Inhalt

VGH München, Urteil v. 23.03.2023 – 13 A 22.410
Titel:

Erfolglose Klage gegen die Änderung eines Flurbereinigungsplans

Normenketten:
BMG Art. 2, Art. 14
GVG Art. 17
VwGO § 91
FlurbG § 147
Leitsatz:
Eine Vermessung und Abmarkung durch die Flurbereinigungsbehörden ist nur dann zulässig, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang mit den Aufgaben als Flurbereinigungsbehörde besteht. Die Flurbereinigungsbehörden treten mit der Eröffnung des Flurbereinigungsverfahrens im Flurbereinigungsgebiet nicht umfassend an die Stelle der Vermessungsverwaltung. Von betroffenen Grundstückseigentümern kann daher eine verbindliche Entscheidung über den Verlauf der Grundstücksgrenzen iSv Art. 2 Abs. 1 AbmG bzw. eine Abmarkung gem. Art. 1 ABMG auch während eines laufenden Flurbereinigungsverfahrens außerhalb eines Flurbereinigungsverfahrens erlangt werden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Grenzverlauf, Flurbereinigungsbehörde, Abmarkung von Grundstücksgrenzen, Liegenschaftskataster, Flurbereinigungsplan
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 10.07.2024 – 8 B 65.23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 51320

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 30 Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen. 

Tatbestand

1
Die Klägerin und ihr am ... März 2020 verstorbener und von ihr beerbter Ehemann sind bzw. waren Teilnehmer des am 2. Januar 2002 nach §§ 1, 4 und 86 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 FlurbG angeordneten vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens H. Bei der Wunschentgegennahme am 25. Juni 2007 hatten sie gefordert, ihre beiden Besitzstände wie einen Besitzstand zu behandeln. Die vorläufige Besitzeinweisung erfolgte durch Bescheid des Amtes für Ländliche Entwicklung O. (ALE) vom 28. September 2007 zum 1. November 2007. Am 20. Juni 2012 beschloss der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft H. (TG) den Flurbereinigungsplan mit Anhörungstermin am 24. Juli 2012. Am 6. August 2012 erhoben die Klägerin und ihr Ehemann Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan. Die TG hat diesen mit Beschluss vom 5. September 2014 durch eine Änderung des Flurbereinigungsplans teilweise abgeholfen. Der Anhörungstermin fand am 10. Oktober 2014 statt. Gegen die Änderung haben die Klägerin und ihr Ehemann am 22. Oktober 2014 Widerspruch erhoben. Im Juni 2016 änderte die TG den Flurbereinigungsplan erneut. Der Anhörungstermin fand am 12. Juli 2016 statt.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
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Mit Widerspruchsbescheiden vom 25. September 2017 und vom 4. Oktober 2017 wurden die Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan und seine Änderung des Ehemanns vollständig und der Klägerin teilweise zurückgewiesen. Hiergegen erhoben sie am 10. November 2017 Klage zum Flurbereinigungsgericht (Az.13 A 17.2254 und 13 A 17.2255). Am 14. Dezember 2016 erließ das ALE die vorzeitige Ausführungsanordnung nach § 63 FlurbG zum 8. Februar 2017, wobei unter anderem für die Besitzstände der Klägerin und ihres Ehemanns keine Berichtigung des Grundbuchs beantragt wurde. Gegen die vorzeitige Ausführungsanordnung legte die Tochter als deren Vertreterin Widersprüche ein, die mit Widerspruchsbescheiden vom 6. März 2018 zurückgewiesen wurden. Hiergegen erhoben sie am 31. März 2018 Klage zum Flurbereinigungsgericht (Az. 13 A 18.739 und 13 A 18.740).
3
In den Verfahren 13 A 17.2254 und 13 A 17.2255 wurden vom Senat am 9. und 10. Juli 2018 ein Augenschein und eine mündliche Verhandlung durchgeführt. In der mündlichen Verhandlung einigten sich die Kläger mit der Beklagten wie folgt:
4
„Die TG bietet für den Fall einer endgültigen Erledigung des Rechtsstreits an, den Klägern insgesamt eine Mehrausweisung in Höhe von 500 WVZ zuzuteilen. Die 500 WVZ schließen die im Widerspruchsbescheid genannte Zuteilung in Land statt einer Entschädigung in Geld für die Minderausweisung von 88 WVZ bei Abfindungsflurstück ... und für das Geh- und Fahrtrecht von 195 WVZ ein. Diese insgesamt 283 WVZ erfolgen ohne Geldausgleich, der darüber hinaus gehende Betrag mit Geldausgleich. Eventuell bereits bezahlte Beträge werden verrechnet.
5
Die Bevollmächtigte bittet möglichst um eine Ausweisung an Abfindungsflurstück 5.. Die TG wird sich um eine Abfindung dort bemühen, ggf. erfolgt die Mehrausweisung auch bei Abfindungsflurstück ... (Auf der Scheibe).
6
Die Beteiligten gehen einvernehmlich davon aus, dass damit beide Rechtsstreite insgesamt erledigt sind, wenn die obengenannten Zusagen der TG verwirklicht werden. Diese Zusagen betreffen die Beseitigung des Überbaus am Abfindungsflurstück 6, die Aufhebung der Widmungsbeschränkung auf 15 Tonnen auf Abfindungsflurstück .../1, die Regelung des Geh- und Fahrtrechts auf Abfindungsflurstück 1../1 sowie die Zuteilung der Mehrausweisung in Höhe von 500 WVZ.
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Weiter erklärt die Vertreterin des ALE, dass auf die Geltendmachung der Kosten für beide Widerspruchsbescheide verzichtet werde bzw. eine Rückerstattung erfolge.“
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Daraufhin erklärten die Beteiligten die Rechtsstreite 13 A 17.2254 und 13 A 17.2255 übereinstimmend für erledigt und wurden die Verfahren durch Beschluss eingestellt. Die Verfahren 13 A 18.739 und 13 A 18.740 wurden nach Klagerücknahme ebenfalls eingestellt.
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Zur Umsetzung der vorstehenden Zusagen änderte die TG mit Beschluss vom 10. August 2018 den Flurbereinigungsplan, was den Klägern mit Schreiben vom 7. Mai 2019 bekanntgegeben wurde; der Anhörungstermin fand am 12. Juni 2019 statt. Am 24. Juni 2019 erhoben die Klägerin und ihr Ehemann hiergegen Widerspruch und rügten einen Fehler in einer Kartenbeilage. Ferner monierten sie, dass die Änderungen des Flurbereinigungsplans noch nicht in das Liegenschaftskataster übernommen worden seien. Mit Widerspruchsbescheiden vom 30. März 2020 wurden die Widersprüche als unzulässig verworfen. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die Umsetzung des gerichtlichen Vergleichs vom 10. Juli 2018 hätten sie nicht vorgebracht. Aus den Unterlagen der TG ergebe sich, dass diese den Vergleich vollständig umgesetzt habe, Fehler oder Unzulänglichkeiten in der Umsetzung könnten nicht festgestellt werden.
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Am 16. April 2020 erhob die Klägerin, die ihren Ehemann am 15. April 2020 beerbt hatte, gegen die Änderung des Flurbereinigungsplans Klage und führte zur Begründung aus, bisher hätten sie keinen vollständigen Plannachtrag erhalten, aus dem die Änderung nicht nur auszugsweise, sondern eingearbeitet in den bestehenden Plan für das gesamte Hofgrundstück Flurstück 6 in der Ortslage ersichtlich sei. Die Darstellung der Grenze des Hofgrundstücks in der Planbeilage des geänderten Flurbereinigungsplans sei teilweise falsch. Der geänderte Verlauf sei in das Liegenschaftskataster eingetragen worden, obwohl es noch keine Rechtskraft für ihr Hofgrundstück gegeben habe. Weiter sei die Umsetzung der Mehrausweisung von 500 WVZ nicht wie vereinbart realisiert worden. Man habe sich auf eine Zuteilung bei Flurstück 5.. geeinigt. Gegebenenfalls würde die Mehrausweisung bei Abfindungsflurstück ... erfolgen. Die Mehrausweisung sei dann durch die TG auf beide Grundstücke aufgeteilt worden. Grundlage der Zustimmung zum Vergleich sei die Zuteilung zu einem Flurstück, wenn möglich bei Flurstück 5.., gewesen. Von einer Aufteilung auf die beiden Flurstücke sei in der mündlichen Verhandlung nicht die Rede gewesen. Eine Ausweisung sowohl bei Flurstück 5.. als auch bei Flurstück ... sei durch die TG nicht angekündigt worden, sonst wäre unter diesen Vorgaben keine Zustimmung erfolgt.
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Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2023 hat der Bevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, dass die Umsetzung des Gerichtsvergleichs mit verschiedenen Verfahrenskennzahlen (VKZLE) erfolgt sei. Die Änderung des Grenzverlaufs, wie er in der von der TG vorgelegten Abfindungskarte dargestellt sei, sei Gegenstand eines laufenden Verfahrens am Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RN 7 K 22.2763), weshalb diese Streitsache bereits rechtshängig sei. Nach § 17 GVG könne die Änderung des Grenzverlaufs von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Deshalb sei das Verfahren am Verwaltungsgerichtshof bis zur Entscheidung der Sache am Verwaltungsgericht ruhend zu stellen oder – falls das Verfahren am Verwaltungsgerichtshof fortgeführt werden solle – die Änderung des Flurbereinigungsplans wie ursprünglich bei der Stadt K. ausgelegt, zu behandeln. Die Änderung des Liegenschaftskatasters zwischen Flurnummer 4 und 6 durch das Vermessungsamt sei erst nach der Auslegung der ursprünglichen Fassung der Abfindungskarte erfolgt, da der Vermessungstermin erst am 16. Oktober 2019 stattgefunden habe und erst danach die genannte Änderung des Liegenschaftskatasters erfolgt sei. Die Rechtshängigkeit bei einem anderen Gericht mache jede andere Klage zu demselben Streitgegenstand unzulässig. Mit der Änderung des Grenzverlaufs zwischen Flurnummer 4 und 6 durch das Vermessungsamt im Liegenschaftskataster sei im Nachgang die ursprünglich ausgelegte Abfindungskarte geändert worden. Es sei somit während des Verwaltungsprozesses der Ausgangsverwaltungsakt geändert worden. Da diese Änderung in den laufenden Prozess eingeführt worden sei, handele es sich um eine Klageänderung durch die Beklagte, was jedoch nach § 91 VwGO nur zulässig sei, wenn die übrigen Beteiligten einwilligten oder das Gericht die Klageänderung für sachdienlich halte. Die Klägerseite stimme der Klageänderung nicht zu. Außerdem behandle die Klageänderung einen Streitgegenstand, der bereits in einem anderen Verfahren rechtshängig sei, weshalb beantragt werde, die Klageänderung als unzulässig abzuweisen.
12
Am 16. Oktober 2019 sei auf Antrag des Ehemanns der Klägerin eine Vermessung durchgeführt worden. Der Antrag auf Vermessung sei jedoch am 27. November 2019 per Fax und Einschreiben mit Rückschein zurückgezogen worden. Die Antragsrücknahme habe das Verfahren beendet, so dass die Behörde das Verfahren einzustellen und ggf. über die Kosten zu entscheiden gehabt habe (Kopp, VwVfG, § 22 Rn 34). Eine Einstellung des ursprünglich beantragten Verfahrens sei jedoch nicht erfolgt. Das Vermessungsamt habe trotzdem am 6. Dezember 2019 die dem Gericht vorliegenden Festlegungen getroffen, die somit ohne Antrag erfolgt seien. Die ohne Antrag durchgeführte Änderung des Grenzverlaufs im Liegenschaftskataster – ein Fortführungsnachweise seitens des Vermessungsamts liege hierzu nicht vor – stelle eine Belastung der KIägerseite dar, da hier ein Eingriff in das Eigentum der Klägerseite zu deren Lasten erfolgt sei. Die Änderung des Grenzverlaufs durch das Vermessungsamt werde im Übrigen ohne Fortführungsnachweis nicht in das Grundbuch übernommen.
13
Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass Veränderungen im Eigentum auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften (z.B. FlurbG) bereits vor der Berichtigung des Grundbuchs in das Liegenschaftskataster übernommen werden könnten. Dies sei bei der Sitzung des Vorstands der TG am 11. Dezember 2019 von der Bevollmächtigten der Klägerin beantragt, jedoch vom Vorstand abgelehnt worden. Dieser Beschluss sei unter Beteiligung eines befangenen Amtsträgers nach §§ 20, 21 VwVfG erfolgt. Es werde vorsorglich beantragt, die Abstimmung unter Einhaltung der §§ 20, 21 VwVfG zu wiederholen.
14
Die Klägerin beantragt,
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den Flurbereinigungsplan nochmals entsprechend ihrem Vortrag zu ändern, insbesondere solle die Mehrausweisung von 500 WVZ insgesamt bei Abfindungsflurstück 5.. zugeteilt werden.
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Der Vertreter der Beklagten beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klage habe ausschließlich die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 10. Juli 2018 vereinbarte Änderung des Flurbereinigungsplans zum Gegenstand. Der Grenzverlauf „auf Flurstück 6 insgesamt“ sei nicht Gegenstand der Verhandlung vom 10. Juli 2018 und des Vergleichs gewesen und somit nicht Gegenstand der Änderung des Flurbereinigungsplans, sondern lediglich die Grenze zur Straße (Flurstück 12). In einem Ortstermin am 1. März 2019 sei die Grenze zwischen Flurstück 6 und Flurstück 12 neu festgelegt und von der Klägerin anerkannt worden. Die Klage könne nur die Änderung des Flurbereinigungsplans betreffen und keine darüberhinausgehenden Aspekte, da diese von der Klägerin für erledigt erklärt worden seien. Der vorgelegte Kartenausschnitt (M 1:500) zeige den Grenzverlauf von Flurstück 6 gemäß Stand des Liegenschaftskatasters vom 22. August 2022. Die im Schreiben der Klägerin vom 15. April 2022 bemängelten Planauszüge vom 17. Januar 2019 (Kartenbeilage zur Abmarkungsniederschrift) und Foto vom 6. Juni 2019 (Ausschnitt aus der Abfindungskarte) gäben den jeweiligen Stand des Liegenschaftskatasters wieder. In der Folge habe jedoch der Ehemann der Klägerin unabhängig vom Flurbereinigungsverfahren die Ermittlung des Grenzverlaufs zwischen Flurstück 4 und Flurstück 6 durch das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (ADBV) beantragt. Mit Grenzermittlung durch das ADBV vom 16. Oktober 2019 mit Niederschrift vom 6. Dezember 2019 sei diese Grenze als „strittige Grenze“ in das Liegenschaftskataster übernommen worden. Die Unterlagen der TG seien im Anschluss dahingehend geändert worden, was jedoch in keinem Zusammenhang mit der Änderung des Flurbereinigungsplans stehe. Der Aussage der Klägerin, ihre Zustimmung zum Vergleich sei nur bei einer Zuteilung der Mehrabfindung ausschließlich zu einem Flurstück erfolgt, stehe der Wortlaut der Niederschrift entgegen. Anders als von der Klägerin vorgetragen, hätten sich die Parteien nicht auf eine Zuteilung bei Flurstück 5.. geeinigt. Vielmehr habe die TG angekündigt, die Mehrausweisung auch bei Flurstück ... zuzuteilen. Daraufhin hätte die Klägerin ausweislich des Protokolls gerade nicht die ausschließliche Zuteilung bei 5.. zur Bedingung des Vergleichs gemacht. Inhaltlich seien alle Zusagen durch die TG gemäß der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 10. Juli 2018 vollständig umgesetzt worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 23. März 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die gegen die Änderung des Flurbereinigungsplans in Umsetzung der in der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2018 von der Beklagten TG zu Protokoll erklärten Zusagen (vgl. Art. 37 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) gerichtete Klage bleibt ohne Erfolg, da der Klägerin gegen die Beklagte weder ein Anspruch auf Rückgängigmachung einer Grenzänderung am Flurstück 6 noch ein Anspruch auf die Zuteilung der Mehrausweisung von 500 WVZ allein bei dem Abfindungsflurstück 5.. zusteht, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
I.
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Die Klägerin kann den Flurbereinigungsplan nur mehr hinsichtlich der erfolgten Änderungen in Umsetzung der in der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2018 erfolgten Zusagen der Beklagten angreifen, da die damaligen Rechtsstreite im Übrigen in der mündlichen Verhandlung von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt und die Verfahren durch Beschluss eingestellt wurden. Damit wurde der Flurbereinigungsplan gegenüber der Klägerin und ihrem von ihr mittlerweile beerbten Ehemann im Übrigen bestandskräftig.
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1. Einen Anspruch auf Rückgängigmachung einer Änderung der Grundstücksgrenze zwischen dem der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Ehemanns zustehenden Flurstück 6 und dem benachbarten Flurstück 4 hat die Klägerin nicht. Hierzu rügt die Klägerin, die Grenze sei falsch und müsse geändert werden. In der als Anlage 1 vorgelegten Karte des ALE vom 17. Januar 2019 sei sie als festgelegte Grenze mit Abmarkung eingezeichnet, in der als Anlage 2 vorgelegten Fotografie einer Karte jedoch wieder als nicht festgelegte Grenze und es fehlten bestehende Abmarkungen. Der einzige Plan (Ortsbeilage und Übersichtsplan über Änderungen, Anlage 2), in dem der Fehler erkennbar sei und der bei der Niederlegung des geänderten Flurbereinigungsplans in der Stadt Kelheim ausgelegen habe, liege dem Widerspruchsakt nicht bei. Diese Rügen gehen schon deshalb ins Leere, weil die monierte Änderung der Grundstücksgrenze nicht die Beklagte vorgenommen hat. Die Änderungen der Grenze zwischen den Flurstücken 6 und 4 gehen auf den Antrag des Ehemanns der Klägerin auf Ermittlung des nicht festgestellten Grenzverlaufs zwischen Flurstück 4 und Flurstück 6 der Gemarkung H. beim ADBV vom 10. Dezember 2018 zurück. Aufgrund dessen erfolgte durch das ADBV am 16. Oktober 2019 eine Grenzermittlung. Da zwischen den Beteiligten – den Eigentümern der Flurstücke 6 und 4 – bezüglich des vom ADBV festgestellten und am 6. Dezember 2019 vorgewiesenen Grenzverlaufs keine Einigung erzielt werden konnte, fand eine Abmarkung der festgestellten Grenzpunkte nach Art. 2 Abs. 3 Satz 2 des Bayerischen Gesetzes über die Abmarkung der Grundstücke vom 6. August 1981 (Abmarkungsgesetz – AbmG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 219-2-F) veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch § 1 Abs. 182 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) geändert worden ist, nicht statt. Die Beteiligten wurden vom ADBV auf den Rechtsweg verwiesen und darauf hingewiesen, dass der Grenzverlauf entsprechend der Grenzfeststellung vom 16. Oktober 2019 im Liegenschaftskataster dargestellt und als „strittige Grenze“ gekennzeichnet wird. Die Darstellung der „strittigen“ Grenze in der Abfindungskarte ist damit keine eigene Änderung der Grenze durch die Beklagte im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens, sondern nur die nachrichtliche Übernahme der erfolgten Änderung durch das ADBV im Liegenschaftskataster. Dies belegt im Übrigen auch die von der Beklagten vorgelegte Karte „Auszug aus der Abfindungskarte“, auf der die Grenzen des Flurstücks 6 zum Flurstück 7 (östliche Grenze) und zum Flurstück 4 (nördliche und westliche Grenze) in Grün dargestellt sind und sich daneben der handschriftliche Eintrag „ADBV FR Niederschrift 172“ findet.
23
Im Übrigen dürfen die Teilnehmergemeinschaften als Flurbereinigungsbehörde keine Vermessungen vornehmen, die in die Zuständigkeit der Vermessungsverwaltung fallen. Nur wenn die Vermessung und Abmarkung der Erfüllung von Aufgaben der Flurbereinigung dient, ist sie zulässig (vgl. VGH BW, U.v. 6.4.1992, 7 S 2799/91 – RdL 1992, 185 = RzF 3 zu § 81 II; Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 81 Rn. 3). Eine Vermessung und Abmarkung durch die Flurbereinigungsbehörden ist folglich nur dann zulässig, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang mit den Aufgaben als Flurbereinigungsbehörde besteht. Die Flurbereinigungsbehörden treten mit der Eröffnung des Flurbereinigungsverfahrens im Flurbereinigungsgebiet nicht umfassend an die Stelle der Vermessungsverwaltung. Von betroffenen Grundstückseigentümern kann daher eine verbindliche Entscheidung über den Verlauf der Grundstücksgrenzen im Sinn von Art. 2 Abs. 1 AbmG bzw. eine Abmarkung gemäß Art. 1 AbmG auch während eines laufenden Flurbereinigungsverfahrens außerhalb eines Flurbereinigungsverfahrens erlangt werden (BayVGH, U.v. 5.10.2009, 13 A 08.1678 – RdL 2010, 188 = juris Rn. 38). Da die Abmarkung von Grundstücksgrenzen nicht nur von Amts wegen, sondern nach Art. 14 Abs. 2 AbmG auch auf Antrag eines Grundstückseigentümers vorgenommen werden kann, sind betroffene Grundstückseigentümer – wie der vorliegende Fall belegt – auch während eines laufenden Flurbereinigungsverfahrens nicht zwingend auf ein Tätigwerden der Flurbereinigungsbehörde angewiesen, um abgemarkte Grundstücksgrenzen zu erhalten (BayVGH, U.v. 5.10.2009, 13 A 08.1678 – RdL 2010, 188 = juris Rn. 38).
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2. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof war im Hinblick auf die beim Verwaltungsgericht Regensburg anhängige Verwaltungsstreitsache infolge der fehlenden Einigung der beteiligten Eigentümer auf die durch das ADBV ermittelte Grenze und der erfolgten Änderung im Liegenschaftskataster auch nicht ruhend zu stellen. Ebenso steht das Verfahren beim Verwaltungsgericht Regensburg dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit unter dem Gesichtspunkt der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG) nicht entgegen. Auch der Gesichtspunkt einer unzulässigen Klageänderung (§ 91 VwGO) aufgrund der nachrichtlichen Übernahme der Änderungen des ADBV durch die Beklagte steht der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen.
25
a) Der gegen die Änderung des Liegenschaftskatasters durch die Vermessungsverwaltung anhängige Rechtsstreit ist für das vorliegende Verfahren nicht vorgreiflich. Die beklagte TG hat die monierten Änderungen nicht vorgenommen, sondern gibt ausschließlich Änderungen der Vermessungsverwaltung nachrichtlich wieder. Da die Beklagte die Änderung nicht selbst hätte vornehmen dürfen und entsprechend auch nicht rückgängig machen kann, ist es für die hier allein entscheidende Frage, ob die Beklagte den Zusagen gegenüber der Klägerin nachgekommen ist, unerheblich, wie das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Regensburg endet.
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b) Auch § 17 GVG steht dem Verfahren des Flurbereinigungsgerichts nicht entgegen, da die Grenzänderungen am Flurstück 6 nicht Gegenstand der Klage sind, in dem die Klägerin darauf beschränkt ist, die ordnungsgemäße Umsetzung der Zusagen der Beklagten einzufordern. Hinsichtlich der Grundstücksgrenzen des Flurstücks 6 betraf die Zusage ausschließlich die südliche Grundstücksgrenze zum Straßenflurstück 12, nicht aber die östlichen, westlichen und nördlichen Grundstücksgrenzen. Diese sind nicht Gegenstand des vor dem Flurbereinigungsgericht anhängigen Klageverfahrens, weshalb es mit dem beim Verwaltungsgericht Regensburg anhängigen Verfahren wegen der Grenzermittlung des ADBV keinerlei Berührungspunkte gibt, die dem Verfahren unter dem Gesichtspunkt der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegenstehen könnten.
27
c) Da es sich bei der nachrichtlichen Übernahme der Änderungen durch das ADBV schon um keine eigenständige Regelung der Beklagten handelt, liegt schon objektiv keine Änderung des Streitgegenstands und damit keine Klageänderung vor. Gleichwohl weist der Senat darauf hin, dass es sich entgegen der Ansicht der Klägerin bei einer Änderung des Flurbereinigungsplans durch die Beklagte während einer bereits dagegen anhängigen Klage vor dem Flurbereinigungsgericht nicht um eine den Anforderungen des § 91 VwGO unterliegende Klageänderung handelt, die nach § 91 Abs. 1 VwGO nur zulässig ist, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Eine Klageänderung liegt vor, wenn der Streitgegenstand eines anhängigen Verfahrens durch Erklärung des Klägers geändert wird (BVerwG, B.v. 21.10.1983 – 1 B 116.83 – juris Rn. 6). Eine Klageänderung in diesem Sinn kann ausschließlich durch den Kläger erfolgen. Zwar kann der Beklagte auf den Streitgegenstand einwirken, indem er etwa den angegriffenen Verwaltungsakt durch einen neuen Verwaltungsakt ganz oder teilweise aufhebt oder ersetzt. In diesem Fall ist allerdings erst die Reaktion des Klägers hierauf, mit der er seine Klage nunmehr (auch) gegen den neuen Verwaltungsakt richtet, eine den Anforderungen des § 91 VwGO unterliegende Klageänderung (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16 Aufl. 2022, § 91 Rn. 9 m.w.N.).
II.
28
Entgegen der Ansicht der Klägerin erfolgte in der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2018 von Seiten der Beklagten keine Zusage, die Mehrausweisung entweder insgesamt bei Flurstück 5.. oder insgesamt bei Flurstück ... zuzuweisen. Im Protokoll heißt es hierzu: „Die Bevollmächtigte bittet möglichst um eine Ausweisung an Abfindungsflurstück 5.. Die TG wird sich um eine Abfindung dort bemühen, ggf. erfolgt die Mehrausweisung auch bei Abfindungsflurstück ... (Auf der Scheibe).“ Dieser eindeutige Wortlaut steht einer Auslegung der Zusage im Sinn der Klägerin entgegen. Sollte die Klägerin sich über die Bedeutung und den Inhalt der Zusicherung der Beklagten geirrt haben, ändert dies an der mit der Erledigungserklärung eingetretenen Bestandskraft des Flurbereinigungsplans nichts, da die Erledigungserklärung als prozessuale Willenserklärung den allgemein für Prozesshandlungen geltenden Wirksamkeitserfordernissen unterliegt und sie insbesondere im Interesse der Rechtssicherheit nicht anfechtbar oder widerrufbar ist (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 161 Rn. 9).
III.
29
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
IV.
30
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
V.
31
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.