Titel:
Materielle Rechtskraft, Gegenerklärung, Mietgebrauch, Abrechnungsverhältnis, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Mündliches Sachverständigengutachten, Werklohnforderung, Werkvertragsrecht, Vertragsgemäßer Gebrauch, Schlußrechnung, Berufungszurückweisung, Privatgutachten, Vergütungsanspruch, Zahlungsanspruch, Werkvertragliche, Überlassen der Mietsache, Hinweispflicht, Abnahmeverweigerung, Abnahme der Bauleistungen, Kosten des Berufungsverfahrens
Normenketten:
BGB §§ 536b , 536c , 631 , 641
VOB/B § 16 Abs. 3
ZPO § 522 Abs. 2
Leitsätze:
1. Bei einem Vertrag über einen Spundwandverbau, der das Setzen, Bereitstellen und Ziehender Spundwand beinhaltet, handelt es sich um einen typengemischten Vertrag, dessen Schwerpunkt auf dem Werkvertragsrecht liegt.
2. Für die Fälligkeit des Werklohns ist neben dem Vorliegen einer prüfbaren Schlussrechnungerforderlich, dass der Auftraggeber das Werk abgenommen hat oder die Abnahme entbehrlich ist. Das gilt sowohl für den VOB- als auch BGB-Bauvertrag.
3. Weder eine Kündigung noch die Erklärung einer Minderung "auf null" bei vollständiger Wertlosigkeit des Werks führen per se zur Umwandlung in ein Abrechnungsverhältnis, das eine Abnahme entbehrlich machen würde.
4. Eine Abnahme ist nicht wegen unberechtigter endgültiger Abnahmeverweigerung entbehrlich, wenn sie bei Vorliegen wesentlicher Mängel verweigert werden kann.
Schlagworte:
Werkvertragsrecht, Mietvertragsrecht, Abnahme, Mängelrüge, Abrechnungsverhältnis, Abweisung der Klage, Fälligkeit des Werklohns
Vorinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 17.01.2023 – 28 U 6295/22 Bau
LG München II, Endurteil vom 29.09.2022 – 5 O 1043/21 Bau
Rechtsmittelinstanzen:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 17.01.2024 – VII ZR 139/23
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 17.01.2024 – VII ZR 123/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 50421
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 29.09.2022,Aktenzeichen 5 O 1043/21 Bau, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wird.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung iHv. 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 91.057,50 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Streitgegenständlich sind Zahlungsansprüche der Klägerin für das Vorhalten einer Spundwand aus einem Vertrag zwischen der B.-SA. G. GmbH (im Folgenden: SA.) und der Beklagten über einen Spundwandverbau für das Bauvorhaben der Beklagten Am L. 9 in W. Der Vertrag vom 30.06.2018 (Anl. K 1) sah den Verbau (anliefern, rammen, bis zu 3 Monate vorhalten) einer Spundwand, „System Kragträger“, durch die SA. in einem begrenzten Bereich der Baugrube der Beklagten für einen Pauschalpreis von Euro 24.000 netto vor.
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Der Vertrag enthält u.a. folgende Passagen:
„(…) Verbau entlang der Tiefgaragenabfahrt ca. 20,00 m zum späteren abstützen (sic) gegen die Tiefgarage (abstützarbeiten (sic) bauseits“) und „(…) Statik und Beweissicherung falls erforderlich bauseits (…)“.
3
Weiter wurde vereinbart, dass für das Vorhalten der Spundwand über 3 Monate hinaus monatlich Euro 2.850,00 zu zahlen seien. Die Spundwand wurde im Juli 2018 eingebracht und befindet sich nach wie vor im Boden. Im September 2021 wurden die oberirdischen Teile von der Beklagten abgeschnitten. Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage aus abgetretenem Recht Ansprüche (nur) für das Vorhalten der Spundwand von Oktober 2018 bis Dezember 2020 geltend.
4
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II vom 29.09.2022 sowie auf den Hinweis des Senats vom 17.01.2023 Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 04.07.2022 durch Erholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) C. P. zu der Frage, ob geeignete Spundwände verwendet wurden und der Spundwandverbau ordnungsgemäß errichtet wurde, sowie durch Vernehmung der Zeugen H., So., Sc. und Di. zur Frage der Leistungserbringung und der Vorgänge auf der Baustelle in Zusammenhang mit der Spundwand abgewiesen. Das Landgericht vertritt dabei die Auffassung, dass der von den Vertragsparteien am 30.06.2018 abgeschlossene Vertrag ein typengemischter Vertrag mit gleichermaßen werkwie mietvertraglichen Elementen sei und für jede Rechtsfrage einzeln geprüft werden müsse, aus welchem Regelwerk die sachnächste Vorschrift heranzuziehen sei. Maßgeblich für die Entscheidung über die streitgegenständliche Forderung auf Vergütung der Vorhaltezeit sei somit hier das Mietrecht. Die von der SA. eingebaute Spundwand sei von Anfang an mit erheblichen Mängeln behaftet und für die Beklagte wertlos gewesen. Dies bedinge eine vollständige Mietminderung („auf Null“). Dabei komme es nicht darauf an, ob die Spundwand nach dem insoweit widersprüchlichen Vertrag als Kragträger oder als Verbau mit Abstützmöglichkeit geschuldet gewesen sei, da die Spundwand in jedem Fall ihren Zweck, die Baugrube vor nachrutschendem Erdreich zu sichern, nicht ansatzweise erfüllt habe. Die verbauten Bohlen seien nach den Ausführungen des Sachverständigen für beide Systeme zu kurz gewesen. Die genau erforderlich Länge hätte zwingend durch einen Statiker unter Berücksichtigung der sehr weichen Bodenbeschaffenheit vorab berechnet werden müssen. Dies sei nicht erfolgt. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf zurückziehen, dass die Statik nach der vertraglichen Vereinbarung „falls erforderlich“ bauseits zu erbringen gewesen wäre, da die SA. als Fachunternehmen vor Einbau der Spundwand jedenfalls die Erforderlichkeit einer Statik hätte prüfen müssen. Eine entsprechende Hinweispflicht hätte selbst bei einer verbindlichen Vorgabe der Beklagten zur konkreten Errichtung bestanden. Die von der Klägerin vorgetragene Durchführung der Baugrubensicherung mittels einer Abböschung sei vorliegend wegen des zu geringen Abstands zwischen der Baugrubengrenze und dem späteren Baukörper schon nicht möglich gewesen. Eine vollständige Mietminderung sei nicht wegen eines Mitverschuldens der Beklagten ausgeschlossen. Der Mangel sei erst nach Vertragsschluss entstanden, und die Beklagte habe den Mangel auch nicht verursacht.
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Im Einzelnen wird auf das Urteil des Landgerichts München II vom 29.09.2022 Bezug genommen.
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Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und das Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung gestellt.
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Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dass das Landgericht ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt habe, indem Rückfragen an den Sachverständigen P. und das von ihr vorgelegte Privatgutachten Dr. L. nicht beachtet worden seien. Zudem habe das Landgericht die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Minderungsrechts zu Unrecht angenommen. Die Leistung der SA. sei mangelfrei erbracht worden. Das Landgericht gehe von einem unzutreffenden Bausoll aus. Jedenfalls bis zum Aushub der Tiefgaragenrampe sei der geschuldete Zustand eine lastenfreie Spundwand gewesen. Diese habe keinen Sicherungszweck erfüllen sollen. Nach den vertraglichen Vereinbarungen seien Abböschung und Abstützung dann Sache der Beklagten gewesen, welche die Gesamtplanung fehlerhaft und unvollständig durchgeführt habe. Die Minderungsvoraussetzungen seien auch bei Anwendung der werkvertraglichen Vorschriften – welche die Klägerin vorliegend aber für nicht einschlägig hält – nicht gegeben; insoweit fehle es an der Mängelrüge, der Aufforderung zur Mängelbeseitigung und der Minderungserklärung.
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Wegen der Berufungsrügen im einzelnen wird auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 17.01.2023 unter Ziffer II. Bezug genommen.
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Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin,
das am 29.09.2022 verkündete Urteil des Landgerichts München II, Az. 5 O 1043/21 Bau zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Euro 91.057,50 zu zahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29. 03. 2019 aus Euro 16.957,50, in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20. 10. 2020 aus Euro 64.182 und im Übrigen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit. Hilfsweise beantragt die Berufungsklägerin,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht München II zurückzuweisen.
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Die Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat mit Verfügung vom 17.01.2023 darauf hingewiesen, dass und warum er beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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Hierauf gingen binnen antragsgemäß verlängerter Frist Schriftsätze der Klägerin vom 10.03.2023 sowie vom 14.04.2023 ein. Darin wiederholt und vertieft die Klägerin im Wesentlichen ihren Vortrag aus der Berufungsbegründung und bekräftigt insbesondere ihre Auffassung, dass die vorliegende Klage nach den Vorschriften des Mietrechts zu entscheiden sei. Insoweit sei bereits die Überlassung der Mietsache als solche der geschuldete Zustand. Auf den mit der Überlassung verfolgten Zweck der überdies erfüllt worden sei – sei nicht abzustellen. Die Klägerin weist darüber hinaus nochmals darauf hin, dass die weiteren Nachfragen an den Sachverständigen P. aufgrund des Privatgutachtens Dr. L. zugelassen hätten werden müssen, unabhängig davon, ob das Gericht die Nachfragen für sinnvoll erachte oder nicht. Dies gebiete der Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs. Auch bei einer Anwendung werkvertraglicher Vorschriften sei die Klage vollumfänglich begründet. Eine Schlussrechnung habe die SA. mittlerweile am 03.02.202 erstellt, sodass die Werklohnforderung jetzt fällig sei. Da erstinstanzlich kein entsprechender Hinweis erfolgt sei, sei die Vorlage erst in der Berufungsinstanz zulässig. Die Fertigstellung sei ebenfalls erfolgt und die Abnahme sei entbehrlich, da sie zum einen wegen des Abschneidens der Spundwand gar nicht mehr möglich sei, sich die Parteien wegen der Kündigung des Spundwandvertrags und der Minderung in einem Abrechnungsverhältnis befinden würden und nach § 12 Abs. 5 VOB/B die Abnahme als erfolgt gelte. Zudem habe die Beklagte die Abnahme unberechtigt verweigert. Die Voraussetzungen für eine Minderung nach Werkvertragsrecht lägen nicht vor.
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Zu den Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird im übrigen auf Gegenerklärung Bezug genommen.
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Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 29.09.2022, Az: 5 O 1043/21 Bau, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen ausführlichen Hinweis des Senats vom 17.01.2023 Bezug genommen.
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Die Ausführungen in der Gegenerklärung geben weder zu einer Änderung der Senatsauffassung noch zu einem erneuten Hinweis des Senats Anlass.
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Zur Gegenerklärung ist ergänzend zum Hinweis des Senats vom 17.01.2023 noch Folgendes auszuführen:
1. Der Senat hat in der Verfügung vom 17.01.2023 bereits ausführlich dargelegt, warum auf denstreitgegenständlichen Zahlungsanspruch Werkvertragsrecht Anwendung findet.
Hieran wird festgehalten. Der Schwerpunkt des zwischen der SA. und der Beklagten geschlossenen Vertrags liegt erkennbar im Werkvertragsrecht. Die nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen der SA. sind – entgegen der Auffassung der Klägerin – gerade nicht gleichwertig, sondern das werkvertragliche Element gibt dem streitgegenständlichen Vertrag sein Gepräge. Die Zedentin selbst verwendet bezeichnenderweise in ihrem Pauschalangebot die Bezeichnungen „Gewerkbeschreibung/Betreff: Verbauarbeiten“, „Pauschalangebot/Verbau, Spundwandverbau“, „Leistungsbeschreibung: Spundwandverbau“ „(…) bieten wir Ihnen den Spundwandverbau an (…)“ und berechnet einen Angebotspreis „Verbau Komplett“. Die Gewichtung zwischen werk- und mietvertraglichen Elementen verschiebt sich auch nicht durch bloßen Zeitablauf, d.h. die Vorhaltung des Spundwand wird nicht mit und wegen des Fortlaufs der Vorhaltezeit zum Schwerpunkt des Vertrags. Auf den vorliegenden Vertrag ist damit insgesamt Werkvertragsrecht anzuwenden. Er ist bei der rechtlichen Beurteilung somit nicht in seine verschiedenen Bestandteile zu zerlegen. Auf die entsprechenden Ausführungen in der Senatsverfügung vom 17.01.2023 wird vollinhaltlich Bezug genommen.
2. Soweit die Klägerin die Meinung vertritt, dass ihr der streitgegenständliche Zahlungsanspruch (auch) bei Anwendung werkvertraglicher Regelungen zustehe, trifft dies nicht zu, worauf ebenfalls bereits in der Verfügung vom 17.01.2023 hingewiesen wurde.
Ein Vergütungsanspruch ist vorliegend jedenfalls mangels Abnahme nicht fällig und die Abnahme ist vorliegend auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Die Klage ist deswegen als derzeit unbegründet abzuweisen.
2.1. Selbst wenn, wie die Klägerin in der Gegenerklärung vorträgt, zwischenzeitlich am 03.02.2023 die Schlussrechnung erstellt worden und der Beklagten am selben Tag auch zugegangen sein sollte sowie innerhalb der Prüfungsfrist der VOB/B2 1016 keine Einwendungen gegen die Prüfbarkeit erhoben worden wären, wäre dies für die Fälligkeit nicht ausreichend.
2.2. Neben dem Vorliegen einer prüffähigen Schlussrechnung ist für die Fälligkeit des Werklohnsweiter erforderlich, dass der Auftraggeber das Werk abgenommen hat oder die Abnahme ggf. entbehrlich ist. Auch bei Heranziehung der VOB/B – obwohl dort in § 16 Abs. 3 nicht ausdrücklich erwähnt – ist neben der Vorlage der Schlussrechnung zusätzlich stets noch die Abnahme der Bauleistungen erforderlich. Sowohl für den VOB-Bauvertrag wie auch für den BGB-Bauvertrag gilt deshalb der Grundsatz abschließender Abrechnung erst nach Durchführung der Abnahme (Messerschmidt/Voit/Messerschmidt, 4. Aufl. 2022, BGB § 640 Rn. 82).
a) Eine Abnahme ist hier nicht erfolgt.
b) Es liegt auch keine Fallgestaltung vor, bei der die Fälligkeit der Werklohnforderung ohne Abnahmegegeben wäre.
Soweit die Klägerin auf dem Standpunkt steht, dass die Abnahme vorliegend entbehrlich sei, da sich die Parteien in einem Abrechnungsverhältnis befänden, trifft dies nicht zu. Ein Abrechnungsverhältnis wurde weder durch die Kündigung noch durch die „Minderungserklärung“ der Beklagten begründet.
aa) Die Klägerin beruft sich insoweit auf die von der Rechtsprechung geschaffene Figur des sog.Abrechnungsverhältnisses, mit der auch außerhalb des § 641 Abs. 1 BGB die Fälligkeit einer Werklohnforderung herbei geführt werden kann.
Erstmals in einer Entscheidung aus dem Jahr 1978 (BGH NJW 1979, 549, 550) hat der BGH dieses Konstrukt in einem Fall geschaffen, in dem ein Auftragnehmer statt der ursprünglichen Mängelbeseitigung zu einer Schadensersatzforderung übergegangen war. Deshalb habe jetzt eine „endgültige Abrechnung über die Bauleistung der Klägerin und den Schadensersatzanspruch der Beklagten stattzufinden. Auf die Frage, ob die Abnahme der Werkleistung Fälligkeitsvoraussetzung für den Vergütungsanspruch des Auftragsnehmers sei, kommt es nicht an“. Auf die vorliegende Fallkonstellation ist diese Überlegung des BGH nicht übertragbar.
bb) Die Kündigung beendet nicht das Erfüllungsstadium für die bereits erbrachten Leistungen, sondern beseitigt lediglich die Leistungsverpflichtung/Leistungsmöglichkeit für die Zukunft (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2002, NJW 2003, 1450). Die Kündigung beendet somit zwar den Vertrag im Sinne einer zukünftigen Leistungsverpflichtung, nicht aber das Erfüllungsstadium für die bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen. Durch die Kündigung entfällt somit nicht das Recht des Bestellers Nachbesserung zu verlangen; der Unternehmer bleibt auch nach der Kündigung verpflichtet, allfällige Mängel der erbrachten Leistung zu beseitigen. Durch die bloße Kündigung entsteht also nicht die Situation, dass dem Besteller allein auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche zustehen, ein Abrechnungsverhältnis entsteht (noch) nicht.
cc) Auch die Erklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 16.08.2022, wonach die Beklagte die Zahlung des Werklohns in diesem Verfahren vollständig verweigern könne, da das Werk „schlichthin wertlos“ gewesen sei, und sie deswegen nochmals „die Minderung des Werklohns auf Null ausspreche“ begründet schon deswegen per se kein Abrechnungsverhältnis, weil die Beklagte zugleich ausdrücklich erklärt hat, dass „die Rückforderung nicht Gegenstand dieses Verfahrens“ sei.
Die Beklagte zitiert in diesem Zusammenhang Urteile des BGH vom 29.10.1964, Az. VII ZR 52/63, und des OLG Düsseldorf vom 22.02.2011, Az. 23 U 218/09, denen zufolge (sogar) im Wege der Minderung für den Fall, dass das gelieferte Werk vollständig wertlos sei, die Herausgabe des gesamten Werklohns verlangt werden könne, und zieht daraus den Schluss („folgerichtig“), dass die Beklagte bei einem vollständig wertlosen Werk die Zahlung des Werklohns verweigern könne.
Vor diesem Hintergrund kann die Erklärung nicht so verstanden werden, dass hier – schon – die Umwandlung des Vertragsverhältnisses in ein Stadium der ausschließlich sekundären Gewährleistung erfolgen soll, zumal weitere Verweigerungshaltungen der Beklagten nicht im Raum stehen.
c) Die Abnahme ist auch nicht wegen unberechtigter endgültiger Verweigerung der Abnahme entbehrlich, da die Abnahme bei Vorliegen wesentlicher Mängel – wie hier – verweigert werden kann (MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2023, BGB § 640 Rn. 11; Kapellmann/Messerschmidt/Havers, 8. Aufl. 2023, VOB/B § 12 Rn. 93).
aa) Das Landgericht hat auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen P. auch für den Senat nachvollziehbar das Vorliegen von wesentlichen Mängeln bejaht.
Die Spundwand konnte den Zweck der Absicherung der Baugrube von Anfang an nicht im Ansatz erfüllen, da zu kurze und für die Bodenverhältnisse zudem ungeeignete Bohlen verwendet wurden. Der Senat hat die Ausführungen des Sachverständigen eigenständig gewürdigt und teilt die Auffassung des Landgerichts.
(1) Soweit die Klägerin insoweit zum wiederholten Male darauf abstellt, dass die Spundwand während der Phase der Lastenfreiheit nicht zur Sicherung der Baugrube dienen sollte, hat sich der Senat auch hiermit bereits in der Senat Verfügung vom 17.01.2023 unter Ziffer 3.g) auseinander gesetzt.
Hieran wird festgehalten. Geschuldet war von Anfang an eine Spundwand, welche die Baugrube im Bedarfsfall bei Lasteintragung sichern sollte. Es ist vollkommen verfehlt, hier von sich „phasenabhängig“ mit dem Baufortschritt ändernden Anforderungen auszugehen.
(2) Es wurde bereits dazu ausgeführt, dass das Erstgericht die Thematik „Breitflanschträger“ lediglich in Zusammenhang mit der Frage thematisiert hat, welches Spundwand – System vertraglich vereinbart wurde.
Dieser Frage kommt allerdings, worauf das Erstgericht im Urteil auch bereits explizit hingewiesen hat, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu, da die Spundwand wegen der deutlich zu kurzen Bohlen sowohl als sich selbst haltender Verbau als auch als Verbau mit Abstützmöglichkeit/Abspannung mangelhaft war.
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Letztlich konnte damit offenbleiben, ob der streitgegenständliche Vertrag eine Spundwand des statischen Systems „Kragträger“ oder eine Spundwand mit Abstützmöglichkeit/ Abspannung vorgesehen hat. Mangels Entscheidungerheblichkeit wird daher lediglich hilfsweise darauf hingewiesen, dass der Senat der ersteren Auffassung („System Kragträger“) bereits deswegen zuneigt, weil der Vertrag als Leistungsbeschreibung in Fettdruck eingangs angibt:
„Spundwandverbau System Kragträger“, und lediglich als einen Unterpunkt sodann enthält:
„Verbau entlang der Tiefgaragenabfahrt ca. 20 m zum späteren abstützen (sic) gegen die Tiefgarage (abstützarbeiten (sic) bauseits“).
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bb) Der Senat hat sich in seinem Hinweis vom 17.01.2023 bereits mit dem nunmehr erneut bemühten Argument der Klägerin auseinandergesetzt, dass die Bohlenlänge bei einer ordnungsgemäßen und fachgerechten Abböschung ausreichend gewesen sei.
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An der bisherigen Auffassung wird insoweit festgehalten.
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d) Warum die Abnahme vorliegend wegen des Abschneidens der oberirdischen Teile der Spundwand nicht mehr möglich und damit entbehrlich sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht.
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2.3. Der Senat hat in seinem Hinweis vom 17.01.2023 auch bereits dargelegt, dass und warum es keine Verletzung prozessualer Rechte der Klägerin darstellt, dass die im Schriftsatz vom 13.09.2022 gestellten Fragen dem Sachverständigen P. nicht mehr vorgelegt wurden und warum es auf das Gutachten des Privatgutachters Linse nicht ankommt. Hiermit befasst sich die Gegenerklärung nicht hinreichend. Der Senat vermag daher zunächst lediglich nur nochmals auf seine Ausführungen unter Ziffer III.3.f. des o.g. Hinweises zu verweisen und erneut zu betonen, dass eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht gegeben ist, Der Sachverständige P. hat kein schriftliches, sondern in der öffentlichen Sitzung vom 04.07.2022 ein mündliches Gutachten zu der Behauptung der Klägerin erstattet, dass geeignete Spundwände verwendet worden seien und der Spundwandverbau ordnungsgemäß errichtet worden sei. Die Klägerin hat bereits in der Sitzung von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Sachverständigen Fragen zu stellen. Auch dem weiteren Erfordernis des Anspruchs auf rechtliches Gehör, im Anschluss an die Beweisaufnahme eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme zum Beweisergebnis zu gewähren, wenn von einer Partei eine umfassende sofortige Stellungnahme nicht erwartet werden kann, weil sie hierzu Zeit benötigt, um in Kenntnis der Sitzungsniederschrift – angemessen vorzutragen (BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2011 – VII ZR 184/09, NZBau 2011, 672 Rn. 6 mwN und vom 30. November 2010 – VI ZR 25/09, VersR 2011, 1158 Rn. 5), wurde genügt, indem den Parteien die Gelegenheit gegeben wurde, zum Ergebnis der Beweisaufnahme schriftlich Stellung zu nehmen. Der Senat hat im Übrigen bereits in der Verfügung vom 17.01.2023 ausgeführt, warum die von der Klägerin dann im Schriftsatz vom 13.09.2022 aufgeworfenen Fragen irrelevant sind. Hieran wird festgehalten. Das Anhörungsrecht bezieht sich nicht auf Fragen, die – wie hier – für die zu treffende Entscheidung unerheblich oder bereits eindeutig beantwortet sind, ohne dass insoweit ein Erläuterungsbedarf besteht oder zumindest nachvollziehbar geltend gemacht wird (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 411 Rn. 5; OLGR Saarbrücken 2004, 379; OLG Oldenburg 18.3.1997 – 5 U 3/96, OLGR Oldenburg 98, 17; OLG Hamm 14.12.1984 – 7 U 110/83, MDR 85, 593; s § 397 Rn 3).
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Es bleibt daher dabei, dass ein etwaiger Restwerklohnanspruch der Klägerin jedenfalls nicht fällig und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen ist, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wird.
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3. Soweit der Senat in der Begründung der Berufungszurückweisung von der des erstinstanzlichenUrteils abweicht, sich dieses also mit anderer Begründung als richtig erweist, zwingt dies nicht „automatisch“ zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Diese ist vielmehr nur in den Fällen geboten, in denen bei Veränderung der entscheidungstragenden Erwägungen die Durchführung des schriftlichen Hinweisverfahrens das prozessuale Fairnessgebot verletzen würde. Dies wiederum wäre anzunehmen, wenn die veränderte rechtliche Würdigung nicht angemessen im schriftlichen Verfahren erörtert werden könnte, was vorliegend nicht der Fall ist (vgl. OLG Frankfurt a. M. Beschluss vom 25.11.2013 – 18 U 1/13, BeckRS 2013, 22588, beck-online; 28 U 6295/22 Bau – Seite 12 – OLG Köln NZG 2021, 26; Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss, Rn. 36; MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, § 522 Rn. 25; Anders/Gehle/Göertz, 81. Aufl. 2023, ZPO § 522 Rn. 31).
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4. Die erforderliche Abänderung des Tenors des angefochtenen Urteils steht einer Entscheidung imBeschlusswege gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ebenfalls nicht entgegen.
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Der die Berufung zurückweisende Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO tritt an die Stelle des Berufungsurteils und bestimmt den Umfang der materiellen Rechtskraft der Berufungsentscheidung. Die Berufung hat auch dann keine Aussicht auf Erfolg, wenn – wie hier – die Bewertung der Klage als unbegründet mit anderer Begründung aufrechterhalten wird, und zwar selbst dann, wenn sich hierdurch der Umfang der materiellen Rechtskraft ändert (OLG Rostock, Beschluss v. 07.04.2003, 6 U 14/03: OLG Frankfurt a. M. Beschluss vom 19.6.2017 – 13 U 45/16, BeckRS 2017, 116818 Rn. 23, beck-online; OLG Braunschweig Hinweisbeschluss v. 28.2.2023 – 4 U 11/21, BeckRS 2023, 4789 Rn. 37, beck-online).
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5. Auf die umfangreichen Ausführungen der Klägerin zur rechtlichen Beurteilung der Klage für denFall der Anwendung mietvertraglicher Vorschriften wird lediglich hilfsweise eingegangen, da der Sachverhalt – wie bereits dargelegt – allein nach werkvertraglichen Regeln zu entscheiden ist: Selbst bei Anwendung mietvertraglicher Regelungen stünde der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Hierauf wurde in der o.g. Verfügung des Senats bereits hingewiesen. Zunächst kann, da der entsprechende Vortrag in der Gegenerklärung sich im Wesentlichen in der Wiederholung des Vortrags aus der Berufungungsbegründung erschöpft, auf den ausführlichen Hinweisbeschluss vom 17.01.2023 Bezug genommen werden.
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5.1. Der Vortrag der Klägerin, dass „die Überlassung der Mietsache der geschuldete Zustand sei“, ist nicht nachvollziehbar. Der Vermieter hat dem Mieter den Gebrauch der Mietsache „während der Mietzeit zu gewähren“. Die Pflicht zur Gebrauchsgewährung bedeutet somit (auch) das Verschaffen des Mietgebrauchs, d.h. das Überlassen der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand (vgl. MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, BGB § 535 Rn. 79). Geschuldet gewesen wäre bei der Anwendung mietrechtlicher Vorschriften somit vorliegend nicht das Verschaffen des Mietgebrauchs „irgendeiner Spundwand“, sondern das Verschaffen des Mietgebrauchs einer Spundwand zur Sicherung des Grundstücks gegen ein Abrutschen. Zu diesem vertragsgemäßen Gebrauch war die streitgegenständliche Spundwand aber zu keinem Zeitpunkt geeignet. Auf die Verfügung des Senats vom 17.01.2023 unter Ziff. 3.a) wird insoweit verwiesen.
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5.2. Die Klägerin hat bereits wiederholt zur fehlenden Mangelanzeige vorgetragen.
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Hierzu wurde im Hinweisbeschluss vom 17.01.2023 bereits ausgeführt, ohne dass sich die Klägerin in der Gegenerklärung hiermit inhaltlich auseinandersetzen würde. Einmal mehr bleibt dem Senat damit insoweit nur, nochmals auf seine Ausführungen zu verweisen, an denen festgehalten wird.
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5.3. Ebenfalls zum wiederholten Mal führt die Klägerin in der Gegenerklärung zur Frage einer Hinweispflicht der Klägerin aus.
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Das Erforderliche ist in der Verfügung vom 17.01.2023 in Zusammenhang mit den Erläuterungen unter Ziffer III.3.l.cc und dd zu § 536 b BGB bereits dargestellt worden. Hiermit setzt sich die Klägerin in der Gegenerklärung nicht auseinander. Um Wiederholungen auch seitens des Senats zu vermeiden, kann insoweit nur nochmals hierauf verwiesen werden.
35
Die Berufung ist daher mit der mit Tenor enthaltenen Maßgabe zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
37
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
38
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.
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Anhaltspunkte, welche die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, ergeben sich – unabhängig davon, dass eine Verfahrensgestaltung nach § 522 Abs. 2 ZPO dann nicht möglich gewesen wäre weder aus dem Sachvortrag der Parteien noch aus den Umständen.