Inhalt

AG Weiden, Beschluss v. 18.12.2023 – UR III 15/22
Titel:

Auslandseheschließung von zwei Ausländern

Normenketten:
EGBGB Art. 13, Art. 19
BGB § 1592
Leitsatz:
Für Auslandseheschließungen von zwei Ausländern gilt die alternative Formanknüpfung an die Heimatrechte der Verlobten oder an das Ortsrecht. Ist die Eheschließung nach einer Variante wirksam, so bleibt die Verletzung der jeweils anderen unbeachtlich (favor negotii). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auslandseheschließung, Ausländer, Heimatrecht, Ortsrecht, favor negotii, Ehe nach religiösem Ritus, Ehescheidung, Anerkennung, Kind, Abstammung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.04.2024 – 11 Wx 340/24
OLG Nürnberg, Berichtigungsbeschluss vom 29.05.2024 – 11 Wx 340/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 50312

Tenor

1. Das Standesamt der Stadt W. i.d.OPf. wird angewiesen, bei der Beurkundung der Geburt des Kindes …, geboren am …, als Vater des Kindes den Beteiligten zu 4 in das Geburtenregister einzutragen.
2. Bei der Beurkundung der Geburt des Kindes im Geburtenregister ist die Identität der Beteiligten zu 2 und 4 ist nicht allein aufgrund der Angaben in der Heiratsurkunde betreffend die Heirat der Beteiligten zu 2 und 4 am im Iran als geklärt anzusehen.

Gründe

I.
1
Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist eine Zweifelsvorlage des Standesamts der Stadt W. i.d.OPf. (Beteiligte zu 1) nach § 49 Abs. 2 PStG betreffend die Beurkundung der Geburt des in W. i.d.OPf. geborenen Kindes ….
2
Kindsmutter ist die Beteiligte zu 2. Sie soll afghanische Staatsangehörige sein. Ihr wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17.11.2016 die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuerkannt. Der Bescheid ist seit 20.11.2016 bestandskräftig. Ein afghanischer Reisepass oder ein anderer Nachweis über die Identität und afghanische Staatsangehörigkeit lag zunächst nicht vor. Mittlerweile hat die Kindsmutter eine am 13.03.2023 vom Generalkonsulat der Islamischen Republik Afghanistan ausgestellte „Bescheinigung der afghanischen Identität“ vorgelegt. Sie verfügt darüber hinaus über einen deutschen Reiseausweis.
3
Die Beteiligte zu 2 schloss am … in der Islamischen Republik Iran nach religiösem Ritus die Ehe mit dem Beteiligten zu 4. Die Ehe wurde am … in der Islamischen Republik Iran nach religiösem Ritus geschieden. Eine Anerkennung der Ehescheidung in Deutschland ist nicht erfolgt.
4
Der Beteiligte zu 4 soll afghanischer Staatsangehöriger sein. Ein afghanischer Reisepass, eine afghanische Identitätskarte oder ein anderer Nachweis über die Identität und afghanische Staatsangehörigkeit liegt nicht vor.
5
Am … wurde das Kind … geboren.
6
Bereits am 01.06.2022 hatte der Beteiligte zu 3 zu Urkunde des Stadtjugendamtes W. i.d.OPf. die Vaterschaft anerkannt und die Beteiligte zu 2 der Anerkennung der Vaterschaft zugestimmt. Ebenfalls am 01.06.2022 hatten die Beteiligten zu 2 und 3 Erklärungen über die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge für das Kind beurkunden lassen.
7
Der Beteiligte zu 3 soll der leibliche Kindsvater sein. Er soll syrischer Staatsangehöriger sein. Ihm wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25.05.2016 die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuerkannt. Der Bescheid ist seit 03.06.2016 bestandskräftig. Ein syrischer Reisepass, oder ein anderer syrischer Nachweis über die Identität und syrische Staatsangehörigkeit liegt nicht vor.
8
Das Standesamt der Stadt W. i.d.OPf. bittet im Wege der Zweifelsvorlage nach § 49 Abs. 2 PStG um Entscheidung über folgende Fragen:
1.
Ist die von der Kindsmutter am … religiös in der Islamischen Republik Iran geschlossene Ehe nach deutschem Recht als wirksam anzusehen, so dass der Ehemann (der Beteiligte zu 4) als Vater des Kindes in das Geburtenregister einzutragen ist?
2.
Ist die Identität der Kindsmutter und des Ehemannes auf Grundlage der Heiratsurkunde, die Identitätsangaben sowie Lichtbilder des Ehepaares enthalten, als geklärt anzusehen, so dass Zweifelsvermerke nach § 35 Abs. 1 S. 1 HS 1 PStV bei der Kindsmutter und dem Ehemann im Geburtenregister unterbleiben können?
II.
9
1. Als Vater des Kindes ist der Beteiligte zu 4 einzutragen.
10
Es liegt ein Fall mit Auslandsbezug vor. Die Abstammung des Kindes richtet sich nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB. Gem. Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB unterliegt die Abstimmung des Kindes vorliegend deutschem Recht, da das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Die Anwendbarkeit syrischen Rechts (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB) ist nicht möglich, da die syrische Statsangehörigkeit des Beteiligten zu 3 nicht nachgewiesen ist. Geht man von einer wirksamen Eheschließung der Beteiligten zu 2 mit dem Beteiligten zu 4 aus, richtet sich die Abstammung bei Anwendung der Art. 19 Abs. 1 S. 3, Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ebenfalls nach deutschem Recht.
11
Vater des Kindes ist gem. § 1592 Abs. 1 BGB der Beteiligte zu 4, da die Beteiligte zu 2 zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dem Beteiligten zu 4 verheiratet war.
12
Die Beteiligten zu 2 und 4 haben am … in der islamischen Republik Iran nach religiösem Ritus die Ehe geschlossen.
13
Die Eheschließung ist auch wirksam erfolgt. Dass die Eheschließung im Iran nicht registriert wurde, führt nicht zur Unwirksamkeit der Ehe.
14
Für Auslandseheschließungen von zwei Ausländern gilt die alternative Formanknüpfung an die Heimatrechte der Verlobten oder an das Ortsrecht. Ist die Eheschließung nach einer Variante wirksam, so bleibt die Verletzung der jeweils anderen unbeachtlich (favor negotii) (MüKoBGB/Coester, 8. Aufl. 2020, EGBGB Art. 13 Rn. 158).
15
Für Eheschließungshindernisse nach iranischem Ortsrecht besteht kein Anhaltspunkt.
16
Der Umstand, dass die Eheschließung bei der zuständigen Stelle nicht eingetragen wurde, führt nach iranischem Ortsrecht nicht zur Unwirksamkeit der Ehe.
17
Die Ehe ist nach iranischem Ortsrecht ein zweiseitiger zivilrechtlicher Vertrag, der durch die übereinstimmenden Willenserklärungen der Verlobten zustande kommt (Art 1062 ZGB). Die Verlobten müssen ehemündig sein (Art 1041 ZGB) und die Absicht haben, miteinander eine Ehe einzugehen (Art 1064 ZGB). Eine Ehe ist somit nur gültig, wenn sie vom Willen der Parteien getragen wird (Art 1070 ZGB). Es darf kein Irrtum über die beteiligten Personen vorliegen (Art 1067 ZGB) und die Ehe darf an keine Bedingung geknüpft sein (Art 1068 ZGB). Die Ehe im iranischen Recht ist somit, in Anlehnung an die zwölfer-schiitische Rechtsschule, eine Konsensualehe, es kommt auf die übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien an. Für die Eheschließung schreibt das iranische Recht keine Form vor. Zugleich bestimmen Art 10 PStG und Art 20 FSchG 2013, dass die Ehegatten ihre Eheschließung bei den örtlich zuständigen amtlichen Eheschließungs- und Ehescheidungsstellen eintragen lassen müssen. In der Praxis erfolgen in der Regel die Eheschließung und die Registrierung zeitgleich bei der zuständigen Stelle, deren Leiter die Eheschließung durch die Ehegatten beurkundet und sie im Eheregister einträgt. Den Ehegatten wird eine amtliche Eheschließungsurkunde ausgehändigt. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass diese Eintragungspflicht nicht als konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ehe erachtet wird. Die Eintragung wirkt nur deklaratorisch. Auch eine nicht eingetragene Ehe ist nach dem iranischen Recht eine wirksame Ehe (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht, Länderteil Iran, III. Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand 01.05.2023).
18
Da nach iranischem Ortsrecht von einer wirksamen Eheschließung auszugehen ist, kommt es vorliegend auf die Heimatrechte der Beteiligten zu 2 und 4 nicht an (s.o.).
19
Für die Abstammung des Kindes entfaltet die am … erfolgte religiöse Ehescheidung im Iran keine Wirkungen, da eine Anerkennung der Ehescheidung nach § 107 FamFG nicht erfolgt ist. Vielmehr hat die Beteiligte zu 2 den beim Oberlandesgericht Nürnberg gestellten Antrag auf Anerkennung der Ehescheidung zurückgenommen.
20
Damit ist gem. § 1592 Nr. 1 BGB rechtlicher Vater des Kindes der Beteiligte zu 4 und er als Vater des Kindes in das Geburtenregister einzutragen.
21
Die Anerkennung der Vaterschaft durch den Beteiligten zu 3 ist gem. § 1594 Abs. 2 BGB schwebend unwirksam BeckOGK/Balzer, 1.11.2023, BGB § 1594 Rn. 62).
22
2. Die Identität der Beteiligten zu 2 und 4 kann nicht allein aufgrund der iranischen Heiratsurkunde als geklärt angesehen werden. Bei der Heiratsurkunde handelt es sich um eine religiöse Urkunde, die nach Art. 1287 ZGB schon im Iran nicht als öffentliche Urkunde gilt und der auch im Iran keine besondere Beweiskraft zukommt (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht, Länderteil Iran, III. Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand 01.05.2023). Die darin beurkundeten Tatsachen unterliegen der freien Beweiswürdigung.
23
Auf welcher Grundlage im Iran die Identität der Beteiligten zu 2 und 4 bei der Eheschließung festgestellt wurde, ist keiner abschließenden Überprüfung zugänglich.
24
Der mittlerweile von der Beteiligten zu 2 vorgelegte, vom Generalkonsulat der Islamischen Republik Afghanistan ausgestellte Bestätigung der afghanischen Identität kommt im Hinblick auf die Identität der Beteiligten zu 2 ebenfalls keine Beweiskraft zu, da die von den afghanischen Auslandsvertretungen ausgestellten „Eigenerklärungen“ ohne Zugriffsmöglichkeit der Auslandsvertretungen auf afghanische Register erteilt werden (BVerwG, Urteil vom 23.09.2020 – 1 C 36.19). Dementsprechend enthält die Erklärung auch eine Bestätigung der Beteiligten zu 2, dass die darin genannten Angaben richtig seien und sie für den Inhalt selbst verantwortlich sei.
25
Ob andere Urkunden zur Klärung der Identität der Beteiligten zu 2 und 4 herangezogen werden können und ob die Beteiligten zu 2 und 4 wegen Beweisnot zur eidesstattlichen Versicherung herangezogen werden können (§ 9 Abs. 2 PStG), bleibt der Sachverhaltsaufklärung durch das Standesamt vorbehalten. Diese umfasst auch die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung.