Titel:
Substantiierung einer Baumängelrüge
Normenkette:
BGB § 633, § 634, § 635 (idF bis 31.12.2017)
Leitsatz:
Beim Bauvertrag genügt der Besteller im Allgemeinen seiner Darlegungspflicht, wenn er einen Mangel, aus dem er Rechte herleitet, in seinem äußeren Erscheinungsbild behauptet und belegt (sog. Symptomtheorie). Erforderlich ist somit nur eine hinreichend genaue Bezeichnung von Mangelerscheinungen, die einer fehlerhaften Leistung eines Baubeteiligten zugeordnet werden. Die hinreichende Bezeichnung des Mangelsymptoms erfasst stets sämtliche Ursachen des Mangelsymptoms, auch wenn die Symptome nur an einzelnen Stellen auftreten (s. BGH BeckRS 1997, 05934). (Rn. 28 und 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bauträgervertrag, Werkvertrag, Feuchtigkeit, Sachmangel, Mangelbeseitigungsklage, Symptomtheorie
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Urteil vom 21.03.2024 – 13 U 695/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 50270
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, auf dem Anwesen ..., alle zur fachgerechten und vollständigen Beseitigung der bestehenden Feuchtigkeiten im Kellergeschoss und Treppenhaus des Wohnhauses – einschließlich deren Ursache – Wiederherstellungsarbeiten durchzuführen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle etwaigen weiteren mangelbedingten Schäden und Kosten zu erstatten, die kausal auf den Feuchtigkeitseintritt im Kellergeschoss und dem Treppenhaus des Anwesens W1.-weg ..., ... W. zurückzuführen sind, insbesondere zukünftig zu erwartende Mietausfälle und eine Wertminderung des Gebäudes.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der den Klägern entstandenen außergerichtlichen Kosten und 1/3 der gerichtlichen Kosten des selbständigen Beweisverfahrens am LG Weiden i.d.OPf., Az. 14 OH 199/17, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer, die diese selbst tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, in Ziffer 1. gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,00 Euro, in Ziffer 3. gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
1
Die Kläger fordern von der Beklagten als Bauträgerin insbesondere die Durchführung der Mangelbeseitigung.
2
Die Beklagte hat die Errichtung des streitgegenständlichen Anwesens sowie mehrerer benachbarter Reihenhäuser und Doppelhaushälften als Bauträgerin in W. (W1.weg) ausgeführt. Die Gebäude wurden im Rahmen eines mit der ..., vertreten durch die ... (...), geschlossenen Wohnraummietvertrags vom 23.05.2011 vermietet und anschließend von der Beklagten an Investoren veräußert. Im Mietvertrag verpflichtete sich die Beklagte gegenüber der Mieterin zur Errichtung von insgesamt 6 Doppelhaushälften und 6 Reihenhäuser und zu einer Anmietung der betreffenden Objekte für vorerst zehn Jahre ab dem Tage der Übergabe des ersten fertiggestellten Abschnitts des Mietobjekts.
3
Die Käufer der Immobilien traten in die jeweiligen Mietverhältnisse ein. Die Laufzeit des Mietvertrags endete im Juni 2022.
4
Die Keller wurden aufgrund des hohen Grundwasserstandes als sogenannte „Weiße Wanne“ mit einer durchgehenden Bodenplatte sowie durchgehenden Außenwänden ausgebildet. Die Eigentümer der jeweiligen Reihenhäuser bzw. Doppelhaushälften bilden daher hinsichtlich der „Weißen Wanne“ jeweils eine Miteigentümergemeinschaft. In jedes Haus wurde eine Kleinhebeanlage mit Unterflurkasten eingebaut. Außerdem liegt ein schwimmend verlegter Estrich in den Kellerräumen vor. Die Kelleranlagen der Gebäude wurden von der Streithelferin zu 1) errichtet. Die Streithelferin zu 2) ist Herstellerin der verbauten Schmutzwasserhebeanlagen.
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Eine Abnahme der Objekte war am 28.06.2012 durch die ... erfolgt. Auf einem Inventar- und Zustandsbericht vom 28.06.2012 anlässlich der Übergabe der Wohnimmobilien an die ... ist Folgendes vermerkt: „Kellersockel teilweise feucht, insb. in Hs. Nr. 57a. -> trocken.“ In der Folgezeit kam es jedenfalls in manchen der von der Beklagten errichteten Gebäude im W1.weg zu Feuchteschäden. Es erfolgte anschließend eine Leckortung durch eine Fachfirma. Ausweislich einer Texplore-Lecklageortung im Juli 2014 konnten im Haus Nummer 55g Wasserwegsamkeiten im Bereich der Hebeanlage festgestellt werden. Sanierungsmaßnahmen wurden noch vor Veräußerung der Immobilie durchgeführt.
6
Die Kläger erwarben das streitgegenständliche Reihenhaus samt Grundstück im W1.weg 55h mit notariellem Bauträgervertrag vom 14.09.2015, auf welchen das Gericht Bezug nimmt (vgl. Anlage K1). Dieser Vertrag (vgl. Ziff. V. 2.) enthält die Regelung, dass die Käufer die Abnahme des ... gegen sich gelten lassen und auf eine eigene Abnahme verzichten. Das erworbene Reiheneckhaus teilt sich mit den benachbarten Anwesen W1.weg 55f und 55g in einem Dreierblock eine gemeinsame Bodenplatte.
7
Im Jahr 2017 beauftragten Eigentümer der Häuser im W1.weg den Sachverständigen Dipl.Ing. S4. mit der Erstellung eines Privatgutachtens und einer Bauzustandserfassung mit dem Zweck einer Bewertung der erfolgten Nachbesserungen an den Bodenplatten und Wänden der Kellergeschosse.
8
Die Kläger leiteten im Nachgang zusammen mit den anderen Eigentümern der beiden benachbarten und baulich-konstruktiv zusammenhängenden Reihenhäuser im W1.weg ein selbstständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht Weiden (Az. 14 OH 199/17), betreffend die Hausnummern 55f, 55g und 55h, ein.
in die Kellerräume trete trotz durchgeführter Nachbesserungsarbeiten nach wie vor Feuchte ein. Das Feuchtigkeitsproblem habe von Beginn an bei sämtlichen Häusern der Reihenhaussiedlung im W1.weg bestanden, da es sich offenbar um einen Serienmangel handle.
10
Im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens habe der gerichtliche Sachverständige H. anhand von Kernbohrungen festgestellt, dass sowohl die Bodenplatte als auch das Treppenhaus des Anwesens der Kläger feucht sei. Es sei daher ohne Relevanz, dass zu verschiedenen früheren Zeitpunkten gelegentlich auch einmal keine Feuchtigkeit im Kellergeschoss festgestellt worden sei. Dadurch werde die Bauleistung nicht weniger mangelhaft.
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Der Keller habe vielmehr zu jedem Zeitpunkt trocken zu sein.
12
Die Kläger sind der Auffassung, es sei auch nicht ihre Aufgabe, die genaue Mangelursache zu erforschen. Sie sind vielmehr der Ansicht, für ihren Gewährleistungsanspruch genüge nach der Symptomtheorie des BGH, dass der Keller undicht sei und es zu Feuchtigkeitseintritten komme. Art und Weise der Nachbesserung auszuwählen, sei Sache der Beklagten. Dafür sei es lediglich erforderlich, dass der Anspruchsinhaber – wie geschehen – das äußere Erscheinungsbild des behaupteten Mangels beschreibe.
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Darüber hinaus bestünde ein Interesse, die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festzustellen. Denn ihnen würden Folgeschäden drohen – insbesondere in Gestalt von Mietausfällen oder eines geringeren Weiterveräußerungspreises –, die im Moment noch nicht bezifferbar seien.
14
Die Beklagte verkündete mit Schriftsatz vom 11.04.2022 der Streithelferin zu 1) den Streit, welche mit Schriftsatz vom 13.05.2022 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist. Die Streithelferin zu 1) verkündete mit Schriftsatz vom 13.05.2022 der Streithelferin zu 2) den Streit, welche mit Schriftsatz vom 19.07.2022 dem Rechtsstreit auf Seiten der Streithelferin zu 1) beigetreten ist.
15
Die Kläger beantragen,
- 1.
-
Die Beklagte wird dazu verurteilt, auf dem Anwesen W1.weg ..., ... W2., FlNr. ... 1/7 der Gemarkung W., alle zur fachgerechten und vollständigen Beseitigung der bestehenden Feuchtigkeiten im Kellergeschoss und Treppenhaus des Wohnhauses – einschließlich deren Ursache – erforderlichen Nachbesserungs- und Wiederherstellungsarbeiten durchzuführen.
- 2.
-
Es wird festgestellt, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, den Klägern alle etwaigen weiteren mangelbedingten Schäden und Kosten zu erstatten hat, die kausal auf den Feuchtigkeitseintritt im Kellergeschoss und dem Treppenhaus des Anwesens im W1.weg ..., ... W2. zurückzuführen sind, insbesondere zukünftig zu erwartende Mietausfälle und eine Wertminderung des Gebäudes.
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Die Beklagte, die Streithelferin zu 1) und die Streithelferin zu 2) beantragen,
17
Die Beklagte bestreitet, dass die nun plötzlich festgestellte Feuchtigkeit im Zusammenhang mit dem von den Klägern behaupteten Mängeln stehe. Vielmehr sei hier von einer anderweitigen Ursache auszugehen.
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Soweit andere Ursachen für den Feuchteeintritt festgestellt werden könnten, sei darauf hinzuweisen, dass diese von der hemmenden Wirkung des im Jahr 2017 eingeleiteten Beweisverfahrens nicht umfasst seien. Gegen dahingehende Ansprüche werde höchstvorsorglich die Einrede der Verjährung erhoben.
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Wegen der möglichen anderweitigen Ursachen und auch mangels weitergehender Feststellungen, habe der Sachverständige H. auch am 02.03.2021 keine positive Mängelfeststellung treffen können. Dass eine Undichtigkeit am Keller eine Rolle spielen könnte, könne daher vom Gutachter nur gemutmaßt, jedoch nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit bescheinigt werden.
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Hinsichtlich des beiderseitigen Parteivorbringens im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2023.
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Die Kammer hat zu Beweiszwecken die Akte des selbstständigen Beweisverfahrens, Az. 14 OH 199/17, beigezogen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
23
I. Die Kläger haben gemäß §§ 633 Abs. 1, 634, 635 BGB gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Mangelbeseitigung der bestehenden Feuchtigkeiten einschließlich deren Ursache im Kellergeschoss und Treppenhaus des Wohnhauses.
24
1. Mit wirksamen notariellem Bauträgervertrag vom 14.09.2015 (vgl. Anlage K1) erwarben die Kläger von der Beklagten das streitgegenständliche Grundstück mit der Fl.Nr. ...1/7 samt dem darauf errichteten Wohngebäude, sowie je einen 1/2 Miteigentümeranteil an weiteren Flächen (Garage und Stellplatz). Bezogen auf die Errichtung des Hauses kommen die allgemeinen Vorschriften des Werkvertragsrechts (§§ 631-650ff BGB) zur Anwendung.
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2. Die Kläger konnten nach Überzeugung der Kammer den Nachweis eines Baumangels zum Zeitpunkt der Abnahme (§ 640 Abs. 1 BGB) und dessen nach wie vor fehlender Beseitigung führen. Der von den Klägern vorgetragene Feuchtigkeitseintritt im Kellerbereich des Hauses ist ein Sachmangel im Sinne von § 633 Abs. 2 BGB.
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a) Gemäß § 633 Abs. 2 BGB ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, bzw. soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, für die im Vertrag vorausgesetzte bzw. gewöhnliche Verwendung eignet und von üblicher Beschaffenheit ist.
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Liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung vor, so ist die Bauleistung mangelhaft, wenn sie von dieser abweicht. Dabei erstreckt sich die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit stets auch auf die Funktionstauglichkeit des herzustellenden Werkes für den vertraglich vorausgesetzten Zweck. Welchen funktionalen Erfolg die Parteien nach dem Vertrag vorausgesetzt oder vereinbart haben, kann sich sowohl aus konkreten vertraglichen Vorgaben als auch aus der Natur der vereinbarten Leistung selbst ergeben und ist erforderlichenfalls durch Auslegung des Vertrages unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls zu ermitteln (vgl. Böck, in: Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 7. Auflage 2017, § 106, Rn. 5, 36ff; Manteufel, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020, Rn. 1918 ff).
28
Nach der Rechtsprechung kommt der Unternehmer seiner Darlegungslast nach, sofern er vorträgt, dass ein konkreter Mangel vorhanden ist, für den der Unternehmer einzustehen hat. Der Besteller genügt somit im Allgemeinen seiner Darlegungspflicht, wenn er einen Mangel, aus dem er Rechte herleitet, in seinem äußeren Erscheinungsbild behauptet und belegt (sog. Symptomtheorie). Erforderlich ist somit nur eine hinreichend genaue Bezeichnung von Mangelerscheinungen, die einer fehlerhaften Leistung eines Baubeteiligten zugeordnet werden.
29
Der Besteller ist nicht genötigt, auch die Gründe seiner Entstehung, also die Mängelursachen, im Einzelnen anzugeben, zumal der Bauherr dem Unternehmer ohnehin nicht vorschreiben kann, wie dieser die Nacherfüllung auszuführen hat. Die hinreichende Bezeichnung des Mangelsymptoms erfasst stets sämtliche Ursachen des Mangelsymptoms, auch wenn die Symptome nur an einzelnen Stellen auftreten (vgl. Manteufel/Pastor, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020, Rn. 1939 ff mit Nachweisen aus der Rspr.). Die Beweislast für einen Mangel trägt nach erfolgter Abnahme der Bauherr (vgl. § 644 Abs. 1 BGB). b)
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Vorgenannten Anforderungen kamen die Kläger nach, indem sie zunächst darlegten, dass deren Keller im streitgegenständlichen Reihenhaus feucht ist und sich Feuchtigkeit im Fußbodenaufbau befindet, welche in den Innenwänden des Kellergeschosses hochzieht mit entsprechenden Ausblühungen und Feuchtigkeitserscheinungen an den Wänden.
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Dieser dargelegte Feuchteeintritt im Keller des Hauses ist nach Überzeugung der Kammer ein Sachmangel im Sinne des § 633 Abs. 2 BGB. Im hier zu entscheidenden Fall konnten die Kläger berechtigterweise davon ausgehen, dass der Keller gegen den Eintritt von Feuchtigkeit geschützt ist. Obwohl keine ausdrücklichen vertraglichen Regelungen getroffen worden sind, die die Durchführung von Maßnahmen zum Schutz gegen eindringende Feuchtigkeit im Kellerbereich zum Gegenstand hatten, konnten die Kläger als Erwerber von der Beklagten erwarten, dass diese die nach dem Stand der anerkannten Technik tauglichen Maßnahmen zum Feuchtigkeitsschutz des Kellers ergreifen würden. Aus der Natur der vereinbarten Leistung selbst, d.h. der Errichtung eines Wohnhauses, ergibt sich, dass das Gebäude vor dem Eindringen der Witterung gesichert und somit auch der Keller des Vertragsobjektes gegen Feuchtigkeit zu schützen ist und der Bauträger als Veräußerer verpflichtet ist, den Feuchtigkeitsschutz des Kellers zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf den hohen Grundwasserstand im Gebiet des W1.-wegs, welcher den Parteien aufgrund eines Bodengutachters bekannt war. Die dargelegten Feuchteschäden entsprechen jedenfalls nicht einer üblichen Beschaffenheit eines im Jahr 2012 errichteten Wohnhauses, welche der Eigentümer erwarten kann, um objektiv von einer mangelfreien Errichtung sprechen zu können. c)
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Ohne berechtigten Zweifel geht die Kammer im streitgegenständlichen Fall davon aus, dass der Baumangel in Form des Eintritts von Feuchte im Kellerbereich auch bereits bei Abnahme vorlag und nicht durch Nachbesserungsversuche behoben werden konnte. Vorliegend muss aufgrund der Konstruktionsweise des Dreierblocks 55f, 55g und 55h mit einer gemeinsamen Bodenplatte insbesondere eine gesamtheitliche Betrachtung vorgenommen werden. Die Beurteilung der Kammer ergibt sich daher aus der folgenden Gesamtschau:
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aa) Zunächst muss festgehalten werden, dass bereits aus dem Inventar- und Zustandsbericht vom 28.06.2012 (vgl. OH-Verfahren, Az. 14 OH 199/17, Anlage A2) hervorgeht, dass Kellersockel teilweise feucht waren. In Übereinstimmung mit dem klägerischen Vortrag geht auch das Gericht hier nicht davon aus, dass mit dem Vermerk lediglich das Haus 55a gemeint war. Diese Einschätzung bestätigt auch der Nachtrag Nr.1 zum Inventar- und Zustandsbericht vom 28.06.2012, welche den W1.weg 55 a-h- 57, 57a, 57b betrifft (vgl. OH-Verfahren, Az. 14 OH 199/17, Anlage A21). Dort ist vermerkt, dass im Jahr 2013 in mehreren Häusern Wasserschäden in den Kellern festgestellt wurden.
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Es erfolgte eine Leckortung durch eine Fachfirma. Ausweislich einer Texplore-Leckageortung im Juli 2014 konnten insbesondere im Haus Nummer 55g Wasserwegsamkeiten im Bereich der Hebeanlage festgestellt werden. Der vorgelegte Bericht der Texplore-Leckortung (vgl. Anlage K4) bestätigt zunächst, dass im Bereich des Korpus der Hebeanlagen WE55f und g bereits Sanierungen vorgenommen und ferner bis vor der Messdurchführung Trocknungen durchgeführt wurden. Während in den Kellerräumen keine Feuchteerscheinungen sichtbar sind, werden im Treppenhaus aufsteigende Feuchteerscheinungen auf dem Putz sichtbar, die auf ein älteres Feuchteereignis im Fußbodenaufbau zurückzuführen sind. Die Messungen wurden am 21. - 22.07.2014 durchgeführt. Im Bericht wird ausgeführt, dass die Feuchteerscheinungen in den Wohneinheiten 55f-h in den Treppenhäusern am Putz sichtbar werden, was aus einem Feuchteereignis vor der Sanierung der Hebeanlagen WE55f und g resultiert.
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Entsprechende Sanierungsarbeiten schlossen sich an: Zunächst wurde der Estrich anteilig entfernt. Die installierte Kleinhebeanlage mit Unterflutkasten wurde durch eine überirdische Hebeanlage ausgetauscht. Es wurden Verpressungsarbeiten durchgeführt. Nach den Verpressarbeiten wurde eine erneute Kontrollmessung getätigt. Sofern es danach nochmals zu einem Feuchteeintritt gekommen ist, wurde erneut verpresst (vgl. OH-Verfahren, Az. 14 OH 199/17, Stellungnahme des Sachverständigen H. vom 23.01.2018, Bl. 76f d. A.). bb)
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Nach Veräußerung der Immobilie an die Investoren beauftragten u.a. die Kläger den Sachverständigen S. mit der Erstellung eines Privatgutachtens. Das Gericht verkennt nicht, dass durch ein von einer Partei eingeholtes Privatgutachten nicht der Sachverständigenbeweis geführt werden kann, allerdings handelt es sich hierbei um substantiierten Parteivortrag, der gemäß § 286 ZPO einer gerichtlichen Würdigung zugänglich ist.
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Der beauftragte Privatgutachter stellte mit Gutachten vom 14.02.2017 (vgl. Anlage K7) Folgendes fest:
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Zum einen wurde das Dichtblech nicht in einer für hydrostatische Belastungen bis 2 bar und somit nicht in einer für die Beanspruchungsklasse 1 gemäß WU-Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton geeigneten Art und Weise eingebaut. Zum anderen durchdringen die verbliebenen Gehäuse der Hebeanlage nach wie vor die Bodenplatte, sodass keine wirksame Abdichtung gegen die hydrostatische Belastung gegeben ist. Denn die Gehäuse, in denen sich die Hebeanlagen befunden haben, sitzen nach wie vor in der Bodenplatte und wurden nicht durch eine Art Betonstopfen ersetzt. Durch diese Nahtstellen besteht die Gefahr verbleibender bzw. erneuter Undichtigkeit, weil das Gehäuse nicht komplett dicht mit der Bodenplatte abschließt.
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Die Abdichtung gegen drückendes Wasser der Reihenhausanlage W1.weg 55 – 57b in W. bleibt bezüglich der Aufstandsfuge zwischen Bodenplatte und Wand sowie der in der Bodenplatte verbliebenen Gehäuse der Hebeanlagen auch nach den erfolgten Nachbesserungen risikobehaftet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei ansteigendem Grundwasserstand erneut Wasser eindringt und sich auf der Bodenplatte über den gesamten Kellerbereich der 3- bzw. 2-Spänner verteilt. Dabei können die Schäden (aufsteigende Feuchtigkeit) unabhängig von der Eintrittstelle auch in den benachbarten Häusern auftreten. Wenn innerhalb der nächsten 5 Jahre auch nach extremen Grundwasserständen keine erneuten Wassereintritte festgestellt wurden, kann man davon ausgehen, dass die Nachbesserungen zu einer funktionierenden, der hydrostatischen Belastung widerstehenden Abdichtung geführt haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass danach erneut Schäden auftreten, ist als sehr gering einzuschätzen (vgl. Anlage K7).
40
Bei der Bauzustandserfassung am 14.02.2017 wurden in den Anwesen mit der Hausnummer 55h und 55g Putzschäden infolge von Feuchtigkeitseinwirkungen festgestellt (vgl. OH-Verfahren, Az. 14 OH 199/17, Anlage 22 und 24).
41
Die Einschätzung des Privatgutachters, dass sich punktuell eindringendes Wasser auf der Bodenplatte über den gesamten Kellerbereich der Häuser verteilen kann, stimmt dabei insbesondere mit der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen H. überein. Auch er stellte fest, dass im Anwesen mit Hausnummer 55h eine merkliche Feuchte festzustellen war.
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Diese würde dann nach seiner Einschätzung in Richtung der anderen Hausnummern laufen (vgl. Protokoll des Erörterungstermins im OH-Verfahren, Az. 14 OH 199/17, am 16.01.2023, S. 4; OHVerfahren, Az. 14 OH 199/17, Stellungnahme des Sachverständigen H. vom 02.03.2021, Bl. 155ff d. A.).
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cc) Auch die durch das Privatgutachten eröffnete Risikobewertung, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei ansteigendem Grundwasserstand erneut Wasser eindringt, hat sich ebenso später im durchgeführten selbstständigen Beweisverfahren am Landgericht Weiden (Az. 14 OH 199/17) hinsichtlich des Dreierblocks 55f, 55g und 55h bestätigt. So kam es im Zusammenhang mit einem erhöhten Grundwasserstand zu weiteren Wassereintritten bei den von der Beklagten im Jahr 2012 errichteten Häusern im W1.weg.
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Bei dem durchgeführten Ortstermin am 19.01.2018 konnte der Sachverständige H. einen früheren Feuchteeintritt bestätigen, welcher sich anteilig in Anstrichschäden in Sockelzonen der Betonwände niederschlug bzw. der in Verputzschäden der Treppenhauswände zu erkennen war.
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Der Sachverständige benennt das Problem, dass der schwimmend verlegte Estrich einen Feuchteeintritt auf Ebene der Bodenplatte kaschieren kann. Zum Zeitpunkt des Ortstermins konnte keine neue Feuchtigkeit im Gebäude festgestellt werden (vgl. OH-Verfahren, Az. 14 OH 199/17, Stellungnahme des Sachverständigen H. vom 23.01.2018, Bl. 76f d. A.).
46
Bei einem Ortstermin am 19.01.2021 begutachtete der Sachverständige H. schließlich erneut die Objekte 55f, 55g und 55h. Dort wurden vorab, um einen Wassereintritt zu überprüfen, in allen drei Häusern Kernbohrungen der schwimmend verlegten Kellerestriche mit ca. 7,5 cm Durchmesser getätigt. Alle gebohrten Zonen aller drei Reihenhäuser waren trocken. In den Treppenhäusern wurden Feuchteschäden am Verputz im Sockelbereich festgestellt. Der Verputz war allerdings trocken. Der Sachverständige regte eine engmaschige Kontrolle der Bohrlöcher insbesondere nach der Schneeschmelze und Niederschlägen an (vgl. OH-Verfahren, Az. 14 OH 199/17, Stellungnahme des Sachverständigen H. vom 19.01.2021, Bl. 132ff d. A.).
47
Am 05.02.2021 wurden gerichtsbekannt im parallelen selbstständigen Beweisverfahren (Az. 11 OH 194/17), welches die Hausnummern 55 und 55a betrifft, von den Beklagtenvertretern die folgenden Pegelstände der in relativ geringer Entfernung von den streitgegenständlichen Häusern installierten Grundwassermessstelle angegeben: Grundwasser derzeit ca. 1,90 m über FFB KG (vgl. OH-Verfahren, Az. 11 OH 194/17, Schriftsatz vom 22.02.2021, Bl. 170f d. A.).
48
Kurze Zeit später kam es zu einem erneuten Ortstermin am 01.03.2021 in den Hausnummern 55 g und 55h aufgrund der Mitteilung der Parteien, dass Feuchte aufgetreten ist. Der Sachverständige konnte im Rahmen des Ortstermins den Wassereintritt bestätigen. Feuchte war insbesondere auf den Bodenplatten gegeben. Zudem stellt der Sachverständige fest, dass im Treppenhaus die Fußzonen des dort gegebenen Wandverputzes umseitig merklich feucht sind.
49
Fotografisch wurden die Putzschäden aufgrund des eindeutigen Feuchteschadens festgehalten. Diese Putzschäden haben im Verhältnis zum Termin am 19.01.2021 merklich zugenommen. Da das Durchfeuchtungsmaß beim Reihenhaus 55h höher als beim angrenzenden Mittelhaus war, ist insbesondere nicht auszuschließen, dass aufgrund der Bauweise Feuchte über die Bodenplatte in das andere Haus gelaufen ist (vgl. OH-Verfahren, Az. 14 OH 199/17, Stellungnahme des Sachverständigen H. vom 02.03.2021, Bl. 155ff d. A.).
50
Nach Einschätzung des Sachverständigen macht insbesondere ein Leck an wasserführenden Leitungen als Alternativursache für die Feuchte keinen Sinn, da der bereits angelegte Verputzschaden noch bei dem Ortstermin im Januar 2021 trocken und der Abstand zwischen den Ortsterminen nur gering war. Zudem wurde dem Sachverständigen mitgeteilt, dass die Leitungen im Estrich zumindest bei anderen Reihenhäusern aus Kunststoff bestehen, weswegen Lochfraß bei anstehender Feuchte keine Rolle spielen könnte (vgl. OH-Verfahren, Az. 14 OH 199/17, Stellungnahme des Sachverständigen H. vom 02.03.2021, Bl. 155ff d. A.).
51
Am 22.03.2021 erfolgte sodann auch ein Ortstermin in der Hausnummer 55f, bei dem der Sachverständige allerdings keine eingedrungene Feuchtigkeit feststellen konnte (vgl. OHVerfahren, Az. 14 OH 199/17, Stellungnahme des Sachverständigen L. vom 22.03.2021, Bl. 179 d. A.).
52
Der Sachverständige schlussfolgert hinsichtlich des Dreierblocks 55f, 55g und 55h in sich stimmig und überzeugend, dass die festgestellte Kellerfeuchte im Zusammenhang mit den Niederschlägen steht, aufgrund der damaligen Grundwassererhöhung vor dem Termin am 01.03.2021. Mit den wenigen Bohrlöchern könne zwar nicht gesagt werden, wo genau die Feuchte eintrete, im Sinne der Wahrscheinlichkeit ist aber der Übergang der Bodenplatte zu den Kelleraußenwänden undicht (vgl. OH-Verfahren, Az. 14 OH 199/17, Stellungnahme des Sachverständigen L. vom 02.03.2021, Bl. 179 d. A.; Stellungnahme vom 15.06.2021, Bl. 202ff d.A.). dd)
53
Der Kammer ist darüber hinaus aus einem weiteren selbstständigen Beweisverfahren Feuchteeintritt in den von der Beklagten im Jahr 2012 errichteten Häusern im W1.weg in W. bekannt.
54
Das selbstständige Beweisverfahren, Az. 14 OH 201/17, hat den Dreierblock der Hausnummern 57, 57a und 57b mit ebenfalls gemeinsamer Bodenplatte in Form einer „Weißen Wanne“ zum Gegenstand.
55
Am 19.03.2019 kam es beim Objekt W1.weg 57 zu einem Ortstermin. Vorausgegangen sind auch hier erhebliche Regenfälle. Im vorgenannten Anwesen war der Estrich im Keller vorab partiell freigelegt worden. Der Sachverständige H. konnte feststellen, dass auf der Abdichtung der Bodenplatte ca. 2 cm hoch flächig das Wasser stand. Über partielle Feuchtemessungen mit elektrischem Widerstand wurde eruiert, dass dieses Wasser auch den Treppenraum miterfasst hat. Aufgrund des schwimmend verlegten Estrichs muss überlicherweise davon ausgegangen werden, dass im gesamten Keller dieses Gebäudes erhebliche Feuchte auf der Bodenplatte steht (vgl. OH-Verfahren, Az. 14 OH 201/17 Stellungnahme des Sachverständigen H. vom 19.03.2019, Bl. 165f d. A.).
56
Bei gleichem Wasserstand am 21.03.2019 fand die Ortsbesichtigung der Häuser 57a und 57b statt. Bei Hausnummer 57a konnte keine Feuchte an den Außenwänden festgestellt werden konnte. Allerdings waren die dort freigelegten Zonen aufgrund eines aufgestellten Podest nicht mehr einsehbar. Die straßenseitige Außenwand der Hausnummer 57b war im Eckbereich weitgehend trocken. Die giebelseitige Außenwand im Fußbereich jedoch nicht. Die Feuchte muss von anderen Zonen aus eingetreten sein; der meiste Estrichbereich wurde von Feuchte hinterlaufen (vgl. OH-Verfahren, Az. 14 OH 201/17 Stellungnahme des Sachverständigen H. vom 22.03.2019, Bl. 167ff d. A.).
57
Die Kammer ist aufgrund der Gesamtschau der Verfahren, welche sich über mehrere Jahre erstreckten, davon überzeugt, dass es baubedingt bei hohem Grundwasserstand immer wieder zu einem Feuchteeintritt im streitgegenständlichen Gebäude kommt. Diese Feuchte wandert dann aufgrund der gemeinsamen Bodenplatte in die benachbarten Häuser.
58
ee) Die Kammer geht zudem davon aus, dass der Feuchteeintritt auch nicht auf eine Alternativursache zurückzuführen ist.
59
Hinsichtlich eines Lecks in den wasserführenden Leitungen und einem Lochfraß wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Sachverständigen H. (vgl. oben). Zudem ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass es zu einem Feuchteeintritt in mehreren dem Gericht bekannten und in selbstständigen Beweisverfahren untersuchten Häusern, die von der Beklagten im Jahr 2012 im W1.weg errichtet wurden, kam. Diese Immobilien haben kein gemeinsames Leitungssystem, sondern teilen sich unstreitig einzig die streitgegenständliche und mutmaßlich fehlerursächliche Kellerkonstruktion.
60
Bereits das durch Fotos dokumentierte Schadensbild am Putz (vgl. z.B. OH-Verfahren, Az. 14 OH 199/17, Stellungnahme des Sachverständigen H. vom 02.03.2021, Bl. 155ff d. A.) belegt, dass der Keller und das Treppenhaus einer Feuchtebelastung unterliegen. Dies ist nicht in Einklang zu bringen mit einem Schadensbild, wie es beispielsweise bei Fremdeinwirkung (z.B. durch Auslaufen einer Waschmaschine) zu erwarten gewesen wäre. Soweit darauf abgestellt wird, dass falsches Nutzungsverhalten vorliegt, so mag dies ggf. noch für das Wasser in einzelnen Bohrlöchern eine Erklärung sein, es erklärt indes nicht, warum auch der Putz in unterschiedlichen Häusern vergleichbare Feuchteschäden aufweist. Zudem müsste in verschiedenen Häusern mit Erhöhung des Grundwassers auch eine Fremdeinwirkung vorgelegen haben, was an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist; zumal die damaligen Mieter von ihnen verschuldete Flüssigkeitsaustritte in der Vergangenheit gemeldet hatten. Das Schadensbild spricht vielmehr für von unten drückende Feuchtigkeit.
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ff) Die Kammer hat daher zusammenfassend keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Feuchteeintritt im Keller des streitgegenständlichen Hauses, welcher insbesondere bei erhöhtem Grundwasserstand merklich wird, einen bei Abnahme vorliegenden und auch nicht durch Nachbessserungsarbeiten behobenen Baumangel in der Kellerkonstruktion der Beklagten darstellt.
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3. Ein Ausschluss der Haftung oder Verjährung der Ansprüche liegt nicht vor. Das Verlangen auf Mängelbeseitigung ist insbesondere nicht unverhältnismäßig gemäß § 635 Abs. 3 BGB. Auch die hilfsweise erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Da die Klägerseite vorliegend die Mangelsymptome hinreichend bezeichnet hat, sind stets auch sämtliche Ursachen des Mangelsymptoms erfasst, auch wenn diese Symptome wie hier nur an einzelnen Stellen auftreten (vgl. Manteufel/Pastor, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020, Rn. 1939 ff mit Nachweisen aus der Rspr.).
63
II. Auch dem Feststellungsantrag der Kläger (Klageantrag Ziff. 2.) ist stattzugeben.
64
Die Rechtsprechung hat ein erforderliches Rechtsverhältnis insbesondere hinsichtlich der Ersatzpflicht für weitere Schäden aus einem Mangel anerkannt (vgl. BGH, BauR 2010, 812; Manteufel, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020, Rn. 393 ff mit weiteren Nachweisen). Das erforderliche Feststellungsinteresse – sprich die Möglichkeit des zukünftigen Eintritts weiterer materieller Schäden, die kausal auf den Feuchtigkeitseintritt im Kellergeschoss und dem Treppenhaus des Anwesens im W1.weg 55h, ... W2. zurückzuführen sind – kann angesichts der noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung schon jetzt und ohne weitere Sachaufklärung bejaht werden.
65
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus §§ 91, 101 ZPO.
66
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.