Inhalt

VGH München, Beschluss v. 20.02.2023 – 12 ZB 22.2668
Titel:

Verwaltungsgerichte, Gemeinsamer Bundesausschuss, Klärungsbedürftigkeit, Neuverbescheidung, Sonstige Vergünstigungen, Ermessensentscheidung, Berufungszulassungsverfahren, Ernstliche Zweifel, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift, Angefochtene Entscheidung, Streitwertfestsetzung, Rechtsetzung, Notfallversorgung, Bevollmächtigter, Höchstrichterliche Rechtsprechung, Wesentlichkeitstheorie, Krankenhausplan, Öffnungsklausel, Kostenentscheidung, Abschlag

Schlagworte:
Spezialversorger, Notfallversorgung, Krankenhausplan, Ermessensentscheidung, Wesentlichkeitstheorie, Verfassungsmäßigkeit, Divergenz
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 24.11.2022 – M 15 K 22.937
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 14.03.2023 – 12 ZB 23.470, 12 ZB 22.2668
BVerfG Karlsruhe vom 25.03.2024 – 1 BvR 594/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 50059

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 217.740 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem die Klägerin sich unter der Behauptung einer Verletzung von Verfassungsrecht gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. November 2024 wendet und ihr Begehren weiterverfolgt, unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides des Beklagten vom 1. Februar 2022 die Feststellung zu erwirken, dass sie als sog. „Spezialversorger“ im Sinne von § 26 Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. der Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses zu einem gestuften System von Notfallstrukturen gemäß § 136c Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V – (Nfst-R) ausgewiesen bzw. für die Notfallversorgung zwingend erforderlich sei (§ 26 Abs. 2 Nr. 3 2. Alt. Nfst-R), hilfsweise unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden sei, bleibt ohne Erfolg. Zulassungsgründe liegen – soweit überhaupt den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt – nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Die angefochtene Entscheidung begegnet keinen ernstlichen Zweifel hinsichtlich ihrer Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die erhobene Klage weder im Haupt- noch im Hilfsantrag begründet ist. Die Klägerin besitzt weder einen Anspruch auf die begehrte Ausweisung als „Spezialversorger“ bzw. als für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderliches Krankenhaus noch kann sie eine Neuverbescheidung ihres Antrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats beanspruchen (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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a) Die Klägerin erfüllt weder die Bedingungen für das Vorliegen der Spezialversorgung (§ 26 Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. Nfst-R) noch ist in ihrem Fall eine zwingende Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung (§ 26 Abs. 2 Nr. 3 2. Alt. Nfst-R) gegeben (vgl. zum normsetzenden Charakter dieser Regelungen BT-Drucks. 18/5372, S. 92).
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aa) Eine explizite Ausweisung der Klägerin im Krankenhausplan des Freistaats Bayern als besondere Einrichtung der Notfallversorgung liegt nicht vor (§ 26 Abs. 2 Nr. 2 NfstR). Auch eine Festlegung als sog. „Spezialversorger“ im Sinne von § 26 Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. Nfst-R ist nicht gegeben. Eine Einstufung als Fachklinik – wie im Fall der Klägerin – setzt lediglich eine gewisse Spezialisierung voraus, besagt aber nichts über die Notfallversorgung, insbesondere nicht darüber, ob das jeweilige Krankenhaus in seinem Fachbereich besondere Anforderungen im Hinblick auf die Notfallversorgung erfüllt. Hiervon ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Die Annahme der Klägerin, ihre inhaltlich unbeschränkte Ausweisung im Krankenhausplan des Beklagten als Fachklinik beinhalte zugleich auch eine krankenhausplanerische Festlegung als „Spezialversorger“ (§ 26 Abs. 2 Nr. 3, 1. Alt. Nfst-R) bleibt demgegenüber ohne Grundlage und kann die Zulassung der Berufung nicht erwirken.
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bb) Ebenso wenig ist die Klinik der Klägerin für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich (§ 26 Abs. 2 Nr. 3 2. Alt. Nfst-R). Die hierfür im Wege des Erlasses normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften aufgestellten Kriterien sind vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin hat im maßgeblichen Jahr 2020 weder mindestens 1,5% noch mindestens 600 der per Rettungsdienst eingelieferten Patienten in ihrem Rettungsdienstbereich aufgenommen. Selbst nach ihren eigenen Erhebungen wurden lediglich 536 Notfallpatienten eingeliefert, was einem Anteil von nur 0,5% entspricht. Auch ist die Klägerin nicht die einzige Fachklinik in der Fachrichtung Urologie im Rettungsdienstbereich … Die für den Erlass der begehrten Feststellungen erforderlichen Kriterien sind damit insgesamt nicht erfüllt. Dass der Beklagte diese, im Wege des Erlasses normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften festgelegten Kriterien (vgl. hierzu die Beschlüsse des Krankenhausplanungsausschusses – KPA vom 6. Mai 2019 und 20. Oktober 2020, den Vermerk „Systematik Notfallstruktur“ und die Hinweise zum Antragsverfahren gemäß § 136c Abs. 4 SGB V vom 19. April 2018) entgegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht einheitlich anwenden würde, ist weder den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt noch sonst ersichtlich.
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Auf eine sog. einzelfallbezogene Bedarfsermittlung für eine Notfallversorgung kommt es insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an. Die streitbefangenen Regelungen betreffen nicht die Feststellung eines „Bedarfs“ im konkreten Einzelfall, sondern die Festlegung von Kriterien für die Befreiung von Abschlägen anhand bestimmter Kennziffern. Die mit der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vorgelegte DKI-Blitzumfrage zur aktuellen Lage der Notaufnahmen ist deshalb für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Vielmehr bleiben unbeschadet der Teilnahme oder Nichtteilnahme am gestuften System von Notfallstrukturen die allgemeinen Pflichten zur Hilfeleistung im Notfall gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Nfst-R unberührt. Bei der Anwendung des § 26 Nfst-R geht es nicht um die Anerkennung als Notfalleinrichtung, sondern lediglich um die Frage, ob bei der entsprechenden Klinik Abschläge vorgenommen werden oder nicht. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die geeignet wären, die Zulassung der Berufung zu erwirken, sind deshalb auch insoweit nicht ersichtlich.
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b) Ungeachtet der Frage, ob es sich bei der begehrten Feststellung überhaupt um eine Ermessensentscheidung handelt (das Verwaltungsgericht hat dies letztlich dahinstehen lassen), liegen – wie dargelegt – bereits die tatsächlichen Voraussetzungen für eine hilfsweise geltend gemachte Neuverbescheidung nicht vor. Auf etwaige Ermessensfehler kommt es deshalb entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidungserheblich nicht an. Infolgedessen ist auch dieser Gesichtspunkt nicht geeignet, die Zulassung der Berufung zu erwirken.
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c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen auch nicht insoweit, als die Kammer entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin eine hinreichende Bestimmtheit der in § 136c Abs. 4 SGB V getroffenen Regelung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) angenommen hat. Zwar hat der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen, insbesondere in dem der Grundrechtsausübung regelmäßig alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen – sog. Wesentlichkeitstheorie – (vgl. BVerfGE 84, 212 [226]; 101, 1 [34]) und darf diese grundsätzlich nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen (vgl. BVerfGE 83, 130 [142]; 116, 24 [58])). Allerdings kommt es für die Abgrenzung der wesentlichen Entscheidungen auf den jeweiligen Sachbereich und die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes an (vgl. BVerfGE 98, 218 [251]). Namentlich im Bereich der Leistungsverwaltung ist der Anwendungsbereich der Wesentlichkeitstheorie deutlich enger als in der Eingriffsverwaltung. Insbesondere wird die Gewährung einer Vergünstigung regelmäßig nicht vom Vorbehalt des Gesetzes erfasst (vgl. Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand: 99. EL., September 2022, Art. 20 Abs. 3 Rn. 118; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 20 Rn. 75). Das Grundgesetz kennt keinen „Totalvorbehalt“ (vgl. Grzeszick, a.a.O., Art. 20 Abs. 3 Rn. 108).
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Hiervon ausgehend zeigt der Bevollmächtigte der Klägerin entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (auch) im Berufungszulassungsverfahren nicht in der Sache nachvollziehbar auf, wie die vorliegend allein entscheidungserhebliche Nichtgewährung einer Befreiung von Abschlägen (§ 26 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. Nfst-R) die Wesentlichkeitstheorie und die Lehre vom Gesetzesvorbehalt berühren sollte. Es handelt sich insoweit ausschließlich um die Versagung einer lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen (§ 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R) gewährten Vergünstigung.
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Ungeachtet dessen ist die Verfassungsmäßigkeit der in § 136c Abs. 4 SGB V normierten Rechtssetzung und die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses in der höchstrichterlichen Rechtsprechung der insoweit zunächst zur Entscheidung berufenen Fachgerichtsbarkeit allgemein anerkannt (vgl. BSG, U.v. 18.12.2012 – B 1 KR 34/12 R –, BSGE 112, 257 – juris, Rn. 22 m.w.N.; U.v. 8.8.2019 – B 3 KR 16/18 R – BSGE 129, 30 – juris, Rn. 43 jeweils m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 22.06.2022 – L 9 KR 170/19 KL – juris, Rn. 60 ff.; siehe auch OVG Lüneburg, U.v. 19.05.2020 – 13 LC 504/18 – juris, Rn. 72 ff.).
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§ 136c Abs. 4 Satz 1 SGB V überträgt dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Aufgabe und Befugnis, ein gestuftes System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern zu beschließen. § 136c Abs. 4 Satz 2 SGB V macht insoweit weitere Vorgaben. Damit sind Ermächtigungsgrundlage und Handlungsauftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Inhalt, Zweck und Ausmaß insoweit hinreichend bestimmt und gefasst, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck überhaupt möglich ist (vgl. hierzu BVerfGE 93, 213 [238]; 102, 254 [337]; 103, 332 [384]; 133, 277 Rn. 181). Einer Definition der Begriffe des Notfalls und des stationären Notfalls durch den Gesetzgeber selbst bedurfte es entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht. Die Verwendung unbestimmter und auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe ist regelmäßig zulässig (vgl. BVerfGE 103, 21 [33]; 110, 33 [56 f.]; 134, 141 [184 f.]; 149, 293 Rn. 78). Lediglich die äußersten Grenzen des Spielraums müssen abgesteckt und die Möglichkeit einer richterlichen Überprüfung eröffnet sein (vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 20 Rn. 83 m.w.N.). Welche Notfallstrukturen der Gemeinsame Bundesausschuss zur Sicherstellung der Notfallversorgung im Einzelnen für erforderlich und zweckmäßig erachtet, liegt alleine in seinem, ihm vom Gesetzgeber ausdrücklich eröffneten Rechtssetzungsermessen, nicht aber in der Beurteilungs- und Entscheidungskompetenz der Klägerin, wie deren Bevollmächtigter offenbar rechtsirrig meint. Eine Zulassung der Berufung kommt daher auch insoweit nicht in Betracht.
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Daran vermag auch der Umstand, dass Freiheitsrechte der Klägerin (Art, 12, 14 GG) berührt sein sollen, nichts zu ändern. Der Bevollmächtigte der Klägerin legt entgegen den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO bereits nicht dar, dass der Schutzbereich dieser Grundrechte vorliegend überhaupt eröffnet ist. Weder Art. 14 noch Art. 12 GG gewähren einen Anspruch auf (Verschonungs-) Subventionen oder allgemeine Vergünstigungen in Gestalt eines Verzichts auf ansonsten zu berücksichtigende Abschläge (vgl. BVerwGE 35, 268 [275]; BVerfG NVwZ 2002, 197 [198] siehe auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 12 Rn. 24: „kein Recht auf Unterstützung bei der Berufsausübung“). Lediglich nachteilige Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse besitzen keine berufsregelnde Tendenz und sind deshalb nicht geeignet, eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit zu begründen (vgl. BVerfGE 98, 218 [258 f.]; Mann, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 97). Ebenso wenig nimmt das gesetzliche Angebot von Subventionen oder sonstigen Vergünstigungen am Schutz der Eigentumsordnung teil (vgl. BVerfGE 97, 67 [83]; BVerfG, NVwZ 2002, 197). Dass die Klägerin von einer, anderen Mitbewerbern insoweit gleichwohl gewährten Vergünstigung gleichheitswidrig ausgeschlossen wäre, legt der Bevollmächtigte weder dar noch ist dies sonst ersichtlich. Ungeachtet dessen wendet sich die Klägerin auch nicht gegen das Abschlagssystem als solches, sondern ausschließlich gegen ihre Nichtberücksichtigung im Rahmen der Befreiungsregelungen des § 26 Nfst-R.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht insoweit, als das Bundesverfassungsgericht nicht ausgeschlossen hat, dass der Gemeinsame Bundesausschuss im Einzelfall für eine Richtlinie keine hinreichende Legitimation besitzt, wenn sie zum Beispiel mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an der Entstehung nicht mitwirken konnten (vgl. BVerfG, B.v. 10.11.2015 – 1 BvR 2056/12 –, BVerfGE 140, 229 – juris, Rn. 22). Auch insoweit zeigt die Klägerin nämlich entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht auf, dass sie überhaupt „Dritte“ im Sinne des Rechtsverständnisses des Bundesverfassungsgerichts ist, auf deren Rechtspositionen in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen ist. Denn auch insoweit gilt: Weder Art. 14 noch Art. 12 GG gewähren einen Anspruch auf (Verschonungs-) Subventionen oder allgemeine Vergünstigungen in Gestalt eines Verzichts auf ansonsten zu berücksichtigende Abschläge (vgl. BVerwGE 35, 268 [275]; siehe auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 12 Rn. 24: „kein Recht auf Unterstützung bei der Berufsausübung“).
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Ebenso wenig legt die Klägerin in der Sache nachvollziehbar dar, dass ihr kraft Verfassungsrechts eine Mitwirkungs- und gar Mitgestaltungsbefugnis an der Rechtssetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses, insbesondere in Gestalt der Festlegung von Ausnahmeregelungen, Öffnungsklauseln, einer bestimmten Definition des Begriffs des Notfalls sowie von Zu- oder Abschlägen allgemein zukommen müsste. Gleiches gilt mit Blick auf die behauptete Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung. Welche Notfallstrukturen der Gemeinsame Bundesausschuss zur Sicherstellung der Notfallversorgung im Einzelnen für erforderlich und zweckmäßig erachtet, liegt – wie bereits erwähnt – alleine in seinem, ihm vom Gesetzgeber ausdrücklich eröffneten und durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in zulässiger Weise angeleiteten Rechtssetzungsermessen, nicht aber in der Beurteilungs- und Entscheidungskompetenz der Klägerin. Ein Rechtsanspruch auf die sachgerechteste und zugleich auch zweckmäßigste Lösung besteht deshalb nicht. Vielmehr hat die Klägerin die Anwendung dieser gesetzesgleichen Regelungen – wie jeder andere Rechts- und Gesetzesunterworfene in einem demokratischen Gemeinwesen auch – in den durch das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) gezogenen Grenzen hinzunehmen. Dessen Verletzung zeigt die Klägerin ebenfalls nicht in der Sache nachvollziehbar auf (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Eine Zulassung der Berufung kommt daher auch insoweit nicht in Frage.
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d) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich des Weiteren auch nicht insoweit, als das Verwaltungsgericht entgegen der Rechtsauffassung des Klägerbevollmächtigten einen Verstoß von § 26 Nfst-R gegen höherrangiges Recht nicht hat erkennen können. Die Klägerin lässt auch in der Antragsbegründung vom 13. Februar 2023 entgegen den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht in der Sache nachvollziehbar aufzeigen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss das ihm in § 136c Abs. 4 SGB V eingeräumte Rechtssetzungsermessen zu ihrem Nachteil überschritten hätte. Sie legt nicht einmal dar, dass die die unmittelbaren Vorgaben des parlamentarischen Gesetzgebers umsetzende und sich innerhalb des Rahmens der gesetzlichen Ermächtigung bewegende Regelung des § 26 Nfst-R überhaupt eigene Rechtspositionen der Klägerin in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Auch insoweit gilt: Weder Art. 14 noch Art. 12 GG gewähren einen Anspruch auf (Verschonungs-) Subventionen oder allgemeine Vergünstigungen in Gestalt eines Verzichts auf ansonsten zu berücksichtigende Abschläge (vgl. BVerwGE 35, 268 [275]; siehe auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 12 Rn. 24: „kein Recht auf Unterstützung bei der Berufsausübung“). Das Abschlagssystem selbst greift die Klägerin ausdrücklich nicht an. Eine Zulassung der Berufung lässt sich daher auch unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes von § 26 Nfst-R gegen höherrangiges Recht nicht erwirken. Auf Fragen der Verhältnismäßigkeit etwaiger Eingriffe kommt es bereits mangels Darlegung einer Eröffnung des Schutzbereichs eigener Rechtspositionen nicht an.
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Die Klägerin stellt damit das Ergebnis der tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten ernsthaft in Frage (vgl. Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.). Eine Zulassung der Berufung auf der Grundlage von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann deshalb nicht erfolgen.
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2. Ebenso wenig ist die Berufung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Der Angriff der Rechtsmittelführerin begründet keinen Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, die sich nicht ohne weiteres bereits im Zulassungsverfahren hätten klären lassen und deshalb die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern würden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 124 Rn. 9).
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3. Auch ist die Berufung nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Eine aufgeworfene Rechtsfrage hat nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil zu ihr noch keine ausdrückliche obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt. An der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit fehlt es vielmehr bereits dann, wenn sich die Fragestellung ohne weiteres aus dem Gesetz selbst oder anhand des bislang erreichten Klärungsstands in der Rechtsprechung und des allgemein anerkannten Meinungsstands im Schrifttum beantworten lässt. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Antwort auf die gestellte Rechtsfrage durch Auslegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften anhand der allgemein anerkannten Auslegungsregeln ergibt (vgl. Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 36).
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So verhält es sich hier. Die Verfassungsmäßigkeit der in § 136c Abs. 4 SGB V normierten Rechtssetzung und die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung der insoweit zur Entscheidung berufenen Fachgerichtsbarkeit grundsätzlich geklärt (vgl. BSG, U.v. 18.12.2012 – B 1 KR 34/12 R –, BSGE 112, 257 – juris, Rn. 22 m.w.N.; U.v. 8.8.2019 – B 3 KR 16/18 R – BSGE 129, 30 – juris, Rn. 43 jeweils m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 22.06.2022 – L 9 KR 170/19 KL – juris, Rn. 60 ff.). Dass im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Gemeinsame Bundesausschuss für eine Richtlinie keine hinreichende Legitimation besitzt, wenn sie zum Beispiel mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an der Entstehung nicht mitwirken konnten (vgl. BVerfG, B.v. 10.11.2015 – 1 BvR 2056/12 –, BVerfGE 140, 229 – juris, Rn. 22), begründet insoweit noch keine grundsätzliche fallübergreifende Klärungsbedürftigkeit.
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Ungeachtet dessen zeigt die Klägerin auch insoweit entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (erneut) nicht auf, dass sie überhaupt „Dritte“ im Sinne des Rechtsverständnisses des Bundesverfassungsgerichts ist, auf deren Rechtspositionen in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen ist und ob und gegebenenfalls inwieweit ihr deshalb eine Mitwirkungs- und Mitgestaltungsbefugnis an der Rechtssetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses, insbesondere in der Gestalt von Ausnahmeregelungen, Öffnungsklauseln und einer bestimmten Definition der Begriffs des Notfalls sowie von Zu- oder Abschlägen allgemein zukommen sollte oder gar zukommen müsste. Gleiches gilt mit Blick auf die behauptete Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung. Insoweit fehlt es deshalb zugleich auch an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen im streitgegenständlichen Verfahren (vgl. Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124a Rn. 51).
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4. Schließlich ist die Berufung auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen Divergenz zuzulassen. Der Bevollmächtigte der Klägerin legt entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO bereits nicht dar, dass das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung einen von einer Entscheidung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte abweichenden (eigenen) Rechtssatz zugrunde gelegt hätte. Dazu genügt es nicht schon, dass das Verwaltungsgericht das maßgebliche Recht nicht oder jedenfalls unrichtig angewandt hat, wie der Bevollmächtigte der Klägerin offenbar meint. Allein aus einer (vermeintlich) fehlerhaften oder gar unterbliebenen Rechtsanwendung im Einzelfall lässt sich nämlich gerade nicht ableiten, dass das Verwaltungsgericht zugleich auch einen (eigenen) divergierenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hätte (vgl. Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 41 m.w.N.).
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Eine Zulassung der Berufung kommt daher insgesamt nicht in Betracht. Damit ist das streitgegenständliche Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO). Über den Antrag auf Zulassung der Berufung kann, sofern – wie im vorliegenden Fall – die Zulassung abgelehnt wird, auch ohne vorherige Anhörung des Beklagten entschieden werden (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 260). Dies gilt namentlich dann, wenn der Antrag bereits aufgrund von Darlegungsmängeln (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) scheitert (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 75; BayVGH, B.v. 28.05.2015 – 22 ZB 15.982 –, BayVBl. 2015, 860 – juris, Rn. 11 f.).
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG.
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4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).