Inhalt

SG München, Beschluss v. 22.03.2023 – S 38 KA 11/23 ER
Titel:

Rückforderung im Rahmen der Abrechnung von Coronatests

Normenketten:
SGG § 86b Abs. 1
TestV § 7, § 11
Vorgaben KBV-LE
Leitsätze:
1. Bei summarischer Prüfung im Rahmen eines Antragsverfahrens nach § 86b Abs. 1 Ziff. 2 SGG sind die Vorgaben der KBV für die Leistungserbringer (Vorgaben KBV-LE), hier die Beschaffung und Abrechnung nach 1.3.1 KBV-LE mit den Vorschriften der Coronavirus-Testverordnung (§ 11) zu vereinbaren. (Rn. 16 – 18)
2. Maßgeblich für die Erstattung der Kostenpauschalen sind nicht die selbst beschafften Tests, sondern die tatsächlich genutzten PoC-Antigen-Tests. (Rn. 17)
1. Auch wenn der KBV vom Verordnungsgeber der TestV die Befugnis übertragen wurde, das Nähere auch zur Beschaffung und Abrechnung festzulegen, ist diese nicht befugt, von der TestV inhaltlich abzuweichen oder der TestV widersprechende Regelungen zu schaffen. Wäre dies der Fall, sind die Regelungen der TestV auf jeden Fall als vorrangig anzusehen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch nach der TestV besteht zwischen den Sachkosten einerseits und den erbrachten Leistungen andererseits ein Zusammenhang. Die Sachkosten sind somit nicht losgelöst von den erbrachten Leistungen. Eine andere Sichtweise hätte zur Folge gehabt, dass Leistungserbringer theoretisch allein für die Beschaffung von Tests Pauschalen in unbegrenzter Höhe hätten abrechnen können. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Coronavirus-TestV, Test, Coronavirus, SARS-CoV-2, Leistungserbringer, Sachkosten, erbrachte Leistungen, Rückforderungsbescheid
Fundstelle:
BeckRS 2023, 5133

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Rückforderungsbescheid der Antragsgegnerin wird abgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
1
Mit Schreiben vom 13.01.2023 beantragte der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13.01.2023 gegen den Rückforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 11.01.2023 festzustellen bzw. anzuordnen.
2
Der Antragsteller war im Zeitraum vom 20.05.2021 bis 13.01.2022 als beauftragter nicht-ärztlicher Leistungserbringer im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz Nummer 2 Coronavirus-TestV berechtigt, die von ihm erbrachten Leistungen (§ 4a Coronavirus-TestV) und die Sachkosten (§ 11 Coronavirus-TestV) abzurechnen. So rechnete er auch für die Monate Juli, August, September und Oktober 2021 die von ihm erbrachten Leistungen und die Sachkosten ab. Die Zahlungsbescheide standen unter dem Vorbehalt der nachträglichen Korrektur und gegebenenfalls Rückforderung der abgerechneten Beträge. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 09.11.2022 mit, es seien Implausibilitäten aufgefallen und er werde um Stellungnahme und Korrektur der Abrechnungen bis 25.11.2021 gebeten. Das Schreiben der Antragsgegnerin kam als unzustellbar zurück und musste am 29.11.2022 erneut versandt werden. Daraufhin kontaktierte der Antragsteller die KVB per E-Mail am 08.12.2022. Er wies auf § 11 Coronavirus-TestV hin. Danach habe er für „selbstbeschaffte PoC-Antigen-Tests“ Anspruch auf eine Pauschale in Höhe von 3,50 € je Test.
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Die Antragsgegnerin erließ den Rückforderungsbescheid vom 13.01.2023. Unter Ziffer III. wurde die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet. Zur Begründung des Rückforderungsbescheides berief sich die Antragsgegnerin auf § 7a Abs. 5 S. 2 Coronavirus-TestV. Daraus ergebe sich die Berechtigung zur Rückforderung unrechtmäßig gewährter Vergütung. Die Plausibilitätsprüfung nach § 7a Abs. 1 Coronavirus-TestV betreffe nicht nur die Leistungen als solche, sondern auch die Sachkosten. Nach 1.3.1 der KBV-Vorgaben für Leistungserbringer (Vorgaben KBV-LE) rechneten die Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Coronavirus-TestV für Testungen nach den §§ 2, 3, 4 Abs. 1 Nr. 1 Coronavirus-TestV die tatsächlich genutzten PoC-Antigen-Tests oder Antigen-Tests zur Eigenanwendung und für Testungen nach § 4a Coronavirus-TestV die tatsächlich genutzten PoC-Antigen-Tests ab. Es sei festzustellen, dass die Anzahl der abgerechneten Sachkosten die Anzahl an abgerechneten Leistungen übersteige. Entsprechend der Zahl der abgerechneten Leistungen erfolge daher die Kürzung der Sachkosten. Außerdem führte die Antragsgegnerin aus, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten. Denn es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung i.S.d. § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG. Der Leistungserbringer habe trotz dessen festgestellter Missachtung der rechtlichen Vorgaben zur Abrechnung einen Geldbetrag in nicht unerheblicher Höhe erhalten. Diese finanziellen Mittel stammten aus dem Bundeshaushalt.
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Zur Begründung seines Antrags wiederholte der Antragsteller seine Auffassung, maßgeblich sei der Wortlaut von § 11 Coronavirus-TestV. Es handle sich um eine Verordnung des Bundes, die für alle Bundesländer und die Kassenärztlichen Vereinigungen bindend sei. Danach komme es für den Anspruch auf die Kostenpauschalen nicht auf die tatsächlich genutzten Tests, sondern auf die selbst beschafften Tests an. Die Vorgaben der KBV widersprächen dem Wortlaut des § 11 Coronavirus-TestV. Im Übrigen stehe in dem von ihm genutzten Abrechnungsportal der KVB genau der Hinweis auf § 11 TestV. Darauf habe er vertraut. Außerdem erschließe es sich ihm nicht, wie die Antragsgegnerin dazu komme, dass die Rückforderung von 840 € für ihn keine unzumutbare Härte darstelle.
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Zeitgleich mit der Antragstellung beim Sozialgericht München legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Rückforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 11.01.2023 über einen Betrag in Höhe von 840,01 € ein.
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In ihrer Erwiderung betonte die Antragsgegnerin, der Antrag auf gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei unbegründet. Die Anordnung des Sofortvollzugs im Rückforderungsbescheid sei rechtmäßig, da ein besonderes öffentliches Interesse bestehe. Es sei darauf hinzuweisen, dass dem Antragsteller die Beauftragung durch den zuständigen öffentlichen Gesundheitsdienst zum 13.01.2022 widerrufen wurde. Seither betreibe der Antragsteller keine Teststelle mehr für Bürgertestungen (§ 4a Coronavirus-TestV). Der Antragsteller habe auch den festgestellten Sachkosten-Überhang trotz Aufforderung nicht ausgeglichen oder einen Korrekturauftrag erteilt. Ein Vergütungsanspruch sei entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht gegeben. Denn aufgrund von § 7 Abs. 6 Nr. 3 und 4 Coronavirus-TestV sei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aufgegeben worden, das „Nähere“ über die Erfüllung der Pflichten der nach § 6 Abs. 1 berechtigten Leistungserbringer und sonstigen abrechnenden Stellen und die Erfüllung Erfüllung der Pflichten der Kassenärztlichen Vereinigungen zu regeln. Dies sei durch die Vorgaben der KBV für Leistungserbringer und für die Kassenärztlichen Vereinigungen geschehen. Nach Punkt 1.3.1 Ziffer 1 KBV-EL dürften nur solche PoC-Antigen-Tests im monatlich zu erwartenden Bedarf bestellt werden. Punkt 1.3.1 Ziffer 5 KBV-EL bestimme, dass Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Coronavirus-TestV die nach den Vorgaben der TestV für Testungen nach den §§ 2, 3 und 4 Abs. 1 Nummer 1 TestV tatsächlich genutzten PoC-Antigen-Tests oder Antigen-Tests zur Eigenanwendung abrechnen. Auch für Testungen nach § 4a TestV würden die tatsächlich genutzten PoC-Antigen-Tests abgerechnet. Damit ergebe sich weder aus der TestV, noch aus den Vorgaben der KBV, dass sämtliche beschafften PoC-Antigen-Tests abgerechnet werden könnten.
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Was die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Rückforderungsbescheides betreffe, bestehe ein öffentliches Interesse daran, zumal die Antragsgegnerin keine andere Möglichkeit habe, den Rückforderungsbetrag zu Gunsten des öffentlichen Vermögens auf andere Weise zu sichern. Der Antragsteller betreibe nämlich seit 13.01.2022 nach Widerruf der Beauftragung zur Durchführung von Testungen keine weitere Teststelle mehr und rechne keinerlei Leistungen und Sachkosten i.S.d. TestV ab.
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Das Gericht wies mit Schreiben vom 23.01.2023 auf die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Ziff. 2 SGG hin. Es komme auf die Erfolgsaussichten einer Klage an. Für den Fall, dass die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar seien, werde um Darlegung gebeten, woraus sich das Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei einem Rückforderungsbetrag in Höhe von 840 € ergebe.
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Beigezogen und Gegenstand der Entscheidung ist die Akte der Antragsgegnerin. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ist zulässig, jedoch nicht begründet.
11
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.01.2023 wurde ein Betrag in Höhe von 840,01 € zurückgefordert. Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Rechtsschutz kann der Antragsteller gem. § 86b Abs. 1 Ziff. 2 SGG erlangen, indem seitens des Gerichts die aufschiebende Wirkung angeordnet wird.
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Im Rahmen der summarischen Prüfung der Begründetheit des Antrags ist zu prüfen, ob die Interessen der Beteiligten eine sofortige Umsetzung notwendig machen oder es diesen eher entspricht, den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abzuwarten. Bei der Abwägung der gegenteiligen Interessen sind zunächst die Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren von Bedeutung. Leitlinie ist, dass bei einem offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakt, wenn der Betroffene in seinen subjektiven Rechten verletzt ist, das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnet. Denn am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, ist von einem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug auszugehen. In diesem Zusammenhang ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs und die Interessenabwägung in einem unauflösbaren Zusammenhang stehen und keine isoliert zu prüfenden Merkmale darstellen. Dies bedeutet, je größer die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung sind, umso geringere Anforderungen sind an das Interesse auf aufschiebende Wirkung zu stellen. Umgekehrt, je geringer die Erfolgsaussichten zu bewerten sind, umso schwerwiegender muss das Interesse des Adressaten des Verwaltungsaktes an der aufschiebenden Wirkung sein. Zu beachten ist auch die Wertung des Gesetzgebers. Hat der Gesetzgeber für bestimmte Fallgruppen bestimmt (§ 86a Abs. 2 Nr. 2 – 4 SGG), dass Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entfalten, ist daraus der grundsätzliche Vorrang des Vollziehungsinteresses herzuleiten. Auch wenn die Vorschrift des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG nicht direkt anwendbar ist – diese gilt nur bei Entscheidungen über Versicherung-, Beitragsund Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben – ist der Rechtsgedanke auch in den Fällen des § 86a Abs. 2 Ziffer 4 SGG entsprechend heranzuziehen (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.7.2013, Az L 11 KA 101/12 B). Dies bedeutet, dass im Rahmen der Interessenabwägung auch zu berücksichtigen ist, ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte. Gegebenenfalls kommt es auch auf wirtschaftliche Beeinträchtigungen an.
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Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines gegen den Rückforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 11.01.2023 eingelegten Widerspruchs.
14
Rechtsgrundlage für die Rückforderung ist § 7a Abs. 5 S. 2 TestV. Danach ist die Vergütung, wenn sie zu Unrecht gewährt wurde, durch Bescheid der Kassenärztlichen Vereinigung geltend zu machen oder zu verrechnen.
15
Die Antragsgegnerin hat Implausibilitäten zwischen der Abrechnung der Leistungen und Sachkosten festgestellt. Strittig zwischen den Beteiligten ist die Frage, ob der Antragsteller Anspruch auf die Pauschale von 3,50 € je beschafften Test im Abrechnungszeitraum 7/21 bis einschließlich 10/21 hat, oder, ob es auf die tatsächlich genutzten Tests ankommt.
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Nach § 11 TestV ist die Pauschale an die nach § 6 Abs. 1 berechtigten Leistungserbringer für selbst beschaffte PoC-Antigen-Tests zu zahlen. § 7 Abs. 6 Nr. 3 TestV regelt, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) im Benehmen mit den dort aufgeführten Stellen das Nähere über die Erfüllung der Pflichten der nach § 6 Abs. 1 berechtigten Leistungserbringer und der sonstigen abgerechneten Stellen festlegt. Auf dieser Rechtsgrundlage hat die KBV mit Wirkung zum 01.07.2021 für die Leistungserbringer Vorgaben (KBV-LE) erlassen. Dies betrifft auch die Beschaffung und Abrechnung von PoC-Antigen-Tests und Antigen-Tests zur Eigenanwendung nach § 11 TestV. Dieser Bereich ist unter 1.3.1 der Vorgaben geregelt. Unter 1.3.1 Ziff 5) ist bestimmt, dass Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 TestV die nach den Vorgaben der TestV für Testungen nach den §§ 2, 3 und 4 Abs. 1 Nummer 1 TestV tatsächlich genutzten PoC-Antigen-Tests oder Antigen-Tests zu eigener Anwendung abrechnen. Damit scheinen die Vorgaben im Widerspruch zu § 11 TestV zu stehen. Auch wenn der KBV vom Verordnungsgeber die Befugnis übertragen wurde, das Nähere auch zur Beschaffung und Abrechnung festzulegen, ist diese nicht befugt, von der TestV inhaltlich abzuweichen oder der TestV widersprechende Regelungen zu schaffen. Wäre dies der Fall, sind die Regelungen der TestV auf jeden Fall als vorrangig anzusehen.
17
Nach § 7 Abs. 1 TestV rechnen die nach § 6 Abs. 1 berechtigten Leistungserbringer die von ihnen erbrachten Leistungen und die Sachkosten nach den §§ 9 bis 11 jeweils mit der Kassenärztlichen Vereinigung ab, in deren Bezirk der Leistungserbringer tätig ist. Daraus ergibt sie nach Auffassung des Gerichts, dass auch nach der TestV zwischen den Sachkosten einerseits und den erbrachten Leistungen andererseits ein Zusammenhang besteht. Die Sachkosten sind somit nicht losgelöst von den erbrachten Leistungen. Eine andere Sichtweise hätte zur Folge gehabt, dass Leistungserbringer theoretisch allein für die Beschaffung von Tests Pauschalen in unbegrenzter Höhe hätten abrechnen können. Dies ließe sich aber nach Auffassung des Gerichts schwerlich mit der ratio legis vereinbaren. Auch der systematische Zusammenhang zwischen § 7 Abs. 1 TestV und § 11 Test V könnte es nahelegen, dass nur tatsächlich genutzte PoC-AntigenTests mit der Pauschale abgerechnet werden können. Andererseits könnte sich eventuell aus dem Verweis auf § 11 TestV im Abrechnungsportal der KVB ein Vertrauenstatbestand ergeben. Letztendlich muss es aber einem Hauptsacheverfahren vorbehalten werden, die Rechtslage abschließend zu klären.
18
Insgesamt kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass nach der derzeitigen Sach und Rechtslage im Rahmen des summarischen Verfahrens weder eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des Rückforderungsbescheides, noch eine offensichtliche Rechtmäßigkeit festzustellen ist, so dass die Erfolgsaussichten des Widerspruchs bzw. einer nachgehenden Klage im Hauptsacheverfahren als Ergebnis offen anzusehen sind.
19
Somit sind die gegenläufigen Interessen gegeneinander abzuwägen. Es kommt darauf an, ob überwiegende öffentliche Belange die sofortige Vollziehung rechtfertigen und demgegenüber die Interessen des Antragstellers/Klägers an der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zurückstehen müssen. Der Gesetzgeber hat in § 86a Abs. 2 SGG festgelegt, in welchen Fällen von Gesetzes wegen die aufschiebende Wirkung entfällt. So entfalten Widerspruch bzw. Klage unter anderem in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen (§ 86a Abs. 2 Ziff 4 SGG) keine aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Ziff 4 SGG iVm § 85 Abs. 4 S. 6 SGB V ist dies bei einem Widerspruch bzw. einer Klage gegen eine Honorarfestsetzung sowie deren Änderung und Aufhebung der Fall. Hier handelt es sich zwar um keine Rückforderung von ärztlichem Honorar, sodass § 86a Abs. 2 Ziff 4 SGG iVm § 85 Abs. 4 S. 6 SGB V nicht anzuwenden ist. Jedoch ist bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass sehr wohl eine Parallelität zu der Rückforderung von ärztlichem Honorar besteht.
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Nach Auffassung des Gerichts weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass die finanziellen Mittel aus dem Bundeshaushalt stammen. Es geht nicht darum, dass die Rückforderungssumme in Höhe von 840 € niedrig ist, was im Übrigen für das Antragsverfahren ohne Bedeutung ist. Abgesehen davon ist zu beachten, dass die mit der Pandemie, insbesondere auch die mit den Testungen einhergehenden Ausgaben, darunter auch die Sachkosten bundesweit erheblich sind. Nach den Medienberichten, zum Beispiel Meldungen der A. betrugen die Ausgaben alleine im Jahr 2021 3 Milliarden €; davon entfallen 1,084 Milliarden € auf Sachkosten für die Antigen-Schnelltests. Es kam ebenfalls nach den Medienberichten zu zahlreichen Fehlabrechnungen. In der Summe ist allein im Jahr 2021 von Fehlabrechnungen in mehrstelliger Millionenhöhe auszugehen. Es handelt sich somit insgesamt nicht um eine Bagatellgröße. Auch evtl. Fehlabrechnungen in der Größenordnung, wie sie hier streitgegenständlich ist, summieren sich zu einem hohen Betrag, der den Bundeshaushalt belastet und nicht für andere Zwecke zur Verfügung steht. Hinzu kommt, dass der Antragsteller seit 13.01.2022 nach Widerruf der Beauftragung zur Durchführung von Testungen keine Teststelle mehr betreibt, sodass eine Aufrechnung mit späteren Leistungen entsprechend § 7a Abs. 5 S. 2 TestV nicht erfolgen kann und insofern eine anderweitige „Besicherung“ nicht möglich ist.
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Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn die Rückforderung in Höhe von 840 € für den Antragsteller unverhältnismäßig wäre und für ihn eine unbillige Härte darstellen würde. Deshalb hat das Gericht diesbezüglich mit Schreiben vom 23.01.2023 beim Antragsteller angefragt, von ihm aber keine Antwort erhalten.
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Nach Abwägung der gegenläufigen Interessen liegen nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 86b Abs. 1 Ziff. 2 SGG nicht vor.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.