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OLG München, Beschluss v. 20.03.2023 – 1 U 7104/22 e
Titel:

Keine hinreichende Substantiierung der Darlegung einer verlängerten Fahrzeit

Normenkette:
BGB § 839
Leitsatz:
Die Behauptung einer Partei unter Vorlage einer Berechnung aus einem Routenplaner, eine Fahrzeit betrage auch im Berufsverkehr 30 Minuten, ist ohne weitere Informationen nicht hinreichend substantiiert. (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Amtspflichtverletzung, Darlegungslast, hinreichende Substantiierung, Fahrzeit, Routenplaner, Tatbestandsberichtigungsantrag, Hinweispflicht
Vorinstanz:
LG München II, Urteil vom 09.11.2022 – 11 O 3929/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 25.04.2024 – III ZR 54/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 51297

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 09.11.2022, Aktenzeichen 11 O 3929/21 Ent, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 56.678,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II vom 09.11.2022 Bezug genommen.
2
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:
1. Das Endurteil des LG München II vom 23.11.2022 (Az: 11 O 3929/21 Ent) wird aufgehoben.
2. Der Beklage wird verurteilt, an den Kläger 56.678,00 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Der Beklage wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.147,83 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3
Der Beklagte beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
4
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 09.11.2022, Aktenzeichen 11 O 3929/21 Ent, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Auch die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 13.03.2023 geben zu einer Änderung keinen Anlass:
5
1. Der Kläger hat die Feststellung des Landgerichts (Urteil S. 2), dass der Kläger nach dem 01.09.2019 nur noch an vier Tagen die Woche arbeitete, weder mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag noch mit der Berufung angegriffen. Dies ist der Entscheidung des Senats daher nach § 529 Abs. 1 Zif. 1 ZPO zugrunde zu legen.
6
2. Der Beklagte hat die Ursächlichkeit des Entzugs der Fahrerlaubnis für die vorgenommene Arbeitszeitverkürzung bereits mit Schriftsatz vom 08.12.2021 bestritten (dort S. 5). Die Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu seinem angeblichen Versuch, nach Wiedererhalt der Fahrerlaubnis die Arbeitszeit wieder zu verlängern, hat der Beklagte zu Recht als unsubstantiiert gerügt. Weiterer Sachvortrag seitens des Klägers erfolgte hierauf nicht.
7
3. Ein gesonderter Hinweis des Landgerichts auf die fehlende Substantiierung des Vortrags des Klägers zu den Fahrzeiten war nicht erforderlich. Der Beklagte hatte die Unzulänglichkeiten im Klägervortrag in der Duplik vom 03.02.2022 ab S. 2 ausführlich und detailliert gerügt. Nicht erforderlich ist, dass der Beklagte zur tatsächlichen Fahrzeit selbst vorträgt, dies obliegt der Darlegungs- und Beweislast des Klägers.
8
4. Der Vortrag des Klägers zu den Fahrzeiten ist weiterhin unsubstantiiert. Der bloße Verweis im Schriftsatz vom 13.03.2023 S. 4 auf die in der Anlage BK7 enthaltenen Screenshots kann einen schriftsätzlichen Vortrag nicht ersetzen. Zudem ist das Vorbringen nach §§ 530, 520 ZPO nicht mehr zu berücksichtigten, weil es nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangen ist. Weiter enthalten die vorgelegten Auszüge zwar Zeitangaben, es ist jedoch nicht mitgeteilt, zu welchem Zeitpunkt diese Screenshots angefertigt wurden, beispielsweise an einem Wochentag oder am Wochenende, obwohl sich die Fahrzeiten diesbezüglich erheblich unterscheiden dürften.
9
5. Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, dass das Landgericht zu Recht in Bezug auf den unsubstantiierten Sachvortag kein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Es wäre dem Kläger ohne Weiteres möglich gewesen, seinen Sachvortrag durch Auskünfte von allgemein verfügbaren Routenplanern zu tatsächlich relevanten Zeitpunkten des Fahrtantritts zu ergänzen.
10
6. Der Vortrag des Klägers vom den PKW abweichenden Fahrzeiten mit dem Motorrad ist ebenfalls nach wie vor unsubstantiiert. Der Beklagte hat zu Recht ausgeführt, dass bei Stocken des Verkehrs nur unter Verstoß gegen die Regeln StVO mit dem Motorrad an den anderen Fahrzeugen vorbeigefahren werden kann. Das Interesse des Klägers, unter Verstoß gegen Verkehrsregeln möglicherweise schneller voranzukommen, ist nicht rechtlich geschützt und kann daher auch einen Schadensersatzanspruch nicht begründen. Alternativrouten hat der Kläger nicht konkret dargelegt, insbesondere auch nicht solche, die rechtskonform für ein Kraftrad, aber nicht mit einem PKW zu befahren wären. Unvorhergesehene Verzögerungen und Verspätungen können im Straßenverkehr und bei öffentlichen Verkehrsmitteln gleichermaßen auftreten.
11
7. Immateriellen Schadensersatz hat das Landgericht dem Kläger zu Recht nicht zugesprochen. Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB setzt einen materiellen Schaden voraus. Immaterieller Schaden ist nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 BGB zu ersetzen, dessen Voraussetzungen, wie im Beschluss vom 06.03.2023 ausgeführt, nicht vorliegen. Weiter scheidet ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden auch deshalb aus, weil der Entzug der Fahrerlaubnis nur formell, aber nicht materiell rechtswidrig war.
III.
12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.