oben beschriebenen, annähernd rechteckigen, 1,3 cm hohen und 1 cm breiten Schürfung abgebildet, deren Breite entlang des auf Seiten des linken Ohres gelegenen Wundrands verlaufen sei.
408
Der Sachverständigen zufolge entstehe eine solche Stanzmarke nur bei einem aufgesetzten Schuss, bei welchem die Mündung der Waffe im Zeitpunkt der Schussabgabe entweder unmittelbar auf der Haut aufliege oder ein nur ganz geringfügiger Abstand zwischen Haut und Waffenmündung von höchstens 2 mm vorliege. Die Stanzmarke mit dem Profil der Waffenmündung entstehe dadurch, dass durch den Druck der bei der Schussabgabe aus der Waffenmündung entweichenden Gase die Kopfhaut von der Schädelkalotte abgehoben und gegen die Waffenmündung sowie gegen den unmittelbar darunter gelegenen metallischen Korpus der Waffe gepresst werde. Durch den Anpressdruck hierbei bilde sich das Profil der Waffenmündung auf der Haut ab.
409
Wie Prof. Dr. S… weiter erläuterte, lasse sich aus der Ausrichtung der Stanzmarke auf der Haut auf die Ausrichtung der Pistole im Zeitpunkt der Schussabgabe schließen. Der beschriebene rechteckige, metallische Korpus des vorderen Bereichs der Waffe habe mit dem Pistolengriff gemeinsam, dass sich beide unterhalb des Waffenlaufs und der Mündung befänden. Dies bedeute, dass derjenige Teil der Stanzmarke, welcher diesen rechteckigen Korpus auf der Haut abbilde, in die Richtung weise, in welcher sich bei der Schussabgabe der Griff der Pistole befunden haben müsse.
410
Wie oben dargelegt, befinde sich vorliegend dieser Teil der Stanzmarke zwischen dem auf Seiten des linken Ohrs gelegenen Wundrand und dem oberen Ansatz des linken Ohrs. Demnach müsse die Pistole im Zeitpunkt der Schussabgabe so gehalten worden sein, dass der Pistolengriff in Richtung des linken Ohrs – mithin aus Sicht der Getöteten schräg nach hinten – gezeigt habe. Dies schließe eine Selbstbeibringung der Schussverletzung zwar nicht völlig aus, mache sie jedoch äußerst unwahrscheinlich.
411
Laut der Sachverständigen sei angesichts der Lokalisation der Schussverletzung im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe im Fall einer Selbstbeibringung die Schussabgabe mit der linken Hand wesentlich wahrscheinlicher als diejenige mit der rechten Hand. Bei einer physiologisch naheliegenden Haltung der Pistole mit der linken Hand weise der Pistolengriff entweder senkrecht nach unten oder aber – aus Sicht der Getöteten – schräg nach vorne. Zwar sei es nicht gänzlich ausgeschlossen, die vorliegende Haltung der Pistole, bei welcher deren Griff – aus Sicht der Getöteten – schräg nach hinten in Richtung des linken Ohrs weise, mit der linken Hand zu erreichen, allerdings setze dies eine überaus unbequeme Haltung des linken Arms und / oder ein Verdrehen der linken Hand voraus. Die Einnahme einer derartigen Position zur Selbstbeibringung einer Schussverletzung sei aus rechtsmedizinischer Sicht daher als fernliegend anzusehen.
412
Noch fernliegender sei aus rechtsmedizinischer Sicht die Einnahme einer entsprechenden Position mit der rechten Hand. Hier sei eine Haltung der Pistole, bei welcher der Pistolengriff – aus Sicht der Getöteten – schräg nach vorne weise, als physiologisch naheliegend anzusehen, soweit man hiervon bei einer Schussabgabe mit der rechten Hand im Bereich der linken Schläfe überhaupt sprechen könne. Die hier vorliegende Haltung der Pistole, bei welcher deren Griff – aus Sicht der Getöteten – schräg nach hinten in Richtung des linken Ohrs weise, sei mit der rechten Hand üblicherweise eher nicht erreichbar. Falls dies ausnahmsweise doch gelingen sollte, sei diese Haltung mit der rechten Hand und dem rechten Arm jedenfalls noch wesentlich unbequemer und schwerer zu halten, als dies bereits mit der linken Hand und dem linken Arm der Fall sei.
413
(3) Die sachkundigen Ausführungen der sehr erfahrenen rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. S… waren anschaulich, einleuchtend, widerspruchsfrei und überzeugend. Sie gingen zudem von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
414
(4) In Übereinstimmung mit den Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen bekundete auch der Waffensachverständige Dipl.-Ing. (FH) Z…überzeugend, dass eine sogenannte Stanzmarke, wie sie bei der Getöteten im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe vorliege, ein Phänomen sei, welches nur bei aufgesetzten Schüssen auftrete. Den zugrundeliegenden Mechanismus erläuterte der Waffensachverständige ebenfalls in Übereinstimmung mit der rechtsmedizinischen Sachverständigen.
415
(5) Das Schwurgericht schloss sich aufgrund eigener Überzeugungsbildung den Ausführungen der beiden Sachverständigen mit den von ihnen genannten Argumenten an.
416
g. Die Stanzmarke am Kopf der Getöteten belegt einen aufgesetzten Schuss. Ein solcher spricht gegen eine versehentliche Schussabgabe im Rahmen einer Rangelei.
417
(1) Wie oben unter C.III.25.f(2), S. 83, dargelegt, belegt die Stanzmarke am Kopf der Getöteten einen aufgesetzten Schuss, bei welchem die Mündung der Waffe im Zeitpunkt der Schussabgabe entweder unmittelbar auf der Haut auflag oder ein nur ganz geringfügiger Abstand zwischen Haut und Waffenmündung von höchstens 2 mm vorlag. Eine unter solchen Bedingungen erfolgte Schussabgabe liegt im Rahmen einer Rangelei, bei welcher es sich um ein dynamisches Geschehen handelt, fern und legt vielmehr ein relativ statisches Geschehen nahe.
418
(2) Hierzu passt, dass nach den auch insoweit überzeugenden Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. S… weder die Getötete im Rahmen der Obduktion noch der Angeklagte bei seiner körperlichen Untersuchung Befunde aufgewiesen hätten, wie sie bei einer Rangelei von nennenswerter Intensität typischerweise zu erwarten seien.
419
Wie Prof. Dr. S… und der Waffensachverständige Dipl.-Ing. (FH) Z… übereinstimmend ausführten, lasse sich hingegen der Umstand, dass die Getötete keine Verletzungen an der Innenseite der rechten Hand aufgewiesen habe, nicht als Argument gegen die vom Angeklagten aufgestellte Behauptung anführen, dass die Getötete im Rahmen einer Rangelei um die Waffe im Zeitpunkt der Schussabgabe ihre rechte Hand am Waffenlauf gehabt habe. Denn aufgrund der Ausführung der Waffe, die in den relevanten Bereichen keine hervorstehenden Teile aufweise, seien zwar Befunde an der Handinnenseite infolge der schnellen Bewegung des Schlittens im Zeitpunkt der Schussabgabe ohne weiteres möglich, aber nicht zwingend zu erwarten.
420
(3) Im Rahmen eines relativ statischen Geschehens liegt eine versehentliche Schussabgabe unter Berücksichtigung der zu überwindenden Abzugswiderstände fern.
421
Der Waffensachverständige Dipl.-Ing. (FH) Z… legte auch insoweit überzeugend dar, dass er die Abzugswiderstände der Waffe (Asservat 3.1) im vorgespannten Zustand (Single-Action-Abzug) sowie im entspannten Zustand (Double-Action-Abzug) ermittelt habe. Wie der Sachverständige erläuterte, müsse beim Single-Action-Abzug der Schlaghahn vor der Schussabgabe von Hand vorgespannt werden. Durch die Betätigung des Abzugs werde der Schlaghahn ausgelöst. Beim Double-Action-Abzug werde der Schlaghahn durch die Betätigung des Abzugs so weit nach hinten bewegt bzw. gespannt, bis sich der Schuss löse. Wie Dipl.-Ing. (FH) Z… ausführte, habe er bei den von ihm durchgeführten Versuchen mit der Waffe (Asservat 3.1) für den Single-ActionAbzug einen Abzugswiderstand von 31 Newton – entsprechend etwa 3,1 kg – und eine Wegstrecke bis zur Schussauslösung von etwa 6,5 mm sowie für den Double-ActionAbzug einen Abzugswiderstand von 39 Newton – entsprechend etwa 3,9 kg – und eine Wegstrecke bis zur Schussauslösung von etwa 16 mm ermittelt.
422
Angesichts der ermittelten Werte liegt es zur Überzeugung der Strafkammer fern, dass im Rahmen eines relativ statischen Geschehens der Abzug der Waffe versehentlich betätigt worden sein könnte. Vielmehr ergibt sich aus den Umständen der Tatausführung, dass der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz in Form der Tötungsabsicht handelte (vgl. unten C.III.28.d., S. 96).
423
h. Die Kopfhaltung der Getöteten im Zeitpunkt der Schussabgabe spricht gegen eine Rangelei um die Waffe.
424
(1) Wie der Waffensachverständige Dipl.-Ing. (FH) Z… auch insoweit überzeugend ausführte, habe die gegenüber der großen Fensterfront gelegene Wand des Schlafzimmers bei seiner Inaugenscheinnahme des Tatorts am 04.08.2015 zwischen dem an dieser Wand stehenden Schrank und einer relativ bodennah installierten Steckdose zwei Wanddefekte aufgewiesen, von denen der eine geringfügig oberhalb der Steckdose und der andere etwa 10 cm oberhalb der Steckdose gelegen sei. Die hiervon gefertigten Lichtbilder wurden in Augenschein genommen.
425
(2) Wie sich aus den im Rahmen der Spurensicherung gefertigten, in Augenschein genommenen Lichtbildern anhand des bei deren Fertigung an der Zimmerwand angelegten Meterstabs ergibt, befindet sich die genannte Steckdose auf einer Höhe von 30 cm oberhalb des Bodens. Die beiden Wanddefekte sind mithin auf einer Höhe von rund 30 bis etwa 40 cm oberhalb des Bodens gelegen.
426
(3) Dem Waffensachverständigen zufolge habe ein Vergleich der beiden Wanddefekte mit dem Geschossmantel (Asservat 2.1.12) und dem Geschosskern aus Blei (Asservat 2.1.13) ergeben, dass diese morphologisch zueinander passten. Hieraus lasse sich ableiten, dass die beiden Wanddefekte somit von diesen beiden Munitionsteilen verursacht worden seien.
427
(4) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. S… auch insoweit überzeugend darlegte, habe sich bei der Obduktion der Getöteten an deren rechter Kopfseite eine 10 cm lange Wunde gezeigt, welche vom rechtsseitigen Stirnhaaransatz schräg nach seitlich hinten in die rechte Scheitel-Schläfenregion verlaufen sei. Der Sachverständigen zufolge handle es sich hierbei um die Ausschussverletzung. Aus dieser seien zerstörte Hirnsubstanz und Knochenscherben ausgetreten. Bei einer Sondierung habe sich ausgehend von der oben unter C.III.25.f(1), S. 83, beschriebenen Einschussverletzung ein leicht ansteigender Schusskanal bis zu dieser Ausschussverletzung nachweisen lassen. Somit habe ein Kopfdurchschuss vorgelegen.
428
(5) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. S… und der bei der Obduktion der Getöteten anwesende Waffensachverständige Dipl.-Ing. (FH) Z…übereinstimmend ausführten, lasse sich anhand der Lokalisation der Ein- und Ausschussverletzungen sowie des Verlaufs des Schusskanals im Kopf der Getöteten in Verbindung mit den am Tatort vorhandenen Wanddefekten sowie unter Berücksichtigung des räumlichen Abstands zwischen dem Leichnam und der Zimmerwand die Körperposition der Getöteten im Zeitpunkt der Schussabgabe zumindest näher eingrenzen, wenn auch nicht präzise bestimmen. Demnach habe sich die Getötete im Zeitpunkt der Schussabgabe vor dem Fußende des Bettes mit Blickrichtung zum Bett und nach rechts geneigtem Kopf in einer halbhohen – etwa knienden, hockenden oder sitzenden – Position am Boden befunden.
429
(6) Dass die Getötete ihren Kopf nach rechts neigte, während die Mündung der Waffe im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe aufgesetzt wurde, spricht gegen eine zu diesem Zeitpunkt stattgefundene Rangelei um die Waffe. Denn diese Kopfneigung entspricht einem Abwenden des Kopfes von dem Waffenlauf, während bei einer Rangelei um einen Gegenstand vielmehr zu erwarten wäre, dass sich die darum rangelnde Person dem Gegenstand zuwendet, um zum einen diesen in den Blick zu nehmen und zum anderen die eigene Körperposition nach der bestmöglichen Kraftentfaltung auszurichten.
430
i. Der Angeklagte hatte die Gelegenheit zur Begehung der Tat. Andere Personen scheiden als Täter aus.
431
Sowohl nach seiner eigenen Einlassung als auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme befand sich der Angeklagte zum Zeitpunkt der Schussabgabe als einzige Person am Tatort bei der Getöteten im Schlafzimmer. Damit hatte er die Gelegenheit zur Begehung der Tat, während andere Personen als Täter ausscheiden.
432
j. Der Angeklagte hatte ein Motiv für die Tat.
433
Der Angeklagte wollte sich durch die Tötung seiner von ihm getrenntlebenden Ehefrau O…S… für ihre Trennung von ihm rächen und sie zugleich für ihren Kontakt mit einem anderen Mann mit dem Tod bestrafen. Er war eifersüchtig und wütend darüber, dass seine Ehefrau nach ihrer Trennung von ihm bereits im Kontakt mit einem anderen Mann stand, sich an diesem interessiert gezeigt und diesem ein Foto von sich, auf dem sie lediglich BH und Slip trug, geschickt hatte. Der Angeklagte erkannte zudem, dass seine Hoffnung, seine Ehefrau zur Aufgabe ihres Trennungsentschlusses bewegen zu können, vergeblich gewesen war. Er war jedoch aufgrund seines übersteigerten Besitzdenkens nicht bereit, den von seiner Ehefrau gefassten Entschluss zur endgültigen Trennung von ihm sowie ihr Festhalten an dieser Entscheidung zu akzeptieren (vgl. unten C.III.28.a., S. 94).
434
k. Die Tat ist für den Angeklagten nicht persönlichkeitsfremd.
435
Wie oben unter A.I.3.b., S. 8, und A.I.3.c., S. 9, dargestellt, hatte sich der Angeklagte bereits gegenüber seinen früheren Ehefrauen B…B… und B… S… (nunmehr B…) eifersüchtig und besitzergreifend gezeigt und war im Zuge dessen ihnen gegenüber auch aggressiv und impulsiv aufgetreten und körperlich gewalttätig geworden.
436
Die dargelegten Indizien schließen sich wie ein Ring um den festgestellten Geschehensablauf. Dem Schwurgericht ist bewusst, dass es sich hierbei nicht um einen zwingenden Schluss handelt. Indes lassen die Indizien wegen ihrer Zahl und Geschlossenheit keinen vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen zu. Bei der Gesamtwürdigung hat das Schwurgericht die einzelnen Indizien gewichtet und in Beziehung zueinander gesetzt. Von wesentlicher Bedeutung für die Strafkammer waren der Schmauchspurenbefund an den Händen der Getöteten sowie die Lokalisation und Ausrichtung der Stanzmarke an ihrem Kopf.
437
Die denktheoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, bei welchem der Angeklagte den Abzug der Waffe nicht betätigt haben könnte, erachtet die Strafkammer bei einer Gesamtwürdigung der Indizien als so fernliegend, dass sie ausgeschlossen werden konnte. Auch die denktheoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, bei welchem der Angeklagte den Abzug der Waffe lediglich versehentlich betätigt haben könnte, erachtet das Schwurgericht vor dem gesamten Indizienhintergrund als so fernliegend, dass sie ebenfalls ausgeschlossen werden konnte.
438
26. Die Feststellungen zum Aufbewahrungsort der Waffe beruhen auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln, Indizien und Erwägungen.
439
a. Der Angeklagte behauptete konstant, die Waffe hinter dem Schrank im Schlafzimmer aufbewahrt zu haben. Diese Einlassung erachtet die Strafkammer als nicht glaubhaft, da sie im Widerspruch zu den gewonnenen Beweisergebnissen steht.
440
(1) In der Beschuldigtenvernehmung gab der Angeklagte an, dass die Pistole – eingewickelt in einem Tuch – zusammen mit den Patronen in einem Stoffbeutel im Schlafzimmer „ganz unten hinter dem Schrank“ aufbewahrt worden sei. „Zwischen dem Schrank und der Wand“ sei „ein bisschen Platz“. Er habe die Pistole und die Patronen in dem Stoffbeutel immer „rechts unten“ hinter den Schrank geschoben. „Hinter dem Schrank“ sei die Pistole nie geladen gewesen (vgl. oben C.II.5.b., S. 30).
441
(2) Auch in der Hauptverhandlung ließ sich der Angeklagte dahingehend ein, dass er die Pistole – eingewickelt in einem Tuch – zusammen mit den Patronen in einem beigefarbenen Stoffbeutel im Schlafzimmer „hinter dem Kleiderschrank“ im Schlafzimmer aufbewahrt habe. „Hinter dem Schrank ganz unten“ habe sich ein „Hohlraum zur Wand“ befunden, in welchen er den Stoffbeutel hineingelegt habe. Erstmals behauptete der Angeklagte in der Hauptverhandlung, dass er den Schrank etwa 10 cm von der Wand weggezogen habe, um an den Stoffbeutel mit der Pistole und den Patronen zu gelangen. Anschließend habe er den Schrank wieder zurückgeschoben. Da an der Unterseite des Schranks „Filzknöpfe“, also Filzgleiter, angebracht gewesen seien, habe er den Schrank auf dem am Boden verlegten PVC-Belag leicht schieben und ziehen können (vgl. oben C.II.8.b., S. 37).
442
b. Wie auf den am 04.08.2015 vom Tatort gefertigten, in Augenschein genommenen Lichtbildern deutlich erkennbar ist, stand der Schrank im Schlafzimmer an der gegenüber der großen Fensterfront gelegenen Wand, wobei er mit der rechten Seitenwand rückwärtig unmittelbar an die am Boden verlaufende Sockelleiste anstieß. Beim Vergleich dieser Lichtbilder mit den bei der Durchsuchung des Tatanwesens am 23.06.2016 gefertigten Lichtbildern ist ferner erkennbar, dass sich im Zimmer augenscheinlich weiterhin dieselbe Sockelleiste befand. Der Angeklagte bestätigte auch, dass es sich um dieselbe Sockelleiste – wie im Übrigen auch um denselben am Boden verlegten PVC-Belag – handle.
443
Wie der Zeuge KHK a.D. P… glaubhaft darlegte, habe er anlässlich der Durchsuchung des Tatanwesens am 23.06.2016 die Breite der Sockelleiste vermessen und mit der Breite der Tatwaffe verglichen. Demnach habe sich, wie auch auf den hierbei gefertigten, in Augenschein genommenen Lichtbildern erkennbar ist, eine Breite der Sockelleiste von etwa 1,5 cm ergeben, während die Tatwaffe, welche nach der seitens des Bayerischen Landeskriminalamts erhaltenen Auskunft etwa 3,5 cm breit sei, deutlich breiter – mehr als doppelt so breit – sei.
444
Laut KHK a.D. P… befinde sich unter dem Schrank ein von der rückwärtigen Schrankseite zugänglicher Hohlraum, in welchen die Tatwaffe – auch, wie vom Angeklagten angegeben, in einem Tuch eingewickelt zusammen mit den Patronen in einem Stoffbeutel – ohne weiteres hineinpasse. Um an diesen von der rückwärtigen Schrankseite zugänglichen Hohlraum zu gelangen, sei es wegen der gegenüber der Breite der Tatwaffe deutlich geringeren Breite der Sockelleiste zwingend erforderlich, den unmittelbar an die Sockelleiste anstoßenden Schrank mehrere Zentimeter von der Wand wegzuziehen. Seinen glaubhaften Angaben zufolge habe KHK a.D. P… diese dargelegten Erkenntnisse bereits in der Hauptverhandlung vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts … präsentiert.
445
c. Zwar behauptete der Angeklagte in der Hauptverhandlung, dass er den Schrank, an dessen Unterseite Filzgleiter angebracht gewesen seien, etwa 10 cm von der Wand weggezogen und anschließend wieder zurückgeschoben habe. Allerdings hatte er diesen zentralen Umstand in seiner Beschuldigtenvernehmung, in welcher er zahlreiche Details angeführt hatte, mit keinem Wort erwähnt. Die Strafkammer ist deshalb davon überzeugt, dass der Angeklagte insoweit seine Einlassung in der Hauptverhandlung an die ihm in der Hauptverhandlung vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts … bekanntgewordenen Beweisergebnisse angepasst hat.
446
d. Dass der Angeklagte die Pistole stattdessen – wie von ihm angegeben, in einem Tuch eingewickelt zusammen mit den Patronen in einem Stoffbeutel – vielmehr in einer mit einem Zahlenvorhängeschloss ausgestatteten kleinen Truhe im Schlafzimmer aufbewahrte, die auf der knapp oberhalb des Fußbodens verlaufenden Fensterbank der bodentiefen Fensterfront zur Dachterrasse stand, vor der sich ein flach oberhalb des Fußbodens verlaufender Heizkörper befand, schließt das Schwurgericht aus den nachfolgend dargelegten Indizien.
447
(1) Auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort ist zu erkennen, dass am Morgen des 04.08.2015 auf der knapp oberhalb des Fußbodens verlaufenden Fensterbank der bodentiefen Fensterfront zur Dachterrasse eine kleine Truhe stand, an der sich ein Zahlenvorhängeschloss befand. Unmittelbar vor der Truhe lag auf dem vor der Fensterbank flach oberhalb des Fußbodens verlaufenden Heizkörper ein helles, mit dezenten, kariert angeordneten Streifen bedrucktes Tuch. Bei Blickrichtung auf die große Fensterfront rechts unterhalb dieses Tuchs am Boden – ebenfalls in unmittelbarer Nähe der Truhe – lag ein beigefarbener Stoffbeutel. Nach den glaubhaften Angaben der Zeugin KHKin S… sei dieser Stoffbeutel am 05.08.2015 sichergestellt worden.
448
Die kleine Truhe, das Tuch und der Stoffbeutel befanden sich am Morgen des 04.08.2015 mithin in unmittelbarer Nähe zueinander auf der dem Schrank, hinter welchem der Angeklagte seinen Angaben zufolge die Waffe versteckt haben will, gegenüber gelegenen Zimmerseite.
449
(2) Wie der Zeuge KHK a.D. P… glaubhaft berichtete, sei er bei der Hausdurchsuchung am 23.06.2016 im Keller des Tatanwesens auf die oben unter (1) beschriebene kleine Truhe gestoßen. Das daran befindliche Zahlenvorhängeschloss habe sich mit der Zahlenkombination 3-2-1 öffnen lassen. In der kleinen Truhe habe sich ein helles, mit dezenten, kariert angeordneten Streifen bedrucktes Tuch befunden, welches dem Aussehen nach demjenigen Tuch entsprochen habe, welches auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort erkennbar sei. Dies ergibt sich auch aus den anlässlich der Durchsuchung vom 23.06.2016 gefertigten, in Augenschein genommenen Lichtbildern.
450
Laut KHK a.D. P… habe der Angeklagte durch eine Spontanäußerung bestätigt, dass es tatsächlich dasselbe Tuch sei und es sich dabei zugleich um dasjenige Tuch handle, in welches er die Pistole zur Aufbewahrung eingewickelt habe. Demnach habe der Angeklagte, als KHKin S… am 23.06.2016 die Truhe in seiner Gegenwart geöffnet und das Tuch entnommen habe, spontan geäußert, dass in diesem Tuch die Waffe eingewickelt gewesen sei und sich das Tuch auch im Schlafzimmer befunden habe, als seine Ehefrau gestorben sei.
451
Wie KHK a.D. P… weiter glaubhaft bekundete, habe sich in der Truhe ferner ein Paar Handschellen befunden. Dieses habe vom Aussehen her demjenigen Paar Handschellen entsprochen, welches ausweislich der vom Tatort gefertigten Lichtbilder am 04.08.2015 am Bettgestell im Schlafzimmer gehangen habe.
452
(3) Der Angeklagte gab konstant an, die Pistole – eingewickelt in einem Tuch – zusammen mit den Patronen in einem beigefarbenen Stoffbeutel aufbewahrt zu haben (vgl. oben C. II.5.b., S. 30, C.II.7.b., S. 35, und C.II.8.b., S. 37). Demnach entspricht der am 04.08.2015 in unmittelbarer Nähe zu dem Tuch und der Truhe aufgefundene Stoffbeutel (vgl. oben (1)) der vom Angeklagten abgegebenen Beschreibung hinsichtlich eines der von ihm zur Aufbewahrung der Pistole verwendeten Utensilien. In Zusammenschau mit dem Umstand, dass sich dieser Stoffbeutel am 04.08.2015 in unmittelbarer Nähe des vom Angeklagten zur Aufbewahrung der Pistole verwendeten Tuchs (vgl. oben (2)) befand, schließt die Strafkammer hieraus, dass es sich hierbei um den vom Angeklagten zur Aufbewahrung der Pistole verwendeten Stoffbeutel handelt.
453
(4) Aus dem Umstand, dass das Tuch und der Stoffbeutel, welche vom Angeklagten zur Aufbewahrung der Pistole verwendet wurden, am 04.08.2015 in unmittelbarer Nähe der auf der Fensterbank vor der bodentiefen Fensterfront stehenden kleinen Truhe lagen, schließt das Schwurgericht, dass der Angeklagte die Waffe – eingewickelt in diesem Tuch – zusammen mit den Patronen in diesem Stoffbeutel in dieser kleinen Truhe aufbewahrte.
454
Hierzu passt auch, dass die zehn Patronen, die verstreut auf dem Schlafzimmerboden lagen, allesamt auf dem Teppich vor dem Bett im Schlafzimmer sichergestellt wurden (vgl. oben C.III.25.d(1), S. 72) und sich somit in dem Bereich zwischen dem Leichnam und der Truhe vor der bodentiefen Fensterfront vor der Dachterrasse befanden.
455
27. Die Feststellungen dazu, dass die Bewaffnung des Angeklagten erfolgte, während O… S… den um 05:38 Uhr gewaltsam aus ihrem Mobiltelefon entfernten Akku wieder in das Gerät einsetzte und dieses um 05:40 Uhr wieder einschaltete, ferner dazu, dass der Angeklagte, während er die geladene Schusswaffe auf O… S… richtete, das Mobiltelefon an sich nahm und in der Folge mehrfach den Bildschirm des Mobiltelefons ein- und ausschaltete, sowie zur Todesangst des Tatopfers beruhen auf den nachfolgend genannten Indizien und Erwägungen.
456
a. Es liegt nahe, dass O… S… entweder versucht hätte, aus dem Schlafzimmer zu flüchten oder den Angeklagten an der Bewaffnung zu hindern, wenn sie von Anfang an mitbekommen hätte, wie dieser die Pistole samt Munition aus der Truhe entnahm und sich damit bewaffnete. Anhaltspunkte dafür, dass O… S… einen entsprechenden Fluchtversuch unternommen oder versucht hätte, den Angeklagten an der Bewaffnung zu hindern, hat die Beweisaufnahme nicht erbracht. Insbesondere wiesen weder die Getötete noch der Angeklagte Befunde auf, wie sie bei einer Rangelei von nennenswerter Intensität typischerweise zu erwarten wären (vgl. oben C.III.25.g(2), S. 85).
457
Demzufolge liegt ebenfalls nahe, dass die Getötete abgelenkt war und ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes richtete, während der Angeklagte die Pistole samt Munition aus der Truhe entnahm.
458
Ferner liegt nahe, dass das um 05:38 Uhr erfolgte gewaltsame – entweder manuell oder im Zuge eines Aufpralls des Handys auf einer harten Fläche erfolgte – Entfernen des Akkus aus dem Mobiltelefon der Getöteten zur Folge hatte, dass O… S… ihre Aufmerksamkeit auf ihr Mobiltelefon richtete und daran interessiert war, dieses schnellstmöglich wieder in einen funktionstüchtigen Zustand zu versetzen. Daraus schließt die Strafkammer, dass es O… S… – und nicht der Angeklagte – war, die den Akku wieder in ihr Mobiltelefon einsetzte und dieses um 05:40 Uhr wieder einschaltete.
459
Die damit einhergehende Ablenkung der Getöteten ist aus Sicht des Schwurgerichts eine naheliegende und plausible Erklärung dafür, dass O… S…zumindest anfangs nicht mitbekam, wie der Angeklagte die Pistole samt Munition aus der Truhe nahm und sich damit bewaffnete. Daraus schließt die Strafkammer, dass Letzteres geschah, während O… S… den zuvor gewaltsam aus ihrem Mobiltelefon entfernten Akku wieder in das Gerät einsetzte und dieses um 05:40 Uhr wieder einschaltete.
460
Dass der Angeklagte im weiteren Verlauf die geladene Schusswaffe auf O… S… richtete, liegt zur Überzeugung der Strafkammer nahe. Insbesondere spricht auch die Abgabe eines aufgesetzten Kopfschusses (vgl. oben C.III.25., S. 65) für einen Tatablauf, bei welchem sich der Angeklagte mit vorgehaltener Waffe dem Opfer annäherte und dieses vor der Schussabgabe mit der vorgehaltenen Waffe bedrohte.
461
b. Soweit der Angeklagte behauptete, er habe bereits vor dem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit der Getöteten auf deren Aufforderung hin die Waffe geholt und diese auf ihr Verlangen beim Sex eingesetzt, hält das Schwurgericht dies vor dem gesamten Indizienhintergrund als eine weitere Schutzbehauptung, welche aus seiner Sicht das griffbereite Vorhandensein der Waffe im Schlafzimmer im Rahmen seiner Einlassung zum Tatgeschehen erklären sollte.
462
c. Dass der Angeklagte, während er die geladene Schusswaffe auf O… S… richtete, das Mobiltelefon an sich nahm und in der Folge mehrfach den Bildschirm des Mobiltelefons ein- und ausschaltete, schließt die Strafkammer aus den folgenden Umständen und Erwägungen:
463
(1) Ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder vom Tatort lag das Mobiltelefon der Getöteten nach der Tat auf der Kommode im Schlafzimmer. Rötliche Antragungen wie von Blut sind an dem Gerät nicht erkennbar. Dass das Mobiltelefon der Getöteten tatsächlich keine rötlichen Antragungen wie von Blut aufwies, entnahm die Strafkammer auch den glaubhaften Angaben der Zeugin KHKin S…, die das Mobiltelefon im weiteren Verlauf formlos sicherstellte. Damit liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Getötete das Mobiltelefon zum Zeitpunkt der Schussabgabe noch in den Händen gehalten hätte.
464
(2) Wie oben unter C.III.23.a., S. 63, dargelegt, wurde der Bildschirm des Mobiltelefons der Getöteten zwischen 05:42:13 Uhr und 05:44:29 Uhr insgesamt vier Mal ein- und wieder ausgeschaltet. Dabei war der Bildschirm zweimal jeweils 11 Sekunden lang sowie einmal 24 und einmal 44 Sekunden lang eingeschaltet. Die kurzen Zeiträume, in denen der Bildschirm jeweils eingeschaltet war, sprechen dafür, dass lediglich der Bildschirm eingeschaltet und nicht auch das Gerät zusätzlich entsperrt wurde. Jedenfalls steht aufgrund der entsprechenden Ausführungen des Sachverständigen KHK Dipl.-Inf. F… (vgl. oben C.III.23.a., S. 63) fest, dass nach dem um 05:40 Uhr erfolgten Einschalten des Mobiltelefons keine Applikation mehr aufgerufen wurde und somit auch der ...-Chat der Getöteten mit D… kein weiteres Mal mehr angezeigt wurde. Dass dem Angeklagten seinen Angaben zufolge der Code für das Handy seiner Ehefrau nicht bekannt war (vgl. oben C.II.8.b., S. 37), lässt sich vor diesem Hintergrund als Indiz dafür heranziehen, dass er es war, der den Bildschirm zwischen 05:42 Uhr und 05:44 Uhr wiederholt ein- und ausschaltete.
465
Darüber hinaus erachtet es die Strafkammer als fernliegend, dass O… S… den Bildschirm wiederholt ein- und ausschaltete, während sie vom Angeklagten mit der auf sie gerichteten Schusswaffe bedroht wurde. Wesentlich näher liegt es zur Überzeugung des Schwurgerichts, dass sich der Angeklagte nach seiner Bewaffnung desjenigen Beweismittels bemächtigte, welches zuvor seine Eifersucht und Wut sowie seinen Entschluss zur Tötung seiner Ehefrau hervorgerufen hatte (vgl. unten C.III.28., S. 94), und dass er in Unkenntnis des Codes zum Entsperren des Geräts wiederholt dessen Tasten drückte, bevor er schließlich im weiteren Verlauf den tödlichen Schuss mit der Pistole auf seine Ehefrau abgab.
466
d. Dass O… S… angesichts der auf sie gerichteten Schusswaffe um ihr Leben fürchtete, liegt nahe. Die Strafkammer ist deshalb hiervon überzeugt.
467
28. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite, namentlich zum Tatmotiv und Tatentschluss sowie zur Tötungsabsicht des Angeklagten, beruhen auf einer Gesamtwürdigung aller festgestellten Umstände sowie auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
468
a. Dass der Angeklagte im Zuge des Aufrufens und der Anzeige des ...-Chats der Getöteten mit D… von dessen Existenz und Inhalt Kenntnis erlangte, ist ein Rückschluss, den die Strafkammer nach einer Gesamtwürdigung aller festgestellten Umstände und gewonnenen Indizien gezogen hat. Dass der Angeklagte die Kenntnis erlangte, ohne dass O… S…ihn mit dem ...-Chat aktiv konfrontierte, schließt das Schwurgericht aus Folgendem:
469
O… S… hatte in der Vergangenheit unter der Aggressivität und psychischen Gewalt des Angeklagten ihr gegenüber gelitten, was einer der Gründe für ihre Trennung von ihm war (vgl. oben C.III.3.a., S. 44, und C.III.2.a., S. 43). Nicht zuletzt deshalb ging sie Auseinandersetzungen mit dem Angeklagten aus dem Weg und verhielt sich deeskalierend, wenn sie etwa bei Vorwürfen des Angeklagten wegen ihrer telefonischen Nichterreichbarkeit ihm die Gründe hierfür erklärte, auch wenn sie sein Verhalten als anstrengend empfand (vgl. oben C.III.6.b., S. 48). Angesichts dessen erachtet die Strafkammer es als fernliegend, dass O… S…sich völlig gegensätzlich hierzu verhalten und nach dem einvernehmlich vollzogenen Geschlechtsverkehr den Angeklagten mit dem ...-Chat aktiv konfrontiert haben könnte, obwohl sie angesichts der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. oben A.III.2., S. 12) damit hätte rechnen müssen, dass dieser verärgert und aggressiv reagieren würde. Dies gilt umso mehr, da sie damit eine möglichst harmonische Durchführung des für den kommenden Tag geplanten Familienausflugs gefährdet hätte. Dass die Getötete dies getan hätte, liegt zur Überzeugung des Schwurgerichts fern, da sie aufgrund ihrer Sorge um das Wohlergehen ihrer Kinder (vgl. oben C.III.9., S. 50) an dessen Durchführung interessiert war und sich deshalb in der Nacht auf den 04.08.2015 mit ihrer Tochter … von …nach … begeben hatte.
470
Die Einlassung des Angeklagten steht mit diesen Erwägungen im Einklang. Demnach habe es in der Nacht auf den 04.08.2015 zwischen ihm und der Getöteten keinen Streit und auch keine Provokation von Seiten der Getöteten gegeben, sodass er keinen Grund gehabt habe „auszurasten“, wie der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor der 2. Strafkammer des Landgerichts München I bekundete (vgl. oben C.II.7.b., S. 35). In der Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer des Landgerichts München I gab der Angeklagte im Einklang damit an, dass die Getötete mit ihm nicht über andere Männer gesprochen habe (vgl. oben C.II.8.b., S. 37).
471
b. Dass der Angeklagte, nachdem er von der Existenz und dem Inhalt des ...-Chats seiner getrenntlebenden Ehefrau mit D… Kenntnis erlangte, eifersüchtig und wütend darüber war, dass seine Ehefrau nach ihrer Trennung von ihm bereits im Kontakt mit einem anderen Mann stand, sich an diesem interessiert gezeigt und diesem ein Foto von sich, auf dem sie lediglich BH und Slip trug, geschickt hatte, liegt nach einer Gesamtwürdigung aller festgestellten Umstände und gewonnenen Indizien sowie der Persönlichkeit des Angeklagten nahe. Der Angeklagte hatte sich bereits gegenüber seinen früheren Ehefrauen B… B… und B… S… (nunmehr B…) eifersüchtig und besitzergreifend gezeigt und war im Zuge dessen ihnen gegenüber auch aggressiv sowie impulsiv aufgetreten und körperlich gewalttätig geworden (vgl. oben A.I.3.b., S. 8, und A.I.3.c., S. 9).
472
Ebenfalls naheliegend ist nach einer entsprechenden Gesamtwürdigung, dass der Angeklagte zudem erkannte, dass seine Hoffnung, seine Ehefrau zur Aufgabe ihres Trennungsentschlusses bewegen zu können, vergeblich gewesen war, er aber aufgrund seines übersteigerten Besitzdenkens nicht bereit war, den von seiner Ehefrau gefassten Entschluss zur endgültigen Trennung von ihm sowie ihr Festhalten an dieser Entscheidung zu akzeptieren.
473
Dass dem Angeklagten bewusst war, dass seine Ehefrau berechtigt war, über die Frage der Fortsetzung oder Beendigung ihrer Ehe eine freie und eigenständige Entscheidung zu treffen, lässt sich nicht zuletzt aus dem Umstand ableiten, dass seine drei vorangegangenen Ehen allesamt durch eine von den Ehefrauen beantragte Scheidung beendet wurden (vgl. oben A.I.3.a., S. 8, A.I.3.b., S. 8, und A.I.3.c., S. 9). Zudem lebte der Angeklagte zum Tatzeitpunkt bereits seit mehr als 25 Jahren in Deutschland, so dass ihm schon allein deshalb die im Menschenbild des Grundgesetzes zum Ausdruck kommenden Werte der Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und gegenseitigen personellen Achtung bekannt waren. Anhaltspunkte dafür, dass dies ausnahmsweise doch anders gewesen sein könnte, haben sich weder aus der Einlassung des Angeklagten noch sonst in der gesamten Beweisaufnahme ergeben.
474
Dass der Angeklagte ferner wusste, dass er durch sein Verhalten gegenüber seiner zwanzig Jahre jüngeren Partnerin maßgeblich zum Scheitern ihrer Ehe beigetragen hatte, ergibt sich zum Beispiel aus den verlesenen deutschen Übersetzungen der in … bzw. … Sprache verfassten ...-Nachrichten des Angeklagten an die Getötete vom 28. und 29.07.2015, in welchen er ihr versicherte, dass er sich nunmehr ändern werde (vgl. oben C.III.7., S. 49), sowie aus der Äußerung der Getöteten in ihrem Facebook-Messenger-Chat mit A…, wonach es nicht das erste Mal sei, dass sie dem Angeklagten zu verstehen gegeben habe, dass er sich ändern müsse (vgl. oben C.III.3.a., S. 44).
475
Dass der Angeklagte seine getrenntlebende Ehefrau tötete, um sich auf diese Weise für ihre Trennung von ihm zu rächen und sie zugleich für ihren Kontakt mit einem anderen Mann mit dem Tod zu bestrafen, ist ein Rückschluss, den das Schwurgericht nach einer Gesamtwürdigung aller festgestellten Umstände und gewonnenen Indizien sowie der Persönlichkeit des Angeklagten gezogen hat.
476
c. Dass der Angeklagte, der über impulsive Persönlichkeitszüge verfügt (vgl. oben A.III.2., S. 12), den Entschluss zur Tötung spontan fasste, nachdem er von der Existenz und dem Inhalt des ...-Chats seiner getrenntlebenden Ehefrau mit D… Kenntnis erlangt hatte, liegt nach einer Gesamtwürdigung aller festgestellten Umstände und gewonnenen Indizien sowie der Persönlichkeit des Angeklagten nahe. In der gesamten Beweisaufnahme haben sich keine Anhaltspunkte für eine geplante Tat ergeben.
477
d. Die Feststellung, dass der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz in Form der Tötungsabsicht handelte, ergibt sich aus den Umständen der Tatausführung.
478
Indem der Angeklagte die Mündung der Waffe im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe seiner Ehefrau aufsetzte und in dieser Position mit seiner Pistole einen Schuss auf O… S… abfeuerte, führte er eine Handlung aus, bei der nach allgemein verbreitetem Wissen voraussehbar und erwartbar ist, dass diese mit Sicherheit zum Tod führt. Die hochgradige Lebensgefährlichkeit eines Kopfschusses liegt auf der Hand und war dementsprechend auch dem Angeklagten bekannt, dem es hierauf gerade ankam.
479
Der Angeklagte zielte nicht nur auf den Kopf des Opfers und damit auf einen besonders sensiblen Körperbereich, bei dem eine Schussverletzung voraussehbar und erwartbar tödliche Folgen hat, sondern er setzte sogar die Waffenmündung auf den Kopf des Opfers auf, sodass diese im Moment der Schussabgabe entweder direkten Hautkontakt hatte oder einen Abstand zur Haut von höchstens 2 mm aufwies. Hierdurch stellte der Angeklagte sicher, mit dem Schuss sein avisiertes Ziel, den Kopf der Getöteten, unter keinen Umständen zu verfehlen und damit den Tod als sichere Folge seines Handelns zu gewährleisten. Dies lässt zur Überzeugung der Strafkammer nur den Schluss auf einen absoluten Vernichtungswillen und damit auf Tötungsabsicht des Angeklagten zu.
480
29. Die Feststellungen zu den Folgen des vom Angeklagten auf O… S… abgefeuerten, aufgesetzten Kopfdurchschusses beruhen auf den auch insoweit überzeugenden Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. S… Demnach sei O… S…infolge des Kopfdurchschusses sofort handlungsunfähig gewesen und unmittelbar an zentraler Lähmung verstorben. Die Getötete habe im Wesentlichen eine massive Zerstörung von Hirnsubstanz sowie eine Zertrümmerung des Schädeldachs und der Schädelbasis, letztere besonders intensiv ausgeprägt in der vorderen Schädelgrube links, ferner eine Zerreißung der harten Hirnhaut, kräftige Einblutungen in die Kopfschwarte und unter die Knochenhaut des Schädeldachs sowie eine mit einem erheblichen Blutverlust einhergehende Verletzung arterieller Gefäße erlitten. Es sei zum Austritt größerer Mengen an Hirnsubstanz gekommen.
481
30. Die Feststellungen zum Nachtatgeschehen gründen sich auf die nachfolgend genannten Beweismittel.
482
a. Hinsichtlich der Feststellung, dass der Angeklagte der reglosen Getöteten eine Patrone in die rechte Hand schob, wird auf die Ausführungen oben unter C.III.25.d(8), S. 80, Bezug genommen.
483
Die Feststellung, dass der Angeklagte der Getöteten die Patrone als vermeintlichen Beleg für ihren von ihm zunächst behaupteten Suizid in die Hand schob, um hierdurch seine Verteidigungsstrategie vorzubereiten, basiert auf einem Rückschluss, den die Strafkammer aus dem Aussageverhalten des Angeklagten nach einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände und vorhandenen Indizien gezogen hat.
484
b. Die Feststellungen zu den verstreut am Boden liegenden Patronen und zum Ablegen der Tatwaffe basieren auf den oben unter C.III.25.d(1), S. 72, und C.III.25.d(2), S. 73, dargelegten Angaben der Zeugen KHK E…, K… und Dr. W… zur Auffindesituation sowie hinsichtlich des Ablegens der Tatwaffe durch den Angeklagten zusätzlich auf einem aus der Auffindesituation gezogenen entsprechenden Rückschluss.
485
c. Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Alarmierung eines Notarztes, der Verständigung der Nachbarfamilie T… sowie zu den Waschmaßnahmen des Angeklagten beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit dieser gefolgt werden konnte. Soweit die Feststellungen von seiner Einlassung abweichen oder darüber hinausgehen, basieren sie auf den nachfolgend genannten Beweismitteln.
486
(1) Die Zeugin KHKin S… berichtete auch insoweit glaubhaft, dass am 04.08.2015 um 05:59:25 Uhr bei der Integrierten Rettungsleitstelle ein Notruf von dem von …genutzten Mobilfunkanschluss eingegangen sei, welcher bereits um 05:59:44 Uhr wieder beendet worden sei. Anschließend sei um 05:59:51 Uhr umgehend ein Rückruf der Integrierten Rettungsleitstelle bei diesem Mobilfunkanschluss erfolgt. Das sich hieran anschließende Telefonat habe bis 06:07:20 Uhr angedauert.
487
(2) Die Verständigung der Nachbarfamilie T… durch … beruht auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin …sowie auf den oben unter C.III.25.e(4), S. 82, und C.III.25.e(5), S. 82, dargestellten glaubhaften Angaben der Zeugen S… und N… T… Die beiden Letztgenannten schilderten dabei auch glaubhaft die Waschmaßnahmen des Angeklagten.
488
d. Die Feststellung, dass die alarmierten Rettungskräfte gegen 06:12 Uhr eintrafen und vom Angeklagten in Empfang genommen wurden, der ihnen den Weg zum Schlafzimmer im zweiten Obergeschoss zeigte, beruht auf den entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen K…
489
e. Hinsichtlich der Feststellungen zu den Angaben des Angeklagten gegenüber dem Notarzt Dr. W… sowie dazu, wie diese von den anwesenden Personen vor Ort aufgefasst wurden, wird auf die Ausführungen oben unter C.II.1., S. 24, Bezug genommen.
490
f. Im Hinblick auf die Feststellungen zu den vom Angeklagten bei zwei Gelegenheiten gegenüber dem Zeugen S… T… getätigten – wechselnden – Angaben wird auf die Ausführungen oben unter C.II.2., S. 25, verwiesen.
491
g. Hinsichtlich der Feststellungen im Zusammenhang mit H…, dem Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams, und zu den vom Angeklagten diesem gegenüber gemachten Angaben wird auf die Ausführungen oben unter C.II.3., S. 26, Bezug genommen.
492
h. Die Feststellungen zu der Spurensicherungsmaßnahme am Angeklagten, bei welcher seine Hände in Papiertüten gesteckt wurden, basieren auf den entsprechenden Angaben der Zeugen H… (vgl. oben C.II.3., S. 26), PHK F… (vgl. oben C.III.25.e(1), S. 81) und POM K… (vgl. oben C.III.25.e(2), S. 82).
IV. Schuldfähigkeit des Angeklagten
493
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten beruhen auf den überzeugenden Darlegungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. S… sowie des psychiatrischen Sachverständigen PD Dr. S…
494
1. Die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. S… legte auch insoweit überzeugend dar, dass aus rechtsmedizinischer Sicht keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit durch Alkohol, Drogen oder Medikamente bestünden.
495
Seinen eigenen Angaben zufolge habe der Angeklagte in der Nacht auf den 04.08.2015 in zwei, allenfalls drei Schlucke aus einer Weinflasche getrunken und sich nach der Ankunft in ein Glas Wein eingeschenkt, wovon sich in der Folge eine größere Menge auf das Bett ergossen habe, sodass er nur eine sehr geringe, nicht näher bezifferbare Menge kurz nach dem Einschenken getrunken habe. Er habe jedenfalls in der Folge zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Alkoholwirkungen bei sich gespürt. Seinen weiteren Angaben zufolge habe er in der Nacht auf den 04.08.2015 oder am Vortag darüber hinaus keinen weiteren Alkohol getrunken und keine Medikamente eingenommen oder sonstige Substanzen konsumiert (vgl. oben C.II.8.b., S. 37).
496
Die Einlassung des Angeklagten, wonach sich eine größere Menge Wein aus seinem Glas auf das Bett ergossen habe, wird durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder vom Tatort gestützt. Auf diesen ist auf dem Bettbezug eine größere, rötliche Antragung erkennbar, die wie ein typischer Rotweinfleck aussieht. Dies wurde auch vom Spurensicherungsbeamten KHK E… aufgrund seiner persönlichen Inaugenscheinnahme des Tatorts glaubhaft bestätigt.
497
Wie Prof. Dr. S… ausführte, sei die sehr geringe Menge Wein, die der Angeklagte seinen Angaben zufolge gegen 03:40 Uhr getrunken habe, in den rund zwei Stunden bis zum Tatzeitpunkt zumindest überwiegend, wenn nicht gar vollständig wieder abgebaut worden. Dies gelte erst recht für die zwei, allenfalls drei Schlucke, die der Angeklagte nach seinen Angaben zuvor in … getrunken habe. Entscheidend sei jedoch, dass sowohl nach der Einlassung des Angeklagten als auch nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für eine relevante Substanzbeeinflussung des Angeklagten zur Tatzeit bestünden.
498
2. Der psychiatrische Sachverständige PD Dr. S… gelangte zu der Einschätzung, dass eine relevante Beeinträchtigung der Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit des Angeklagten aus medizinisch-psychiatrischer Sicht unter keinem Gesichtspunkt vorliege. In seine Ausführungen bezog der Sachverständige das von ihm für zutreffend erachtete Teilgutachten der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. S… ein und stützte sich im Übrigen auf seine bei der Teilnahme an der Hauptverhandlung gemachten Wahrnehmungen und hierbei gewonnenen Erkenntnisse sowie auf seine Kenntnisse der Aktenlage. Die Mitwirkung an einer psychiatrischen Exploration durch den Sachverständigen hat der Angeklagte verweigert, weshalb auch keine testpsychologische Untersuchung bei ihm durchgeführt wurde.
499
a. PD Dr. S… führte aus, dass das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung aus medizinisch-psychiatrischer Sicht nicht erfüllt sei.
500
Anhaltspunkte für eine überdauernde psychiatrische Erkrankung des Angeklagten, insbesondere für eine Psychose oder eine hirnorganische Schädigung, hätten sich nicht ergeben. Insbesondere habe auch das …, welches beim Angeklagten zu zwei Operationen in den Jahren 1997 und 2020 geführt habe, keine entsprechenden Folgen nach sich gezogen.
501
Ferner liege beim Angeklagten auch keine affektive Störung vor. Zwar habe nach der Erstoperation wegen des …im Jahr 1997 beim Angeklagten eine depressive Symptomatik bestanden. Allerdings habe der Angeklagte diese nach eigenen Angaben damals gegenüber den ihn behandelnden und begutachtenden Ärzten deutlich übertrieben dargestellt und zum Teil simuliert, um die Erfolgsaussichten seines Antrags auf Bezug einer Erwerbsminderungsrente zu erhöhen. Soweit dem Angeklagten in diesem Zusammenhang damals ärztlicherseits eine depressive Störung attestiert worden sei, sei diese Diagnose bereits deshalb infrage zu stellen. Unabhängig davon bestünden jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass beim Angeklagten tatzeitnah eine affektive Störung welcher Art auch immer bestanden hätte.
502
Soweit der Angeklagte während der Untersuchungshaft in diesem Verfahren in der Justizvollzugsanstalt M.-St. das Antidepressivum Mirtazapin in einer Dosierung von 7,5 mg abends erhalten habe, erlaube dies nicht den Rückschluss, dass beim Angeklagten im Zeitraum der Untersuchungshaft – mithin mehrere Jahre nach der Tat – eine depressive Störung vorgelegen habe. Nach den eigenen Angaben des Angeklagten sei ihm diese Medikation ausschließlich gegen seine Schlafstörungen verordnet worden. Dies sei aus medizinisch-psychiatrischer Sicht plausibel. Wie PD Dr. S… darlegte, sei ihm bekannt, dass Mirtazapin in der Justizvollzugsanstalt M.-St. häufig bei Schlafstörungen eingesetzt werde, weil mit diesem Medikament wenig Missbrauch betrieben werden könne und es zu keiner Abhängigkeit führe. Dies gelte in besonderem Maße für die Gabe dieses Medikaments in der hier vorliegenden Dosierung von 7,5 mg.
503
Dem Sachverständigen zufolge sei das Eingangskriterium der krankhaften seelischen Störung auch in der passageren Form unter dem Gesichtspunkt einer akuten Intoxikation des Angeklagten aus medizinisch-psychiatrischer Sicht nicht erfüllt. In Übereinstimmung mit der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. S… legte PD Dr. S… dar, dass es keine Hinweise auf eine relevante Substanzbeeinflussung des Angeklagten zur Tatzeit gebe.
504
b. Auch für das Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne eines affektiven Ausnahmezustands zum Tatzeitpunkt hätten sich aus medizinisch-psychiatrischer Sicht keine Anhaltspunkte ergeben.
505
Zwar handle es sich um eine in affektiver Erregung begangene Spontantat. Allerdings habe der Angeklagte die Tatsituation konstelliert und den Tatablauf aktiv gestaltet. Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung seiner Wahrnehmungsfähigkeit in der Tatsituation lägen nicht vor. Soweit der Angeklagte nach der Tat im ersten Obergeschoss des Tatanwesens – wie vom Zeugen T… beschrieben (vgl. oben C.III.25.e(4), S. 82) – sichtlich aufgeregt gewesen sei, und – wie vom Zeugen H… angegeben (vgl. oben C.II.3., S. 26) – heftig geweint habe, sei beides Ausdruck einer affektiven Belastung, wie sie infolge eines derartigen Vorfalls normalpsychologisch erwartbar sei. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auch zu sehen, dass der Angeklagte in der Lage gewesen sei, dem Zeugen H… einen lückenlosen, auf diesen schlüssig wirkenden Geschehensablauf flüssig und zusammenhängend zu berichten (vgl. oben C.II.3., S. 26), was gegen das Vorliegen einer schweren affektiven Erschütterung spreche.
506
c. Eine Intelligenzminderung liege beim Angeklagten ebenfalls nicht vor.
507
Wie PD Dr. S… ausführte, verfüge der Angeklagte nach dem klinischen Eindruck über eine durchschnittliche bis knapp unterdurchschnittliche Intelligenzausstattung. Dieser Eindruck stehe auch im Einklang mit der biografischen Entwicklung des Angeklagten. Diese zeige, dass der Angeklagte nicht nur über die Fähigkeit zur praktischen Lebensbewältigung im Alltag verfüge, sondern auch in der Lage gewesen sei, nach dem regulären Schulbesuch in seiner Heimat eine Berufsausbildung als Elektriker zu absolvieren und danach in diesem Berufsfeld auch zu arbeiten. Ferner sei er in der Lage gewesen, die Fremdsprache Deutsch so gut zu erlernen, dass er eine Schulung im Sicherheitsbereich bei der Industrie- und Handelskammer erfolgreich habe absolvieren und anschließend in diesem Berufsfeld auch habe arbeiten können.
508
d. Ferner sei auch das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Störung aus medizinisch-psychiatrischer Sicht nicht erfüllt.
509
Der Angeklagte habe keine Persönlichkeitsstörung. Seine Persönlichkeit bewege sich vielmehr innerhalb der normalpsychologischen Bandbreite. Im Umgang mit seinen Partnerinnen habe der Angeklagte aggressive und impulsive Persönlichkeitszüge gezeigt. Diese seien jedoch nicht so stark ausgeprägt, dass sie zu tief verwurzelten, anhaltenden Verhaltensmustern führen würden, welche sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen würden. So sei der Angeklagte etwa an den zahlreichen Hauptverhandlungstagen ohne erkennbare Anstrengung adäquat, höflich und freundlich aufgetreten. Relevante psychopathologische Auffälligkeiten hätten sich bei ihm nicht gezeigt.
510
Auch ein Abhängigkeitssyndrom liege beim Angeklagten nicht vor. Er trinke Alkohol nur gelegentlich im sozialüblichen Rahmen, habe nie illegale Betäubungsmittel konsumiert und keinen Medikamentenmissbrauch betrieben.
511
e. Das Schwurgericht schloss sich den sachkundigen, widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen des sehr erfahrenen psychiatrischen Sachverständigen PD Dr. S, die von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgingen, mit den genannten Argumenten an.
512
Die Tat des Angeklagten stellt sich strafrechtlich dar als Mord in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 52 StGB, 52 Abs. 1 Nr. 2b i.V.m. Anlage 2 Unterabschnitt 1 S. 1 WaffG.
513
Der Angeklagte hat aus sonstigen niedrigen Beweggründen einen Menschen getötet und zugleich ohne Erlaubnis eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition in seinem Besitz gehabt.
I. Mord (§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4 StGB)
514
1. Der Angeklagte tötete O… S… am 04.08.2015 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 05:44 Uhr und 05:58 Uhr durch einen im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe aufgesetzten Kopfdurchschuss, den er mit der in seinem Besitz befindlichen halbautomatischen Selbstladepistole, Fabrikat CZ, Modell 75, Kaliber 9 mm Luger, Waffennummer D2928, abfeuerte.
515
2. O… S…verstarb unmittelbar infolge des vom Angeklagten abgegebenen Kopfdurchschusses an zentraler Lähmung.
516
3. Bei Begehung der Tat handelte der Angeklagte mit Tötungsabsicht.
517
Die Vorgehensweise des Angeklagten lässt zur Überzeugung der Strafkammer nur den Schluss auf einen absoluten Vernichtungswillen und damit auf Tötungsabsicht des Angeklagten zu.
518
Indem der Angeklagte die Mündung der Waffe im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe seiner Ehefrau aufsetzte und in dieser Position mit seiner Pistole einen Schuss auf O… S…abfeuerte, führte er eine Handlung aus, bei der nach allgemein verbreitetem Wissen voraussehbar und erwartbar ist, dass diese mit Sicherheit zum Tod führt. Die hochgradige Lebensgefährlichkeit eines Kopfschusses liegt auf der Hand und war dementsprechend auch dem Angeklagten bekannt, dem es hierauf gerade ankam.
519
Der Angeklagte zielte nicht nur auf den Kopf des Opfers und damit auf einen besonders sensiblen Körperbereich, bei dem eine Schussverletzung voraussehbar und erwartbar tödliche Folgen hat, sondern er setzte sogar die Waffenmündung auf den Kopf des Opfers auf, sodass diese im Moment der Schussabgabe entweder direkten Hautkontakt hatte oder einen Abstand zur Haut von höchstens 2 mm aufwies. Hierdurch stellte der Angeklagte sicher, mit dem Schuss sein avisiertes Ziel, den Kopf der Getöteten, unter keinen Umständen zu verfehlen und damit den Tod als sichere Folge seines Handelns zu gewährleisten. Dies lässt zur Überzeugung der Strafkammer nur den Schluss auf einen absoluten Vernichtungswillen und damit auf Tötungsabsicht des Angeklagten zu.
520
Ein absoluter Vernichtungswille des Angeklagten steht auch im Einklang mit seinem Tatmotiv.
521
Der Angeklagte tötete seine von ihm getrenntlebende Ehefrau, um sich auf diese Weise für ihre Trennung von ihm zu rächen und sie zugleich für ihren Kontakt mit einem anderen Mann mit dem Tod zu bestrafen.
522
4. Der Angeklagte tötete O… S… aus sonstigen niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).
523
a. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat niedrig sind und – in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag – als verachtenswert erscheinen, erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (BGH, Urteil v. 14.06.2023 – 1 StR 399/22 m.w.N.).
524
Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen nach der Rechtsprechung in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren (BGH aaO. m.w.N.).
525
Entscheidungserheblich sind demnach die Gründe, die den Täter in Wut oder Verzweiflung versetzt oder ihn zur Tötung aus Hass oder Eifersucht gebracht haben. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung, die sowohl die näheren Umstände der Tat sowie deren Entstehungsgeschichte als auch die Persönlichkeit des Täters und dessen Beziehung zum Opfer einschließt (BGH aaO. m.w.N.).
526
Dabei ist der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen (BGH, Urteil v. 11.11.2020 – 5 StR 124/20 m.w.N.).
527
Ergibt sich das Tötungsmotiv aus einer Trennung vom Ehe-, Lebens- oder Intimpartner, kann für einen niedrigen Beweggrund sprechen, dass der Täter dem anderen Teil aus übersteigertem Besitzdenken das Lebensrecht abspricht, den berechtigten Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben bestrafen will oder dass er handelt, weil er die Trennung nicht akzeptiert und eifersüchtig ist. Gegen das Vorliegen eines niedrigen Beweggrundes kann dagegen sprechen, dass die Trennung zu tatbestimmenden und tatauslösenden Gefühlen der Verzweiflung und inneren Ausweglosigkeit geführt hat. Zu bedenken kann dabei auch sein, dass nicht selten der Täter die Trennung selbst maßgeblich zu verantworten hat (BGH, Beschluss v. 06.12.2022 – 5 StR 479/22 m.w.N.).
528
Der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, stellt für sich gesehen kein gegen die Annahme niedriger Beweggründe sprechendes Indiz dar. Mit dem Menschenbild des Grundgesetzes und den Werten des durchweg auf Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und gegenseitige personelle Achtung angelegten deutschen Rechts ist es unvereinbar, der legitimen Inanspruchnahme des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben eine derartige Relevanz für die sozialethische Bewertung des Tötungsmotivs zuzusprechen (BGH aaO.).
529
In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann (BGH, Urteil v. 11.11.2020 – 5 StR 124/20 m.w.N.).
530
b. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Tatmotiv des Angeklagten nach einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für seine Handlungsantriebe maßgeblichen Faktoren sowie unter Berücksichtigung der näheren Umstände der Tat und ihrer Entstehungsgeschichte wie auch der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Beziehung zum Opfer als niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB zu bewerten.
531
(1) Der Angeklagte tötete seine von ihm getrenntlebende Ehefrau O… S…, um sich auf diese Weise für ihre Trennung von ihm zu rächen und sie zugleich für ihren Kontakt mit einem anderen Mann mit dem Tod zu bestrafen. Er war eifersüchtig und wütend darüber, dass seine Ehefrau nach ihrer Trennung von ihm bereits im Kontakt mit einem anderen Mann stand, sich an diesem interessiert gezeigt und diesem ein Foto von sich, auf dem sie lediglich BH und Slip trug, geschickt hatte. Der Angeklagte erkannte zudem, dass seine Hoffnung, seine Ehefrau zur Aufgabe ihres Trennungsentschlusses bewegen zu können, vergeblich gewesen war. Er war jedoch aufgrund seines übersteigerten Besitzdenkens nicht bereit, den von seiner Ehefrau gefassten Entschluss zur endgültigen Trennung von ihm sowie ihr Festhalten an dieser Entscheidung zu akzeptieren. Dabei war ihm bewusst, dass seine Ehefrau berechtigt war, über die Frage der Fortsetzung oder Beendigung ihrer Ehe eine freie und eigenständige Entscheidung zu treffen, und dass er überdies durch sein Verhalten gegenüber seiner … Jahre jüngeren Partnerin maßgeblich zum Scheitern ihrer Ehe beigetragen hatte.
532
(2) Die Beweggründe des Angeklagten stehen nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe und sind deshalb besonders verachtenswert. Das Rachebedürfnis des Angeklagten sowie seine Eifersucht und Wut entbehren jeglichen nachvollziehbaren Grundes.
533
Der Angeklagte wollte sich durch die Tötung seiner Ehefrau für ihre Trennung von ihm rächen. Ferner war er eifersüchtig und wütend darüber, dass seine Ehefrau nach ihrer Trennung von ihm bereits im Kontakt mit einem anderen Mann stand, sich an diesem interessiert gezeigt und diesem ein Foto von sich, auf dem sie lediglich BH und Slip trug, geschickt hatte. Hierfür wollte er sie zugleich mit dem Tod bestrafen.
534
(a) Wie der Angeklagte seit dem 22.06.2015 wusste, hatte sich seine Ehefrau endgültig von ihm getrennt. Dabei war ihm bewusst, dass seine Ehefrau berechtigt war, über die Frage der Fortsetzung oder Beendigung ihrer Ehe eine freie und eigenständige Entscheidung zu treffen, und dass er überdies durch sein Verhalten gegenüber seiner … Jahre jüngeren Partnerin maßgeblich zum Scheitern ihrer Ehe beigetragen hatte.
535
i. O… S…trennte sich am 22.06.2015 endgültig vom Angeklagten, da ihre Unzufriedenheit in der Ehe mit ihm in den letzten Jahren weiter zugenommen hatte. Im Laufe der Jahre wurde O… S… insbesondere aufgrund unterschiedlicher Ambitionen, Zukunftswünsche und Vorstellungen hinsichtlich der Kinderziehung sowie aufgrund der verbalen Aggressivität des Angeklagten ihr gegenüber zunehmend unglücklich und unzufrieden in ihrer Ehe. Sie trennte sich deshalb bereits Ende des Jahres 2011 einmal kurzzeitig vom Angeklagten in der Absicht, die Scheidung von ihm zu beantragen, kehrte allerdings nach wenigen Tagen wieder zu ihm zurück, um zum Wohl ihrer Kinder die Ehe mit ihm fortzusetzen.
536
In den folgenden Jahren nahm die Unzufriedenheit von O… S… in ihrer Ehe mit dem Angeklagten weiter zu. Sie fühlte sich von ihm bei der Umsetzung ihrer Ideen und Träume nicht unterstützt und vermisste bei ihm jegliches Interesse für die schulischen Belange ihrer gemeinsamen Kinder. Zudem fühlte sie sich überlastet, da sie sich nicht nur um die fünf Kinder, sondern auch um sämtliche bürokratischen Angelegenheiten der Familie zu kümmern hatte, weil der Angeklagte damit nichts zu tun haben wollte. Darüber hinaus litt sie weiterhin unter seiner verbalen Aggressivität sowie ferner unter der psychischen Gewalt, die der bestimmende Angeklagte ihr gegenüber ausübte, indem er sie erniedrigte und ihr zugleich einredete, wie glücklich sie sein müsse, ihn als Partner zu haben, da er so viele Frauen haben könne, wie er wolle, während sie nur jemanden finden könne, der sie ausnutzen werde.
537
ii. Nach dem im Grundgesetz verankerten Menschenbild und den Werten des auf Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und gegenseitige personelle Achtung angelegten deutschen Rechts war O… S… berechtigt, über die Frage der Fortsetzung oder Beendigung ihrer Ehe eine freie und eigenständige Entscheidung zu treffen. Dies war dem Angeklagten bewusst, der zum Tatzeitpunkt bereits seit mehr als 25 Jahren in Deutschland lebte und dessen drei vorangegangene Ehen allesamt durch eine von den Ehefrauen beantragte Scheidung beendet wurden.
538
iii. Der Angeklagte wusste ferner um die Unzufriedenheit seiner Ehefrau in ihrer Ehe und deren Gründe, da O… S… ihm wiederholt zu verstehen gegeben hatte, dass er sich ändern müsse, wenn ihm an einer Fortsetzung der Ehe mit ihr gelegen sei. Ungeachtet dessen nahm der Angeklagte jedoch weder in seinem Verhalten noch in seiner Einstellung eine nachhaltige Veränderung vor, wie er ebenfalls wusste. Er wusste somit auch, dass er durch sein Verhalten gegenüber seiner … Jahre jüngeren Partnerin maßgeblich zu ihrer Unzufriedenheit in der Ehe und damit im Ergebnis zum Scheitern der Ehe beigetragen hatte.
539
(b) Am 22.06.2015 vollzog O… S… die endgültige Trennung vom Angeklagten, indem sie gemeinsam mit ihrer ältesten Tochter …sowie unter Mitnahme ihrer beiden Hunde und des bislang als Familienfahrzeug genutzten Pkw aus dem ehelichen Haushalt auszog und fortan in der Wohnung ihrer Mutter in … lebte. Die Endgültigkeit der Trennung teilte O… S… dem Angeklagten bereits am 22.06.2015 ausdrücklich mit. Zudem wurde ihm die Endgültigkeit der Trennung nicht zuletzt durch die am 30.07.2015 erfolgte Zustellung des anwaltlichen Schriftsatzes mit dem Antrag der Getöteten auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die … gemeinsamen Kinder samt Ladung zu dem familiengerichtlichen Anhörungstermin deutlich vor Augen geführt. Seit ihrem Auszug hielt O… S… – auch gegenüber dem Angeklagten – an ihrem Trennungsentschluss unvermindert fest.
540
i. O… S… stand seit ihrem Auszug mit dem Angeklagten telefonisch und über den Messenger-Dienst ... in Kontakt, da sie weiterhin um das Wohlergehen der … gemeinsamen Kinder besorgt war, die sie regelmäßig beim Angeklagten in … besuchte und zum Teil auch kurzzeitig zu sich nach … holte, während sich … unterdessen im Austausch beim Angeklagten aufhielt.
541
Aufgrund ihrer Sorge um das Wohlergehen insbesondere auch der … Kinder stand O… S… auch dem Vorhaben, am 04.08.2015 gemeinsam mit dem Angeklagten einen Familienausflug mit allen Kindern zu unternehmen, positiv gegenüber und fuhr deshalb mit ihrer Tochter … in der Nacht auf den 04.08.2015 zum Familienwohnsitz nach … Da sie sich in einem akuten finanziellen Engpass befand und insbesondere kein Geld für Benzin hatte, war der Angeklagte zuvor vereinbarungsgemäß nach …gefahren und hatte ihr Geld für Benzin überbracht. Die Aussicht, dass ihr der Angeklagte nach ihrer Ankunft in … Geld für Benzin überlassen wolle, hatte O… S… nicht genügt, da sie ihm insoweit misstraute und befürchtete, er werde ihr das in Aussicht gestellte Geld letztlich vorenthalten, um sie dadurch faktisch an der Rückfahrt nach … zu hindern und somit zumindest eine vorübergehende Fortsetzung des Zusammenlebens im ehelichen Haushalt zu erzwingen.
542
ii. Auch im Zusammenhang mit dem in den frühen Morgenstunden des 04.08.2015 zwischen dem Angeklagten und seiner von ihm getrenntlebenden Ehefrau einvernehmlich vollzogenen Geschlechtsverkehr gab O… S…, die diesen lediglich als willkommenen Sexualkontakt ansah und an ihrem Trennungsentschluss unvermindert festhielt, dem Angeklagten keinen Anlass für die begründete Annahme, dass sie ihren Trennungsentschluss aufgegeben habe oder aufgeben werde und die Ehe mit ihm fortsetzen wolle.
543
Obwohl der Angeklagte somit keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür hatte, dass seine von ihm getrenntlebende Ehefrau ihre Haltung geändert habe oder ändern werde, und er deshalb auch seinerseits dem einvernehmlichen Vollzug des Geschlechtsverkehrs keine dementsprechende – über einen bloßen Sexualkontakt hinausgehende – Bedeutung beimaß, hoffte er weiterhin, seine Ehefrau zur Aufgabe ihres Trennungsentschlusses und Fortsetzung der Ehe mit ihm bewegen zu können.
544
Dies strebte er deshalb an, da er es sich in der Ehe bequem eingerichtet hatte und die praktizierte Aufgabenverteilung, wonach sich O… S… nicht nur um die … Kinder, sondern auch um sämtliche bürokratischen Angelegenheiten der Familie zu kümmern hatte, weil der nicht erwerbstätige, berentete Angeklagte damit nichts zu tun haben wollte, vollständig seiner Wunschvorstellung entsprach.
545
Jedoch brachte O… S… auch nach dem einvernehmlich vollzogenen Geschlechtsverkehr gegenüber dem Angeklagten weiterhin zum Ausdruck, dass sie an ihrem Trennungsentschluss unvermindert festhielt.
546
(c) Nach der durch den Auszug aus dem ehelichen Haushalt vollzogenen Trennung vom Angeklagten genoss O… S… ihre erlangte Freiheit, suchte über die Online-Dating-Plattform „…“ Kontakt zu anderen Männern und traf sich in … mit Männern, die sie von Anfang an offen über ihre aktuelle familiäre Situation informierte. Dabei zeigte sie sich an sexuellen Kontakten interessiert, ohne zugleich eine neue feste Partnerschaft anzustreben, und äußerte, dass sie zuvor erst einmal die Scheidung von ihrem Ehemann vollziehen wolle.
547
Am 03.08.2015 um 23:51 Uhr sandte O… S… über den MessengerDienst ... ein Foto ihres lediglich mit BH und Slip bekleideten Körpers zusammen mit der Textnachricht „Das wäre deins solange du willst; –)“ an ihren Bekannten D…, den sie in …kennengelernt hatte. Dieser zeigte sich in nachfolgenden Textnachrichten, wie schon im persönlichen Kontakt zuvor, an einer Beziehung mit ihr – und sei sie auch nur rein sexueller Art – nicht interessiert, während O… S… ihr Begehren ihm gegenüber zum Ausdruck brachte.
548
Am 04.08.2015 um 05:37 Uhr wurde auf dem Mobiltelefon der Getöteten ihr ...-Chat mit D… aufgerufen, von dessen Existenz und Inhalt der Angeklagte im Zuge dessen Kenntnis erlangte, was bei ihm Eifersucht und Wut hervorrief. Er war eifersüchtig und wütend darüber, dass seine Ehefrau nach ihrer Trennung von ihm bereits im Kontakt mit einem anderen Mann stand, sich an diesem interessiert gezeigt und diesem ein Foto von sich, auf dem sie lediglich BH und Slip trug, geschickt hatte. Zudem erkannte er, dass seine Hoffnung, seine Ehefrau zur Aufgabe ihres Trennungsentschlusses bewegen zu können, vergeblich gewesen war.
549
(d) Der Angeklagte war jedoch aufgrund seines übersteigerten Besitzdenkens nicht bereit, den von seiner Ehefrau gefassten Entschluss zur endgültigen Trennung von ihm sowie ihr Festhalten an dieser Entscheidung zu akzeptieren.
550
Er hatte schon während der Ehe ein bestimmendes Wesen gegenüber seiner Ehefrau gezeigt, war verbal aggressiv aufgetreten und hatte psychische Gewalt ihr gegenüber ausgeübt, indem er sie erniedrigt und ihr zugleich eingeredet hatte, wie glücklich sie sein müsse, ihn als Partner zu haben, da er so viele Frauen haben könne, wie er wolle, während sie nur jemanden finden könne, der sie ausnutzen werde.
551
Die Fortsetzung der Ehe strebte der Angeklagte an, da er es sich in dieser bequem eingerichtet hatte und die praktizierte Aufgabenverteilung, wonach sich O… S… nicht nur um die …Kinder, sondern auch um sämtliche bürokratischen Angelegenheiten der Familie zu kümmern hatte, weil der nicht erwerbstätige, berentete Angeklagte damit nichts zu tun haben wollte, vollständig seiner Wunschvorstellung entsprach.
552
Anhaltspunkte dafür, dass beim Angeklagten Gefühle der Enttäuschung, Verzweiflung oder inneren Ausweglosigkeit vorgelegen hätten, welche tatbestimmend und tatauslösend gewesen wären, bestehen nicht.
553
(3) Der Angeklagte hat sämtliche oben dargestellten Umstände, welche die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und war sich ihrer auch zum Tatzeitpunkt bewusst.
554
Der uneingeschränkt schuldfähige und nicht unter relevanter Substanzbeeinflussung stehende Angeklagte, der die Tat zwar spontan und affektiv erregt beging, war auch in der Lage, seine gefühlsmäßigen Regungen gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern. Besondere, auffällige Eigenarten der Täterpersönlichkeit oder eine affektive Erregung solchen Ausmaßes, welche die Fähigkeit des Angeklagten, seine gefühlsmäßigen Regungen zu beherrschen und willensmäßig zu steuern, infrage stellen könnten, liegen nicht vor.
555
Dass der Angeklagte bei Begehung der Tat in der Lage war, seine gefühlsmäßigen Regungen gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern, ergibt sich schon aus den Umständen der Tatausführung sowie aus seinem Nachtatverhalten. Er gestaltete die Tat aktiv und zielgerichtet, indem er sich mit seiner Pistole bewaffnete, die mit einer Patrone geladene Waffe auf seine Ehefrau richtete und deren Mündung im Bereich des Haaransatzes an der linken Schläfe seiner zu diesem Zeitpunkt mit nach rechts geneigtem Kopf am Boden knienden, hockenden oder sitzenden Ehefrau aufsetzte, bevor er in dieser Position einen Schuss abfeuerte. Auch nach der Tat ging der Angeklagte zielgerichtet vor und bereitete seine beschlossene Verteidigungsstrategie – die Behauptung eines Suizids seiner Ehefrau – dadurch vor, dass er der reglosen Getöteten, deren Finger der rechten Hand gebeugt waren, als vermeintlichen Beleg für ihren Suizid eine der zusammen mit der Waffe aufbewahrten Patronen so zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand schob, dass die Patrone im Bereich des Zeigefingergrundgelenks zu liegen kam und das Anzündhütchen zwischen Zeigefinger und Daumen zu sehen war.
556
5. Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Var. 5 StGB) ist hingegen nicht erfüllt.
557
a. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt heimtückisch, wer die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung bewusst zur Tötung ausnutzt. Arglos ist ein Opfer, das sich keines erheblichen Angriffs gegen seine körperliche Unversehrtheit versieht. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ist grundsätzlich der Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs, also der Eintritt des Tötungsdelikts in das Versuchsstadium. Dies gilt indes nicht uneingeschränkt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einer von langer Hand geplanten und vorbereiteten Tat das heimtückische Vorgehen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB auch in Vorkehrungen liegen kann, die der Täter ergreift, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, sofern diese bei der Ausführung der Tat noch fortwirken. Wird das Tatopfer in einen Hinterhalt gelockt oder ihm eine raffinierte Falle gestellt, kommt es daher nicht mehr darauf an, ob es zu Beginn der Tötungshandlung noch arglos war (BGH, Urteil v. 30.03.2023 – 4 StR 234/22 m.w.N.).
558
b. Die Getötete war zum Zeitpunkt der Schussabgabe nicht arglos. Als der Angeklagte die geladene Schusswaffe auf O… S… richtete, fürchtete diese um ihr Leben. Die Getötete wurde weder in einen Hinterhalt gelockt noch wurde ihr eine raffinierte Falle gestellt. Es handelt sich vielmehr um eine spontan begangene Tat. Deshalb kommt eine Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts für das Vorliegen der Arglosigkeit auf etwaige vom Angeklagten getroffene Vorkehrungen, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, vorliegend nicht in Betracht.
559
6. Der Angeklagte handelte rechtswidrig. Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor.
560
7. Der Angeklagte handelte auch schuldhaft. Er war bei Begehung der Tat in vollem Umfang schuldfähig. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit waren weder aufgehoben noch erheblich vermindert. Schuldausschließungsgründe liegen nicht vor.
II. Vorsätzlicher unerlaubter Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe (§ 52 Abs. 1 Nr. 2b i.V.m. Anlage 2 Unterabschnitt 1 S. 1 WaffG)
561
Der Angeklagte hat sich zugleich des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe schuldig gemacht (§ 52 Abs. 1 Nr. 2b i.V.m. Anlage 2 Unterabschnitt 1 S. 1 WaffG), indem er die halbautomatische Selbstladepistole, Fabrikat CZ, Modell 75, Kaliber 9 mm Luger, Waffennummer D2928, in einer kleinen Truhe in seinem Schlafzimmer aufbewahrte und am 04.08.2015 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 05:44 Uhr und 05:58 Uhr zur Tötung der Getöteten verwendete, wobei er, wie er wusste, nicht die für den Umgang mit dieser Waffe erforderliche Erlaubnis besaß.
562
1. Bei der halbautomatischen Selbstladepistole, Fabrikat CZ, Modell 75, Kaliber 9 mm Luger, Waffennummer D2928 handelt es sich um eine Schusswaffe nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1 WaffG und ihrer Art nach um eine halbautomatische Kurzwaffe nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2.2 S. 1 Alt. 2 und Nr. 2.5 Alt. 2 WaffG.
563
2. Indem der Angeklagte die genannte Waffe in einer kleinen Truhe in seinem Schlafzimmer aufbewahrte und am 04.08.2015 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 05:44 Uhr und 05:58 Uhr zur Tötung der Getöteten verwendete, hatte er die Waffe in seinem Besitz.
564
3. Die waffenrechtliche Erlaubnispflicht ergibt sich aus § 2 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 S. 1 WaffG. Der Angeklagte besaß nicht die für den Umgang mit der genannten Waffe erforderliche Erlaubnis. Dies wusste er.
565
4. Der Angeklagte handelte auch insoweit rechtswidrig und schuldhaft. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe liegen auch insoweit nicht vor.
566
Das Verbrechen des Mordes (§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4 StGB) steht zu dem Vergehen des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe (§ 52 Abs. 1 Nr. 2b i.V.m. Anlage 2 Unterabschnitt 1 S. 1 WaffG) in Tateinheit gemäß § 52 StGB.
567
Das Schwurgericht hat gegen den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt.
568
1. Zur Anwendung kam § 211 Abs. 1 StGB, da diese Norm gegenüber § 52 Abs. 1 Nr. 2b WaffG die schwerere Strafe androht (§ 52 Abs. 2 S. 1 StGB). Gemäß § 211 Abs. 1 StGB war der Angeklagte für die vorliegende Straftat zu lebenslanger Freiheitsstrafe zu verurteilen. Die Strafdrohung des § 211 Abs. 1 StGB ist absolut. Nach dem Gesetz war keine Möglichkeit gegeben, diese Strafe zu mildern. Außergewöhnliche Umstände, aufgrund derer die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausnahmsweise als unverhältnismäßig erschiene, liegen nicht vor.
569
2. Die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten im Sinne des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB war nicht festzustellen.
570
a. Die Entscheidung über die Frage der besonderen Schuldschwere gemäß § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB hat das Tatgericht im Wege einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit zu treffen. Ein Bejahen ist nur möglich, wenn Umstände von besonderem Gewicht vorliegen.
571
b. Gegen die besondere Schuldschwere sprach, dass der …-jährige Angeklagte nicht vorbestraft ist und das Waffendelikt von Anfang an einräumte. Ferner sprach dagegen, dass es sich um eine in affektiver Erregung begangene Spontantat handelt. Auch die lange Zeitspanne von etwa 8 Jahren und 4 Monaten zwischen der Tat und dem Urteil sowie die damit korrespondierende, gleich lange Gesamtdauer des Strafverfahrens sprachen gegen die besondere Schuldschwere. Darüber hinaus war die Dauer der Untersuchungshaft von insgesamt drei Jahren zu sehen, wobei die Untersuchungshaft überwiegend unter den besonders belastenden Bedingungen der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten COVID19-Pandemie stattfand.
572
c. Für die besondere Schuldschwere sprach, dass der Angeklagte tateinheitlich den Straftatbestand des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe verwirklichte.
573
d. Nach einer entsprechenden Gesamtwürdigung kam das Schwurgericht zu dem Ergebnis, dass die Schuld des Angeklagten nicht besonders schwer wiegt.
F. Kompensation für rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
574
Es war eine Kompensation für rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung auszusprechen.
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1. Am 04.08.2015 wurde der Angeklagte kriminalpolizeilich als Beschuldigter wegen eines Delikts nach dem Waffengesetz vernommen und hierdurch mit diesem ihm zur Last liegenden Tatvorwurf konfrontiert. Mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 26.11.2015 wurde gegen den Angeklagten ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung zum Nachteil von O… S…eingeleitet. Von diesem weiteren Tatvorwurf erlangte der Angeklagte Kenntnis durch die Gründe des Durchsuchungsbeschlusses vom 22.06.2016, welcher am 23.06.2016 vollzogen und dem Angeklagten im Rahmen dessen zur Kenntnis gebracht wurde.
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2. Im Zeitraum vom 04.08.2015 bis 23.06.2016 wurden diverse kriminalpolizeiliche Ermittlungen geführt, insbesondere Zeugen vernommen, Unterlagen ausgewertet und Sachverständigengutachten eingeholt. Die hierbei bis Februar 2016 erzielten Ermittlungsergebnisse wurden von der Kriminalpolizei in einem 12-seitigen Zwischenbericht zusammengefasst, der unter dem 15.02.2016 erstellt und der Staatsanwaltschaft zusammen mit weiteren Ermittlungsunterlagen am 09.03.2016 vorgelegt wurde. Weitere Ermittlungsunterlagen wurden der Staatsanwaltschaft am 30.03., 10.05., 02.06. und 09.06.2016 vorgelegt.
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Von Juni bis August 2016 bereitete die Kriminalpolizei die Ergebnisse der Durchsuchung vom 23.06.2016 für die Ermittlungsakten auf, wertete hierbei aufgefundene Unterlagen aus und verfolgte daraus resultierende Ermittlungsansätze. Im Zeitraum vom 01.09.2016 bis 19.10.2016 führte die Kriminalpolizei weitere Zeugenvernehmungen durch. In der Folge wurde mit der Auswertung der diversen sichergestellten Datenträger begonnen. Diese war noch in Bearbeitung, als die gesamten, im Zeitraum seit der Durchsuchung vom 23.06.2016 zu den kriminalpolizeilichen Akten genommenen Unterlagen am 08.02.2017 der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurden.
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Im Zeitraum ab dem 08.02.2017 wurde die Auswertung der sehr großen Datenmengen auf den diversen sichergestellten Datenträgern fortgesetzt. Die weit überwiegend fremdsprachigen Inhalte wurden von einem Übersetzer im Hinblick auf Verfahrensrelevanz gesichtet. Die Auswertung der auf den gesicherten Laptops erlangten Daten verzögerte sich mangels eines kompatiblen Readers. Mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 27.07.2017 wurde die noch nicht abgeschlossene Datenauswertung vermerkt. Von der kriminalpolizeilichen Sachbearbeiterin wurde am 29.08.2017 ein 52-seitiger Ermittlungsbericht über den Abschluss der kriminalpolizeilichen Ermittlungen fertiggestellt, der zusammen mit den weiteren, seit 08.02.2017 zu den kriminalpolizeilichen Akten genommenen Unterlagen am 01.09.2017 der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurde.
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Der Angeklagte befand sich damals als Beschuldigter in diesem Strafverfahren nicht in Haft, während das mit der Verfolgung von Tötungsdelikten befasste Kommissariat der Kriminalpolizei bei seinen Ermittlungen in anderen Strafverfahren, bei denen sich die Beschuldigten regelmäßig in Haft befinden, das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu beachten hatte. Angesichts dessen entsprach der von der Kriminalpolizei für ihre Ermittlungen beanspruchte Zeitraum unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Tatvorwurfs sowie von Umfang und Schwierigkeit der Sache dem Zeitraum, der bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung für die kriminalpolizeilichen Ermittlungen bis zur Vorlage des Ermittlungsberichts über deren Abschluss an die Staatsanwaltschaft zuzubilligen ist und somit von der Kriminalpolizei beansprucht werden durfte.
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3. Nach der Vorlage des kriminalpolizeilichen Schlussberichts an die Staatsanwaltschaft am 01.09.2017 erfolgte die nächste verfahrensfördernde Handlung – nach einem personellen Wechsel im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsreferat – mit der Beauftragung eines ergänzenden Blutspurengutachtens durch staatsanwaltschaftliche Verfügung vom 16.07.2018, welche durch eine Verfügung vom 09.07.2018 bezüglich der Erstellung eines Datenträgers vorbereitet wurde.
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Der Angeklagte befand sich damals als Beschuldigter in diesem Strafverfahren weiterhin nicht in Haft und war – abgesehen von der Ungewissheit über den Ausgang des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich der beiden ihm tateinheitlich zur Last liegenden Tatvorwürfe der fahrlässigen Tötung und des Waffendelikts sowie der Belastung durch die bei den Durchsuchungen erfolgten Sicherstellungen – keinen besonderen Belastungen ausgesetzt, während in einem Ermittlungsreferat der Kapitalabteilung einer Staatsanwaltschaft regelmäßig Verfahren anhängig sind, in denen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu beachten ist, weshalb diese in der Regel vorrangig zu bearbeiten sind. Vor diesem Hintergrund war nach dem personellen Wechsel in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsreferat unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Tatvorwurfs sowie von Umfang und Schwierigkeit der Sache bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung eine Einarbeitungszeit von rund fünf Monaten von Anfang Februar 2018 bis Anfang Juli 2018 zuzubilligen. Mithin kam es mangels verfahrensfördernder Handlungen zu einer Verzögerung des Strafverfahrens von fünf Monaten von Anfang September 2017 bis Anfang Februar 2018.
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Am 08.08.2018 ging das ergänzende Blutspurengutachten vom 06.08.2018 bei der Staatsanwaltschaft ein. Die nächste verfahrensfördernde Handlung erfolgte mit der Beauftragung eines ergänzenden Schmauchspurengutachtens durch staatsanwaltschaftliche Verfügung vom 06.08.2019. Angesichts der zuvor genannten Kriterien war nach dem Eingang des Gutachtens bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung ein Zeitraum von drei Monaten bis Anfang November 2018 zu dessen Prüfung sowie zur Prüfung der weiteren Sachbehandlung zuzubilligen. Mithin kam es mangels verfahrensfördernder Handlungen zu einer Verzögerung des Strafverfahrens von neun Monaten von Anfang November 2018 bis Anfang August 2019.
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Am 23.09.2019 erfolgte seitens der Staatsanwaltschaft eine telefonische Sachstandsanfrage hinsichtlich des beauftragten ergänzenden Schmauchspurengutachtens. Dieses wurde am 17.10.2019 fertiggestellt. In der Folge gab die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 15.11.2019 weitere Ermittlungen bei der Kriminalpolizei in Auftrag, verfügte am 25.11.2019 die Änderung des dem Angeklagten zur Last liegenden Schuldvorwurfs in Mord und beantragte am selben Tag – gestützt auf den Tatvorwurf des Mordes in Tateinheit mit dem Waffendelikt – Haftbefehl gegen den Angeklagten, welcher ebenso wie der darüber hinaus beantragte Durchsuchungsbeschluss vom Amtsgericht München am selben Tag erlassen wurde. Der Haftbefehl und der Durchsuchungsbeschluss wurden am 11.12.2019 vollzogen. In der Folge wurde das Verfahren stets dem in Haftsachen geltenden besonderen Beschleunigungsgebot entsprechend gefördert.
584
Insgesamt kam es in diesem Verfahren somit zu einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung von einem Jahr und zwei Monaten.
585
4. Es wird festgestellt, dass aufgrund einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von einem Jahr und zwei Monaten ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK vorliegt.
586
Unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Tatvorwurfs, Umfang und Schwierigkeit der Sache sowie des Umstands, dass sich der Angeklagte in den von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung betroffenen Zeiträumen nicht in Haft befand und – abgesehen von der Ungewissheit über den Ausgang des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich der beiden ihm tateinheitlich zur Last liegenden damaligen Tatvorwürfe der fahrlässigen Tötung und des Waffendelikts sowie der Belastung durch die bei den Durchsuchungen erfolgten Sicherstellungen – keinen besonderen Belastungen ausgesetzt war, hielt die Strafkammer eine Kompensation von 3 (drei) Monaten für angemessen.
587
Die Strafkammer ordnete deshalb an, dass von der Mindestverbüßungsdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe 3 (drei) Monate als vollstreckt gelten.
G. Maßregel der Besserung und Sicherung
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Eine Maßregel der Besserung und Sicherung war gegen den Angeklagten nicht zu verhängen.
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Die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) liegen nicht vor. Der Angeklagte hat schon keinen Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen.
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Wie der psychiatrische Sachverständige PD Dr. S… auch insoweit überzeugend ausführte, liege beim Angeklagten keine Substanzkonsumstörung vor, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten wäre und fortdauern würde.
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Das Schwurgericht schloss sich aufgrund eigener Überzeugungsbildung den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen an.
592
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO. Die vom Angeklagten nach § 465 Abs. 1 StPO zu tragenden Kosten des Verfahrens umfassen auch die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten (Meyer-Goßner, StPO, 66. A., § 473 Rn. 14, 15 m.w.N.; Löwe-Rosenberg / Hilger, StPO, 26. A., § 473 Rn. 12). Die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Nebenklägers sind entsprechend von den vom Angeklagten nach § 472 Abs. 1 StPO zu tragenden notwendigen Auslagen des Nebenklägers umfasst.