Inhalt

VG München, Beschluss v. 09.02.2023 – M 27 SE 23.166
Titel:

Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs, Widerruf, Patientengefährdung, Verwertung von Erkenntnissen aus vor der Gleichwertigkeitsprüfung durchgeführten Kenntnisprüfungen

Normenketten:
VwGO § 80
VwGO § 123
BÄO § 10 Abs. 3
BayVwVfG Art. 48 f.
Schlagworte:
Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs, Widerruf, Patientengefährdung, Verwertung von Erkenntnissen aus vor der Gleichwertigkeitsprüfung durchgeführten Kenntnisprüfungen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 50729

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen den Widerruf einer Berufserlaubnis zur vorläufigen Ausübung des ärztlichen Berufs (Berufserlaubnis).
2
Die Antragstellerin bosnischer Staatsangehörigkeit absolvierte ein Medizinstudium mit entsprechendem Abschluss an der Universität Sarajevo in Bosnien und Herzegowina und war zuletzt aufgrund einer am 23. März 2019 erstmals erteilten Berufserlaubnis in der M.B.-Klinik … tätig. Sie unterzeichnete im Rahmen des Approbationserteilungsverfahrens am 25. März 2019 einen Verzicht auf eine Gleichwertigkeitsprüfung ihres Ausbildungsstandes und beantragte die Teilnahme an einer Kenntnisprüfung. Eine am … September 2020 durchgeführte Kenntnisprüfung bestand sie nicht. Als tragende Gründe wurde angegeben: „Keine ausreichende Kenntnis für das Bestehen der Prüfung, Mängel [in] allen Bereichen.“ Die auf weiteren Antrag am … April 2021 durchgeführte Kenntnisprüfung bestand die Antragstellerin wiederum nicht. Als tragender Grund wurde eine Leistung genannt, die wegen erheblicher Mängel den Anforderungen nicht mehr genüge. Auf Geltendmachung von Mängeln im Prüfungsablauf per E-Mail vom … Juni 2021 nahmen die jeweiligen drei Prüfer zu den beiden ersten Kenntnisprüfungen Stellung. Die auf Antrag durchgeführte dritte Kenntnisprüfung am *. November 2021 bestand die Antragstellerin ebenfalls nicht. Hierbei wurde als tragender Grund „mehrfach schwerwiegende Wissenslücken bei wesentlichen Fragen mit potenzieller Gefährdung der Patienten (Gipsanlage, medizinische Therapie Torsades de Points, Defibrillation bei Reanimation)“ angeführt.
3
Die Berufserlaubnis der Antragstellerin wurde zunächst bis zum 30. Juni 2021 und erneut bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.
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Mit Antrag vom 17. Februar 2022 berief sich die Antragstellerseite auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Rechtswidrigkeit der durchgeführten Kenntnisprüfungen und eine daraus folgende Berufserlaubnis aus besonderen Einzelfallumständen nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 Bundesärzteordnung (BÄO). Daraufhin wurde der Antragstellerin mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 28. März 2022 die jederzeit widerrufliche Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs gem. § 10 BÄO im Freistaat Bayern für den Zeitraum vom 4. April 2022 bis 3. April 2024 erteilt. Die Erlaubnis wurde beschränkt auf eine nicht selbstständige und nicht leitenden Tätigkeit in fachlich abhängiger Stellung.
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Nach der medizinisch-fachlichen Stellungnahme von Dr. med. F. vom 21. November 2022 zum Antrag auf Erteilung der Approbation – Gleichwertigkeitsprüfung – würden bei der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung eines Ausgleichs durch die postgradualen Tätigkeiten Defizite und wesentliche Unterschiede in der theoretischen Ausbildung in Bezug auf die Fächer Psychosomatische Medizin und Therapie sowie Klinisch pathologische Konferenz und in der praktischen Ausbildung in Bezug auf die Tertiale Innere Medizin und Chirurgie verbleiben. Zur aktuellen Tätigkeit in der M.B.-Klinik wurde ausgeführt, dass es sich dabei um eine Reha-Klinik handele, die Patienten deshalb „vorbehandelt“ seien und die Behandlung von Patienten mit internistischen und chirurgischen Grunderkrankungen in der Reha-Klinik lediglich eine Mitbehandlung darstelle. Somit sei weder die Klinik noch das Klinik-Klientel geeignet, der Antragstellerin die erforderlichen und einschlägigen praktischen Kenntnisse im Bereich der Inneren Medizin und Chirurgie zu vermitteln.
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Nach der weiteren medizinisch-fachlichen Stellungnahme von Dr. med. F. vom 21. November 2022 zur Erteilung einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nach § 10 BÄO würden die Kenntnisprüfungen eindeutig und über einen längeren Zeitraum belegen, dass die Antragstellerin nicht nur über mangelnde Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Erhalt der Approbation verfüge, sondern auch als patientengefährdend einzustufen sei. Das Nicht-Erkennen der in der Prüfung vom … September 2020 geprüften Krankheitsbilder könne bei Patienten zu bleibenden Schäden oder zum Tod führen. Auch in der Prüfung am … April 2021 geprüfte Krankheitsbilder habe die Antragstellerin zum Teil nicht erkannt bzw. kontraindizierte Therapiemaßnahmen vorgeschlagen, die ad exitum führen würden. Hinsichtlich der Prüfung vom *. November 2021 ergebe sich die Patientengefährdung wörtlich aus der Bewertung. Zu den vorgelegten Zeugnissen und Bescheinigungen wurde ausgeführt, dass es sich dabei um keine Prüfungsergebnisse handele und diese in der Regel auch nicht objektiv seien.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 19. Dezember 2022 wurde die am 28. März 2022 erteilte Berufserlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs mit sofortiger Wirkung widerrufen (Ziff. I). Die unter Ziff. I bezeichnete Berufserlaubnis wurde eingezogen und die Antragstellerin verpflichtet, der Regierung von Oberbayern die Erlaubnis im Original sowie sämtliche im Besitz der Antragstellerin befindlichen Ablichtungen, Zweitschriften und beglaubigten Kopien davon binnen zwei Wochen bis spätestens 4. Januar 2023 zu übermitteln (Ziff. II). Bezüglich des Widerrufs nach Ziff. I wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziff. III). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragstellerin keine ihrer drei Kenntnisprüfungen bestanden habe. Ausweislich der medizinisch-fachlichen Stellungnahme vom 21. November 2022 von Dr. med. F. zur Erteilung der Berufserlaubnis nach § 10 BÄO liege im Ergebnis eine medizinisch nachvollziehbare Patientengefährdung vor. Der Widerruf erfolge nach Art. 48 BayVwVfG. Es handele sich bei der Erlaubnis um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt. Die Erlaubnis dürfe nur widerruflich erteilt werden und ein Widerruf sei in der Erlaubnis vom 28. März 2022 auch vorbehalten worden. Angesichts der Stellungnahme zur Erteilung der Berufserlaubnis nach § 10 BÄO seien die notwendigen Kenntnisse nicht in ausreichendem Maße vorhanden und deshalb werde die Sicherheit der Patienten gefährdet. Die Jahresfrist für den Widerruf sei im Hinblick auf den Eingang dieser Stellungnahme eingehalten worden. Bei der Entscheidung seien das Recht der Klägerin an der Berufsausübung sowie der Patientenschutz berücksichtigt und abgewogen worden. Ein Vertrauensschutz bestehe aufgrund des Widerrufsvorbehalts nicht. Der Widerruf sei verhältnismäßig, da die Interessen der Antragstellerin hinter dem Patientenschutz zurücktreten müssten. Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung überwiege das öffentliche Interesse des keinen Aufschub duldenden Schutzes der Patientengesundheit das Berufsausübungsinteresse der Antragstellerin.
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Hiergegen ließ die Antragstellerin am … Dezember 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben (M 27 K 22.6512). Gleichzeitig lässt sie am … Januar 2023 beantragen,
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1. die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen,
2. hilfsweise, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin eine ärztliche Berufserlaubnis unter der Auflage der unmittelbaren Aufsicht eines approbierten Arztes zu erteilen.
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Die Antragstellerseite verteidigt unter Verweis auf ober- und bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ihre Rechtsauffassung. Die Kenntnisprüfungen seien rechtswidrig erfolgt; die Ergebnisse dürften im Rahmen der Berufserlaubnis nicht zulasten der Antragstellerin herangezogen werden. Eine Anhörung sei nicht erfolgt und der Widerruf, auch aufgrund der Möglichkeit einer Auflage, unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Auch nach einer Stellungnahme des Chefarztes Dr. H. vom 4. Januar 2023 seien an der fachlichen Eignung der Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt auch nur geringste Zweifel aufgetreten. Eine konkrete Patientengefährdung liege nicht vor. Die als Rechtsgrundlage einschlägigen §§ 5 und 6 BÄO seien nicht erfüllt.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Anträge abzulehnen.
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Zur Begründung wird auf den Bescheid verwiesen und ausgeführt, dass sich die Antragstellerin freiwillig und bewusst für die Kenntnisprüfung entschieden habe. Die Erkenntnisse aus den Kenntnisprüfungen könnten zumindest in der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden. Für den Widerruf gebe es mehrere Rechtgrundlagen; er sei fristgerecht ergangen. Ein Vertrauensschutz bestehe wegen der jederzeitigen Widerruflichkeit nicht.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte.
II.
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Der Antrag hat in Haupt- und Hilfsantrag keinen Erfolg.
I.
16
Der aufgrund der Sofortvollzugsanordnung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 19. Dezember 2022 hat in der Sache keinen Erfolg.
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Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist bei einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Suspensivinteresse vorzunehmen. Dabei nimmt das Gericht eine eigene, originäre Interessensabwägung vor, für die in erster Linie die Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgeblich sind. Im Falle einer voraussichtlich aussichtslosen Klage besteht dabei kein überwiegendes Interesse an einer Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Wird dagegen der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich erfolgreich sein, so wird regelmäßig nur die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Bei offenen Erfolgsaussichten ist eine Interessensabwägung vorzunehmen, etwa nach den durch § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO getroffenen Grundsatzregeln, nach der Gewichtung und Beeinträchtigungsintensität der betroffenen Rechtsgüter sowie der Reversibilität im Falle von Fehlentscheidungen.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache überwiegt das Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse (siehe 1.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei reiner Interessensabwägung (siehe 2.).
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1. Nach summarischer Prüfung wird sich der Widerruf der Berufserlaubnis voraussichtlich nicht als rechtswidrig und rechtsverletzend (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erweisen.
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Insbesondere führt die von der Antragstellerseite gerügte unterbliebene Anhörung – trotz voraussichtlich rechtlicher Gebotenheit – aufgrund der Äußerungsmöglichkeit der Antragstellerin und der inhaltlichen Auseinandersetzung des Antragsgegners damit bereits im Eilverfahren sowie der weiteren Nachholbarkeit im Klageverfahren nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG nicht zu einer formellen Rechtswidrigkeit.
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Die Voraussetzungen für einen Widerruf sind gegeben. Ein Abstellen auf die Rücknahme und Ruhensanordnung nach §§ 5 und 6 BÄO kommt nicht in Betracht. Denn die Erlaubnis stützt sich erkennbar nicht auf Gründe der ärztlichen Versorgung gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BÄO, sodass die Verweisung in § 10 Abs. 3 Satz 4 BÄO nicht einschlägig ist (vgl. VG Würzburg, U.v. 9.7.2007 – W 7 K 06.563 – juris Rn. 19). Es kann auch dahinstehen, ob die Erlaubniserteilung vom 28. März 2022 rechtswidrig und damit gem. Art. 48 BayVwVfG zurückzunehmen oder nach Art. 49 Abs. 2 Bay-VwVfG – wie im Bescheid tenoriert – zu widerrufen ist. Denn ein Widerrufsvorbehalt nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG liegt gleichfalls vor. Die Frist nach Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG (i.V.m. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG) ist eingehalten. Der Bescheid erging innerhalb eines Jahres nach Kenntniserlangung hinsichtlich der zugrunde gelegten medizinisch-fachlichen Stellungnahme von Dr. med. F. vom 21. November 2022 zur Erteilung einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nach § 10 BÄO.
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Eine Unverhältnismäßigkeit des Widerrufs ergibt sich nicht. Insbesondere kommt eine Auflage in Form eines vollständigen Unterstellens unter jederzeitige Aufsicht eines approbierten Arztes als milderes Mittel nicht in Betracht. Eine derartige Beschränkung ist in § 10 Abs. 3 Satz 1 BÄO grundsätzlich nicht vorgesehen und aufgrund von Umsetzbarkeitszweifeln und Einschränkungen in der behördlichen Kontrolle zur Erfüllung des Zwecks des Patientenschutzes nicht gleichermaßen geeignet.
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Ermessensfehler im Rahmen der Widerrufsentscheidung liegen nicht vor. Insbesondere hält es die Kammer unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Durchführung der Kenntnisprüfungen nicht für ermessensfehlerhaft, die aus den Kenntnisprüfungen gewonnenen Erkenntnisse der Ermessensentscheidung zugrunde zu legen. Soweit nach der antragstellerseitig in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Approbationserteilung (vgl. U.v. 11.12.2008 – 3 C 33.07 – juris Rn. 32) die Ergebnisse von gesetzlich nicht vorgesehenen Prüfungen den Berufszugang nicht versperren dürfen und dies nach der Einschätzung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. B.v. 21.6.2010 – 4 B 526/09 – juris Rn. 8) auch für die Erlaubnis nach § 10 BÄO geltend dürfte, steht dem zur Überzeugung der Kammer grundsätzlich nicht entgegen, ohne bloßes Abstellen auf die Ergebnisse der Prüfungen konkret und ermessensgerecht die im Rahmen der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse – gleichlaufend mit anderweitig bekanntwerdenden Erkenntnissen – bei der Widerrufsentscheidung zu verwerten. Inwiefern sich aufgrund einer Interessensabwägung im konkreten Fall der Antragstellerin ein Verwertungsverbot der Erkenntnisse aus den Kenntnis-Prüfungen ergeben sollte, ist nicht ersichtlich. Die Belange des Patientenschutzes überwiegen das Interesse der Antragstellerin an einem Unterbleiben der Verwertung. Dafür spricht insbesondere auch, dass die Kenntnisprüfungen nach Aktenlage behördenseitig gerade nicht mit dem Ziel einer Erkenntnisgewinnung hinsichtlich des Vorliegens einer Patientengefährdung durchgeführt wurden, sondern um einem voraussichtlich erfolglosen Gleichwertigkeitsprüfungsverfahren vorzubeugen (vgl. BA Bl. 291 des Approbationsvorgangs, zur Stellungnahme der Regierung von Oberbayern auf die Anfrage des Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung vom 19.11.2021). Die Antragstellerin war – unabhängig von der Möglichkeit eines rechtlich wirksamen Verzichts auf eine Gleichwertigkeitsprüfung – ausweislich der Erklärung vom 25. März 2019 mit der Durchführung auch einverstanden.
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Es liegt entgegen des antragstellerseitigen Vorbringens kein Ermessensausfall hinsichtlich schützenswerter Interessen der Antragstellerin vor. Ausweislich des Bescheids (vgl. dort S. 4 unter II.2.c.) wurde das Recht der Antragstellerin auf Berufsausübung in die Abwägung eingestellt.
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2. Eine reine Interessensabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis. Das öffentliche Interesse des Patientenschutzes überwiegt das Interesse der Antragstellerin auf Fortführung der vorläufigen Berufserlaubnis. Insoweit drohen – gegebenenfalls auch irreparable – Schäden an einer Vielzahl von und gegenüber dem Berufsausübungsinteresse der Antragstellerin höher zu gewichtenden Rechtsgütern von Gesundheit und Leben der Patienten.
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Soweit in der antragstellerseitig vorgebrachten Rechtsprechung aufgrund der Eingriffsintensität eines Erlaubniswiderrufs eine konkrete und nicht anders abwendbare Patientengefährdung verlangt wird (vgl. OVG Bremen, B.v. 8.1.2021 – 2 PA 270/20 – juris Rn. 17), geht die Kammer davon aus, dass eine solche aufgrund der aktuellen Beschäftigung der Antragstellerin in einer Klinik mit Patientenkontakt und den sich im Rahmen aller drei Kenntnisprüfung gezeigten fachlichen Defiziten gegeben ist. An der Annahme einer konkreten Patientengefährdung ändern auch die antragstellerseitig vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen, zuletzt mit der Stellungnahme von Dr. H. vom 4. Januar 2023, sowie die weitere Tätigkeit der Antragstellerin in der M.B.-Klinik und das längere Zurückliegen der letzten Kenntnisprüfung nichts. Nach Aktenlage ergeben sich bei der Antragstellerin insbesondere umfangreiche Defizite im Bereich der Inneren Medizin sowie Chirurgie. Nach der schlüssigen Darstellung von Dr. med. F. vom 21. November 2022 kann die Antragstellerin diese Defizite weder allein durch ihre Tätigkeit in der Neurologie der M.B.-Klinik als Reha-Klinik noch durch den zeitweisen Einsatz in der Kardiologie und Orthopädie hinreichend ausgleichen, sodass es - ungeachtet deren Objektivität – auf die Beurteilung der Arbeitsleistung durch Arbeitgeber und Kollegium nicht entscheidend ankommen kann. Auch wenn es nach den arbeitgeberseitigen Stellungnahmen bisher zu keiner Fehlbehandlung oder gar Gefährdung gekommen sei, ist aufgrund der Kenntnisdefizite im Grundlagenbereich ohne gegenläufige Anhaltspunkte anzunehmen, dass der Eintritt einer Patientengefährdung lediglich vom Zufall abhängt, wenn im Rahmen der praktischen Tätigkeit der Antragstellerin ein entsprechender, im Bereich der Inneren Medizin oder Chirurgie zu verortender Behandlungsbedarf entsteht. Eine anderweitig umsetzbare, effektive Abwendung der Patientengefährdung besteht wie dargestellt nicht.
II.
27
Auch der Hilfsantrag auf Verpflichtung des Antragsgegners auf Erteilung einer ärztlichen Berufserlaubnis unter der Auflage der unmittelbaren Aufsicht eines approbierten Arztes anstelle eines vollständigen Widerrufs hat keinen Erfolg.
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Insoweit besteht kein Anordnungsanspruch. Voraussetzung für eine entsprechende Auflage ist das Vorliegen der Voraussetzungen des im behördlichen Ermessen stehenden § 10 Abs. 1 bzw. Abs. 3 BÄO. Eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich einer Erteilung unter Auflage ist entsprechend den obigen Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit des Widerrufs nicht ersichtlich.
III.
29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 16.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.