Titel:
Sachverständigengutachten, Begründung der Rechtsbeschwerde, Rechtsbeschwerdegrund, Freiheitsentziehende Unterbringung, Aufenthaltsbestimmung, Aufgabenkreis, Betroffenheit, Krankheitsbedingtheit, Verlängerung der Betreuung, freiheitsentziehende Maßnahmen, Geschlossene Unterbringung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Elektronisches Dokument, Sozialleistungsträger, Genehmigung der Unterbringung, Vorläufige Unterbringung, Dauer der Unterbringung, Weitere Beteiligte, Beschlüsse des Amtsgerichts
Schlagworte:
Betreuung, Unterbringung, Psychiatrisches Gutachten, Krankheitseinsicht, Pflegebedürftigkeit, Verfahrenspflegerin, Beschwerde
Vorinstanz:
AG Mühldorf, Beschluss vom 13.06.2023 – XVII 87/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 15.05.2024 – XII ZB 490/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 51011
Tenor
1. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf a. Inn vom 13.06.2023 (Genehmigung der Unterbringung) wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf a. Inn vom 13.06.2023 (Verlängerung der Betreuung) wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Der Betroffene wurde am 08.02.2021 auf der Intensivstation des Krankenhauses in ... aufgenommen. Mit Schreiben vom 12.02.2021 beantragte das Klinikum freiheitsentziehende Maßnahmen. Als Diagnose wurde eine Urosepsis, akut auf chronisches Nierenversagen angeführt. Ohne Sicherungsmaßnahme bestehe die Gefahr, dass der Betroffene sich die Infusionsschläuche und liegende Gefäßkatheter ziehen würde, über die Medikamente eingebracht werden, womit sein Kreislauf medikamentös stabilisiert werden muss, worüber er lebenswichtige Antibiotika erhält und worüber er lebenswichtige Nierenersatzverfahren bekomme. Aus dem ärztlichen Brief vom 22.02.2021 (Bl. 59/72) geht unter anderem hervor, dass der Betroffene am Aufnahmetag von der Pflegekraft dysarthrisch vorgefunden wurde; am 12.02.2021 erfolgte die Aufnahme auf der Intensivstation bei akutem chronischen Nierenversagen mit Elektrolytentgleisung. Mit Schreiben vom 15.02.2021 regte der Sozialdienst der Klinik die Errichtung einer Betreuung für den Betroffenen an. Mit Beschluss vom 16.02.2021 ordnete das Amtsgericht Mühldorf vorläufige Betreuung an und bestellte zum vorläufigen Betreuer.
2
Das Amtsgericht Mühldorf erholte zur Frage der Erforderlichkeit einer Betreuung ein psychiatrisches Gutachten des Facharztes für Psychiatrie ... vom 13.04.2021 (Blatt 85/100). Der Sachverständige führte aus, dass bei dem Betroffenen mit äußerst großer Wahrscheinlichkeit von einer wahnhaften Störung auszugehen ist. Der Betroffene sei aufgrund seiner Erkrankung zu einer durchgängigen kritischen Selbstvergegenwärtigung nicht mehr hinreichend in der Lage und gehe davon aus, dass er mithilfe einer unqualifizierten Kraft weiterhin auf seinem dringend sanierungsbedürftigen Hof leben kann. Dabei übersehe er, dass er sich dort einen massiven Harnwegsinfekt mit nachfolgender Sepsis zugezogen hat, was eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich machte. Der Betroffene scheine nicht mehr in der Lage, bezüglich der möglichen Aufgabenkreise einer Betreuung einen freien Willen zu entwickeln. Unter Berücksichtigung der Diagnose und des Alters des Betroffenen sei von einem dauerhaften Betreuungsbedürfnis auszugehen.
3
Das Amtsgericht Mühldorf beauftragte mit Beschluss vom 25.05.2021 den Sachverständigen ... mit der Erstellung eines Gutachtens zu den Voraussetzungen der Anordnung einer Unterbringung und erweiterte mit Beschluss vom selben Tag die Aufgabenkreise der vorläufig angeordneten Betreuung.
4
Die zuständige Richterin am Amtsgericht Mühldorf hörte den Betroffenen am 27.05.2021 im Krankenhaus ... in Anwesenheit der weiteren Beteiligten zu 2) und des Sachverständigen ... persönlich an. Dabei gab der Betroffene u.a. an, dass er keinen Betreuer brauche, „und den ... schon gar nicht“. Der Sachverständige erstattete ausweislich des Protokolls (Bl. 145/147) anschließend mündlich sein Gutachten, diagnostizierte bei dem Betroffenen eine wahnhafte Störung und sprach sich für eine dauerhafte Unterbringung aus. Im Anschluss an die Anhörung nahmen die zuständige Richterin am Amtsgericht Mühldorf und die weitere Beteiligte zu 2) das Anwesen des Betroffenen in Augenschein (vgl. Lichtbilder Bl. 149/157). Herr ... beantragte am 27.05.2021 (Bl. 161) die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen.
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Mit Beschluss vom 27.05.2021 ordnete das Amtsgericht Mühldorf Betreuung für die Aufgabenkreise der Gesundheitsfürsorge, der Aufenthaltsbestimmung, der Entscheidung über freiheitsentziehende Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen, Vermögenssorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-, Pflegevertrages, der Entgegennahme, des Öffnens und Anhaltens der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise, der Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern und der Haus- und Grundstücksangelegenheiten, inklusive Ausübung des Hausrechts an und bestellte Herrn ... zum Betreuer.
6
Der Sachverständige ... erstattete am 27.05.2021 (Bl. 167/173) sein schriftliches Gutachten und diagnostizierte bei dem Betroffenen eine anhaltende wahnhafte Störung. Zentral sei ein Verfolgungs- und Beeinträchtigungswahn. Es liege eine a priori-Sicherheit vor, die dem Betroffenen eine Realitätsprüfung aus Krankheitsgründen nicht erforderlich erscheinen lasse. Der Betroffene sei umfassend geschäftsunfähig. Der Sachverständige sprach sich für die Genehmigung einer Unterbringung für die Dauer von zwei Jahren aus. Der Betroffene sei körperlich multimorbid krank und daheim auch mit engmaschiger professioneller Hilfe eines Pflegedienstes nicht mehr ausreichend zu versorgen. Die offene Einrichtung habe er absprachewidrig verlassen, um in seinen alten und baufälligen Hof zurückzukehren. Die weitere Beteiligte zu 2) sprach sich in ihrer Stellungnahme vom 27.05.2021 (Bl. 174/176) für die Genehmigung der Unterbringung aus.
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Mit Beschluss vom 28.05.2021 genehmigte das Amtsgericht Mühldorf die Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung bis längstens 27.05.2023. Der Betroffene wurde am 01.06.2021 in der gerontopsychiatrischen Abteilung des ... aufgenommen. Am 24.06.2021 zog er in eine geschlossene Abteilung des Pflegeheims ... .
8
Mit Schreiben vom 25.06.2021 erhob ... „im Auftrag und mit Vollmacht“ des Betroffenen Beschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Mühldorf vom 27.05.2021 und 28.05.2021.
9
Das Landgericht Traunstein wies die Beschwerden mit Beschluss vom 29.10.2021 (Bl. 327/345) zurück.
10
Im Auftrag des Amtsgerichts Mühldorf erstattete der Sachverständige ..., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, am 04.04.2022 ein Gutachten zu den medizinischen Voraussetzungen der Verlängerung einer freiheitsentziehenden Unterbringung (Bl. 481/495). Der Sachverständige diagnostizierte beim Betroffenen ein mulitmorbides Krankheitsbild. Auf psychischer Ebene fänden sich anhaltende wahnhafte Störungen (ICD10 F22) sowie eine leichte kognitive Störung, vermutlich auf Boden einer nicht näher bezeichneten organisch psychischen Störung aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Erkrankung (ICD10 F06.9). Der Betroffene sei auf dauerhafte pflegerische Betreuung und Beaufsichtigung angewiesen. Von einer freien Willensbildung sei nicht mehr auszugehen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
11
Mit Beschluss vom 23.05.2022 genehmigte das Amtsgericht Mühldorf die Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung bis längstens 22.05.2023.
12
Mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf vom 13.06.2022 (Bl. 533/535) wurde statt ... zum Betreuer des Betroffenen bestellt für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-,Pflegevertrages, Haus- und Grundstücksangelegenheiten, inklusive Ausübung des Hausrechts, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über freiheitsentziehende Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen und Grundstücksverkäufe.
13
Mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf vom 23.12.2022 (Bl. 565/567) wurde sodann statt ... die weitere Beteiligte zu1),..., zur Betreuerin des Betroffenen bestellt für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-, Pflegevertrages, Gesundheitsfürsorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise, Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über freiheitsentziehende Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen sowie Haus- und Grundstücksangelegenheiten, inklusive Ausübung des Hausrechts und Aufenthaltsbestimmung.
14
Mit Schreiben vom 14.04.2023 (Bl. 649) beantragte die weitere Beteiligte zu 1) die Verlängerung der Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen gerontopsychiatrischen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung. An der Situation des Betroffenen habe sich nichts geändert. Er wolle auch nach wie vor auf seinen sanierungsbedürftigen und nicht bewohnbaren Hof zurückkehren. Bei einer Rückkehr bestünde die konkrete Gefahr der Verelendung und Unterversorgung.
15
Mit Beschluss vom 18.04.2023 beauftragte das Amtsgericht Mühldorf den Sachverständigen ... mit der Erstellung eines Gutachtens zu den medizinischen Voraussetzungen der Verlängerung einer freiheitsentziehenden Unterbringung und der Betreuungsverlängerung, auch gegen den Willen des Betroffenen.
16
Der Sachverständige erstattete am 02.05.2023 ein psychiatrisches Gutachten. Er führt u.a aus, er habe den Betroffenen im Rahmen eines angemeldeten Hausbesuchs im Pflegeheim aufgesucht und im Aufenthaltsraum angetroffen. Der Betroffene habe im Rollstuhl gesessen und sei im Bereich seines Sweatshirts und seiner Hose eingenässt gewesen. Auf die Frage, ob er vorher nicht seine Kleider wechseln lassen wolle, habe der Betroffene nur festgestellt, dass die Ärzte ihn bei einer Prostata-Operation versaut hätten. Einen Kleiderwechsel brauche er nicht, weil „eh bald Bettgehzeit“ sei. Angesprochen auf das Thema einer offenen Einrichtung, habe der Betroffene dies verneint und angegeben, dass es doch klar sei, dass er immer noch auf seinen Hof zurück wolle. Man müsse dort vielleicht einiges verbessern. Der Abort sei aber gar nicht schlecht, man müsse nur ein paar Stangen einfügen, damit er behindertengerecht sei. Die Küche sei völlig in Ordnung, vielleicht müsse auch die Stube noch hergerichtet werden. Auf dem Hof würde er zurechtkommen, da Frau ... mit ihrem Mann zu ihm ziehen würde. Angesprochen auf das bei der Vorbegutachtung vom Betroffenen erwähnte Abhören habe der Betroffene ausgeführt, dass die Regierung es eben nicht zulasse, dass das Abhören abgeschafft werde. Er wisse nicht, warum gerade er abgehört werde und habe festgestellt, dass auch sein Nachbar abgehört werde. Die Regierung wolle eben wissen, ob jemand mit Rauschgift handle. Bei ihm Zuhause werde alles abgehört und ihn habe „der Brahms aus Reiselberg“ abgehört. Er brauche keinen Betreuer. Seine Bankauszüge könne er selbst auch abheften. Unvermittelt daraufhin habe der Betroffene festgestellt: „Geh, schreib net so vui Zeig, den Krampf braucht koana, i bin geistig fit und brauch neamds“ und habe das Besprechungszimmer verlassen. Zur Fortführung eines weiteren Gespräches sei der Betroffene nicht mehr einzulenken gewesen. Eine Pflegekraft habe dem Sachverständigen mitgeteilt, der Betroffene sei im Bereich der Pflege unselbstständig bei der Grundpflege, beim Duschen/Baden, beim Rasieren, beim Aufstehen, beim Zubettgehen, beim Toilettengang und im Umgang mit Inkontinenzmaterial. Es bestünde ein erhöhtes Sturzrisiko und der Betroffene sei nicht in der Lage, alleine zu stehen oder zu gehen. Er sei urin- und harninkontinent. Er nässe ständig ein, beschwerte sich deswegen auch, verweigere aber eine Katheterisierung oder einen Pufi. Häufig sei das situative Orientierungsvermögen beeinträchtigt.
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Der Sachverständige führt aus, der Betroffene würde eigene Defizite sowohl im körperlichen als auch im psychischen Bereich weiterhin leugnen, dissimulieren, abwiegeln und bagatellisieren. Bei mangelnder Selbstreflexion und fehlender Introspektion seien Kritik- und Urteilsvermögen hinsichtlich seiner gesundheitlichen Situation und der Möglichkeit zu einer selbstständigen Lebensführung völlig unrealistisch und aufgehoben. Das inhaltliche Denken sei einerseits weiterhin auf seinen Wunsch engeengt, die Einrichtung zu verlassen und baldmöglichst wieder auf seinen Hof zurückzukehren, aber auch weiterhin von wahnhaften Verarbeitungsmustern durchzogen und gekennzeichnet. Hierbei handele es sich um Beziehungs-, Beeinträchtigungs- und Verfolgungsideen, bei zeitweiliger Systematisierung. Es bestünde fehlende Krankheitseinsicht und Ablehnung der Behandlung bezüglich der psychischen Erkrankung. Diagnostisch handele es sich beim Betroffenen nach wie vor in erster Linie um ein multimorbides Krankheitsbild. Als psychisches Krankheitsbild stehe im Vordergrund eine anhaltende wahnhafte Störung (ICD10 F22) sowie eine kognitive Beeinträchtigung, vermutlich auf dem Boden einer nicht näher bezeichneten organisch psychischen Störung bei vorangegangener Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns (ICD10 F06.9). Der Betroffene sei nicht mehr in der Lage, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Krankheitsbedingt sei seine Fähigkeit, die für die Entscheidungen relevanten Sachverhalte zu verstehen, Folgen und Risiken des eigenen Handelns situationsadäquat zu bearbeiten und zu erfassen nicht mehr gewährleistet. Bei krankheitsbedingter fehlender freier Willensbildung sei der Betroffene nicht mehr in der Lage, die Tragweite seiner Handlungen und die daraus resultierenden Konsequenzen zu überblicken und abzuschätzen. Die medizinischen Voraussetzungen für eine weitere rechtliche Betreuung auch gegen den erklärten Willen des Betroffenen, als auch einer weiteren beschützenden Unterbringung werden als erfüllt angesehen und würden im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen erforderlich erscheinen. Der Betroffene sei weiterhin auf dauerhafte pflegerische Betreuung und Beaufsichtigung angewiesen. Die Aufgabenkreise sollten vollumfänglich beibehalten werden. Außerhalb der Einrichtung müsse weiterhin mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich der Betroffene erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen würde. Bei ausreichender Mobilität mit seinem Rollstuhl sei davon auszugehen, dass der Betroffene außerhalb der Einrichtung, sollte er diese unbemerkt verlassen, hilflos herumirren würde und vor allem im Falle eines Sturzes hilflos ausgeliefert wäre. Mit seinen eingeschränkten/aufgehobenen Fähigkeiten, für seine Kleidung selbst Sorge zu tragen und bei mangelnder Fähigkeit, die Wetterlage zu beurteilen, wäre er der Unbill jeden Wetters ausgesetzt. Weiterhin müsse auch davon ausgegangen werden, dass der Betroffene mit hoher Wahrscheinlichkeit, infolge seiner Immobilität, mit seinem Rollstuhl den Anforderungen des Straßenverkehrs nicht mehr gewachsen wäre und somit neben erheblicher Eigengefährdung auch mit einer Gefährdung Dritter gerechnet werden müsse. Im Falle einer Rückkehr in sein Anwesen müsse aufgrund der Realitätsverkennung von dessen baulichem Zustand neben einer erheblichen Verwahrlosung auch infolge der hygienischen Mängel mit erheblicher Gesundheitsschädigung gerechnet werden. Als weniger einschneidende Maßnahme komme als einzig mögliche Alternative eine 24-stündige, rund um die Uhr und nur durch eine Pflegefachkraft zu leistende Versorgung infrage, nach vorangegangener Aufhebung der baulichen Mängel auf dem Anwesen des Betroffenen. Im Falle einer Verlegung des Betroffenen in eine offene Einrichtung müsste mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass er diese verlassen und mit den oben genannten Konsequenzen gerechnet werden müsse. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 09.05.2023 bestellte das Amtsgericht die weitere Beteiligte zu 2) zur Verfahrenspflegerin.
19
Am 12.05.2023 hörte der zuständige Amtsrichter den Betroffenen persönlich an. Der Betroffene gab unter anderem an, er wolle auf seinem Bauernhof mit einer Pflegekraft leben. Auf Nachfrage zur Finanzierbarkeit einer 24-Stunden Pflegekraft habe der Betroffene gemeint, dass auch das Altenheim derzeit Geld koste. Auf seinem Bauernhof sei bisher nichts umgebaut worden. Er habe Leute vom Maschinenring, die ihm beim Umbau helfen könnten. Er könne jederzeit wieder auf seinen Bauernhof zurückziehen. „S'Klo is sofort gricht“. Eine Betreuung hielt der Betroffene nicht für erforderlich.
20
Mit Schreiben vom 15.05.2023 ersuchte das Amtsgericht den Sachverständigen um Ergänzung des Gutachtens hinsichtlich der Angabe einer konkreten Dauer für die Verlängerung der freiheitsentziehenden Unterbringung und der Betreuung.
21
Die weitere Beteiligte zu 2) nahm mit Schreiben vom 15.05.2023 Stellung und sprach sich für die Verlängerung der Betreuung sowie Verlängerung der Unterbringung aus.
22
Mit Beschluss vom 22.05.2023 genehmigte das Amtsgericht Mühldorf die vorläufige Unterbringung des Betroffenen durch die Betreuerin in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung bis längstens 02.07.2023.
23
Mit Schreiben vom 23.05.2023 (Bl. 684) führte der Sachverständige aus, dass es unter Berücksichtigung des vorliegenden Krankheitsbildes und des bisherigen Verlaufs aus ärztlicher Sicht angemessen erscheine, im Falle der weiteren Anordnung einer rechtlichen Betreuung und im Falle der Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung den im Gesetz jeweils vorgesehenen Höchstzeitraum von sieben Jahren bzw. zwei Jahren zu empfehlen.
24
Mit Schreiben vom 26.05.2023 (Bl. 687) beantragte die weitere Beteiligte zu 1) nochmals die Verlängerung der Unterbringung des Betroffenen. Finanzielle Mittel für eine Renovierung des Hofes gäbe es nicht. Der Bezirk Oberbayern habe nun nach vielen Anfragen zumindest mündlich erklärt, die Heimkosten auch für die zurückliegende Zeit bis Dezember 2023 auf Darlehensbasis zu übernehmen. Dazu notwendig sei die Kündigung des Heimvertrages zum 31.05.2023 gewesen, die nun rückgängig gemacht sei. Der Verkauf des Hofes sei vom Bezirk Oberbayern gefordert.
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Mit Beschluss vom 13.06.2023 (Bl. 689/691) verlängerte das Amtsgericht Mühldorf die Betreuung unter Beibehaltung der angeordneten Aufgabenbereiche. Die weitere Beteiligte zu 1) blieb als Betreuerin bestellt. Die Überprüfungsfrist wurde auf den 02.05.2030 festgesetzt. Der Beschluss wurde dem Betroffenen am 15.06.2023 zugestellt.
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Mit weiterem Beschluss vom 13.06.2023 (Bl. 692/694) hob das Amtsgericht Mühldorf den Beschluss vom 22.05.2023 über die vorläufige freiheitsentziehenden Unterbringung auf und genehmigte die Unterbringung des Betroffenen durch die Betreuerin in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung bis längstens 01.05.2025. Der Beschluss wurde dem Betroffenen am 15.06.2023 zugestellt.
27
Mit am 10.07.2023 beim Amtsgericht Mühldorf eingegangenen Schreiben legte der Betroffene Beschwerde ein und beantragte die „Zurücknahme und Außerkraftsetzung der Beschlüsse vom 13.06.2023“. Er beantrage die „Endigung“ seiner Betreuung. ... sei nicht bei ihm persönlich zur Begutachtung gewesen. Seine Stellungnahme sei rein spekulativ. Die Betreuerin könne so wenig Zeit aufbringen. Er wolle in einem offenen Pflegeheim untergebracht werden. Ein medizinischer Grund für seine geschlossene Unterbringung bestünde nicht, da die Diagnose F22 für ihn nicht zutreffe.
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Mit Schreiben vom 03.07.2023 (Bl. 770) führte der Betroffene ergänzend aus, drei Ärzte vom ... Klinikum hätten ihn untersucht und festgestellt, dass er keine „psychiatrische Erkrankung“ habe. Die Ausführungen des Sachverständigen ... seien unsinnig. Vom Rollstuhl auf die B 299 zu kommen sei wegen des Bahndammhügels nicht möglich.
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Das Amtsgericht Mühldorf half den Beschwerden des Betroffenen mit Beschluss vom 11.07.2023 nicht ab und legte die Akten dem Landgericht Traunstein vor.
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Die weitere Beteiligte zu 2) nahm mit Schreiben vom 19.07.2023 Stellung und hielt die Beschlüsse des Amtsgerichts Mühldorf für rechtmäßig.
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Die weitere Beteiligte zu 1) führte mit Schriftsatz vom 26.07.2023 aus, die freiheitsentziehende Unterbringung sei weiterhin notwendig. Der Betroffene sei auf umfangreiche, dauerhafte pflegerische Betreuung und Beaufsichtigung angewiesen, sei sturzgefährdet und wäre dem Straßenverkehr nicht gewachsen. Er sei weglaufgefährdet und würde bei offener Tür die Einrichtung verlassen, um sich in der nicht bewohnbaren Hofstelle aufzuhalten. Auch die Betreuungsbedürftigkeit sei gegeben.
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Die weitere Beteiligte zu 2) führte mit Schreiben vom 14.08.2023 (Bl. 794/796) aus, sie habe am 14.08.2023 ein Gespräch mit dem Betroffenen geführt. Der Betroffene habe unter anderem angegeben, er habe mit der Bank telefoniert, weil er noch Geld zu bekommen habe. Auf Nachfrage habe er keinerlei nähere Angaben hierzu machen können. Er brauche weder einen Betreuer noch die Pflege in einem Heim. Er wolle heim und könne das auch. Er könne im Heim im Erdgeschoss vom Rollstuhl alleine auf die Toilette. Allerdings habe er beim letzten Mal die Toilette nicht gefunden. Mit dem Rollator würde er nicht alleine gehen, er habe Angst zu fallen. Er benütze ihn nur im Beisein von Pflegerinnen, die notfalls helfen würden und das auch nur für wenige Schritte. Er glaube, dass er nach einer Rückkehr auf den Bauernhof von alleine wieder zu Kräften kommen würde, er habe schließlich früher auch alles alleine gemacht. Die Einwände, dass sein Zuhause aber nicht behindertengerecht ausgebaut sei und ein Umbau kaum finanzierbar bzw. realisierbar sei, habe der Betroffene nicht gelten lassen. Er würde sich zu Hause halt nur dort fortbewegen, wo es mit dem Rollstuhl gehe. Gleichzeitig habe sich der Betroffene aber vorgestellt, dass er sich wieder Hühner anschaffen würde. Wie er sich um diese kümmern wolle, habe er unbeantwortet gelassen. Der Betroffene glaube auch, noch Auto fahren zu können. Auffallend seien deutliche Einbußen im Gedächtnis des Betroffenen gewesen. Der Betroffene habe die Verlängerung der Betreuung kategorisch abgelehnt, er könne das alles alleine regeln. Zu einem offenen Pflegeheim habe er geäußert: „Das schlagen Sie sich aus dem Kopf, dass ich in ein Pflegeheim gehe, auch kein offenes!“. Eine Pflegekraft habe mitgeteilt, der Betroffene sei sehr stur, er sei inkontinent, trage deshalb Windeln, aber er nässe sich trotzdem regelmäßig ein. Der Betroffene sei stand- und gangunsicher, sturzgefährdet.
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Die beauftragte Richterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein hörte den Betroffenen am 14.09.2023 in Anwesenheit der weiteren Beteiligten zu 1) und zu 2) sowie zeitweise einer Bezugspflegerin persönlich an.
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1. Die Beschwerde des Betroffenen gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Mühldorf a. Inn vom 13.06.2023 (Unterbringung und Verlängerung der Betreuung) ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und zulässig, insbesondere gem. §§ 63 Abs. 1, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt.
35
2. Die Beschwerde gegen die Genehmigung der Unterbringung bis 01.05.2025 erweist sich als unbegründet, da die Voraussetzungen vorliegen.
36
a. Gemäß § 1831 Abs. 1 BGB ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, zulässig, solange sie erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt (§ 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB), oder zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, die Maßnahme ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Die Unterbringung zur Vermeidung einer Selbstschädigung setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann. Dies sagt das Gesetz nicht ausdrücklich, es ergibt sich aber aus einer verfassungskonformen Auslegung, denn der Staat hat von Verfassungs wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu erziehen, zu bessern oder zu hindern, sich selbst gesundheitlich zu schädigen (BVerfGE 22, 180/219 f.; BayObLG NJWE-FER 2001, 150; OLG München, Beschluss vom 16.02.2005, Az. 33 Wx 6/05).
37
Dies ist vorliegend der Fall. Beim Betroffenen liegen nach diesen Maßstäben psychische Erkrankungen im Sinne des § 1831 Abs. 1 BGB vor, nämlich eine anhaltende wahnhafte Störung (ICD10 F22) sowie eine kognitive Beeinträchtigung, vermutlich auf dem Boden einer nicht näher bezeichneten organisch psychischen Störung bei vorangegangener Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns (ICD10 F06.9). Zudem liegen massive körperliche Beeinträchtigungen vor.
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b. Die Kammer konnte sich hiervon aufgrund der fundierten Ausführungen in dem psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen ... überzeugen, die in Einklang stehen mit den vorhergehend unter Ziffer I. genannten weiteren Ausführungen der Sachverständigen ... und ... .
39
Der Betroffene hat keine Krankheitseinsicht. Wie der Sachverständige in seinem Gutachten ausführt, leugnet der Betroffene eigene Defizite sowohl im körperlichen als auch im psychischen Bereich, wiegelt ab und bagatellisiert. Dies hat sich auch im Rahmen der richterlichen Anhörung gezeigt, in der der Betroffene äußerte, er sei nicht krank. Bei mangelnder Selbstreflexion und fehlender Introspektion sind laut Sachverständigem Kritik- und Urteilsvermögen des Betroffenen hinsichtlich seiner gesundheitlichen Situation und der Möglichkeit zu einer selbstständigen Lebensführung völlig unrealistisch und aufgehoben. Das inhaltliche Denken ist weiterhin auf seinen Wunsch engeengt, die Einrichtung zu verlassen und baldmöglichst wieder auf seinen Hof zurückzukehren, was er vielfach, auch in der richterlichen Anhörung, geäußert hat. Weiterhin ist ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen das Denken des Betroffenen von wahnhaften Verarbeitungsmustern durchzogen und gekennzeichnet. Hierbei handelt es sich um Beziehungs-, Beeinträchtigungs- und Verfolgungsideen. So fühlt der Betroffene sich abgehört und von den Nachbarn beobachtet. Bereits die fehlende Krankheitseinsicht des Betroffenen schließt die freie Willensbestimmung mit Blick auf die Unterbringung grundsätzlich aus (vgl. BGH, FamRZ 2016, 1065). Der Sachverständige führt in seinem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar aus, dass der Betroffene die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit der geschlossenen Unterbringung nicht erkennen und nach dieser Einsicht handeln kann. Der Betroffene sei nicht mehr in der Lage, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Krankheitsbedingt sei seine Fähigkeit, die für die Entscheidungen relevanten Sachverhalte zu verstehen, Folgen und Risiken des eigenen Handelns situationsadäquat zu bearbeiten und zu erfassen nicht mehr gewährleistet. Bei krankheitsbedingter fehlender freier Willensbildung sei der Betroffene nicht mehr in der Lage, die Tragweite seiner Handlungen und die daraus resultierenden Konsequenzen zu überblicken und abzuschätzen.
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c. Die geschlossene Unterbringung des Betroffenen ist auch erforderlich. Es liegen konkrete Umstände vor, woraus sich die hohe Wahrscheinlichkeit ergibt, dass sich der Betroffene aufgrund seiner psychischen Krankheit außerhalb der geschlossenen Unterbringung selbst gesundheitlich erheblich gefährden würde (§ 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
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Bei ausreichender Mobilität mit seinem Rollstuhl besteht die Gefahr, dass der Betroffene außerhalb der Einrichtung hilflos herumirren würde und vor allem im Falle eines Sturzes sich in einer hilflosen Situation befinden würde. Er wäre den Gefahren des Straßenverkehrs ausgesetzt, nicht nur mit seinem Rollstuhl. Der Betroffene hat geäußert, er könne noch Auto fahren. Hierbei würde er nicht nur für andere eine Gefahr darstellen, sondern auch sich selbst massiv gefährden, da er den Anforderungen des Straßenverkehrs nicht mehr gewachsen wäre. Zudem wäre der Betroffene, wie auch der Sachverständige ausführt, aufgrund seiner eingeschränkten/aufgehobenen Fähigkeiten, für seine Kleidung selbst Sorge zu tragen und bei mangelnder Fähigkeit, die Wetterlage zu beurteilen, der Unbill jeden Wetters ausgesetzt.
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Darüber hinaus besteht auch die Gefahr der gesundheitsgefährdender Verwahrlosung. Zum einen besteht aufgrund der oben geschilderten Umstände die Gefahr, dass der Betroffene sich nicht ausreichend mit Nahrung und Flüssigkeit versorgt. Zudem birgt im Falle einer Rückkehr des Betroffenen in sein Anwesen aufgrund der Realitätsverkennung von dessen baulichem Zustand neben der Gefahr einer erheblichen Verwahrlosung auch infolge der hygienischen Mängel die Gefahr einer erheblichen Gesundheitsschädigung. Das Haus ist unbewohnbar. Es ist verdreckt und verschimmelt, es zieht und es ist feucht. Die Toilette ist nicht benutzbar, ebenso wenig die Dusche. Finanzielle Mittel für eine umfangreich erforderlich Sanierung sind nicht vorhanden. Allein das Wohnen in derartigen Zuständen ist gesundheitsgefährdend, was der Betroffene aber nicht zu erkennen vermag bzw. bagatellisiert, indem er erklärt, ihm würde es so gefallen, man müsse nur lüften und im Krieg habe man auch so gelebt.
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Weiterhin droht die Gefahr gesundheitlicher Schädigung, weil der Betroffene multimorbid ist. Er ist nicht in der Lage, sich mit seinem Rollstuhl gefahrlos bzw. überhaupt in seinem Anwesen zu bewegen, was er aber nicht einsehen will. Auch ist er der Ansicht, er könne nach einer Reha daheim wieder gehen. Auch hier verkennt er die tatsächliche Lage vollkommen. Es besteht die Gefahr, dass der Betroffene zu Schaden kommt, indem er in Verkennung seines Zustandes zu Sturz kommt und sich dabei Verletzungen zuzieht. Hinzu kommt, dass der Betroffene am Bein bereits ein Geschwür entwickelt hat, das fachgerecht versorgt werden muss, weil es ansonsten zu einer lebensbedrohlichen Sepsis kommen kann. Diese Versorgung ist auf dem Hof nicht in der gebotenen Form möglich. Hinzu kommt, dass der Betroffene unter schwerer Inkontinenz leidet und sich trotz Windeln mehrfach am Tag einnässt. Weder erkennt er dabei die Notwendigkeit eines Wäschewechsels, noch wäre er in häuslicher Umgebung in der Lage, für hygienische Zustände zu sorgen, auch wenn er selbst der Ansicht ist, er könne es selbst aufwischen, „wenn mal etwas daneben geht“.
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d. Alternativen zu der geschlossenen Unterbringung bestehen aus den dargelegten Gründen derzeit nicht. Der Sachverständige führt insoweit aus, dass als weniger einschneidende Maßnahme als einzig mögliche Alternative eine 24-stündige, rund um die Uhr und nur durch eine Pflegefachkraft zu leistende Versorgung infrage komme, nach vorangegangener Aufhebung der baulichen Mängel auf dem Anwesen des Betroffenen. Die ist jedoch nicht möglich. Es sind schon keine Mittel vorhanden, die notwendigen Renovierungsmaßnahmen durchführen und einen behindertengerechten Umbau vornehmen zu lassen. Darüber hinaus wäre auch keine 24stündige, rund um die Uhr und durch eine Pflegefachkraft zu leistende Versorgung in Frage, schon allein auch hier mangels hierfür erforderlicher finanzieller Mittel. Eine Pflege durch ... wäre nicht ausreichend. Diese könnte schon aus tatsächlichen Gründen nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen, zudem ist sie keine Pflegefachkraft. Außerdem teilt die Kammer die Einschätzung des Pflegeheims, dass ... weder die ordnungsgemäße Wundversorgung gewährleisten könnte, noch die sonstige pflegerische Versorgung des Betroffenen, wofür aufgrund dessen Gewicht neben Expertise auch viel Kraft erforderlich ist. Zudem könnte nach Überzeugung der Kammer im Übereinstimmung mit dem Sachverständigen auch die hygienische Versorgung des Betroffenen im Zusammenhang mit seiner massiven Inkontinenz nur durch eine professionelle Rund-um-die-Uhr-Pflegekraft gewährleistet werden.
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Auch die Verlegung in eine offene Einrichtung scheidet (zumindest derzeit) aus. Der Betroffene verweigert einen Umzug in ein offenes Pflegeheim, mit Ausnahme des in örtlicher Nähe zu seiner Hofstelle befindliche Heim in ... . Im Falle einer Verlegung des Betroffenen dorthin müsste aber mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass er das Heim verlassen und zu seinem Hof zurückkehren würde, mit den oben genannten Konsequenzen. Der Betroffene wäre hochgradig wegglaufgefährdet. Er hat in der richterlichen Anhörung selbst angegeben, er wolle unbedingt nach Hause und im Falle einer Verlegung nach ... sei es eh klar, dass er von dort aus auf seinen Hof fahren werde.
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e. Die genehmigte Dauer der Unterbringung folgt aus § 329 Abs. 1 FamFG. Auch unter Berücksichtigung der Freiheitsgrundrechte des Betroffenen ist eine geschlossene Unterbringung bis 01.05.2025 verhältnismäßig und erforderlich. Der Sachverständige ... führt an, dass ein Zeitraum von zwei Jahren als erforderlich anzusehen ist. Die Prognose, welche Dauer für die Unterbringung erforderlich ist, ist regelmäßig auf Grundlage des einzuholenden Sachverständigengutachtens vorzunehmen, § 321 Abs. 1 Satz 3 FamFG. Es liegt auch zur Überzeugung der Kammer eine offensichtlich lange Unterbringungsbedürftigkeit vor. Der Betroffene ist körperlich und psychisch multimorbide. Mit einer Besserung des Zustandsbildes kann nach den Angaben des Sachverständigen nicht gerechnet werden. Bei fortbestehender, wenn auch eingeschränkter Mobilität ist daher von einer langen Unterbringungsbedürftigkeit auszugehen.
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3. Die Beschwerde des Betroffenen gegen die Verlängerung der Betreuung ist unbegründet.
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Gemäß § 1814 Abs. 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht einen Betreuer, wenn ein Volljähriger seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen kann und dies auf einer Krankheit oder Behinderung beruht.
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a. Die Betroffene leidet an einer psychischen Krankheit im Sinne des § 1814 Abs. 1 BGB, nämlich einer anhaltende wahnhafte Störung (ICD10 F22) sowie einer kognitive Beeinträchtigung, vermutlich auf dem Boden einer nicht näher bezeichneten organisch psychischen Störung bei vorangegangener Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns (ICD10 F06.9). Zudem liegen massive körperliche Beeinträchtigungen vor. Der Betroffene ist gehbehindert und leidet an ausgeprägter Inkontinenz, er hat ein Lungenleiden und ein Geschwür am Bein. Dies ergibt sich aus den schlüssigen und für die Kammer nachvollziehbaren Ausführungen in den Gutachten des Sachverständigen ... und den Angaben der Pflegekraft. b.
50
Die Anordnung einer Betreuung setzt weiter voraus, dass der Betroffene seine Angelegenheiten nicht besorgen kann. Der medizinische Befund einer Krankheit oder Behinderung rechtfertigt für sich allein noch nicht die Bestellung eines Betreuers. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Krankheit oder Behinderung Ursache für die Unfähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten ist (BayObLG NJWE-FER 01, 151).
51
Die Kammer geht unter Berücksichtigung und Würdigung der Feststellungen des Sachverständigen davon aus, dass der Betroffene auch aktuell zur Besorgung seiner Angelegenheiten in den nachbenannten Aufgabenkreisen nicht in dem erforderlichen Umfang in der Lage ist. Der Sachverständige führt aus, dass der Betroffene krankheitsbedingt nicht mehr zu einer eigenständigen Lebensführung in der Lage ist.
52
Die Betreuung kann gem. § 1814 Abs. 2 BGB auch gegen den erklärten Willen des Betroffenen angeordnet werden, da ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen die freie Willensbestimmung des Betroffenen aufgehoben ist. Der Betroffene kann den Grund, die Bedeutung und die Tragweite einer rechtlichen Betreuung (krankheitsbedingt) nicht erfassen. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
53
d. Nach § 1815 Abs. 1 Satz 3 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, wenn und soweit deren rechtliche Wahrnehmung durch einen Betreuer erforderlich ist., d.h. in denen der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (BayObLG NJWE-FER 2001, 206). Aus Sicht der Kammer sind die durch das Erstgericht angeordneten Aufgabenkreise erforderlich.
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Die Aufgabenkreise der Aufenthaltsbestimmung, der Gesundheitsfürsorge und der Entscheidung über die freiheitsentziehende Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen sind erforderlich, um die medizinische Versorgung des Betroffenen weiterhin zu gewährleisten. Der Betroffene leidet wie ausgeführt an einer schweren psychischen Krankheit sowie an somatischen Krankheiten. Er drohte vor Aufnahme in die Klinik massiv zu verwahrlosen. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Die Aufgabenkreise sind somit erforderlich, um die medizinische Versorgung des schwer erkrankten und derzeit auch beschützend untergebrachten Betroffenen zu gewährleisten. Selbst bei einer etwaigen Verlegung in eine offene Einrichtung oder bei – derzeit nicht vorstellbarer – Rückkehr ins häusliche Umfeld kann aufgrund des chronifizierten Krankheitsbildes auch künftig erneut die Genehmigung einer beschützenden Unterbringung realistisch erforderlich werden.
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Um die ausreichende Versorgung des Betroffenen sicherzustellen, bedarf es auch der Aufgabenkreise des Abschlusses, Änderung und Kontrolle von Heimverträgen.
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Da der Betroffene krankheitsbedingt in keiner Weise in der Lage ist, sich um seine bürokratischen Angelegenheiten zu kümmern und für den Betroffenen auch weiterhin Anträge zu stellen sein werden, war auch der Aufgabenkreis der Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern zutreffend anzuordnen.
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Der Aufgabenkreis der Vermögenssorge ist aus denselben Erwägungen dringend erforderlich. Zu organisieren sind insoweit auch die Kosten, aus denen der Betroffene seine Lebensführung und die Heimkosten bestreiten kann.
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Der Aufgabenkreis der Haus- und Grundstücksangelegenheiten, inklusiver Ausübung des Hausrechts ist erforderlich, um sich um die Hofstelle einerseits kümmern zu können und auch Unberechtigten den Zutritt verweigern zu können, andererseits um Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf des Hofes entfalten zu können, nachdem der Bezirk Oberbayern die anfallenden Heimkosten nur darlehensweise leistet und den Verkauf des Hofes zur Deckung der Koste verlangt.
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Die Postangelegenheiten sind letztlich erforderlich, um die vorbezeichneten Aufgabenkreise ordnungsgemäß ausführen zu können und damit die bestellte Betreuerin überhaupt sinnvoll tätig werden kann, zumal der Betroffene die angeordnete Betreuung ablehnt.
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e. Nach § 1816 Abs. 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht einen Betreuer, der geeignet ist, in dem gerichtlich angeordneten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe des § 1821 BGB rechtlich zu besorgen und insbesondere in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlichen Kontakt mit dem Betreuten zu halten. Gemäß § 1816 Abs. 1 Satz 1 Abs. 4 BGB soll das Gericht dem Wunsch des Betreuten folgen, es sei denn, die gewünschte Person ist zur Führung der Betreuung nach Absatz 1 nicht geeignet.
61
Der Betroffene hat sich fortwährend gegen die Anordnung bzw. Verlängerung der Betreuung ausgesprochen und keinen Betreuervorschlag unterbreitet. Nachdem niemand bekannt ist, der die Betreuung ehrenamtlich übernehmen könnte, ist die Bestellung der weiteren Beteiligten zu 1) als Betreuerin nicht zu beanstanden. Zudem erscheint auch die Bestellung einer Berufsbetreuerin erforderlich, um die doch komplexen Angelegenheiten zu regeln, gerade im Zusammenhang mit der Hofstelle.
62
f. Der durch das Erstgericht festgesetzte Zeitraum zur erneuten Entscheidung über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung bis 02.05.2030, der der Empfehlung des Sachverständigen entspricht, erscheint auch der Kammer angezeigt. Der Betroffene wird krankheitsbedingt langfristig auf Unterstützung angewiesen sein.
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4. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.