Titel:
Unwirksamer Widerruf eines zum Zwecke der Finanzierung eines Fahrzeugkaufs geschlossenen Darlehensvertrages
Normenkette:
ZPO § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Nr. 3, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Ein Anspruch auf Erstattung der vor und nach dem Widerruf an den Darlehensgeber getätigten Tilgungsleistungen und bezahlten Darlehenszinsen besteht vorliegend nicht. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Feststellung des Annahmeverzugs kommt vorliegend – wie im Falle einer Zug-um-Zug-Verurteilung – kein eigener wirtschaftlicher Wert zu, weil die Frage des Annahmeverzugs nur ein rechtlich unselbstständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch ist. (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Darlehensvertrag, Widerruf, Rückabwicklung, MINI Cooper, wirtschaftlicher Wert, Zug um Zug
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 15.12.2022 – 28 O 13802/22
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 02.07.2024 – XI ZR 132/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 50886
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.12.2022, Az. 28 O 13802/22, wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 115% des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 48.832,95 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines zwischen ihnen zum Zwecke der Finanzierung eines Fahrzeugkaufs geschlossenen Darlehensvertrags.
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Am 13.03.2017 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Kreditvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 44.175,16 € und Zinsen von 2.162,77 € (s. Anlagen K 1, B 2; im Folgenden: Darlehensvertrag). Vereinbart wurde ein effektiver Jahreszins von 1,99% p.a. Hiermit wurde der Kauf des als Neufahrzeug erworbenen Pkw, Marke MINI Cooper, Typ SD Countryman All4, Fahrzeugidentifizierungsnummer ... (im Folgenden: Kfz), finanziert. Der Kaufpreis betrug 44.400,02 €. Der Kläger zahlte aus Eigenmitteln eine Summe von 1.360 € als Anzahlung an die Verkäuferin, die Autohaus ... GmbH, Z. (im Folgenden: KfzVerkäuferin). Der Nettodarlehensbetrag wurde in Höhe des Kaufpreises von der Beklagten direkt an die Kfz-Verkäuferin ausgekehrt. Im Übrigen, d.h. in Höhe von 1.135,14 €, diente er der Finanzierung einer Ratenschutzversicherung Tod und AU. Das Darlehen war in 35 – jeweils Tilgung und Zins enthaltenden – monatlichen Raten zu je 499,88 € und einer Schlussrate von 28.842,01 € zurückzuzahlen.
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Im Darlehensvertrag wurde unter der Überschrift „Ausbleibende Zahlungen“ u.a. Folgendes ausgeführt:
„Für ausbleibende Zahlungen werden die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr sowie (…) berechnet.“
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In der dem Kläger ausgehändigten Widerrufsinformation finden sich u.a. nachfolgende Angaben:
„Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angaben von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nach Sie alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten haben.“
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Unter „Widerrufsfolgen“ ist neben anderem ausgeführt:
„Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 2,39 Euro zu zahlen.“
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Im April 2020 wurde der Kläger von der Beklagten auf die in Kürze fällige Zielrate hingewiesen.
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Die Zielrate wurde in der Folge ordnungsgemäß bezahlt.
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Mit Schreiben vom 17.10.2021 (Anlage K 4) widerrief der Kläger den Darlehensvertrag.
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Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom 21.10.2021 (Anlage K 5) als verfristet zurück.
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Der Kläger ist noch im Besitz der streitgegenständlichen Fahrzeugs.
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Der Kläger begehrt die Rückabwicklung des Darlehensvertrages, da sein Widerruf wirksam, insbesondere fristgemäß erfolgt sei. Der Darlehensvertrag enthalte fehlerhaft und unvollständige Pflichtangaben. Die Beklagte habe ihr die auf das Darlehen erbrachten Tilgungs- und Zinszahlungen, die direkt an die Verkäuferin geleistete Anzahlung und die Versicherungsprämien zurückzuzahlen.
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Das Landgericht wies die Klage ab, da es an der Fälligkeit des klägerischen Anspruchs fehle. Die Beklagte berufe sich diesbezüglich mit Erfolg auf das Leistungsverweigerungsrecht des § 358 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 S. 1 BGB a.F. Damit sei der Zahlungsanspruch – selbst bei unterstelltem wirksamen Widerruf – derzeit unbegründet. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO auf das angegriffene Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
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Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 19.01.2023 (Bl. 1 f. d. OLGeAkte) eingelegte und mit Schriftsatz vom 15.02.2023 (Bl. 6 ff. d. OLGeAkte) begründete Berufung des Klägers.
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Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und zu erkennen wie folgt:
„1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 48.832,95 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit binnen sieben Tagen nach Übergabe des Fahrzeugs MINI Cooper SD Countryman ALL4, mit der Fahrgestellnummer ... zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs MINI Cooper SD Countryman ALL4, mit der Fahrgestellnummer ... in Verzug befindet.“
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuverweisen.
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Ergänzend und wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 15.02.2023 (Bl. 6 ff. d. OLGeAkte), die Berufungserwiderung vom 03.04.2023 (Bl. 31 ff. d. OLGeAkte) sowie die weiteren Schriftsätze der Parteien verwiesen.
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Der Senat wies die Parteien mit Hinweisbeschluss vom 17.04.2023 (Bl. 89 ff. der OLGeAkte) nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen. Hierzu nahm der Kläger – trotz antragsgemäßer Fristverlängerung hierfür (s. Bl. 101, 102 d. OLGeAkte) – keine Stellung.
18
Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
19
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der durch ihn vor und nach dem Widerruf an die Beklagte getätigten Tilgungsleistungen und die bezahlten Darlehenszinsen. Bezüglich der Rückzahlung der direkt an die Kfz-Verkäuferin geleisteten Anzahlung ist die Berufung jedenfalls derzeit unbegründet. Der Kläger kann auch nicht Rückerstattung in Höhe der auf den Zeitpunkt nach Widerruf entfallenden Versicherungsprämien fordern. Insoweit wird auf den ausführlich begründeten Hinweisbeschluss des Senats vom 17.04.2023 Bezug genommen.
20
Eine Stellungnahme des Klägers hierzu erfolgte nicht, so dass es mit den bisherigen Ausführungen des Senats sein Bewenden hat.
21
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 2, § 711 S. 1, 2 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.
22
Der Streitwert für das Berufungsverfahren ergibt sich aus den Wertansätzen der Berufungsbegründung.
23
Die zur Herbeiführung der Fälligkeit des mit Berufungsantrag Ziffer 1 geltend gemachten Zahlungsanspruchs vorab zu erbringende Gegenleistung – Herausgabe des Kfz – bleibt nicht anders als bei einer Verurteilung Zug um Zug (BGH, Beschluss v. 13.02.2019, Az. V ZR 68/17, Rz. 8; Beschluss v. 01.12.2004, Az. IV ZR 1/04, juris Rz. 6; OLG München, Beschluss v. 01.02.2017, Az. 19 W 2119/16, juris Rz. 19) bei der Streitwertbemessung außer Betracht (OLG Brandenburg, Urteil v. 13.11.2019, Az. 4 U 7/19, juris Rz. 77).
24
Der auf Feststellung des Annahmeverzugs gerichtete Berufungsantrag Ziffer 2 hat keinen eigenständigen wirtschaftlichen Wert. Denn der Feststellung des Annahmeverzugs kommt hier – wie im Falle einer Zug-um-Zug-Verurteilung (BGH, Beschluss v. 12.10.2021, Az. VIII ZR 255/20, Rz. 26; Beschluss v. 25.07.2017, Az. XI ZR 545/16: Beschluss v. 20.06.2017, Az. XI ZR 109/17, Rz. 4) – ein eigener wirtschaftlicher Wert nicht zu, weil die Frage des Annahmeverzugs nur ein rechtlich unselbstständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch ist.
25
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht oder die Zulassung der Revision (§§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).
26
Wie dargestellt, liegen den Ausführungen des Senats die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Leitlinien zugrunde.
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Dazu ist keine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO), da keine besonderen Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, bei denen nur die Durchführung einer mündlichen Verhandlung der prozessualen Fairness entspräche.