Titel:
Arbeitsunfall, Unfallbedingtheit, Arbeitsunfähigkeit, Verletztenrente, Verletztengeld, Widerspruchsbescheid, Prozeßbevollmächtigter, Heilbehandlung, Entgeltfortzahlungsgesetz, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Außergerichtliche Kosten, Leistungsanspruch, Gesetzliche Unfallversicherung, Kostenentscheidung, Theorie der wesentlichen Bedingung, Versicherungsfall, versicherte Tätigkeit, Behandlungsbedürftigkeit, Vergleichsangebote, Sozialgerichtsgesetz
Schlagworte:
Arbeitsunfall, Klagebefugnis, Heilbehandlung, Verletztengeld, Unfallfolgen, Entgeltfortzahlung, Kostenentscheidung
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 29.11.2023 – L 2 U 161/23
BSG Kassel, Beschluss vom 14.05.2024 – B 2 U 140/23 B
Fundstelle:
BeckRS 2023, 50019
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 30.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.05.2020 wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 13.04.2018 ein Arbeitsunfall ist.
III. Des Weiteren wird festgestellt, dass der Kläger auf Grund des Arbeitsunfalls vom 13.04.2018 eine folgenlos verheilte Zerrung der Kniegelenkskapsel links sowie eine folgenlos verheilte Vorfußprellung links erlitten hat.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.04.2018 Heilbehandlung für die Zeit vom 13.04.2018 bis einschließlich 27.04.2018 sowie Verletztengeld – unter Anrechnung einer etwaigen Entgeltfortzahlung – für die Zeit vom 16.04.2018 bis einschließlich 27.04.2018 zu leisten.
V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
VI. Die Beklagte hat 1/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung des Ereignisses vom 13.04.2018 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sowie um etwaige Leistungsansprüche nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) infolge dieses Ereignisses.
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Der am ... 1965 geborene Kläger war im Unfallzeitpunkt als Kraftfahrer bei der T. in E-Stadt beschäftigt. Am Freitag, den 13.04.2018, um 12:00 Uhr wollte der Kläger bei einem Kunden in V. vom LKW mit einem Hubwagen eine Palette abladen. Er blieb mit dem linken Bein an der Palette hängen und verdrehte sich das linke Kniegelenk. Es kam direkt zu Schmerzen und einer Schwellung im linken Kniegelenk. Auch der linke Fuß tat etwas weh. Anschließend rief der Kläger in der Arbeit an und meldete die Verletzung. Die Palette stellte er noch beim Empfänger ab, bevor er in die Firma zurückkehrte und sich dann auf Grund der Schmerzen nach Hause begab. Am nächsten Montag, den 16.04.2018, begab er sich zur ärztlichen Behandlung in das C. Bei der klinischen Untersuchung des linken Kniegelenks zeigte sich ein mäßiger Gelenkerguss. Der Durchgangsarzt Dr. A. stellte folgende Erstdiagnose: „V. a. Innenmeniskusläsion links“.
3
Eine am 19.04.2018 im durchgeführte Magnetresonanztomographie (MRT) des linken Kniegelenks ergab folgenden Befund:
„Deutlicher Gelenkerguss. Kein Frakturnachweis. […] Komplexer Riss am Innenmeniskus mit nach paratibial umgeschlagenem Flap am Vorderhorn/Pars intermedia. Ebenfalls Meniskusflap des Außenmeniskushinterhorns mit Dislokation nach dorsal.
Deutliche Ausdünnung des vorderen Kreuzbandes, DD Partialruptur, DD deutliche Degeneration/alte Verletzung mit V. a. vorderer Schublade. […].“
4
Am 29.05.2018 wurde der Kläger im am linken Kniegelenk operiert. Hierbei zeigte sich ein rudimentär verwachsenes vorderes Kreuzband mit dem hinteren Kreuzband. Der Großteil des vorderen Kreuzbandes war nicht mehr vorhanden. Im Bereich der Trochlea zeigte sich ein ca. 1,5 cm x 0,5 cm breiter dritt- bis viertgradiger Knorpelschaden. Im medialen Kompartiment zeigte sich ein großflächig rupturierter Innenmeniskus von der Hinterhornwurzel bis zum Vorderhorn reichend, einem Korbhenkelriss, welcher nach interkondylär umgeschlagen ist, entsprechend. Der Meniskusriss erschien teils degenerativ, jedoch auch teils frisch mit Rupturanteilen, die mit einer Rissbildung sechs Wochen zuvor vereinbar war. Im lateralen Kompartiment zeigten sich am Außenmeniskushinterhorn ein Riss mit Lappenbildung, welcher nach kaudal umgeschlagen ist, sowie weitere degenerative Meniskusveränderungen im Bereich der Pars intermedia.
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In der durch die Pathologie A-Stadt vorgenommenen histopathologischen Untersuchung des während dieser Operation entnommenen Gewebsstücks des Innenmeniskus von linken Knie wurde ein eingerissener Faserknorpel des Meniskus mit Ödem und daneben auch mucoid-cystischer degenerativer Veränderung mit Texturstörung, vereinbar mit einer nicht mehr frischen älteren, vorbestehenden Läsion, festgestellt. Eine Eisenreaktion blieb negativ.
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Auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 03.09.2018 schilderte der Kläger den Unfallhergang näher dahingehend, dass er sich das linke Knie nach außen verdreht habe. Das Kniegelenk sei beim seitlichen Einknicken gestreckt gewesen. Den linken Fuß habe sich der Kläger beim Abladen der Palette eingeklemmt. Gestürzt sei er nicht. Das Kniegelenk habe nach dem Unfall noch bewegt werden können.
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Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. L., W-Stadt, vom 27.09.2018 ein, in welcher dieser die Einleitung einer Zusammenhangsbegutachtung empfahl. Dreh- und Angelpunkt der Kausalitätsbetrachtung sei der Nachweis einer frischen traumatischen Kreuzbandschädigung. Sollte dieser Nachweis gelingen, seien die Veränderungen an den Menisken ebenfalls als unfallabhängig zu werten. Die Knorpelveränderungen seien jedoch eindeutig unfallfremd.
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Daraufhin erstellten der Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Krankenhauses A-Stadt Dr. A. sowie der Oberarzt Dr. K. am 17.01.2019 nach Untersuchung des Klägers am 07.01.2019 und nach Einholung eines Röntgenbefundes des Prof. Dr. C., vom 11.01.2019, basierend auf Röntgenaufnahmen des Kniegelenks beidseits vom 07.01.2019, ein freies fachchirurgisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Sie kamen zum Ergebnis, dass es bei dem Ereignis vom 13.04.2018 zu einer relevanten Distorsion im Bereich des posterolateralen Schienbeins (Tibia) gekommen sei, welche zu einer vorderen Kreuzbandruptur und einem Innenmeniskusschaden geführt habe. Unfallunabhängig bestünden ein Knorpelschaden im Bereich der zentralen Trochlea sowie ein Außenmeniskusschaden im Bereich des Außenmeniskushinterhorns. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bestanden vom 16.04.2018 bis 12.10.2018. Im Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung bestünden als Unfallfolgen eine geringgradige anteriore Kniegelenksinstabilität, der Zustand nach Innenmeniskusteilresektion, die im Seitenvergleich noch bestehende muskuläre Atrophie und die endgradige Bewegungseinschränkung im Seitenvergleich bzgl. der Beugung um 10⁰. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde auf 10 v. H. geschätzt.
9
Der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. H., I-Stadt, äußerte in einer beratungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 08.05.2019 dahingehend Kritik am Gutachten vom 17.01.2019, dass dort nicht ausreichend nach einem Vorschaden gesucht worden sei. Er bat um Zusammenstellung aller Unterlagen inklusive Vorerkrankungsverzeichnis zur ausführlichen Stellungnahme.
10
In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 17.12.2019 äußerte Dr. H. die Einschätzung, dass dem Zusammenhangsgutachten vom 17.01.2019 nicht zu folgen sei. Das geschilderte Unfallereignis müsse im Sinne eines Anlassgeschehens für den Eintritt korbhenkelartiger Einrisse des Außenmeniskus sowie des Innenmeniskus gewertet werden. Grund für die Entstehung des Meniskusschadens sei eine chronische Instabilität bei funktionellem Verlust des vorderen Kreuzbandes. Eindeutige Zeichen einer frischen Ruptur des vorderen Kreuzbandes lägen nicht vor.
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Ergänzend führte Dr. H. in einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 16.01.2020 aus, dass er nicht von einer Zerrung des linken Kniegelenks ausgehe. Selbst wenn eine Zerrung als Unfalldiagnose unterstellt werden könne, sehe er weiterhin keine daraus abzuleitende Arbeitsunfähigkeit und/oder Behandlung. Längstens wäre diese bis zur MR-Diagnostik am 19.04.2018 vertretbar.
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Daraufhin erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 30.01.2020 über Ablehnung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Mit diesem lehnte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Sie entschied zudem, dass ein Leistungsanspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung „nach den §§ 26 ff. Sozialgesetzbuch VII und den §§ 29, 42 ff. SGB IX, insbesondere auf Heilbehandlung und Verletztengeld,“ nicht besteht.
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Im Hinblick auf diesen Bescheid hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 14.02.2020 eine zuvor erhobene Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Landshut für erledigt erklären lassen (Az.: S 3 U 292/19).
14
Bereits am 05.02.2020 hat der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.01.2020 erheben lassen. Dieser wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14.05.2020 zurückgewiesen. In der Begründung dieses Widerspruchsbescheids führte die Beklagte aus, dass die Voraussetzungen für Heilbehandlung nach Maßgabe der §§ 26 ff. SGB VII für Unfallfolgen sowie für Verletztengeld nach §§ 45 ff. SGB VII nicht vorlägen.
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Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 03.06.2020, welcher am 08.06.2020 bei Gericht eingegangen ist, Klage zum Sozialgericht Landshut erheben lassen. Mit der Klagebegründung vom 18.06.2020 ist u. a. auch die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. beantragt worden. Der Kläger hat mitteilen lassen, dass auch das Knie rechts Schmerzen und Druck verursache.
16
Das Gericht hat mit Schreiben vom 13.06.2022 darauf hingewiesen, dass über die Zahlung einer Verletztenrente in den streitgegenständlichen Bescheiden der Beklagten keine Entscheidung getroffen wurde und dieser Anspruch daher nach Einschätzung des Gerichts nicht streitgegenständlich ist.
17
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 24.06.2022 antworten lassen, dass er davon ausgehe, dass von der Ablehnung von Leistungsansprüchen mit Bescheid vom 30.01.2020 auch die Verletztenrente umfasst sei. Im Hinblick auf das gerichtliche Schreiben vom 13.06.2022 habe er jedoch ein weiteres Schreiben vom 24.06.2022 an die Beklagte gerichtet, mit welchem er bei dieser ausdrücklich die Gewährung einer Verletztenrente beantragt habe.
18
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 12.07.2022 der Rechtsauffassung des Gerichts angeschlossen, wonach die Gewährung einer Verletztenrente nicht Streitgegenstand der in diesem Klageverfahren angefochtenen Bescheide sei. Da es der Klägerseite um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls gehe, werde sie den Ausgang des Verfahrens abwarten und danach über den Antrag vom 24.06.2022 entscheiden.
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Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 23.08.2022 hat der Kläger beantragen lassen, seinen Disponenten (Herrn S.) als Zeugen anzuhören. Mit diesem habe der Kläger wegen des Unfallgeschehens telefoniert und hierbei Einzelheiten bezüglich des Unfalltages besprochen.
20
Das Gericht hat ärztliche Unterlagen aus dem, verschiedene radiologische Aufnahmen des linken und rechten Kniegelenks des Klägers sowie Unterlagen der Krankenkasse des Klägers beigezogen.
21
Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. I., I-Stadt, ist zum ärztlichen Sachverständigen ernannt worden. Dieser ist in seinem orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgutachten vom 29.08.2022, welches er nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 28.08.2022 erstattet hat, zum Ergebnis gekommen, dass der Kläger beim Ereignis vom 13.04.2018 eine mäßige Zerrung der Kniegelenkskapsel links im Sinne eines Pivotings bzw. einer Giving-Way-Symptomatik (Wegknicken auf Grund von Gelenkinstabilität) bei vorbestehender alter vorderer Kreuzbandverletzung und daraus resultierender Instabilität sowie eine leichtgradige Vorfußprellung links erlitten habe. Als Unfallfolgen seien eine folgenlos verheilte Zerrung der Kniegelenkskapsel links und eine folgenlos verheilte Vorfußprellung links anzuerkennen. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nach einer mäßigen Kniegelenkskapselzerrung sei mit zwei Wochen bis 27.04.2018 anzugeben. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nach einer leichtgradigen Vorfußprellung habe nicht bestanden. Zum Zeitpunkt des Unfalls vom 13.04.2018 habe beim Kläger unfallunabhängig eine vorbestehende alte Kreuzbandläsion links mit einhergehender Kniegelenksinstabilität und damit verbundener Zerrüttung von Knorpeloberflächen und Menisken vorgelegen.
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Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ein weiteres fachärztliches Gutachten eingeholt worden durch den sowie Arzt für spezielle Schmerztherapie Herrn J., A-Stadt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 08.11.2022, welches er nach Untersuchung des Klägers am gleichen Tag erstattet hat, zum Ergebnis gekommen, dass der Kläger beim Unfall vom 13.04.2018 eine Zerrung der Kniegelenkkapsel links bei vorbestehender alter vorderer Kreuzbandverletzung und vorbestehender Innenmeniskusdegeneration, einen traumatischen Korbhenkelriss des Innenmeniskus links bei vorbestehender degenerativer Veränderung und eine leichtgradige Vorfußprellung links erlitten habe. Im Zeitpunkt der Untersuchung durch Herrn J. lägen beim Kläger als Unfallfolgen schmerzhafte Restbeschwerden bei Zustand nach traumatischer Korbhenkelruptur des Innenmeniskus links mit endgradiger Funktionseinschränkung, eine folgenlos verheilte Zerrung der Kniegelenkskapsel links und eine folgenlos verheilte Vorfußprellung links vor. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei mit sechs Wochen nach dem operativen Eingriff am linken Kniegelenk vom 29.05.2018 anzunehmen, die unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit mit drei Monaten nach dem operativen Eingriff vom 29.05.2018. Unfallunabhängig hätten beim Kläger im Zeitpunkt des Unfalls vom 13.04.2018 im Sinne einer Schadensanlage eine alte vordere Kreuzbandläsion links und beginnende degenerative Veränderungen der Knorpeloberflächen und der Menisken im Bereich des Kniegelenks links vorgelegen.
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Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 31.01.2023 einen Vergleich folgenden Inhalts angeboten:
1. Die Beklagte hebt den Bescheid vom 30.01.2020 in Form des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2020 auf und erkennt einen Arbeitsunfall mit Anspruch auf unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 27.04.2018 an. Eine darüberhinausgehende unfallbedingte Behandlungssowie Arbeitsunfähigkeit liegt nicht vor.
2. Dabei kam es zu den genannten Folgen:
Folgenlos verheilte Zerrung der Kniegelenkskapsel links sowie folgenlos verheilte Vorfußprellung links.
3. Unfallunabhängig lag zum Zeitpunkt des Unfalles am 13.04.2018 eine vorbestehende alte vordere Kreuzbandläsion links mit einhergehender Kniegelenksinstabilität und damit verbundener Zerrüttung von Knorpeloberflächen und Menisken vor.
4. Eine rentenberechtigende MdE liegt aufgrund der o. g. Unfallfolgen nicht vor.
5. Die außergerichtlichen Kosten werden dem Grunde nach zur Hälfte übernommen.
6. Der Rechtsstreit ist damit in vollem Umfang erledigt.
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Gestützt hat sich die Beklagte dabei auf zwei weitere beratungsärztliche Stellungnahmen des Dr. H. vom 01.09.2022 und vom 25.01.2023.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 07.02.2023 mitteilen lassen, dass er das Vergleichsangebot der Beklagten vom 31.01.2023 nicht annimmt.
26
Zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.03.2023 hat die Beklagte keinen Vertreter entsandt. Die Beklagte ist in der Ladung vom 13.02.2023 darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann. Die Beklagte hat den Empfang der Ladung noch am 13.02.2023 bestätigt.
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Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2020 aufzuheben, festzustellen, dass das Ereignis vom 13.04.2018 ein Arbeitsunfall ist, des Weiteren festzustellen, dass der Kläger infolge dieses Arbeitsunfalls einen Innenmeniskusriss links, eine Kreuzbandruptur links, eine Kreuzbandinstabilität mit Innenmeniskuskorbhenkelriss und Außenmeniskusschaden sowie einen Meniskus-FLAP des Außenmeniskushinterhorns erlitten hat, und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.04.2018 Verletztengeld für die Zeit vom 16.04.2018 bis 12.10.2018, im Anschluss eine Verletztenrente und außerdem ab 13.04.2018 fortlaufend Heilbehandlung zu leisten.
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Dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten lässt sich sinngemäß der Antrag entnehmen,
die Klage abzuweisen, soweit der Klageantrag über das Vergleichsangebot der Beklagten vom 31.01.2023 hinausgeht.
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Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die vorliegende Streitakte, insbesondere auf die darin befindlichen Gutachten des Dr. I. und des Herrn J.
Entscheidungsgründe
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Die Kammer ist nicht durch die Abwesenheit der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.03.2023 gehindert gewesen, in diesem Termin ein dem Klagebegehren teilweise stattgebendes Urteil zu erlassen. In der Ladung vom 13.02.2023 ist die Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 09.03.2023 mitgeteilt, am Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.03.2023 nicht selbst teilnehmen zu können. Um eine Verlegung des Termins hat die Beklagte nicht gebeten. Der Teilerfolg des Klägers entspricht zudem weitgehend dem Vergleichsangebot der Beklagten vom 31.01.2023.
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Soweit der Kläger die Erbringung einer Verletztenrente durch die Beklagte beantragt hat, ist die Klage unzulässig. Denn hierüber hat die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid vom 30.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.05.2020 nicht entschieden. Insoweit fehlt es an einer Klagebefugnis des Klägers, weil eine Verletzung der rechtlich geschützten Interessen des Klägers durch die streitgegenständlichen Bescheide ausgeschlossen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 10).
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Aus dem Verfügungssatz des streitgegenständlichen Bescheids vom 30.01.2020 lässt sich nicht entnehmen, dass die Beklagte vorliegend eine Entscheidung über eine Verletztenrente getroffen hat. Soweit dort neben der Ablehnung des Arbeitsunfalls auch entschieden wurde, dass „ein Leistungsanspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach den §§ 26 ff. Sozialgesetzbuch SGB VII und den §§ 29, 42 ff. SGB IX, insbesondere auf Heilbehandlung und Verletztengeld,“ nicht besteht, beinhaltet dies nicht die Ablehnung einer Verletztenrente. Über konkrete Leistungsansprüche kann das Gericht im Falle der Ablehnung eines Versicherungsfalls nur dann entscheiden, wenn die Beklagte über diese Leistungsansprüche im streitgegenständlichen Bescheid ausdrücklich entschieden hat. Soweit lediglich allgemein die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt wird, wird hiermit nur die Konsequenz aufgezeigt, die sich aus dem Umstand ergibt, dass die Beklagte die Anerkennung als Versicherungsfall abgelehnt hat (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 19.12.2017, L 3 U 418/16 Rn. 32 – juris; vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R Rn. 11 f. – juris). Als konkrete Leistungsansprüche wurden im Bescheid vom 30.01.2020 lediglich die Ansprüche auf Heilbehandlung und Verletztengeld erwähnt. Im Widerspruchsbescheid vom 14.05.2020 wurden im Einzelnen die Voraussetzungen für diese Leistungsansprüche benannt, nämlich unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bzw. unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. Daher sieht sich die Kammer trotz des Umstands, dass die Beklagte bereits die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat, nicht gehindert, in diesem Rechtsstreit auch über Ansprüche des Klägers auf Heilbehandlung und Verletztengeld zu entscheiden. Die Verletztenrente wird demgegenüber weder im streitgegenständlichen Bescheid vom 30.01.2020 noch im Widerspruchsbescheid vom 14.05.2020 auch nur mit einem Wort benannt. Hierüber hätte die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 30.01.2020 auch gar nicht entscheiden dürfen. Denn nach § 36a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 lit. a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) i. V. m. § 20 Absatz 1 Nummer 1 der Satzung der Beklagten hat über die erstmalige Entscheidung über Renten als vorläufige Entschädigung, auf unbestimmte Zeit sowie auf zurückliegende Zeit der Rentenausschuss zu entscheiden. Zur Überzeugung der Kammer war der Anspruch auf Verletztenrente somit nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.
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Im Übrigen ist die Klage zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
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Das Ereignis vom 13.04.2018 stellt einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Absatz 1 SGB VII dar. Arbeitsunfälle sind demnach Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
35
Der Kläger war im Zeitpunkt des Ereignisses vom 13.04.2018 als Kraftfahrer bei der T. in E-Stadt beschäftigt und unterfiel damit gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 1 SGB VII dem kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreis. Das Abladen der Palette stellt auch eine Verrichtung dar, die im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Klägers steht. Die durchgeführte Verrichtung hat auch ursächlich zu dem hier maßgeblichen Ereignis geführt, nämlich zum Hängenbleiben mit dem linken Bein an der Palette. Dieses Ereignis hat wiederum zu einem Gesundheitserstschaden geführt, nämlich zu einer mäßigen Zerrung der Kniegelenkskapsel links im Sinne eines Pivotings bzw. einer Giving-Way-Symptomatik bei vorbestehender alter vorderer Kreuzbandverletzung und daraus resultierender Instabilität sowie zu einer leichtgradigen Vorfußprellung links. Insoweit stützt sich die Kammer auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. I. im orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgutachten vom 29.08.2022.
36
Auch die Beklagte hält mittlerweile – wie sich dem Vergleichsangebot vom 31.01.2023 entnehmen lässt – an der noch in den streitgegenständlichen Bescheiden vertretenen Auffassung, es liege kein Arbeitsunfall vor, nicht mehr fest. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten somit mittlerweile kein Streit mehr.
37
Als Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.04.2018 sind ausschließlich eine folgenlos verheilte Zerrung der Kniegelenkskapsel links sowie eine folgenlos verheilte Vorfußprellung links anzuerkennen. Auch insoweit stützt sich die Kammer auf die Feststellungen des Dr. I. im orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgutachten vom 29.08.2022.
38
Die Anerkennung weiterer Unfallfolgen kommt demgegenüber nicht in Betracht.
39
Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgeblichen Erkrankung muss im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie. Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolgs, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen ist im Sozialrecht eine zweite Selektionsstufe für die Summe der möglichen Ursachen eingeführt worden – die sog. „Theorie der wesentlichen Bedingung“. Danach ist nur diejenige Ursache rechtserheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg dessen Eintritt wesentlich mitbewirkt hat. Nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis muss dieser Zusammenhang wahrscheinlich sein, d. h. es muss mehr dafür als dagegensprechen (vgl. ständige Rechtsprechung, etwa im Urteil des BSG vom 09.05.2006, Az.: B 2 U 1/05 R). Ein rein zeitlicher Zusammenhang, d. h. das Auftreten einer Gesundheitsstörung nach einem Unfallereignis, reicht hierfür nicht aus.
40
Entgegen der Einschätzung des Dr. A. und des Dr. K. im fachchirurgischen Gutachten zur Zusammenhangsfrage vom 17.01.2019 können die vordere Kreuzbandruptur links und die Kreuzbandinstabilität nicht als Folge des Arbeitsunfalls vom 13.04.2018 bewertet werden. Vielmehr handelt es sich um eine vorbestehende alte vordere Kreuzbandläsion. Auch insoweit macht sich die Kammer die Ausführungen des Dr. I. im orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgutachten vom 29.08.2022 zu eigen. Dr. I. hat zunächst darauf hingewiesen, dass biomechanisch von einer nur mäßigen Drehbelastung des linken Kniegelenkes auszugehen ist. Hierbei handelt es sich nicht um ein relevantes oder heftiges Rotationstrauma. Das Trauma lässt sich biomechanisch auch nicht mit einem Drehsturz nach Ludolph vergleichen. In der Kernspintomographie des linken Kniegelenks vom 19.04.2018 zeigte das vordere Kreuzband keine Signalanhebung. Es erschien ausgedünnt und degenerativ verändert. Bei der Operation am 29.05.2018 zeigte sich das vordere Kreuzband bereits rudimentär mit dem hinteren Kreuzband verwachsen, wobei der Großteil des vorderen Kreuzbandes nicht mehr vorhanden war. Im Bereich des Kreuzbandstumpfes zeigten sich kleinere teils knöchern, teils derb weichteilige adhärente Gelenkkörper. Die anatomischen Auffälligkeiten am vorderen Kreuzband entsprachen einem Zerreißungsprozess, der viele Monate oder Jahre zuvor stattgefunden haben muss, mit entsprechend resorptiven und narbigen Umbauprozessen. Herr J. hat in seinem Gutachten nach § 109 SGG vom 08.11.2022 die vordere Kreuzbandläsion links ebenfalls als unfallunabhängig bewertet und sich insoweit ausdrücklich den Ausführungen des Dr. I. angeschlossen.
41
Entgegen der Einschätzung des Herrn J. kann der Innenmeniskusriss (Inennenmeniskuskorbhenkelriss) links nicht als Folge des Arbeitsunfalls vom 13.04.2018 anerkannt werden.
42
Auch insoweit schließt sich die Kammer den Ausführungen des Dr. I. im orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgutachten vom 29.08.2022 an. Dr. I. hat ausgeführt, dass laut gegenwärtigem medizinischem Kenntnisstand eine isolierte Meniskusverletzung ohne Begleitläsion am und im Kniegelenk biomechanisch und anatomisch für nicht wahrscheinlich erachtet wird. Lediglich im Falle des „wuchtigen Drehsturzes“, bei dem das gebeugte und rotierte Kniegelenk bei fixiertem Unterschenkel/Fuß plötzlich passiv in die Streckung gezwungen wird, so dass die physiologische Schlussrotation nicht mehr ablaufen kann, besteht die Möglichkeit einer isolierten Meniskusverletzung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 657). Ein derartiger „wuchtiger Drehsturz“ lässt sich der Unfallschilderung des Klägers nicht entnehmen. Dem Umstand, dass sich im Erstbefund des Krankenhauses in A-Stadt die Innenmeniskuszeichen positiv zeigten, hat Dr. I. keine maßgebende Bedeutung zugemessen. Dies entspricht den Erfahrungssätzen der Rechtsprechung und des versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttums, in welchem die Meniskuszeichen ebenfalls als äußerst unzuverlässige und fragwürdige diagnostische Kriterien bezeichnet werden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 659). Die dort beschriebene Ergussbildung lässt sich laut Dr. I. auch als Folge einer Aktivierung der beschriebenen geringgradigen Verschleißsituation sowie eines degenerativen Innen- oder Außenmeniskusrisses deuten, sie kann nicht eindeutig als Unfallfolge im Sinne eines Hämarthros bewertet werden. Kernspintomographisch fand sich am 19.04.2018 ein Innenmeniskuskorbhenkelriss. Ein solcher ist nach den Erfahrungssätzen der Rechtsprechung und des versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttums mehrdeutig. In der Regel entsteht er mehrzeitig auf dem Boden von Texturstörungen. Im Ausnahmefall kann er jedoch auch unfallbedingt entstanden sein, wobei in solchen Fällen zusätzliche Begleitläsionen zu erwarten sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, a. a. O., S. 656). Derartige Begleitschäden waren in der Kernspintomographie des linken Kniegelenks vom 19.04.2018 jedoch nicht nachweisbar. Im Operationsbericht vom 29.05.2018 wurde eine typische degenerative Texturstörung der Meniskussubstanz beschrieben. Auch die fehlende Eisenreaktion im histologischen Befund, welcher anlässlich der Operation vom 29.05.2018 erhoben wurde, spricht gegen einen Unfallzusammenhang. Diesem Befund hat Dr. I. allerdings keine überragende Bedeutung zugemessen, weil zu viele Variablen in deren Beurteilung einer klaren Standardisierung oder Definition entbehren. Zusammenfassend ist der Unfallhergang einer Giving-Way-Symptomatik (Wegknicken auf Grund von Gelenkinstabilität) bei vorbestehender vorderer Kreuzbandläsion zuzuordnen.
43
Soweit Herr J. in seinem Gutachten nach § 109 SGG vom 08.11.2022 den Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 13.04.2018 und dem Korbhenkelriss des Innenmeniskus links bejaht, kann sich die Kammer der Argumentation des Herrn J. nicht anschließen. Entgegen der Einschätzung des Herrn J. ist ein Drehsturz nach Ludolph anhand der Unfallschilderung des Klägers nicht belegt. Soweit Herr J. einen Unfallzusammenhang mit der Begründung annimmt, das Vorhandensein einer vorderen Kreuzbandläsion führe nicht regelmäßig zu einer Kniegelenksinstabilität, weil sonst im Umkehrschluss jedes rupturierte vordere Kreuzband operiert werden müsste, um eine künftige Instabilität zu vermeiden, was aber in der Praxis nicht geschehe, ist diese Begründung nicht überzeugend. Es kommt nicht darauf an, ob eine vordere Kreuzbandläsion regelmäßig zu einer Kniegelenksinstabilität führt, sondern ob im vorliegenden Fall die Innenmeniskusschädigung rechtlich wesentlich als Folge des Arbeitsunfalls vom 13.04.2018 oder als Folge einer vorbestehenden Kreuzbandläsion links mit daraus resultierender Kniegelenksinstabilität anzusehen ist. Der Beratungsarzt Dr. H. hat in seiner Stellungnahme vom 25.01.2023 darauf hingewiesen, dass es ohne den Vorschaden (Insuffizienz des vorderen Kreuzbandes) bei diesem Hergang nicht zur Schädigung des Innenmeniskus (Korbhenkelriss) gekommen wäre. Dies entspricht auch der Einschätzung des Dr. I., zu welcher dieser anhand der vorgenannten Kriterien (insbesondere Analyse des Unfallhergangs, Kernspintomographie vom 19.04.2018, Operationsbericht vom 29.05.2018) gelangt ist.
44
Die Schädigungen im Bereich des linken Außenmeniskus sind nach übereinstimmender Einschätzung sämtlicher im Verwaltungsverfahren und im Gerichtsverfahren beteiligter Sachverständiger als unfallunabhängig zu werten. Die Kammer macht sich diese Einschätzung zu eigen. Auch ist kein Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 13.04.2018 und den nunmehr vom Kläger geschilderten Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks erkennbar.
45
Die Zerrung der Kniegelenkskapsel links begründet nach Einschätzung des Dr. I. im orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten vom 29.08.2022, welche sich die Kammer zu eigen macht, einen Anspruch des Klägers auf unfallbedingte Heilbehandlung gemäß § 26 Absatz 1 und Absatz 2 Nummer 1 i. V. m. §§ 27 ff. SGB VII für die Dauer von zwei Wochen, also für die Zeit vom 13.04.2018 bis 27.04.2018. Die Vorfußprellung links hat keine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit zur Folge gehabt, so dass insoweit kein Anspruch auf Heilbehandlung besteht.
46
Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von Verletztengeld wegen der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit besteht nach Maßgabe der §§ 45 ff. SGB VII für die Zeit vom 16.04.2018 bis 27.04.2018. Verletztengeld wird nach § 45 Absatz 1 Nummer 1 SGB VII insbesondere erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind. Dr. I. ist beim Kläger wegen der Zerrung der Kniegelenkskapsel von unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von zwei Wochen, d. h. bis zum 27.04.2018, ausgegangen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit infolge der Vorfußprellung links bestand laut Dr. I. nicht. Der Einschätzung des Dr. I. schließt sich die Kammer an. Am 13.04.2018 hat der Kläger allerdings noch gearbeitet. Erst ab dem 16.04.2018 ist unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit attestiert. Daher kommt ein Anspruch auf Verletztengeld erst ab diesem Tag in Betracht. Nach § 52 Nummer 1 SGB VII wird aber auf das Verletztengeld gleichzeitig erzieltes beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen angerechnet. Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er nach § 3 Absatz 1 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Zeitraum vom 16.04.2018 bis 27.04.2018 liegt noch innerhalb dieses Zeitraums von sechs Wochen nach dem Arbeitsunfall vom 13.04.2018. Soweit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 16.04.2018 bis 27.04.2018 besteht, schließt dies einen Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld für diesen Zeitraum aus.
47
Veranlassung, den Disponenten Herrn L. als Zeugen zu befragen, sieht die Kammer nicht. Aktenkundig sind mehrere Schilderungen des Unfallhergangs durch den Kläger. Herr L. war beim Unfall vom 13.04.2018 nicht anwesend und kann daher nur schildern, was ihm seinerseits vom Kläger berichtet worden ist. Daher wären von der Befragung des Herrn L. keine neuen Erkenntnisse zu erwarten.
48
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG. Im Rahmen der Kostenentscheidung hat die Kammer berücksichtigt, dass der Kläger zwar mit dem Klageziel der Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall voll obsiegt, dass er aber mit dem geltend gemachten Anspruch auf Heilbehandlung nur für einen kurzen Zeitraum, mit dem geltend gemachten Anspruch auf Verletztengeld ebenfalls nur für einen kurzen Zeitraum und nur unter Anrechnung der Entgeltfortzahlung und mit der geltend gemachten Feststellung weiterer Unfallfolgen überhaupt nicht obsiegt und dass er überdies trotz ausdrücklichen richterlichen Hinweises den unzulässigen Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung der Verletztenrente aufrechterhalten hat. Insgesamt erscheint es daher sachgerecht, der Beklagten 1/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.