Inhalt

LG Coburg, Endurteil v. 15.11.2023 – 14 O 152/23
Titel:

Kein Schadensersatz aufgrund angeblicher Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen

Normenketten:
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 823 Abs. 2, § 826
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Aus dem Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung folgt nicht ohne weiteres ein Vorgehen des Herstellers, das die Qualifikation als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit ist jedenfalls nur dann gerechtfertigt, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für den Hersteller handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem Bewusstsein handelten, eine eben solche unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. (Rn. 40 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einen Käufer, der im Jahr 2018 allgemeine Kenntnis vom Dieselskandal auch hinsichtlich des im Streit stehenden Dieselmotors erlangt und sich bis Ende 2019 keine Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs verschafft hatte, obwohl dies anhand öffentlich zugänglicher Informationsquellen wie der ihm eröffneten Möglichkeiten der Nachfrage beim Kundenservice oder beim Vertrags-Autohaus leicht möglich gewesen wäre, trifft der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis von dieser Betroffenheit. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, Abgasaffäre, V8-Dieselmotor, Verjährung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 50660

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz wegen des Kaufs eines vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffenen Dieselfahrzeugs durch den Kläger.
2
Der Vater des Klägers,..., erwarb am 11. April 2016 einen Porsche ... mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer ..., zu einem Preis von ... € (vgl. Anlage K1). Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug bei Kauf 0 km und am 14. November 2023 68.219 km.
3
Die Beklagte zu 2) entwickelte und stellte den im Fahrzeug verbauten Dieselmotor des Typs „V8 EU6“ her. Die Beklagte zu 3) baute den Motor in das streitgegenständliche Fahrzeug ein.
4
Für diesen Motor informierte das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) mit Pressemitteilung vom 18. Mai 2018, dass für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp ein verpflichtender Rückruf angeordnet wurde. Grund hierfür war eine unzulässige Abschalteinrichtung.
5
Für die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs war seit dem 28. Juli 2020 ein Software-Update (ALA9) vom KBA freigegeben. Mit Schreiben vom 16. September 2020 informierte die Beklagte zu 1) den Kläger über das zur Verfügung stehende Software-Update der Motor- und Getriebesteuerung und dass die Maßnahme aufgrund einer vom KBA angeordneten Rückrufaktion durchgeführt werden müsse (vgl. Anlage K4). Mit Schreiben vom 12. Oktober 2021 wurde der Kläger erneut von der Beklagten zu 1) darüber informiert, dass Ziel des verfügbaren Updates die Verbesserung der Steuerung der Abgasnachbehandlung in Bezug auf den Stickoxid-Ausstoß sei und dass die Maßnahme aufgrund der vom KBA angeordneten Rückrufaktion durchgeführt werden müsse (vgl. Anlage K5). Der Kläger hat das Update inzwischen auf sein Fahrzeug aufspielen lassen.
6
Das Fahrzeug durfte seit Anordnung des Rückrufs weiter im Straßenverkehr genutzt werden.
7
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2022 erklärte die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers außergerichtlich gegenüber der Beklagten zu 1) und zu 2) den Rücktritt von Kaufvertrag und forderte die Rückabwicklung.
8
Am 22. Juli 2023 trat ... sämtliche Ansprüche und Rechte im Hinblick auf das streitgegenständliche Fahrzeug an den Kläger ab (vgl. Anlage K9).
9
Der Kläger stützt seine Klage auf Ansprüche aufgrund Rücktritts vom Kaufvertrag sowie auf Ansprüche nach § 826 BGB; § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.
10
Er ist der Meinung, für das Vorliegen der unzulässigen Abschalteinrichtung würden die Beklagten haften.
11
Der Kläger ist der Meinung, dass die erteilte Typengenehmigung von Anfang an unwirksam gewsen sei. Insbesondere über das Bestehen der Typengenehmigung, aber auch über andere Punkte, wie die Schadstoffwerte sei von der Beklagten getäuscht worden.
12
In Kenntnis der gesamten Thematik hätte er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben, sondern sich ein alternatives Fahrzeug in einer ähnlichen preislichen Größenordnung gesucht.
13
Dem Kläger sei im Wege der Vorteilsausgleichung Nutzungsersatz anzurechnen. Hierbei sei von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs von 350.000 km auszugehen.
14
Die Ansprüche des Klägers seien im Übrigen auch nicht verjährt.
15
Der Kläger begehrt die Erstattung von vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von ... €.
16
Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2023 erweiterte der Kläger die Klage auf die nunmehr als Beklagte zu 3) geführte ... .
17
Der Kläger beantragt (zuletzt):
...
18
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
19
Die Beklagte zu 1) ist der Meinung, dass sie bereits deshalb nicht hafte, weil sie weder Vertragspartner beim Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs geworden sei, noch Fahrzeug oder Motor hergestellt habe.
20
Die Beklagte zu 2) ist der Auffassung, dass auch sie nicht hafte. Der Kläger sei bereits nicht aktivlegitimiert. Sie habe lediglich den Motor entwickelt und hergestellt. Dass ihr hierbei ein Vorsatzvorwurf gemacht werden könne, habe der Kläger nicht dargelegt. Dem Kläger sei kein Schaden entstanden, weil er das Fahrzeug unentgeltlich erhalten habe.
21
Die Beklagte zu 3) meint, bereits deshalb nicht zu haften, weil sie den Motor weder hergestellt noch entwickelt habe.
22
Die Beklagten zu 2) und 3) sind weiterhin der Auffassung, dass die erteilte Typengenehmigung wirksam und das Fahrzeug weiterhin technisch sicher und uneingeschränkt gebrauchstauglich sei.
23
Sowohl mangels Einbindung der Beklagten in den Verkaufsvorgang als auch ansonsten seien keinerlei Täuschungen durch die Beklagte erfolgt, insbesondere nicht bzgl. der Typengenehmigung, der Nutzbarkeit des Fahrzeugs oder der Schadstoffwerte.
24
Angesichts der fortbestehenden Nutzbarkeit und des geringen Update-Aufwands sei auch zu bestreiten, dass der Kläger den Kaufvertrag überhaupt nicht geschlossen hätte, wenn er von der Existenz der Software gewusst hätte.
25
Die Marktwerte der betroffenen Fahrzeuge seien stabil. Einen Minderwert habe das Fahrzeug nicht.
26
Vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger Nutzungsersatz anrechnen lassen müsse.
27
Im Übrigen seien etwaige Ansprüche des Klägers verjährt. Der Sachverhalt habe dem Kläger bereits seit dem Jahr 2018 bekannt sein müssen, so dass dieser spätestens im Jahr 2019 schlüssig hätte Klage erheben können.
28
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsen seien mangels Hauptanspruchs nicht geschuldet.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2023 und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Das Gericht hat den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört. Auch diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30
Die Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
A. Zulässigkeit
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Die Klage ist zulässig.
32
1. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Coburg folgt aus § 32 ZPO. Der Kläger begehrt Schadensersatz gestützt auf deliktische Normen, wobei zum zuständigkeitsbegründenden Begehungsort im Sinne von § 32 ZPO auch der Ort gehört, an dem der schädigende Erfolg eingetreten ist, wenn der Schaden Tatbestandsmerkmal der Anspruchsnorm ist (vgl. Schultzky, in: Zöller, 33. Aufl. 2018, § 32, Rn. 19). Dies ist jedenfalls bei § 826 BGB – auf den sich der Kläger beruft – der Fall. Der schädigende Erfolg ist hierbei am Wohnsitz des Klägers eingetreten (vgl. Touissant, in: BeckOK, 24. Edition, § 32, Rn. 12.1) – mithin im Bezirk des Landgerichts Coburg.
33
2. Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO für den Antrag zu Ziffer 3. auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten liegt angesichts der in Ziffer 1. beantragten Zug-um-Zug-Verurteilung im Hinblick auf die §§ 756, 765 ZPO vor (stRspr., vgl. Becker-Eberhard, in: MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 256 Rn. 25). Der Gläubiger kann mit seinem Klageantrag auf Zug-um-Zug-Verurteilung einen Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs des Schuldners verbinden und so eine rechtskraftfähige, für den Gerichtsvollzieher verbindliche Feststellung im Tenor des Vollstreckungstitels selbst erreichen (vgl. Heßler, in: MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 756 Rn. 48).
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3. Die durch den Kläger mit Schriftsatz vom 20. Juli 2023 vorgenommene Parteierweiterung ist jedenfalls sachdienlich und damit nach § 263, 2. Alt. Analog zulässig.
B. Begründetheit
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Die Klage ist jedoch vollumfänglich unbegründet.
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I. Zunächst ist festzuhalten, dass der Kläger vorliegend aufgrund der als Anlage K9 vorgelegten umfassenden Abtretungserklärung aktivlegitimiert ist. Die nunmehr vorgelegte Abtretungserklärung ist nicht mehr auf kaufrechtliche Ansprüche beschränkt, sondern umfasst sämtliche mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug zusammenhängende Ansprüche.
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II. Eine Haftung der Beklagten zu 1) ist durch den Kläger nicht ansatzweise dargetan worden. Die Beklagte zu 1) hat substantiiert dargetan, dass sie lediglich eine Vertriebs-GmbH sei, die den streitgegenständlichen Motor weder entwickelt und hergestellt noch in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebaut habe. Die Tatsache, dass die Beklagte zu 1) dem Kläger die Informationsschreiben in den Jahren 2020 und 2021 zugesandt hat, kann hieran nichts ändern. Die Beklagte zu 1) war unstreitig in den Kaufvertragsschluss im Jahr 2016 nicht involviert. Insofern fehlen jegliche Anknüpfungspunkte, aus denen sich eine etwaige Haftung der Beklagte zu 1) konstruieren ließe. Die Klage war daher gegenüber der Beklagten zu 1) abzuweisen.
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III. Auch die Beklagte zu 2) haftet dem Kläger vorliegend nicht.
39
1. Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB kommt nicht in Betracht.
40
Der Kläger hat nicht einmal ansatzweise dargetan, dass der Beklagten zu 2) vorliegend der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gemacht werden kann. Aus dem Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung folgt nicht ohne weiteres ein Vorgehen der Beklagten, das die Qualifikation als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde. Dies hängt vielmehr von der konkreten Funktionsweise der unzulässigen Abschalteinrichtung ab. Nachdem der Kläger jedoch bereits nicht vorträgt, welche unzulässige Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug eigentlich verbaut war, fehlt es ebenfalls an zureichenden Ausführungen zur Sittenwidrigkeit.
41
Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit ist jedenfalls nur dann gerechtfertigt, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem Bewusstsein handelten, eine eben solche unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19 –, juris, Rn. 18 f.; Beschluss vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 –, juris, Rn. 28; Urteil vom 13.07.2021 – VI ZR 128/20 –, juris, Rn. 13 f.; Beschluss vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20 –, juris, Rn. 14 f.).
42
Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19 –, juris, Rn. 19) hat zureichende Anhaltspunkte für ein entsprechendes Vorstellungsbild der für die Beklagte handelnden Personen in Bezug auf die streitgegenständliche unzulässige Abschalteinrichtung nicht aufgezeigt.
43
2. Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ist nicht dargelegt. Dies gilt unabhängig davon, welche unzulässige Abschalteinrichtung konkret vorliegend verbaut ist.
44
Zwar steht dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehenen Kraftfahrzeugs nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter den Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch gegen den Fahrzeughersteller auf Ersatz des Differenzschadens zu (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21-, juris, Rn. 28 ff.). Die Sonderpflicht, eine mit den (unions-)gesetzlichen Vorgaben konvergierende Übereinstimmungsbescheinigung auszugeben, trifft indessen nur den Fahrzeughersteller, nicht den Motorhersteller. Wie der Bundesgerichtshof klargestellt hat, knüpft die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV an die Erteilung einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung durch den Fahrzeughersteller an; der Motorhersteller kann deshalb, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, nach den allgemeinen und durch das Unionsrecht unangetasteten Grundsätzen des deutschen Deliktsrechts weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer (Vorsatz-)Täter hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein, weil ihm nicht die hierzu erforderliche Sonderpflicht obliegt (so BGH, Urteil vom 10.07.2023 – VIa ZR 1119/22 –, juris, Rn. 20, unter Verweis auf vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30.03.2023 – 7 U 584/22 –, juris, Rn. 7; OLG Koblenz, Urteil vom 11.05.2023 – 6 U 1268/21 –, BeckRS 2023, 12097 Rn. 50; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28.03.2023 – 7 U 95/22 –, juris, Rn. 16; Urteil vom 29.03.2023 – 7 U 109/22 –, juris, Rn. 54; allgemein BGH, Urteil vom 26.10.2004 – XI ZR 279/03 –, NJW-RR 2005, 556, 557 m.w.N.).
45
Fahrzeugherstellerin des in Rede stehenden Fahrzeugs Porsche Cayenne ist nicht die Beklagte zu 2), sondern die Beklagte zu 3), weshalb eine Haftung der Beklagten zu 2) als Täterin ausscheidet.
46
Eine bei Sonderdelikten mögliche Beteiligung der Beklagten zu 2) als Motorherstellerin im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB an einer deliktischen Schädigung des Fahrzeugherstellers kommt hier ebenfalls nicht in Betracht. Zwar kann Beihilfe auch zu Sonderdelikten geleistet werden, bei denen der Gehilfe nicht Täter sein kann. Voraussetzung ist allerdings nicht nur, dass der Gehilfe mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt hat, sondern auch eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers, während die vorsätzliche Förderung einer fahrlässigen Tat die Voraussetzungen des § 830 Abs. 2 BGB nicht erfüllt (BGH, Urteil vom 10.07.2023 – VIa ZR 1119/22 –, juris, Rn. 21 m.w.N.). Anders als im Verhältnis zum Fahrzeughersteller (vgl. dazu BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21 –, juris, Rn. 59 f.) bleibt es im Verhältnis zum vom Fahrzeughersteller verschiedenen Motorhersteller bei dem allgemeinen Grundsatz (BGH, Urteil vom 13.12.1984 – III ZR 20/83 –, NJW 1985, 1774, 1775; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 830 Rn. 47; Katzenmeier, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl., § 830 Rn. 23), dass hinsichtlich der Schuldhaftigkeit des Verstoßes des Fahrzeugherstellers gegen § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV als anspruchsbegründender Voraussetzung einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB den Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast trifft (BGH, Urteil vom 10.07.2023 – VIa ZR 1119/22 –, juris, Rn. 23 m.w.N.).
47
Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten zu 2) als Gehilfin nicht vor. Es fehlt schon an der Darlegung einer Vorsatztat der Fahrzeugherstellerin, ebenso an der Darlegung eines doppelten Vorsatzes der Beklagten.
IV.
48
Im Übrigen sind die Ansprüche des Klägers gegenüber den Beklagten zu 2) und zu 3) jedenfalls verjährt. Die Beklagten zu 2) und zu 3) haben jeweils mit Klageerwiderung die Einrede der Verjährung erhoben. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche sind damit nach § 214 Abs. 1 BGB nicht mehr durchsetzbar. Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 717/21 –, Rn. 32, juris).
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Die vom Kläger geltend gemachten deliktischen Ansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt dabei mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, §§ 199 Abs. 1 Nr. 1, 2 BGB. Erforderlich ist dabei die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger den Vorgang rechtlich zutreffend beurteilt. Bei besonders unübersichtlicher und verwickelter Rechtslage können ausnahmsweise auch erhebliche rechtliche Zweifel den Verjährungsbeginn bis zur Klärung ausschließen. Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruches eine höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht.
50
Bei einem Schadensersatzanspruch gehören zur notwendigen Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände die Pflichtverletzung oder die – hier – gleichstehende sittenwidrige Handlung, der Eintritt eines Schadens und die Kenntnis von der eigenen Schadensbetroffenheit. Grundsätzlich hat der Schuldner dabei die Kenntnis des Gläubigers zu beweisen.
51
Vorliegend geht die Einzelrichterin von einem Verjährungsbeginn spätestens zum Ende des Jahres 2022 aus.
52
Beim Kläger ist nämlich spätestens im Jahr 2019 von grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB hinsichtlich der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeuges von der Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen.
53
Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder dasjenige nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 – ZR 492/21 –, Rn. 20, juris). Der Kläger war – nach eigenem Vortrag – bereits seit 2016 alleiniger Halter und Nutzer sowie im Verhältnis zu seinem Vater alleinig Berechtigter des streitgegenständlichen Fahrzeugs, so dass es vorliegend für die Frage der Verjährung auf seine Person ankommt. Er ist als Geschädigter anzusehen.
54
Den Geschädigten trifft dabei im Allgemeinen weder eine Informationspflicht noch besteht für ihn eine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Inwieweit der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Unterlassen einer solchen Ermittlung ist nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Gläubigers als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein, so dass er aus verständiger Sicht gehalten ist, die Voraussetzungen des Anspruchs aufzuklären, soweit sie ihm nicht ohnehin bekannt sind (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2022 – ZR 250/21 –, Rn. 18, juris; vgl. hierzu und zum Folgenden: OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 24. Oktober 2023, Az. 4 U 79/23 e, Rn. 18 ff.).
55
Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten kam es bereits im Jahr 2018 unmittelbar im Anschluss zur Pressemitteilung des KBA vom 18. Mai 2018 – eine Kenntnis dieser Mitteilung des Klägers lässt sich nicht ohne Weiteres annehmen – zu einer Berichterstattung in großen Tageszeitungen über die Betroffenheit von Fahrzeugen der Marke Porsche mit V-TDI-Motoren im Rahmen des Dieselskandals (Klageerwiderung der Beklagten zu 2) vom 19. Mai 2023, Seite 20ff., 28ff, Klageerwiderung der Beklagten zu 3) vom 20. September 2023, Seite 7ff.). Diese Berichterstattung setzte sich im Jahr 2019 fort (B2), a.a.O., Seite 23 ff.). Die Betroffenheit des Porsche Cayenne vom sog. Abgasskandal war zudem bereits im Jahr 2017 Thema umfangreicher Medienberichterstattung gewesen. Die Beklagte zu 3) gab hierzu verschiedene Pressemitteilungen heraus (B2), a.a.O., Seite 26) Zudem konnte beim Porsche Kundenservice angefragt werden, ob ein Fahrzeug mit einer bestimmten Fahrzeugidentifikationsnummer von einem Rückrufbescheid betroffen war (B2), a.a.O., Seite 14).
56
Der Kläger hat selbst eingeräumt, die umfangreiche – unbestrittene – Berichterstattung seit 2015 über die „Abgasaffäre“ mitbekommen zu haben und auch mitbekommen zu haben, dass neben ... auch Fahrzeuge der Marken ... und ... betroffen waren. Er habe lediglich darauf vertraut, dass sein Fahrzeug hiervon nicht betroffen sei. Die Medienberichterstattung über die auch beim klägerischen Fahrzeug zum Einsatz gekommenen V-TDI- bzw. V8-Motoren einschließlich der Pressemitteilung des KBA wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Der Kläger bestreitet damit lediglich die positive Kenntnis von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeuges und trägt vor, dass aufgrund der Berichterstattung nicht von grob fahrlässiger Unkenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeuges auszugehen sei.
57
Nach Ansicht der Einzelrichterin, die insoweit den Erwägungen des OLG Bamberg im o.g. Hinweisbeschluss vom 24. Oktober 2023, Az. 4 U 79/23 e, folgt, ist bei Kenntnis von der allgemeinen Berichterstattung spätestens im Jahr 2019 von grob fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen auszugehen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Dieselskandal im Allgemeinen bereits im Jahr 2015 im Zusammenhang mit dem allseits bekannten Motor EA 189 bekannt wurde. Dieser Berichterstattung kann sich niemand verschlossen haben. Entsprechendes wird auch von dem Kläger nicht vorgetragen. Bei Kenntnis der oben dargestellten Berichterstattung in den Jahren 2018 und 2019 über die Fahrzeuge der Beklagten mit einem V8-Dieselmotor, den auch der Kläger besaß, drängte sich eine Nachforschung hinsichtlich der konkreten Betroffenheit geradezu auf. Diese aus Sicht des Senats bestehende Nachforschungspflicht begründet eine grobe Fahrlässigkeit, wenn den Anhaltspunkten für eine Betroffenheit nicht nachgegangen wird.
58
Ein Käufer, der im Jahr 2018 allgemeine Kenntnis vom Dieselskandal auch hinsichtlich des im Streit stehenden Dieselmotors erlangt und sich bis Ende 2019 keine Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs verschafft hatte, obwohl dies anhand öffentlich zugänglicher Informationsquellen wie der von den Beklagten eröffneten Möglichkeiten der Nachfrage beim Kundenservice oder beim Vertrags-Autohaus leicht möglich gewesen wäre, trifft der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis von dieser Betroffenheit im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 31, juris zum Motor EA189). Nachdem die Informationsquellen öffentlich kommuniziert und leicht zugänglich waren, wäre dem Kläger ohne Weiteres die Einholung der notwendigen Informationen möglich gewesen. Er hätte sich dadurch Gewissheit über die Betroffenheit seines Fahrzeugs durch Inanspruchnahme öffentlich verfügbarer Informationsquellen verschaffen können. Der Kläger hat damit auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht hätten, nicht ausgenutzt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 31, juris).
59
Die Erhebung einer Klage gegen die Beklagte war spätestens im Jahr 2019 auch hinsichtlich der V8-Dieselmotoren zumutbar. Die Rechtslage war bei einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die die Abgaswerte nahezu ausschließlich auf dem Prüfstand reduziert, nicht mehr in einem die Unzumutbarkeit der Klageerhebung begründeten Maße zweifelhaft. Namentlich bedurfte es keiner näheren Kenntnis darüber, welche im Sinne des § 31 BGB maßgeblichen Personen im Einzelnen für den Abgasskandal verantwortlich sind. Darauf, ob der Kläger bereits im Jahr 2019 aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen hat, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus § 826 BGB herleitete, kommt es ebenfalls nicht an. Dass noch nicht alle Fragen aus dem sogenannten Dieselskandal durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt waren, kann die Unzumutbarkeit der Klageerhebung bei gesicherter Tatsachengrundlage ebenfalls nicht begründen (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 35, juris).
60
Der für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche Zeitpunkt lag somit spätestens im Jahr 2019. Mit Ablauf des Jahres 2022 war der Anspruch verjährt. Die später im Jahr 2023 eingereichte Klage konnte die Verjährung nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen.
61
Das betrifft des Weiteren auch Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV oder mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007. Grundlage der Haftung nach diesen Vorschriften ist die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Rahmen der Abgasbehandlung des Fahrzeuges. Dass eine derartige Abschalteinrichtung beim Fahrzeug des Klägers verbaut war, ergibt sich aus dem Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes (vergleiche Anlage K9). Bei gebotener Nachforschung im Jahr 2018 oder spätestens im Jahr 2019 wäre eine Klageerhebung auch unter diesem Gesichtspunkt zumutbar gewesen.
C. Nebenforderungen
62
Mangels Hauptanspruch steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Verzinsung, Feststellung von Annahmeverzug oder Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren zu.
D. Sonstiges
63
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.
64
Der Streitwert wurde gemäß §§ 3 ZPO festgesetzt. (vgl. Beschluss des OLG Bamberg vom 3. Juli 2019 – 4 W 46/19, juris).