Inhalt

OLG München, Beschluss v. 13.09.2023 – 24 U 2124/23 e
Titel:

selbständiges Beweisverfahren, Gesamtschuldner, Rechtsanwaltsgebühren, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Energieausweis, Ergänzungsgutachten, Notarieller Kaufvertrag, Kosten des Berufungsverfahrens, Gewährleistungsausschluß, Kostenentscheidung, Sicherheitsleistung, Gegenerklärung, Sachverständige, Landgerichte, Ziffern, Streitwert, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Arglistiges Verschweigen, Arglistige Täuschung, Gutachten

Schlagworte:
Arglistiges Verschweigen, Sachverständigengutachten, Beweislast, Energieausweis, Gewährleistungsausschluss, Zustellung, Streitwert
Vorinstanz:
LG Memmingen, Endurteil vom 06.04.2023 – 35 O 340/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 11.07.2024 – V ZR 212/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 50917

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 06.04.2023, Aktenzeichen 35 O 340/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Memmingen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 440.721,50 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Memmingen vom 06.04.2023 Bezug genommen.
2
Die Kläger beantragen im Berufungsverfahren:
3
1. Das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 06.04.2023, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2023, zugestellt am 14.04.2023 unter dem Az. 35 O 340/20 wird abgeändert und die Beklagten Ziff. 1 und 2 werden verurteilt,
a) als Gesamtschuldner an die Kläger Ziff. 1 und 2. gemeinschaftlich 414.999,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2019 zu bezahlen,
b) zu erklären, dass das Eigentum an dem im Grundbuch des Amtsgerichts Neu-Ulm für I. Blatt …92, Flurstück …88/9, … 8, … I., 614 m² eingetragenen Grundstücks auf die Beklagten Ziff. 1 und 2 übergehen und diese als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden sollen,
c) jeweils Zug um Zug gegen Übergabe des Besitzes des im Antrag zu Ziff. 1. b) bezeichneten Grundstücks durch die Kläger Ziff. 1. und 2. an die Beklagte Ziff. 1 und 2., sowie Abgabe der Erklärung der Kläger Ziff. 1 und 2., dass das lastenfreie Eigentum an dem im Antrag zu Ziff. 1. b) bezeichneten Grundstücks auf die Beklagten Ziff. 1. und 2. übergehen und diese als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden sollen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten Ziff. 1. und 2. seit dem 14.09.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu Ziff. 1. b) bezeichneten Grundstücks nebst Gebäude im Annahmeverzug befinden.
3. Die Beklagten Ziff. 1 und 2 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger Ziff. 1 und 2 den Betrag in Höhe von 54.843,89 € nebst Zinsen ab dem 14.09.2019 in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen.
4. Die Beklagten Ziff. 1 und 2 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger Ziff 1. und 2. außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 5.684,39 € zu bezahlen.
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten Ziff. 1 und 2 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Kläger Ziff. 1 und 2 alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, der den Kläger Ziff. 1 und 2, aufgrund des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages vom 08.03.2019 betreffend das Haus … 8 in … I. entstanden ist und noch entstehen wird.
4
Die Beklagten beantragen,
Die Berufung der Kläger ist zurückzuweisen.
II.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 06.04.2023, Aktenzeichen 35 O 340/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 12.07.2023 Bezug genommen.
7
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 04.08.2023 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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Das Landgericht Memmingen hat ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen für ein arglistiges Verschweigen von Fehlern oder für eine arglistige Täuschung über Eigenschaften des verkauften Hauses nicht festgestellt.
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1. a) Soweit die Kläger in der Gegenerklärung rügen, dass der Zeuge A. A. nicht gehört wurde, ist die Berufungsrüge i. S. v. § 530, § 296 Abs. 1 ZPO verspätet. Die Berufungsrüge hätte in der Berufungsbegründung erhoben werden müssen, § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ZPO.
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Die Rüge ist auch in der Sache nicht berechtigt. Der Zeuge A. wurde zwar in der Klageschrift dafür benannt, dass
- er erklärt habe, eine von den Beklagten zu 1. und 2. nach der ersten Besichtigung durch die Kläger zu 1. und 2. eingebrachte Dämmung mit Dämmwolle müsse so schnell wie möglich entfernt werden, da ansonsten Schimmelschäden durch Feuchtigkeit am ganzen Dach entstünden (S. 4),
- er im Keller bei einer Ortsbesichtigung am 28.06.2019 eine erhebliche Feuchtebelastung, insbesondere an den Boden-Wand-Anschlüssen, festgestellt habe und er in seinem Gutachten ausgeführt habe, dass „die Ursache“ für die Feuchtigkeits- und Schimmelbildung“ „in einer über Jahre hinweg von außen eindringenden Feuchtigkeit begründet liege“ (S. 4/5),
- er im Hinblick auf das Dach festgestellt habe, dass die Dachdämmung fehlerhaft angebracht worden sei, da die Unterspannbahn fehle und aufgrund dessen Schäden an der Bausubstanz durch Feuchtigkeit und Schimmelbildung eintreten würden (S. 5).
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Die behaupteten Erklärungen des Zeugen A. ergeben sich auch aus dessen als Anlage K2 (und bereits in dem vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren als Anlage ASt2) vorgelegten Gutachten; sie betreffen im Wesentlichen Sachverständigenfragen. Der Zeuge A. wurde jedoch nicht für die Behauptung benannt, dass den Beklagten die Feuchtigkeits- und Schimmelbildung bekannt gewesen sei und sie diese den Klägern arglistig verschwiegen hätten. Eine solche Behauptung ist – wie die Kläger einräumen – auch nicht in dem Gutachten des Bausachverständigen Alt vom 29.07.2019 enthalten.
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b) Aus diesem Gutachten folgen daher auch keine Einwände gegen die Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. A. S. vom 18.10.2021 und 13.10.2022 aus dem selbständigen Beweisverfahren 24 OH 1232/19, dessen Akten das Landgericht gemäß Verfügung vom 23.11.2022 (Bl. 62 d. A.) zu Beweiszwecken beigezogen hat. Einwände gegen die Gutachten wurden im hiesigen Verfahren nicht erhoben, insbesondere nicht im Schriftsatz vom 14.12.2022, durch den die Kläger die Klage erweitert haben, und ebenso nicht in der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2023. Die im selbständigen Beweisverfahren gestellten Ergänzungsfragen der Kläger gegen das Gutachten vom 18.10.2021 gemäß Schriftsatz vom 10.11.2021 (dort Bl. 329/333) wurden im Ergänzungsgutachten vom 13.10.2022 beantwortet. Zum Ergänzungsgutachten haben sich die Kläger zwar mit Schriftsatz vom 21.11.2022 (dort Bl. 410/412) geäußert, aber keine Ergänzungsfragen gestellt und auch hier nicht die Anhörung der Sachverständigen beantragt.
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c) Die nunmehrige Behauptung, die Heizung im Keller sei für die vorhandenen Räumlichkeiten nicht ausreichend, mit der die Äußerung der Sachverständigen S. widerlegt werden soll, bei kontinuierlichem Lüften und Heizen könne mit der vorhandenen Heizung einer Verbesserung bzw. Trocknung der Wände erreicht werden, ist sowohl nach § 531 Abs. 2 ZPO als auch innerhalb der Berufungsinstanz nach § 530, § 296 Abs. 1 ZPO verspätet und daher nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen würde selbst eine Fehleinschätzung der Sachverständigen zu dieser Frage einen Arglistnachweis gegen die Beklagten nicht begründen.
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2. Richtig ist, dass die Kläger bereits in erster Instanz Fotos der früheren Mieterin C. St. als Anlage K14a (jeweils mit Vergleichsfotos der Kläger) vorgelegt haben, die zumindest teilweise identisch mit den in der Berufungsbegründung als „Anlage B1“ vorgelegten Fotos sind. Angesichts des Umstands, dass das Haus nach dem Auszug der Mieterin von Mitte 2016 bis März 2017 leer stand und durch die Vorbesitzer Sä. in dieser Zeit Feuchtigkeit und Schimmel entfernt worden sein können, lassen die Aufnahmen aber keine für einen Nachweis von Arglist ausreichenden Rückschlüsse auf den Zustand in der Zeit vom März 2017 bis zum Abschluss des Kaufvertrags zwischen den Parteien am 08.03.2019 zu. Auch der Umstand, dass sich danach Feuchtigkeit und Schimmel wieder an denselben Stellen gezeigt hat, wie schon während der Mietzeit von C. S., besagt nichts über den Zustand in den zwei dazwischen liegenden Jahren. Dafür geben auch die von den Klägern bereits zwei Wochen nach ihrem Einzug im Juni 2019 festgestellten Schimmelstellen an einem auf den Boden gelegten Teppich keinen Aufschluss, da nicht bekannt ist, ob die Beklagten an der gleichen Stelle einen Teppich ausgelegt hatten und dieser Schimmelstellen aufgewiesen hat.
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3. Bezüglich der Sanierung der Elektrik räumen die Kläger ein, dass „in geringen Teilen“ eine Sanierung erfolgt ist. Hinsichtlich der Kenntnis der Beklagten davon, dass ein Teil der Elektrik nicht saniert wurde, stellen die Kläger ihre eigenen Schlussfolgerungen an, mit denen sie eine Kenntnis der Beklagten von der nur teilweisen Sanierung beweisen wollen. Allerdings könnte aus der Änderung der Kabelfarben im Jahr 1965 nur dann auf eine Kenntnis der Beklagten geschlossen werden, wenn diese hinsichtlich der Fragen der Elektroinstallation sachkundig gewesen wären, was nach den Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall war. Es ist keineswegs zwingend, dass die Beklagten aus den unterschiedlichen Kabelfarben schließen mussten, dass die Installation im Schlafzimmer und Wohnräumen schon älter als aus dem Jahr 1997 war. Ebenso wenig ist zwingend, dass sie durch ein Herausspringen der Sicherung oder einen elektrischen Schlag bei der Installation von Lampen diesbezüglich belehrt worden sein müssen. Im Übrigen wird jedenfalls Laien empfohlen, vor der Installation von Lampen die betreffende Sicherung abzuschalten, so dass ein elektrischer Schlag vermieden wird.
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4. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Beklagte zu 1) den Klägern am 26.01.2019 S. 9 der Projektarbeit von D. Sä. mit E-Mail geschickt. Die Beklagten haben nicht behauptet, die gesamte 41 Seiten umfassende Projektarbeit von D. Sä. per E-Mail den Klägern geschickt zu haben, sondern sie haben insoweit die Übergabe in Papierform behauptet; für die im Detail unterschiedlichen Angaben wird auf Abschnitt II. 4. e) des Hinweises Bezug genommen. Unstreitig verfügen die Kläger inzwischen über die Projektarbeit im Volltext, die ihnen von den Beklagten übergeben wurde. Mit dem Umstand, dass nur die Seite 9 übersandt wurde, lässt sich jedoch keine Arglist der Beklagten in Bezug darauf nachweisen, dass es sich nicht um einen Energieausweis i. S. d. EnEV gehandelt hat, zumal sich aus der per E-Mail übersandten S. 9 bereits ergibt, dass es sich um den Abschnitt 2.12 aus einer „Projektarbeit Gebäudeenergieberater bei der Handwerkskammer Ulm“ handelt. Damit war für die Kläger ebenso gut wie für die Beklagten erkennbar, dass es sich um keinen förmlichen Energieausweis handelte.
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b) Der „Hinweis“ der Kläger, der Sohn der Voreigentümer, D. Sä., habe in seiner Projektarbeit von 2007 die Energieangaben zum streitgegenständlichen Haus „beschönigt“ und bewusst mit falschen Werten gerechnet, begründet einen Arglistvorwurf gegen die Beklagten nicht.
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c) Der Umstand, dass die Kläger als Anlagen K6b und K6c zur Klageschrift zwei verschiedene Versionen des Exposés vorgelegt haben, von der eine konkrete Angaben über einen Energieausweis enthält und die andere „Energieausweis auf Anfrage“ angibt, kann weder auf die Zusicherung einer bestimmten Energieeffizienz noch auf ein arglistiges Verhalten der Beklagten geschlossen werden. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Vereinbarung einer bestimmten Energieeffizienzklasse im notariellen Kaufvertrag hätte beurkundet werden müssen. Damit gilt der in Abschnitt VI. des Kaufvertrags vereinbarte Gewährleistungsausschluss.
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d) Der Senat bleibt dabei, dass sich die Seite 9 der Projektarbeit (Anlage K5) deutlich von einem „Energieausweis für Wohngebäude gemäß den §§ 16 ff. Energieeinsparverordnung (EnEV) vom 18. November 2013“ unterscheidet, wie er von den Klägern als Anlage K6 vorgelegt wurde. Anlage K6 enthält einen Energieausweis des Architekturbüros W. R. vom 04.10.2019, der einem amtlichen Vordruck entspricht und sechs Seiten aufweist. Die von den Klägern in der Gegenerklärung als „Anlage B2“ vorgelegte Urkunde ebenfalls vom Architekturbüro W. R. vom 16.07.2019 (handschriftlich ergänzt 04/10/19) umfasst zwar nur zwei Seiten, ist aber ausweislich der Überschrift kein Energieausweis, sondern betrifft eine „Energieberatung nach DIN 4108-6 und DIN 4701-10“. Sie entspricht ebenso wie die vom Beklagten zu 1) den Klägern per E-Mail übersandte Seite 9 der Projektarbeit schon von ihrem Äußeren her einem Energieausweis nicht. Zwar ist letztere im notariellen Kaufvertrag vom 08.03.2019 (Anlage K1, Abschnitt VII.) als solcher bezeichnet, jedoch mit der aus Seite 9 gar nicht ersichtlichen Angabe des damals schon über zehn Jahre zurückliegenden Ausstellungsdatums 31.10.2007. Im Übrigen war ein Energieausweis nach der damaligen Rechtslage nur für zehn Jahre gültig, so dass die „Bewertung des Gebäudes“, selbst wenn man sie irrig für einen Energieausweis gehalten hätte, beim Verkauf des Grundstücks im Jahr 2019 nicht mehr gültig gewesen wäre (vgl. Hinweis unter II. 4. d).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO, § 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.