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AG München, Endurteil v. 27.10.2023 – 173 C 21722/19
Titel:

Schadensersatz bei Aufbruch eines PKW auf Parkplatz in Hotelnähe in Litauen

Normenketten:
Rom I-VO Art. 6 Abs. 4 lit. a
ZGB Litauen Art. 6.63 Abs. 1, Art. 6.205, Art. 6.256 Abs. 2
Leitsatz:
Ein Schadensersatzanspruch besteht nach litauischem Recht gegen den Betreiber eines Hotels auch dann nicht, wenn dieser zugesagt hat, dass ein kostenfreier Parkplatz zur Verfügung steht und auf diesem nicht überwachten Parkplatz der PKW aufgebrochen wird, auch wenn vergleichbare Taten in der Vergangenheit dem Hotelbetreiber bekannt waren. (Rn. 10 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hotel, Parkplatz, PKW, Einbruch, Diebstahl, Schadensersatz, Pflichtverletzung, Litauen, VO (EG) 593/2008
Fundstelle:
BeckRS 2023, 50410

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.593,89 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Ansprüche aus Beherbergungsvertrag.
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Der Kläger buchte am 22.01.2026 über b....com zwei Doppelzimmer bei der Beklagten für den Zeitraum 25.08. bis 27.08.2016. Auf der Buchungsbestätigung ist folgendes aufgeführt:
„Parken Private Parkplätze stehen kostenfrei an der Unterkunft (Reservierung ist nicht erforderlich) zur Verfügung“ und „Besondere Anfragen „You have a booker that would like a free parking. (based on availability)“.
3
Nach Ankunft im Hotel parkte der Kläger bzw. seine Ehefrau das Fahrzeug auf Anweisung einer Mitarbeiterin der Beklagten direkt vor der Mauer des Hotelparkplatzes. Der eingefriedete Hotelparkplatz war voll. Auf dem angewiesenen Parkplatz war es bereits zu mehreren Autoaufbrüchen gekommen. Am nächsten Morgen war die Seitenscheibe des klägerischen PKW eingeworfen und diversen Gegenstände im Wert von 2.074,89 € entwendet. Die Kosten für den Austausch der Scheiben betrugen 519 €, wovon 150 € als Teilkasko-Selbstbeteiligung verblieben.
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Der Kläger beantragt zu erkennen:
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.593,89 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit 14.10.2016 zu zahlen und der Beklagten die Kostend es Rechtsstreits aufzuerlegen und ein Versäumnisurteil zu erlassen.
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Für die Beklagtenpartei ist in der Sitzung vom 24.10.2023 niemand erschienen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 17, 18 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012. Die Beklagte hat durch ihren Auftritt bei b....com in deutscher Sprache ihre gewerbliche Tätigkeit auf Deutschland ausgerichtet, so dass nach Art. 17 der Art. 18 Anwendung findet. Danach kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, erhoben werden. Damit ist das Amtsgericht München örtlich zuständig.
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Die Klage ist aber nicht schlüssig, weswegen kein Versäumnisurteil zu erlassen und die Klage abzuweisen ist. Da für die Beklagtenpartei im Termin vom 24.10.2023 niemand erschienen ist, gilt der Sachvortrag des Klägers als zugestanden und es ist allein auf Grundlage des klägerischen Vortrags zu entscheiden.
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Auch wenn München als Gerichtsstand in Frage kommt, ist vorliegend litauisches Recht anzuwenden. Dies ergibt sich aus Art. 6 Abs. 4 a Verordnung (EG) Nr. 593/2008. Zwar gilt grundsätzlich bei Verträgen zwischen Verbraucher und Unternehmer das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine Tätigkeit au diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Dies gilt allerdings gem. Art. 6 Abs. 4 a nicht für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldete Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat bzw. nach Art. 6 Abs. 4 c nicht für Verträge, die die Miete unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben. Der Beherbergungsvertrag fällt als gemischter Vertrag hierunter. Außerdem erbringt die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten ausschließlich in Litauen. Damit findet litauisches Recht Anwendung.
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Dem Kläger steht nach litauischen Recht kein Schadensersatzanspruch zu.
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Der Kläger stützt seinen Anspruch auf pVV des Beherbungsvertrages. Der Kläger stellte auf Hinweis der Beklagten den PKW direkt vor die Mauer des Hotelparkplatzes auf einen zum Hotel gehörenden Parkplatz ab, obwohl es der Beklagten bekannt war, dass es dort bereits zu Autoeinbrüchen gekommen ist.
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Nach litauischem Recht besteht ein Schadensersatzanspruch, wenn eine aus einem Vertrag geschuldete Leistung nicht, nicht ordnungsgemäß oder nicht rechtzeitig erbracht wird, Art. 6.63 Abs. 1, 6.205, 6.256 Abs. 2 ZGB.
12
Ob der Beherbergungsvertrag die Verpflichtung umfasst, dem Kläger einen privaten Hotelparkplatz kostenfrei zur Verfügung zu stellen, ist mangels gesetzlicher Regelung durch Auslegung zu ermitteln. Im Zweifel sind Vertragsbedingungen zum Nachteil der die Bedingungen setzenden Vertragspartei auszulegen, Art. 6.194 Abs. 1 S. 1, 4 lit. ZGB. Falls der wahre Wille der Vertragsparteien hinsichtlich der kostenfreien Zurverfügungstellung eines privaten Parkplatzes durch die Beklagte nicht festgestellt werden kann, ist darauf abzustellen, ob eine vernünftige Partei in der Person der Vertragsparteien die Hotelrichtlinien dahingehen verstanden hätte, dass sich die Beklagte damit verpflichten wollte, dem Kläger einen Stellplatz auf einem mit einer Mauer umfriedeten Hotelparkplatz zur Verfügung zu stellen. Es genügt nicht, dass das Hotel Stellplätze bietet. Es bedarf zusätzlicher, auf einen entsprechenden Vertragswillen hinweisender Umstände oder Verhaltensweisen, die im jeweiligen Einzelfall den Schluss auf die Übernahme einer Obhutsnebenpflicht durch das Hotel erlauben.
13
Eine Schlechterfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Beherbergungsvertrag liegt nur dann vor, wenn die Auslegung des Vertrages ergibt, dass dieser die Verpflichtung der Beklagten enthielt, dem Kläger kostenfrei einen Parkplatz auf dem umfriedeten Hotelparkplatz zur Verfügung zu stellen.
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Der Beherbergungsvertrag enthielt folgende Klausel „Private Parkplätze stehen kostenfrei an der Unterkunft (Reservierung ist nicht erforderlich) zur Verfügung“ und folgende besondere Anfrage „You have a booker that would like free parking. (based on availability)“.
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Der Vertrag umfasst nach dem Wortlaut das zur Verfügungstellen eines privaten Parkplatzes, mehr nicht. Es ergibt sich daraus nicht, dass der private Parkplatz umzäunt ist. Vielmehr ist aus der Tatsache, dass der Parkplatz kostenlos ist, zu schließen, dass sich dieser draußen und frei zugänglich befindet. Üblicherweise berechnen Hotels für Garagen und „gesicherte“ Parkplätze extra Gebühren. Die Parteien haben sich zur Überzeugung des Gerichts nicht darauf geeinigt, dass der Kläger seinen PKW auf dem umfriedeten Hotelgelände abstellen kann. Der Verpflichtung, dem Kläger einen privaten Parkplatz zur Verfügung zu stellen, ist der Beklagte nachgekommen. Nur befand sich dieser Parkplatz außerhalb der Umzäunung. Diese war aber nicht Vertragsgegenstand.
16
Ein Mietvertrag über einen Parkplatz liegt nicht vor. Dieser setzt eine Überlassung der Mietsache gegen Entgelt zum Besitz und zur Nutzung voraus. Vorliegend ist weder ein Rechtsbindungswille von der Beklagten, mit dem Kläger einen Vertrag über eine Parkplatzmiete zu schließen, anzunehmen, noch erfolgte die Überlassung gegen Entgelt.
17
Es wurde auch kein Verwahrvertrag geschlossen. Dieser kommt erst ab dem Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Verwahrer zustande und bedarf der einfachen Schriftform. Ist der Verwahrvertrag unentgeltlich, haftet der Verwahrer grundsätzlich nur, wenn ihn ein Verschulden trifft.
18
Nach litauischem Recht schließen sich vertragliche und deliktische Haftung aus.
19
Die Beklagte haftet nach litauischem Recht für den Schaden am Fahrzeug und für den Fahrzeuginhalt nur dann, wenn dieser adäquat kausal durch eine Pflichtverletzung des Beherbergungsvertrages durch die Beklagte verursacht worden ist. Das Verschulden des Hotelpersonals ist der Beklagten wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Die Haftung der Beklagten als Unternehmerin ist nur ausgeschlossen, wenn der Schaden aufgrund höherer Gewalt eingetreten ist. Hierfür trägt die Beklagte die Beweislast. Pflichtverletzung, Schadenseintritt und Kausalität müssen vom Kläger nachgewiesen werden.
20
Eine Pflichtverletzung der Beklagten kann das Gericht nicht erkennen. Das Personal hat dem Kläger einen privaten Parkplatz außerhalb der Umzäunung angeboten. Dass es dort schon zu Autoeinbrüchen gekommen ist, führt jedoch nicht zu einer Pflichtverletzung. Die Beklagte kann nichts für die Einbrüche und eine Verpflichtung, dem Kläger einen eingezäunten Parkplatz zur Verfügung zu stellen, gibt es nicht.
21
Der Hotelbetreiber haftet zwar nach Art. 6.865 ZGB für Schäden an Sachen, die während des Aufenthalts des Hotelgastes in die Räumlichkeiten des Hotels eingebracht werden oder vom Gast dem Hotelbetreiber oder Hotelpersonal zur Obhut im Hotel selbst oder außerhalb des Hotels anvertraut worden sind. Die Übernahme der Obhut erfordert eine tatsächliche Willenseinigung. Die Haftung des Beklagten scheidet jedoch nach Art. 6.865 Abs. 8 S. 2 lit. ZGB dann aus, wenn Sachen aus einem Fahrzeug entwendet werden, das ein Hotelgast auf einem Parkplatz außerhalb des bewachten Hotelbereichs abgestellt hat. Dies ist vorliegend der Fall.
22
Somit kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zusteht.
23
Insofern ist die Klage nicht schlüssig. Die Klage war abzuweisen, auch wenn für die Beklagtenpartei niemand zum Verhandlungstermin erschienen ist. Ein Versäumnisurteil konnte mangels Schlüssigkeit nicht erlassen werden.
24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
25
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 BGB.