Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 14.07.2023 – 1 Wx 664/23
Titel:

Geschäftswertbestimmung bei einem Grundstück

Normenketten:
GNotKG § 46 Abs. 2 Nr. 3
BauGB § 196 Abs. 3
BGB § 917, § 918 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die Ermittlung des Verkehrswerts gem. § 46 Abs. 1 GNotKG erfolgt im Wege des Freibeweises nach den Kriterien des § 46 Abs. 2 GNotKG. Das Gesetz verlangt für die Gebührenfestsetzung keine mit letzter Präzision vorzunehmende Wertfeststellung, sonst käme als Grundlage der Bewertung nur ein Sachverständigengutachten in Betracht. Zur Bestimmung eines Grundstückswerts kann daher gem. § 46 Abs. 2 Nr. 3 GNotKG auf den Bodenrichtwert (§ 196 Abs. 3 BauGB) zurückgegriffen werden. Nach Vornahme eines Abschlags von 25 % ist der Richtwert idR als der Wert des Bodenanteils anzusehen, der mindestens erreicht wird. Die Vornahme eines Abschlags ist nur gerechtfertigt, wenn konkrete wertmindernde Umstände vorgetragen sind, deren Erheblichkeit nicht ausgeschlossen werden kann. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Bestimmung des Werts eines Grundstücks kann gem. § 46 Abs. 2 Nr. 3 GNotKG auf den im Grundstücksrichtwertverzeichnis veröffentlichten Bodenrichtwert (§ 196 Abs. 3 BauGB) zurückgegriffen werden. (Rn. 1 – 2) (redaktioneller Leitsatz)
3. Von diesem Richtwert ist ein Abschlag von 25% vorzunehmen, wenn konkrete wertmindernde Umstände vorgetragen werden, deren Erheblichkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Nach Vornahme dieses Abschlags ist der Richtwert im Regelfall als der Wert des Bodenanteils anzusehen, der mindestens erreicht wird. (Rn. 3 und 5) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Abschlag von 25% ist gerechtfertigt, aber auch ausreichend, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das derzeitige Fehlen einer Anbindung des Grundstücks an eine öffentliche Straße und von Versorgungsleitungen zu einer Wertminderung führt.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Geschäftswert Grundstück, Wert Nachlass, Ermittlung des Verkehrswerts zum Zwecke der Gebührenfestsetzung, Bodenrichtwert, Abschlag auf Bodenrichtwert, wertmindernder Faktor
Vorinstanz:
AG Kelheim, Beschluss vom 17.01.2023 – 21 VI 1182/21
Fundstellen:
ErbR 2025, 167
BeckRS 2023, 50035
ZEV 2024, 622
LSK 2023, 50035

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Kelheim vom 17. Januar 2023, Az.: 21 VI 1182/21, wird zurückgewiesen.
II. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist gemäß § 83 Abs. 1, § 81 Abs. 5, § 79 Abs. 2 Satz 2 GNotKG zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt worden.
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Die Beschwerde ist in der Sache ohne Erfolg. Das Nachlassgericht hat den Geschäftswert zu Recht auf 315.683,59 € festgesetzt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat das Erstgericht dabei den Wert des Grundstücks Gemarkung Offenstetten, Fl.-Nr. 400 mit einer Fläche von 1.145 m² in nicht zu beanstandender Weise mit einem Betrag in Höhe von 257.625,00 € bemessen.
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1. Der Wert einer Sache, auch von Grundeigentum, wird gemäß § 46 Abs. 1 GNotKG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Sache unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Die Ermittlung des Verkehrswerts erfolgt im Wege des Freibeweises nach den Kriterien des § 46 Abs. 2 GNotKG. Das Gesetz verlangt für die Zwecke der Gebührenfestsetzung keine mit letzter Präzision vorzunehmende Wertfeststellung, sonst käme als Grundlage der Bewertung praktisch nur ein Sachverständigengutachten über den Wert des betreffenden Grundstücks in Betracht (BayObLGZ 1972, 297, 301). Zur Bestimmung des Werts eines Grundstücks kann daher gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 3 GNotKG auf den veröffentlichten Bodenrichtwert (§ 196 Abs. 3 BauGB) zurückgegriffen werden (BayObLG, Beschluss vom 9.2.1995 – 3Z BR 342/94, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 4.1.2022 – 5 W 142/21, BeckRS 2022, 21305). Nach Vornahme eines Abschlags von 25% ist der Richtwert im Regelfall als der Wert des Bodenanteils anzusehen, der mindestens erreicht wird (BayObLG, a.a.O.; BayObLGZ 1972, 297: OLG Düsseldorf, JurBüro 1985, 435: OLG Köln, JurBüro 1984, 1883). Die Vornahme eines Abschlags ist nur gerechtfertigt, wenn konkrete wertmindernde Umstände vorgetragen sind, deren Erheblichkeit nicht ausgeschlossen werden kann (OLG Brandenburg, Beschluss vom 4.1.2022 – 5 W 142/21, BeckRS 2022, 21305; Toussaint/Kawell, GNotKG, § 46 Rn. 13).
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2. Im Streitfall hat das Erstgericht diese Grundsätze zur Ermittlung des Bodenwerts beachtet und den Bodenwert nach dem Grundstücksrichtwertverzeichnis rechtsfehlerfrei mit 257.625,00 € bemessen.
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a) Die Ansicht des Beschwerdeführers, dass ein Abschlag in Höhe von 25%, ganz „normal üblich“ und abzuziehen „ist“, trifft nicht zu. Der Ansatz des vorgenannten Sicherheitsabschlags setzt das Vorliegen besonderer Umstände voraus, und stellt dann den Mindestwert eines Grundstücks dar (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 4.1.2022 – 5 W 142/21, BeckRS 2022, 21305; Toussaint/Kawell, Kostenrecht, 53. Aufl., § 46 GNotKG Rn. 13).
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b) Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Umstände rechtfertigen zwar die Vornahme des angesetzten Abschlags in Höhe von 25% des Bodenrichtwerts, aber keinen höheren Abzug.
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aa) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellt es allerdings keinen wertmindernden Faktor dar, dass das Grundstück (derzeit) nur als Gartenland genutzt wird. Für die Wertbemessung ist entscheidend, dass das Grundstück mit einem Wohngebäude bebaut werden könnte. Ausweislich der vorliegenden amtlichen Flurkarte liegt das Grundstück inmitten eines gemeindlichen Wohngebiets, das mit Einfamilienhäusern bebaut ist. Der Beschwerdeführer hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass auf dem Grundstück Fl.-Nr. 400 eine Wohnbebauung baurechtlich nicht ebenfalls zulässig ist. Ein Ansatz als „Grünland“ ist daher entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht gerechtfertigt.
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bb) Die Ansicht des Beschwerdeführers, dass die „Übergröße“ des verfahrensgegenständlichen Grundstücks zu einer Verkehrswertminderung führt, überzeugt nicht. Das Grundstück hat eine Größe von 1.145 m², was im ländlichen Bereich jedenfalls keine außergewöhnliche Größe für ein Grundstück darstellt. Auf der Flurkarte ist erkennbar, dass auch die mit Wohnhäusern in der Umgebung bebauten Grundstücke eine ähnliche Größe haben.
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cc) Da allerdings nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Umstand, dass das Grundstück derzeit über keine Anbindung an eine öffentliche Straße und Leitungsrechte verfügt, zu einer Wertminderung führt, ist ein Abschlag in Höhe von 25% vom Bodenrichtwert vorliegend gerechtfertigt, aber auch ausreichend. Der Beschwerdeführer hat nicht aufgezeigt, dass die Herstellung einer Verbindung des Grundstücks Fl.-Nr. 400 zu einer öffentlichen Verkehrsfläche und von Versorgungsleitungen rechtlich oder tatsächlich unmöglich wäre:
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Der Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. 400/11 und/oder der Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. 400/12 wären gegenüber einem Erwerber des verfahrensgegenständlichen Grundstücks nach § 917, § 918 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Duldung eines Notwegs verpflichtet. Dem vorliegenden Grundbuchauszug kann entnommen werden, dass die Grundstücke Fl.-Nr. 400/11 und Fl.-Nr. 400/12 durch eine Trennung vom Grundstück Fl.-Nr. 400 entstanden sind. Über die abgetrennten Grundstücksteile Fl.-Nr. 400/11 und Fl.-Nr. 400/12 fand nach der amtlichen Flurkarte ersichtlich bisher die Verbindung zu den angrenzenden öffentlichen Straßen statt. Infolge der Grundstückstrennungen wurde das verfahrensgegenständliche Restgrundstück von dieser Verbindung abgeschnitten. Es ist daher davon auszugehen, dass einem potentiellen Erwerber des abgeschnittenen Grundstücks Fl.-Nr. 400 gegen den Beschwerdeführer, der nach eigenem Vortrag Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. 400/11 ist, bzw. den Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. 400/12 ein Anspruch auf Duldung eines Notwegs und eines Notleitungsrechts aus § 917, § 918 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehen würde.
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Mit der unsubstantiierten Behauptung, dass eine Zufahrt über sein Grundstück Fl.-Nr. 400/11 nicht möglich sei, weil es mit den vorgeschriebenen Stellplätzen belegt sei, hat der Beschwerdeführer eine tatsächliche Unmöglichkeit eines Notwegerechts auf seinem Grundstück Fl.-Nr. 400/11 nicht aufgezeigt. Der Vortrag des Beschwerdeführers, dass eine Durchfahrt „theoretisch“ möglich sei, allerdings nicht breit genug sei für „entsprechende landwirtschaftliche Fahrzeuge“ mit „gewisser Größe“, ist derart unkonkret, das er nicht subsumtionsfähig ist. Ungeachtet dessen ist der Eigentümer unter Beachtung des Gebots der geringstmöglichen Belastung auch zur Duldung von baulichen Eingriffen zur Herstellung eines Notwegs und der Versorgungsleitungen verpflichtet.
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Der Beschwerdeführer trägt überdies weder vor noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Herstellung des Notwegs und der Versorgungsleitungen auf dem Grundstück Fl.-Nr. 400/12 nicht möglich ist.
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Die derzeitige Verbindungslosigkeit des Grundstücks und eine an den Eigentümer des Nachbargrundstücks zu entrichtende Notwegrente mag durchaus zu einer Minderung des Verkehrswerts des verfahrensgegenständlichen Grundstücks Fl.-Nr. 400 führen. Dieser Umstand ist aber durch den Ansatz des vorgenommenen Abschlags in Höhe von 25% des Verkehrswerts, also eines Minderwerts in Höhe von 85.875,00 €, hinreichend berücksichtigt. Die vom Beschwerdeführer auf „mind. 100.000,00 €“ geschätzte Wertminderung seines Grundstücks ist mangels konkreten Tatsachvortrags nicht ansatzweise nachvollziehbar und erscheint erheblich überzogen.
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d) Die weiteren vom Beschwerdeführer vorgetragenen Umstände, wie insbesondere die fehlende Möglichkeit eines Breitbandanschlusses, sind nicht derart ungewöhnlich, dass sie einen höheren Abschlag rechtfertigen würden.
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Bei einer Grundstücksgröße von 1.145 m² errechnet sich unter Zugrundelegung des auf das verfahrensgegenständliche Grundstück Fl.-Nr. 400 zutreffenden Bodenrichtwerts von 300 €/m² abzüglich des Sicherheitsabschlags in Höhe von 25% zum maßgeblichen Stichtag ein Verkehrswert von 257.625,00 €. Auch die Bemessung des Werts der übrigen Nachlassgegenstände lässt keine Rechtsfehler erkennen.
II.
16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 83 Abs. 3 GNotKG. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle am 14.07.2023.