Inhalt

LG München I, Endurteil v. 06.04.2023 – 29 O 12269/22
Titel:

Reservierungsvereinbarung, Notarieller Kaufvertrag, Doppeltätigkeit, notarielle Beurkundung, Beurkundungsauftrag, Nebenpflichtverletzung, Elektronisches Dokument, Niedrigerer Kaufpreis, Elektronischer Rechtsverkehr, Streitwertfestsetzung, Maklerauftrag, Kaufvertragsabschluß, Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung, Pflichtverletzung, Rückzahlungsanspruch, Maklervertrag, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Vorgerichtliche Anwaltskosten, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung

Schlagworte:
Schadenersatz, Vertragliche Nebenpflichtverletzung, Hinweispflicht, Makler-Alleinauftrag, Doppeltätigkeit, Treuepflichtverletzung, Anwaltskosten
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 30.11.2023 – 13 U 2195/23 e
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2024 – I ZB 84/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 50299

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt

Tatbestand

1
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Schadenersatz aus behaupteter Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht aus einem Maklervertrag geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

B.weg 3a, 8. S.

2
Die Klägerin war Eigentümerin des Anwesens, und hatte mit der Beklagten, die ein Maklerunternehmen betreibt, einen Vertrag abgeschlossen, nachdem die Beklagte die Vermittlung des Anwesens an einen solventen Käufer begleiten sollte.
3
Vereinbart war ein Maklerhonorar von 1,5% zuzüglich geltender Umsatzsteuer.
4
Gegenstand des Maklerauftrags vom 15.10.2021 war der Nachweis von Kaufinteressenten bzw. die Vermittlung eines Kaufvertragsabschlusses über das Auftragsobjekt. Dabei vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte die Immobilie auf Anfrage zu einem Verhandlungspreis von 2,2 Mio. € anbieten sollte (Maklerauftrag vom 15.10.2021, dort Ziff. 1 und 3, Anlage B1).
5
Die Maklerprovision sollte bei Abschluss des Kaufvertrages in Höhe von 1,5% zuzüglich Mehrwertsteuer fällig werden. Vereinbart wurde weiter, dass die Beklagte einen provisionspflichtigen Maklervertrag mit dem Käufer nur in gleicher Höhe abschließen werde.
6
Ausweislich Ziff. 2 des Maklerauftrags wurde dieser zunächst für die Dauer vom 23. August 2021 bis 31. Dezember 2021 geschlossen und sollte sich jeweils um einen weiteren Monat automatisch verlängern, soweit er nicht unter Einhaltung einer Monatsfrist gekündigt wurde.
7
Gegen Ende der Ausschreibungsphase waren zwei Interessenten übrig. Mit der Interessentin Frau S. schloss die Klägerin eine Reservierungsvereinbarung ab, in dessen Rahmen die Interessentin einen Betrag von 20.000,00 € anzahlen sollte, der bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages auf den Kaufpreis anzurechnen sei, bei ausbleibender Einigung über den Verkauf dann zu erstatten wäre.
8
Diese Vereinbarung wurde von der Käuferin der Geschäftsführer der Beklagten, Frau V., zur Kenntnis nach Unterschrift übermittelt. In der Reservierungsvereinbarung vom 25.01.2022 heißt es:

Dr. E. H.

„Die Beurkundung über den Erwerb wird bei der Notarin Frau in

München, M.straße 34

, am 03.02.2022 stattfinden.“

Dr. E. H.

A. S.-L.

9
Am 03.02.2022 beurkundete die Notarin den Kaufvertrag zwischen der Klägerin und Frau zum Kaufpreis in Höhe von 2,2 Mio. € (Kaufvertrag Anlage B2).

E. C. K.

10
Handelnder für die Klägerin war der anwesende Herr als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin. Während der Beurkundung war für die Beklagte deren Geschäftsführerin Frau V. anwesend.
11
Die Klägerin hat mit der Käuferin weitere Details ausgehandelt, wie den Preis für zusätzlich zu übernehmende Möbel/Einrichtungsgegenstände, die die Klägerin nicht aus dem Objekt ausbauen wollte und die von der Käuferin – teilweise unter Anrechnung auf den Kaufpreis – übernommen werden sollten.
12
Wenige Tage vor dem Beurkundungstermin erhielt die Beklagte den fertigen Entwurf des notariellen Vertrages, wie ihn die Klägerin ausgehandelt hatte.
13
Die Klägerin behauptet, dass aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten nicht der ursprünglich tatsächlich vereinbarte Kaufpreis von 2.220.000,00 € beurkundet wurde, sondern entsprechend den von der Beklagten an das Notariat angeblich weitergegebenen Eckdaten nur ein Kaufpreis von 2.200.000,00 €.
14
Offenbar habe die Beklagte bei der behaupteten Weitergabe der Informationen an das Notariat nicht berücksichtigt, dass der abzuschließende Kaufvertrag nach behaupteter Erhöhung des Kaufpreisangebotes durch die letztendlich eintretende Erwerberin bereits höher sei und habe dies trotz Anwesenheit im Beurkundungstermin gegenüber der Notarin nicht kommuniziert.
15
Es sei daher zum Abschluss eines Kaufvertrages zu niedrigeren als den vereinbarten Konditionen gekommen. Die Beklagte als Maklerin habe die berechtigten Interessen der Verkäuferseite missachtet. Hierzu gehöre die grundlegende Verpflichtung sicherzustellen, dass jedenfalls der Kaufpreis beurkundet wird, der zwischen Verkäufer und Käufer am Ende der Verhandlung als Vereinbarungsergebnis gefunden wurde.
16
Dies gelte umso mehr, wenn der Makler auf eigenen Wunsch am Beurkundungstermin teilnimmt und damit Gelegenheit und Anlass habe, Fehler bei der notariellen Beurkundung zur Kenntnis zu nehmen und rechtzeitig auf diese hinzuweisen. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Klägerin von einem Vertragsabschluss von insgesamt 2,22 Mio. € bei Unterbleiben der Anrechnung der Reservierungszahlung, damit von einem weiteren Zahlungsfluss von 2,2 Mio. € ausgegangen war. Der Beklagten habe bewusst sein müssen, dass im Notartermin anders beurkundet worden sei, als im Vorfeld besprochen und vereinbart. Es müsse zudem von einem Verstoß gegen § 654 BGB ausgegangen werden. Der Klägerin stünde daher ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihr geleisteten Provision in Höhe von 39.270,00 € zu. Auf diesen Rückzahlungsanspruch werde vorläufig im Sinne einer Hilfsbegründung der Klageantrag ebenfalls gestützt.
17
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.000,00 € nebst 9 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit 28.07.2022, vorgerichtliche Mahngebühr von 40,00 € sowie 1.088,60 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst 9 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
18
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
19
Eine Pflichtverletzung der Klägerin durch Missachtung von nicht näher dargelegten Hinweispflichten sei an keiner Stelle nachvollziehbar und schlüssig dargelegt. Es sei die Klägerin selber gewesen, die den notariellen Kaufvertrag über 2,2 Mio. € bestätigte und mithin zu verantworten habe. Sie selber habe es in der Hand gehabt, beim Notar zu erklären, dass sie nur für 2,22 Mio. verkaufen wolle. Kausal für den Verkauf sei also allein die notarielle Erklärung der Klägerin zum Preis von 2,2 Mio. €.
20
Die Beklagte habe weder den Beurkundungsauftrag gesteuert noch bei der Erstellung der Reservierungsvereinbarung mitgewirkt. Die Klägerin habe an der Beklagten vorbei mit der Käuferin weiter alle Details direkt ausgehandelt, nicht nur die Reservierungsvereinbarung, sondern auch den Preis für verkäuferseits plötzlich geforderte, von der Käuferin zusätzlich zu übernehmende Möbel/Einrichtungsgegenstände, die die Klägerin nicht aus dem Objekt habe ausbauen wollen und die von der Käuferin – teilweise unter Anrechnung auf den Kaufpreis – übernommen werden sollten.
21
Die Beauftragung der Notarin und die Ausarbeitung des notariellen Vertragsentwurfes sei direkt durch die Klägerin erfolgt. Wie habe die Beklagte überhaupt wissen sollen, welchen Kaufpreis die Kaufvertragsparteien zum Schluss in welcher Höhe vereinbart hatten?
22
Nach alledem fehle es an einem schuldhaften Pflichtverstoß der Beklagten. Für die Beklagte sei nicht erkennbar gewesen, dass sich die Klägerin bei der Beurkundung des Kaufpreises in einem Erklärungsirrtum befunden habe. Die Klägerin habe sich den Schaden ganz alleine zuzuschreiben.
23
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes vollumfänglich auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
24
Nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eingereichte und nicht nachgelassene Schriftsätze blieben gem. § 296a ZPO unberücksichtigt, soweit sie nicht lediglich Beweiswürdigungen oder Rechtsausführungen enthielten, und gaben auch keine Veranlassung, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten (§ 156 ZPO).

Entscheidungsgründe

A)
25
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
26
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadenersatz aus der Verletzung des Makler-Alleinauftrages vom 15.10.2021 (Anlage B1).
27
1. Die Klägerin behauptet das Vorliegen einer vertraglichen Nebenpflichtverletzung aus dem Makler-Alleinauftrag vom 15.10.2021, ausweislich dessen die Beklagte als Maklerin den Nachweis von Kaufinteressenten bzw. die Vermittlung eines Kaufvertragsabschlusses über das Auftragsobjekt zu erbringen hatte. Konkret wirft die Klägerin der beklagten Maklerin vor, dass diese anlässlich des Beurkundungstermins am 03.02.2022 in dem Büro der Notarin die Klägerin nicht darauf hingewiesen hat, dass der notarielle Kaufvertrag über 2,22 Mio. € statt lediglich 2,2 Mio. in Bezug auf das streitgegenständliche Objekt zu beurkunden ist. Sie wirft der Beklagten vor, dass es infolge des unterlassenen Hinweises zur Beurkundung eines niedrigeren Kaufbetrages bekommen sei, wodurch der Klägerin ein Schaden in Höhe von 20.000,00 € entstanden sein soll.
28
2. Der Beklagten kann bereits keine Pflichtverletzung nachgewiesen werden. Denn die Beklagte hatte ausweislich des Makler-Alleinauftrages lediglich die Verpflichtung zum Nachweis von Kaufinteressenten bzw. die Vermittlung eines Kaufvertragsabschlusses über das Auftragsobjekt übernommen.
29
a) Zum Pflichtenkreis zählte nicht, dass die Beklagte anlässlich des notariellen Beurkundungstermins – unabhängig davon, ob sie bei diesem aus Eigeninitiative mitwirken wollte – die Klägerin auf die Richtigkeit der zu beurkundenden Inhalt hinzuweisen hatte. Dies gilt auch für den Kaufpreis, der von den Vertragsparteien nach Durchsicht und Gegenzeichnung für zutreffend befunden wurde. Andernfalls wäre es nicht zur Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages durch die Klägerin gekommen. Zu den Vertragsparteien dieses Vertrages zählte die Beklagte jedoch nicht.
30
b) Der Umstand, dass sie an dem Beurkundungstermin anwesend war, entspricht üblicher Praxis in entsprechend gelagerten Sachverhalten. Dieser Umstand begründet jedoch keine zusätzlichen Verhaltens- oder Hinweispflichten des Maklers im Hinblick auf den zu beurkundenden Inhalt des Vertrages. Insbesondere kann der Makler nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass ein anderer Kaufpreis beurkundet wurde, als wie er der Klagepartei vorschwebte. Insofern ist bereits der Sachvortrag der Klägerin widersprüchlich.
31
3. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Beklagte die Reservierungsvereinbarung kannte bzw. anwaltlich hat prüfen lassen. Selbst wenn dies der Fall war, entbindet dieser Umstand die Klägerin nicht von der ihr obliegenden Pflicht, vor Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages alle essentialia negotii und dabei insbesondere die Festsetzung des korrekten Kaufpreises der Höhe nach nochmals gründlich zu überprüfen. Denn der notarielle Kaufvertrag wurde ausschließlich zwischen der Klägerin und der Erwerberin abgeschlossen, mit der Folge, dass die Beklagte als nicht-Unterzeichnerin keinerlei Verpflichtung hatte, den Kaufpreis zu überprüfen.
32
4. Dies gilt umso mehr, als dass die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15.02.2023 auf Ziff. X des notariellen Kaufvertrages hinweist, wo auf die Doppelmaklertätigkeit der Beklagten erwähnt wird. Angesichts dieses, der Klägerin bekannten Umstandes, hätte die Klägerin daher umso mehr darauf Acht geben müssen (und auch können), dass der aus ihrer Sicht für sie vorteilhafte Kaufpreis beurkundet wird, da die beklagte Maklerin aufgrund der theoretischen Möglichkeit einer Doppeltätigkeit möglicherweise ein Interesse an der Beurkundung eines niedrigeren Kaufpreises haben könnte.
33
In Kenntnis der Regelung in Ziff. X des notariellen Kaufvertrages unterließ es die Klägerin jedoch, die Richtigkeit des beurkundeten Kaufpreises vor Vertragsschluss nochmals zu überprüfen mit der Folge, dass die Beurkundung des aus ihrer Sicht fehlerhaften Kaufpreises auf eigenes Verschulden zurückzuführen war. Eine irgendwie geartete Pflichtverletzung der Beklagten ist in diesem Zusammenhang nicht erkennbar.
II.
34
Aus gleichem Grunde ist ein Verstoß gegen § 654 BGB zu verneinen.
35
Die Klägerin hat wegen behaupteten Verstoßes gegen § 654 BGB einen Rückzah lungsanspruch „vorläufig im Sinne einer Hilfsbegründung“ behauptet. Der insoweit behauptete Verweis auf einen Verstoß gegen § 654 BGB, der sich aus vorstehender Nebenpflichtverletzung ergeben soll, verfängt nicht.
36
Denn Voraussetzung für die Verwirkung des Lohnanspruches ist objektiv eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung des Maklers, die bereits mangels Nachweises einer Nebenpflichtverletzung nicht anzunehmen ist. Sofern der Klägervortrag darauf abzielt, dass die Beklagte in unzulässiger Weise einer Doppeltätigkeit nachgegangen sein soll, überzeugt die Argumentation nicht. Denn fehlt eine entsprechende Vereinbarung, ist die Doppeltätigkeit des Maklers grundsätzlich erlaubt (BGHZ 61, 17, BGH NJW-RR 1998, 992). B) Vorliegend ergibt sich durch Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages, dass die Klägerin mit der sich aus Ziff. X transparent ergebenden Doppeltätigkeit der Beklagten einverstanden gewesen wäre. Folglich kann sie sich nunmehr nicht darauf stützen, dass die Beklagte treuwidrig ihren Anspruch auf Maklervergütung verwirkt habe.
37
Nachdem die Klägerin keine weitere Begründung für den von ihr „vorläufig im Sinne einer Hilfsbegründung“ vorgebrachten Rückzahlungsanspruch geliefert hat, war die Klage insgesamt mit entsprechender Kostenfolge abzuweisen.
III.
38
Dies gilt auch für die weiterhin geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten. Nachdem sich bereits kein begründeter Hauptanspruch zugunsten der Klägerin ergab, durfte sich diese auch nicht berechtigt sehen, vorgerichtlich anwaltliche Hilfe einzuschalten. Die sich hieraus ergebenden Kosten sind von der Klägerin selbst zu tragen.
B)
I.
39
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
II.
40
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.
III.
41
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.