Inhalt

LG Würzburg, Endurteil v. 01.02.2023 – 21 O 2063/21
Titel:

Online-Sportwetten, Sportwettenangebot, Glücksspielaufsichtsbehörde, Elektronisches Dokument, Sittenwidrigkeit, Gesetzliches Verbot, Verbrauchergerichtsstand, Informatorische Anhörung, Internationale Zuständigkeit, Dienstleistungsfreiheit, Erlaubnisvorbehalt, Streitwert, Bereicherungsschuldners, Unionsrechtswidrigkeit, Elektronischer Rechtsverkehr, Rechtsmißbrauch, Glücksspielstaatsvertrag, Online-Glücksspiel, Zahlungsdienstleister, Rechtshängigkeit

Schlagworte:
Zuständigkeit, Verbrauchergerichtsstand, Nichtigkeit des Vertrages, Verbot von öffentlichen Glücksspielen, Rückzahlungsanspruch, Ausschluss der Rechtsmissbräuchlichkeit, Verjährung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 51352

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 79.998,66 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.04.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Klagepartei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 79.998,66 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Wetteinsätzen bei Online-Sportwetten in Anspruch.
2
Die in … ansässige Beklagte ist ein Unternehmen, das im Internet Online-Sportwetten anbietet.
3
Die Beklagte verfügt seit … über eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Sportwetten.
4
Der Kläger nahm an den von der Beklagten angebotenen Sportwetten teil.
5
Die Beklagte verfügte über eine Lizenz der … Glücksspielaufsichtsbehörde (K2), nicht aber über eine Erlaubnis der deutschen Behörden.
6
Der Kläger trägt unter Bezugnahme auf eine Kontoübersicht (K3) vor, in der Zeit vom 21.01.2017 bis 29.12.2019 Wettbeträge in Höhe von 233.149,78 € an die Beklagte geleistet und im gleichen Zeitraum Auszahlungen in Höhe von 153.151,12 € erhalten zu haben. Den Unterschiedsbetrag in Höhe von 79.998,66 € macht der Kläger als Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte geltend.
7
Die Beklagte habe über dieselbe Intemetdomain auf andere Glücksspiele verwiesen und auf das Online-Casino … verlinkt. Ein Wechsel zwischen dem Sportwetten- und im Casinobereich der Internetseite sei durch einfaches Klicken in einem oben sichtbaren Reiter auf der Internetseite erfolgt.
8
Der Kläger trägt vor, abends nach der Arbeit und überwiegend am Wochenende von seinem Wohnort aus, an einigen Tagen auch aus dem Bundesland … heraus, gewettet zu haben.
9
Er schätze sich selbst als spielsüchtig ein, habe mittlerweile allerdings keinerlei Wetten mehr getätigt. Er sei u.a. angesichts der Werbepräsenz davon aus, dass es sich um legale Online-Glücksspiele handele.
10
Der Kläger ist der Ansicht, das angerufene Gericht sei international zuständig. So sei vorliegend der Verbraucher Gerichtsstand gemäß Art. 17 Absatz 1c EGV VO gegeben. Der Kläger sei Verbraucher in diesem Sinne, da er die Verträge über die Teilnahme an den von der Beklagten betriebenen Sportwetten ausschließlich zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient.
11
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der erlittenen Verluste gemäß § 812 BGB, sowie gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 GlüStV, § 284 StGB zu. Die mit der Beklagten geschlossenen Spielverträge seien gemäß § 134 BGB nichtig.
12
Der Beklagten sei es vor der Konzessionserteilung am … generell verboten gewesen, Sportwetten anzubieten, da sie bis dahin keine Erlaubnis im Sinne von § 4 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5 GlüStV hatte. Seinem Zahlungsanspruch könne weder die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB, noch § 242 BGB entgegengehalten werden.
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Hilfsweise begehrt der Kläger von der Beklagten diejenigen Einzahlungen zurück, welche er unter Überschreitung des Einzahlungslimits gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV von 1.000 € pro Monat, erbrachte. Diese beziffert er auf 44.998,66 €.
14
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 79.998,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 44.998,66 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt
kostenpflichtige Klageabweisung.
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Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Der Kläger habe seine Verbrauchereigenschaft nicht nachgewiesen. Zudem setze Art. 17 EGVVO den Abschluss eines wirksamen Vertrages voraus, dessen Vorliegen jedoch von Seiten des Klägers bestritten werde.
17
Das Fehlen einer Konzession führe nicht zur Illegalität des Sportwettangebotes. Aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit des vom Gesetzgeber 2008 geschaffenen allgemeinen Internetverbotes sei das Angebot der Beklagten legal gewesen. Nachdem es den Bundesländern über mehr als 8 Jahre nicht gelungen sei die nach dem GlüStV 2012 möglichen Konzessionen auszugeben, könne das Fehlen einer solchen Sportwettkonzession der Beklagten nicht entgegengehalten werden.
18
Die Beklagte selbst biete nur Sportwetten an. Sie veranstaltete keine Online-Casino-Spiele.
19
Ein Verstoß gegen den Erlaubnisvorbehalt des GlüStV 2012 könne der Beklagten nicht entgegen gehalten werden. Wegen der unionsrechtswidrigen Durchführung des damaligen Verfahrens zur Erteilung einer Sportweltkonzession und dem darauf beruhenden Scheitern dieses Verfahrens habe sich der Konzessionsvorbehalt in der Vergangenheit über Jahre hinweg als unwirksam erwiesen. Zudem habe die für die bundesweite Erteilung zuständige Konzessionsgesetze, das Regierungspräsidium D., de facto eine Duldung erklärt.
20
Die Wettverträge seien weder gemäß § 134 BGB nichtig, noch liege ein Verstoß gegen § 284 StGB vor. Das Angebot der Beklagten sei zudem lizenzierungsfähig gewesen. Vor Konzessionserteilung habe die Beklagte nicht gegen die Limit-Vorschrift des § 4 Abs. 5 Ziff. 2 GlüStV 2012 verstoßen. Ein Verstoß gegen das Trennungsgebot liege ebenfalls nicht vor; die Beklagte habe mit der … kein gemeinsames Angebot bereit gehalten.
21
Ein möglicher Anspruch des Klägers beziffere sich allenfalls auf 73.846,16 €.
22
Eventuelle Ansprüche seien jedenfalls in Teilen verjährt. Solchen stünde § 817 S. 2 BGB, sowie § 762 I BGB entgegen.
23
Hinsichtlich des weiteren Vortrags und die von den Parteien vertretenen Rechtsauffassungen wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
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Die Klage ist zulässig.
25
Das Landgericht Würzburg ist gemäß § 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich, sowie nach Art. 18 Abs. 1 EUGVVO international und örtlich zuständig. Der Kläger handelte als Verbraucher gemäß Art. 17 Abs. 1 c EUGVVO. Der Verbraucher kann wegen Streitigkeiten aus einem Vertrag an seinem Wohnsitz einen Vertragspartner verklagen, wenn dieser in dem Mitgliedstaat in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat ihr gewerbliches Angebot der Veranstaltung von Glücksspielen unter anderem auf Deutschland ausgerichtet, was sich insbesondere daraus ergibt, dass sie ihr Angebot auch in deutscher Sprache bereit und für Besucher der Seite in Deutschland zur Verfügung stellte.
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Der Kläger hat als Verbraucher im Sinne des Art. 17 Abs. 1 c EUGVVO die Sportwettverträge geschlossen. Er hat an den Sportwetten im Rahmen seiner privaten Freizeitgestaltung teilgenommen; diese stehen nicht im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit. Damit kann der Vertragszweck nicht der beruflichen oder gewerblichen Sphäre zugerechnet werden. Unerheblich ist insoweit, dass sich der Kläger auf die Nichtigkeit der Sportwettverträge beruft und ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung und damit keinen vertraglichen Anspruch geltend macht. Der Verbrauchergerichtsstand umfasst auch nicht-vertragliche Anspruchsgrundlagen, soweit sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 05.10.2010 – VI ZR 159/09, NJW 2011, 532). Die Norm ist zudem unter teleologischen Gesichtspunkten dahingehend auszulegen, dass diese auch bei Geltendmachung der Nichtigkeit des Vertrages durch den Verbraucher anzuwenden ist, da er in dieser Situation ebenfalls schutzbedürftig ist.
B.
27
Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § § 134 BGB, 4 Abs. 4 GlüStV (2012) zu.
28
I. Gemäß Art. 6 Abs. 1 b) Rom-I-VO kommt deutsches Recht zur Anwendung. Bei Verträgen mit Verbrauchern ist das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies betrifft auch die Beurteilung der Wirksamkeit des Vertrages sowie etwaige Folgen der Nichtigkeit, einschließlich der bereicherungsrechtlichen Folgen (OLG Frankfurt a.M. Beschl. v. 8.4.2022 – 23 U 55/21, BeckRS 2022, 12872 Rn. 43).
29
II. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Wetteinsätze (nach Abzug von ihm erhaltener Auszahlungen) gem. § 812 I S. BGB zu. Die Einsätze wurden ohne Rechtsgrund geleistet. Die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge verstießen im hier maßgeblichen Zeitraum gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012, wonach das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele, wovon auch Sportwetten umfasst werden, verboten ist und sind gem § 134 BGB nichtig.
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1. Zwar wurde der Beklagten zum … eine entsprechende Lizenz erteilt.
31
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage des Gesetzesverstoßes ist derjenige der Vornahme des Rechtsgeschäfts (BGH, Urt. v. 23.02.2012 – 1 ZR 231/10 –, WRP 2012, 1226 m.w.N.; Grüneberg-Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 134 Rn. 12a m.w.N.), hier also der Zeitraum von Januar 2017 bis Dezember 2019, in dem die Beklagte ihr Online-Angebot dem Kläger zur Verfügung stellte und welches der Kläger wahrnahm. Auf eine etwaige spätere Legalisierung kommt es von vornherein nicht an kann, weil damit keine rückwirkende Heilung in der Vergangenheit abgeschlossener Verträge mit einem Spieler verbunden ist (vgl. OLG Frankfurt, BeckRS 2022, 12872).
32
2. Gem. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 war das Veranstalten von öffentlichen Glücksspielen im Internet verboten. Dieses Verbot umfasste auch Sportwetten. § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 sah einen Erlaubnisvorbehalt vor. Über eine solche Erlaubnis verfügte die Beklagte im hier streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig nicht.
33
Sowohl das Internetverbot als auch der Erlaubnisvorbehalt stehen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit höherrangigem Recht in Einklang (s. BVerwG, Urt. v. 26.10.2017 – 8 C 18/16, BGH GRUR 2012, 193).
34
Dieser Annahme steht auch die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV für die Veranstaltung von Online – Sportwetten nicht entgegen (OLG Frankfurt a.M. Beschl. vom 8.4.2022 – 23 U 55/21, BeckRS 2022, 12872, Rn. 45 ff.). Der Eingriff in diese Dienstleistungsfreiheit war zur kohärenten und systematischen Förderung der mit ihm verfolgten Gemeinwohlzwecke geeignet und hielt sich in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit. Dabei steht es grundsätzlich den Mitgliedstaaten zu, das nationale Schutzniveau selbst zu bestimmen. (BVerwG, Urt. v. 26.07.2017 – 8 C 18/16, NVwZ 2018, 895). Auch der BGH geht unter Bezugnahme auf die genannte Entscheidung des BVerwG von der fortbestehenden Unionsrechtskonformität der Regelungen in § 4 Abs. 1 und 4 GlüStV 2012 aus (s. BGH, Urt. v. 22.07.2021 – 1 ZR 194/20 –, Rn. 45, GRUR 2021, 1534), ebenso die obergerichtliche Rechtsprechung (OLG München, Beschluss vom 20.09.2022 – 18 U 538/22; OLG Dresden Urteil vom 06.10.2022 – 10 U 736/22, OLG Köln Urt. vom 31.10.2022 – 19 U 51/22). Das erkennende Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung an.
35
Entgegen der Ansicht der Beklagtenpartei folgt ein anderes Ergebnis auch nicht aus der Ince-Entscheidung des EuGH (EuGH Urt. Vom 04.02.2016 – C-336/14). Die Auffassung der Beklagtenpartei, aus dieser Rechtsprechung folge eine Unanwendbarkeit der Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV, geht zu weit und verkennt den wesentlichen Inhalt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die Entscheidung des EuGH befasst sich mit der Vereinbarkeit des in der GlüStV (a.F.) niedergelegten Konzessionsvergabeverfahren mit Unionsrecht. Aus der Rechtsprechung geht zwar hervor, dass das konkret gesetzlich vorgesehene Vergabeverfahren nicht mit Unionsrecht zu vereinbaren war, eine Unionsrechtswidrigkeit des § 4 Abs. 4 GlüStV selbst bzw. dessen Unanwendbarkeit wurde aber gerade nicht festgestellt. Vielmehr wird in dieser Entscheidung nur festgestellt, dass Art. 56 AEUV einer Ahndung durch die Strafverfolgungsbehörden in diesen Fällen entgegensteht. Ob dies auch zu einer Unanwendbarkeit der Vorschrift im nationalen Zivilrecht führt, ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung. Zutreffend hat das Landgericht Konstanz zudem in seinem Urteil vom 13.12.2022 (K20) hierzu festgestellt, dass die Auffassung der Beklagten ist zudem mit dem Schutzzweck des § 4 GlüStV nicht zu vereinbaren sei (vgl. Zur parallelen Fragestellung in Bezug auf das Verwaltungsrecht auch BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16 –, juris Rn. 16)
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3. Im Zeitpunkt der Wetteinsätze des Klägers kann nicht von einer rechtlich relevanten Duldung des Sportwettenangebots der Beklagten durch Verwaltungshandeln ausgegangen werden. Auch wenn durch die zuständigen Verwaltungsbehörden keine Untersagung erfolgte, bedeutet dies nicht, dass die Beklagte ein mit allen rechtlichen Konsequenzen zulässiges Angebot betrieben hat. Allein aus dem Umstand, dass gegen das Angebot von Online-Glücksspielen nicht eingeschritten wird, bedeutet nicht, dass das Angebot entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des geltenden Gesetzes als legal anzusehen ist mit allen damit einhergehenden – auch zivilrechtlichen – Folgen.
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Der zivilrechtliche Schutz für private (natürliche oder juristische) Personen einerseits und die verwaltungsbehördliche Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten andererseits stehen grundsätzlich unabhängig nebeneinander. Die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche (hier aus §§ 812 Abs. 1, § 134 BGB, § 4 Abs. 4 GlüStV 2011) hängt nicht davon ab, ob Verwaltungsbehörden öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten durchsetzen. Die Beklagte kann sich daher gegenüber dem Kläger nicht darauf berufen, die zuständige Verwaltungsbehörde sei gegen den von ihr begangenen Gesetzesverstoß nicht vorgegangen, sondern habe ihn geduldet (OLG Dreseden Urteil vom 06.10.2022 – 10 U 736/22 m.w.N.).
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Auch das Vorbringen der Beklagten, eine Erlaubnis sei wegen der europarechtswidrigen Durchführung des Konzessionsverfahrens trotz Vorliegen der Voraussetzungen hierfür über Jahre nicht erteilt worden, führt nicht dazu, dass vom Vorliegen einer solchen Erlaubnis faktisch auszugehen ist. Ist eine behördliche Erlaubnis Voraussetzung für ein legales Tätigwerden, führt auch ein ggf rechtswidriges behördliches Verfahren nicht zu einer fiktiven Erlaubnis, die das Handeln trotz bestehenden ausdrücklichen Verbotes legalisiert.
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4. Der Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV führt zur Unwirksamkeit des gesamten Spielvertrages gemäß § 134 BGB. Das Veranstalten und Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen im Internet ist nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 grundsätzlich verboten. Diese Regelung stellt nach ihrem eindeutigen Wortlaut ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar.
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Der BGH hat in seinem Beschluss vom 13.09.2022 (IX ZR 515/21) hinsichtlich eines Verstoßes eines Zahlungsdienstleisters gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 folgendes ausgeführt:
„Die Frage, ob der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, ist, wenn – wie bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 – eine ausdrückliche Rechtsfolgenregelung fehlt, nach dem Zweck des Verbotsgesetzes zu beantworten. Dabei hat der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz in der Regel die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nur dann zur Folge, wenn sich das Verbot gegen beide Seiten richtet (BGH, Urteile vom 10. Juli 1991 – VIII ZR 296/90, BGHZ 115, 123, 125, vom 14. Dezember 1999 – X ZR 34/98, BGHZ 143, 283, 287, vom 25. Juli 2002 – III ZR 113/02, BGHZ 152, 10, 11 f. und vom 17. Juni 2004 – III ZR 271/03, BGHZ 159, 334, 341 f.). In besonderen Fällen kann sich die Nichtigkeit allerdings auch aus einem einseitigen Verstoß ergeben, falls nämlich der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen ist und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden darf (Senatsurteil vom 20. Januar 2004 – XI ZR 53/03, WM 2004, 468, 469; BGH, Urteile vom 10. Juli 1991, a.a.O., vom 25. Juli 2002, a.a.O. und vom 17. Juni 2004, a.a.O.). Eine solche Ausnahme liegt etwa vor, wenn der angestrebte Schutz des Vertragspartners die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert (BGH, Urteil vom 17. Mai 1979 – III ZR 118/77, WM 1979, 1035) oder wenn der Erfüllungsanspruch auf eine unerlaubte Tätigkeit gerichtet ist (BGH, Urteil vom 25. Juni 1962 – VII ZR 120/61, BGHZ 37, 258, 262). Reicht es dagegen aus, dem gesetzlichen Verbot durch verwaltungs- bzw. strafrechtliche Maßnahmen Nachdruck zu verleihen, so hat die zivilrechtliche Sanktion der Nichtigkeit daneben keinen Platz (BGH, Urteil vom 19. Januar 1984 – VII ZR 121/83, BGHZ 89, 369, 373).“
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In dieser Entscheidung ist der Bundesgerichtshof angesichts der inhaltlichen Entwicklung des GlüStV zum Ergebnis gelangt, dass der Verstoß des Zahlungsdienstleisters nicht zur Nichtigkeit der Autorisierung führt und begründet dies wie folgt:
„§ 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 beinhaltet ein einseitig an den Zahlungsdienstleister gerichtetes Verbot, an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel mitzuwirken. Der Zahlungsdienstnutzer, der durch seine Autorisierung die Zahlungen zwar bewirkt, hieran aber nicht mitwirkt, ist dagegen nicht Normadressat (Hendricks/Lüder, ZfWG 2020, 216, 221; Rock, RdZ 2020, 115, 118). Der Zweck des gesetzlichen Verbots richtet sich nach den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags 2011, der gemäß § 1 Satz 1 GlüStV 2011 gleichrangig der Bekämpfung der Spielsucht (Nr. 1), der Kanalisation der Spiel- und Wettnachfrage auf legale Angebote (Nr. 2), dem Jugend- und Spielerschutz (Nr. 3) und der Bekämpfung der Begleit- und Folgekriminalität (Nr. 4) dient.
Zur Verfolgung dieser Ziele ist § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 nach Maßstäben des öffentlichen Rechts als Verbotsnorm verfasst, der mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 eine entsprechende Befugnisnorm zur Seite gestellt ist. Sie ermöglicht die Inanspruchnahme der am Zahlungsverkehr Beteiligten – „insbesondere die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute einschließlich E-Geldlnstitute“ (vgl. LT-BW-Drucks. 15/849, S. 44; LT-Bay-Drucks. 16/11995, S. 27; LT-Bln-Drucks. 17/0313, S. 71 f.; LT-Nds-Drucks. 16/4795, S. 85) – als verantwortliche Störer, sofern ihnen zuvor die Mitwirkung an unerlaubten Glücksspielangeboten von der Glücksspielaufsichtsbehörde mitgeteilt worden ist. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, liegt darin eine Erweiterung der Eingriffsbefugnisse der Glücksspielaufsichtsbehörde gegenüber der Rechtslage unter Geltung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30. Januar 2007, der eine dem § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 entsprechende Verbotsnorm noch nicht beinhaltet hatte, weshalb die Beteiligten nur als Nichtstörer in Anspruch genommen werden konnten. Als Ausgleich für diese Erweiterung sind die einschränkenden Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 eingeführt worden (Hendricks/Lüder, ZfWG 2020, 216, 220; gegen eine kombinierte Lesart: Reeckmann, ZfWG 2020, 179, 180; Rock, ZfWG 2019, 412, 413; ders., ZfWG 2019, 427, 431).
Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Willen der Landesgesetzgeber, dass beide Vorschriften in einem Zusammenhang zu sehen seien (vgl. LT-BWDrucks. 15/849, S. 34 und 44; LT-Bay-Drucks. 16/11995, S. 21 f. und 27; LT-BlnDrucks. 17/0313, S. 59 und 71 f.; LT-Nds-Drucks. 16/4795, S. 76 und 85). Soweit das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport, die gemeinsame Glücksspielaufsichtsbehörde der Länder nach § 9 a Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2011, namens der niedersächsischen Landesregierung im Jahr 2015 dagegen die Rechtsauffassung vertreten hat, dass § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 lediglich an das Verbot unerlaubten Glücksspiels anknüpfe und es nicht auf eine Untersagungsverfügung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 ankomme (LT-Nds-Drucks. 17/3683, S. 3), kann die Revision hieraus nichts für sie Günstiges herleiten. Diese rechtliche Beurteilung ist nicht geeignet, den von den Landesgesetzgebern beschlossenen Ratifizierungsgesetzen zum Glücksspielstaatsvertrag 2011 nachträglich einen womöglich anderen Zweck beizulegen.
Die geschilderten Zusammenhänge lassen somit auf den gesetzgeberischen Willen schließen, dass durch § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 nicht in das zivilrechtliche Schuldverhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer eingegriffen werden soll. Die Interessen des Spielers gebieten es in diesem Zusammenhang nicht, ihn durch die Nichtigkeit der von ihm bewirkten Autorisierung vor den wirtschaftlichen Folgen des Glücksspiels zu schützen. Denn ein drohender Vermögensschaden resultiert gerade nicht aus dem Verbot unerlaubten Glücksspiels, an das § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 tatbestandlich anknüpft, sondern aus dem jedem Glücksspiel immanenten Risiko, dass Gewinne oder Verluste ungewiss und rein zufällig sind. Darin liegt das Wesen des Glücksspiels (BGH, Urteile vom 18. April 1952 – 1 StR 739/51, BGHSt 2, 274, 276 und vom 8. August 2017 – 1 StR 519/16, ZfWG 2017, 502 Rn. 11 m.w.N.).“
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Der Bundesgerichtshof stellt für seine Einschätzung maßgeblich auf die Erweiterung der Eingriffsbefugnisse der Glücksspielaufsichtsbehörde gegenüber Finanzdienstleistern im Vergleich zur Rechtslage unter Geltung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30. Januar 2007, der eine dem § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 entsprechende Verbotsnorm noch nicht beinhaltet hatte, weshalb die Finanzdienstleister nur als Nichtstörer in Anspruch genommen werden konnten, ab. Als Ausgleich für diese Erweiterung seien die einschränkenden Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 eingeführt worden, was durch entsprechende Gesetzesmaterialien belegt werde. Maßgeblich aufgrund dieser Zusammenhänge hält der BGH eine Nichtigkeitsfolge bei Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 nicht für gegeben.“
43
Bei einem Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV trifft diese Argumentation nicht zu.
44
Auch enthält § 9 GlüStV keine einschränkenden Anforderungen an behördliche Anordnungen gegenüber Anbietern von Internet-Glücksspielen.
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Vielmehr erfordert hier der Schutz der Spielenden die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts.
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Das Intemetverbot verfolgt legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität. Es ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können (BVerwG Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16).
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Dieser dargestellte Schutzzweck des Glücksspielstaatsvertrages gebietet es, dass zur effektiven Durchsetzung des darin enthaltenen Verbotes des Angebots von öffentlichen Glücksspielen im Internet und zum Schutz des Verbrauchers aus einem Verstoß des Anbieters nicht nur öffentlich-rechtliche Konsequenzen, sondern auch die Nichtigkeit der privatrechtlich abgeschlossenen Verträge folgt.
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Ob daneben – wie von der Klägerseite behauptet – auch Verstöße gegen § 4 Abs. 5 Nr. 2 und Nr. 5 GlüStV zur Nichtigkeit gemäß § 134 BGB führen ist vorliegend nicht zu entscheiden.
49
5. Dem Kläger steht gem. § 812 I BGB i.V.m. §§ 134 BGB, § 4 Abs. 4 GlüStV ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 79.998,66 € zu.
50
Der Kläger hat seinen Anspruch unter Bezugnahme auf die unter K3 vorgelegte Kontoübersicht mit 79.998,66 € beziffert, wobei die Kontoübersicht Ein- und Auszahlungen vom 21.01.2017 bis 29.12.2019 enthält. Nach der von der Beklagten unter B9 vorgelegten Kontoübersicht vom 19.03.2016 bis 29.12.2019 errechnet sich ein Saldo von 73.846,16 €. Der Unterschied resultiert aus der Berücksichtigung von Ein- und Auszahlungen des Klägers durch die Beklagte für das Jahr 2016. Der Kläger hat mittels der Klagebegründung den streitrelevanten Einzahlungszeitraum für die Jahre 2017 bis 2019 zum Verfahrensgegenstand gemacht. Soweit die Beklagte mit ihrer Kontoübersicht B9 den Zahlzeitraum 2016 bis 2019 zugrundelegt, hat dies vorliegend keine Auswirkungen auf den zuzusprechenden Betrag. Der Kläger hat in zulässiger Weise Rückzahlungsansprüche erst ab 2017 zum Verfahrensgegenstand gemacht, was möglicherweise im Hinblick darauf geschehen ist, dass die Auszahlungen an den Kläger im Jahre 2016 die Einzahlungen überstiegen. Allein die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung ab 2016 führt jedoch nicht dazu, dass dieser Zeitraum streitgegenständlich wird. Um diesen in eine „Saldierung“ einzubeziehen, hätte die Beklagte ihre (eventuellen) Rückforderungsansprüche aus dem Jahr 2016 mittels Aufrechnung oder Widerklage zum Gegenstand dieses Verfahrens machen müssen, was nicht geschehen ist.
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6. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist nicht gem. § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob auch der Kläger durch seine Einzahlungen objektiv gegen § 4 GlüStV oder sonstige gesetzliche Vorschriften verstoßen hat. Jedenfalls fehlt es an den subjektiven Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB. Ob die Kondiktionssperre in Fällen wie dem vorliegenden bereits nach dem Schutzzweck der verletzten Normen nicht zur Anwendung kommen kann (so OLG München Beschl. v. 20.9.2022 – 18 U 538/22, BeckRS 2022, 30008, Rn. 21) kann vorliegend dahinstehen.
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§ 817 S. 2 BGB setzt voraus, dass der Leistende vorsätzlich, also bewusst verbotswidrig oder sittenwidrig gehandelt hat; dem steht es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (BGH ZInsO 2022, 309 = BeckRS 2021, 41083; NJW 2013, 401; NJW 2005, 1490). Denn wer von den Folgen seines Tuns oder vor dessen Bewertung geradezu die Augen verschließt, muss es sich gefallen lassen, wie ein bewusst Handelnder behandelt zu werden (BGH NJW 1983, 1420). Soweit es um die Erkenntnis der Sittenwidrigkeit geht, reicht es in der Regel aus, dass der Leistende alle Tatsachen kennt, die die Sittenwidrigkeit seines Handelns ausmachen; soweit dagegen – wie hier – ein Gesetzesverstoß des Leistenden in Rede steht, kann die Existenz der verschiedenartigsten Verbotsgesetze nicht ohne Weiteres und generell als bekannt vorausgesetzt werden. Vielmehr ist die Kenntnis gerade des Verbotsgesetzes festzustellen, soweit dieses nicht als allgemein bekannt angesehen werden darf (MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl., BGB § 817 Rn. 87 m.w.N.; ähnl. OLG München 22.11.2021 – 5 U 5491/21, BeckRS 2021, 55957). Es war Sache der als Bereicherungsschuldnerin in Anspruch genommenen Beklagten, die Voraussetzungen der rechtshindernden Einwendung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, mithin auch, dass dem Kläger ein im o.g. Sinne bewusster Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 817 S. 2 BGB zur Last fällt (vgl. OLG Braunschweig 3.12.2021 – 8 W 20/21, BeckRS 2021, 55956; OLG Hamm ZfWG 2022, 91 = BeckRS 2021, 37639; MüKoBGB/Schwab BGB § 817 Rn. 89 m.w.N.).
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Der Kläger hat in seiner informatorischen Anhörung angegeben über entsprechende Werbung durch bekannte Sportler wie … auf die Beklagte aufmerksam geworden zu sein. Er habe erstmals bei der Kontaktaufnahme mit der Rechtsanwaltskanzlei davon gehört, dass Sportwetten angeblich illegal seien. Vorher habe er dies in keiner Weise mitbekommen. Auf einen solchen Gedanken sei er gar nicht gekommen, zumal die Sportwetten u.a. in … beworben worden seien. Diese Angaben sind für das Gericht nachvollziehbar und plausibel. Seitens der Beklagten wird eine mangelnde Kenntnis des Klägers lediglich bestritten. Es erfolgt jedoch kein substantiierter Vortrag, woraus sich eine Kenntnis des Klägers ergibt. Der Vortrag, dass über die rechtliche Einordnung von Online-Sportwettenangeboten schon 2016 prominent in der … Zeitung berichtet wurde, reicht hierzu in keiner Weise aus.
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Nachdem die Beklagte selbst nach wie vor der Meinung ist, das Anbieten der Sportwetten sei in legaler Weise erfolgt, ist nicht nachzuvollziehen, wie eine Gesetzeswidrigkeit für den Kläger erkennbar gewesen sein soll.
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7. Die Rückforderung ist vorliegend nicht gemäß § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setzt eine Wirksamkeit des Spiel- und Wettvertrags voraus. Unwirksam sind insbesondere solche Spiele und Wetten, die – wie hier – gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen (Haertlein, in: BeckOGK, 01.04.2022, BGB, § 762 Rn. 116).
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8. Das Rückzahlungsbegehren scheitert auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt eines verbotenem „venire contra factum proprium“.
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Angesichts des eigenen gesetzwidrigen Handelns ist die Beklagte schon nicht – jedenfalls nicht im Verhältnis zu ihrem Kunden – vorrangig schutzwürdig (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.2021 – 12 W 13/21, ZfWG 2022, 91), zumal sie selbst den Weg zur Teilnahme an dem Online-Glücksspiel eröffnet hat, der Kläger sich den Zugang nicht etwa erschlichen hat und im Übrigen auch bereit ist, sich die Gewinne anrechnen zu lassen (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2021 – 8 W 20/21 –, Anlage BE21, Anlagenband II). Abgesehen davon schafft § 817 S. 2 BGB in Fällen wie dem vorliegenden bei beiderseitigem Gesetzesverstoß bereits einen angemessenen Ausgleich im Sinne des Bereicherungsschuldners, so dass das Ergebnis der Anwendung des § 817 S. 2 BGB in der Regel – so auch hier – nicht über § 242 BGB in sein Gegenteil verkehrt werden darf (OLG Frankfurt a.M. Beschl. v. 8.4.2022 – 23 U 55/21, BeckRS 2022, 12872, Rn. 57).
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9. Ansprüche des Klägers sind schließlich auch nicht verjährt, §§ 195, 199 BGB. Denn der Kläger hat schlüssig und seitens der Beklagten nicht erheblich bestritten dargetan, dass er erst im Jahr 2020 nach Kontaktierung der Rechtsanwälte von der möglichen Unwirksamkeit der mit der Beklagten geschlossenen Verträge erfahren habe.
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Die regelmäßige Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Insoweit kommt es vorliegend auf den Zeitpunkt an, zu dem der Antragsteller Kenntnis von der Illegalität des Online-Glückspiels erlangt hat (OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.2021 – 12 W 13/21, BeckRS 2021, 37639 Rn 27). Die Beweislast für das Vorliegen der Verjährungsvoraussetzungen trifft den Beklagten. Der Kläger hat in seiner informatorischen Anhörung für das gericht überzeugend dargestellt, dass er von der Möglichkeit der Illegalität von Sportwetten erst 2020 im Kontakt mit dem Anwalt erfahren hat.
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III. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 BGB.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Streitwert wurde in Höhe des geltend gemachten Zahlbetrages festgesetzt.