Titel:
Gutachterkosten für Haushaltsführungsschaden
Normenkette:
BGB § 249, § 823
Leitsätze:
1. Der Schadensersatzanspruch umfasst gem. § 249 BGB auch Kosten der Schadensfeststellung und der Rechtsverfolgung, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sind. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufwendungen für einen Sachverständigen sind dann zu ersetzen, wenn ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter dessen Einschaltung nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten für geboten halten durfte. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Haushaltsführungsschaden, Gutachterkosten, Schadensersatz
Rechtsmittelinstanz:
LG Hof, Hinweisbeschluss vom 15.04.2024 – 42 S 64/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 49802
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.062,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.04.2020 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 3.062,20 € festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Übernahme von Kosten einer Begutachtung zur Berechnung eines Haushaltsführungsschadens.
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Der Kläger wurde Opfer eines ärztlichen Behandlungsfehlers bei seiner Geburt am … 1996 im Krankenhaus …. Die Einstands- und Schadensersatzpflicht des Beklagten steht dem Grunde nach zwischen den Parteien außer Streit. Spätestens mit Beginn seines Studiums führt der Kläger einen eigenen Haushalt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beauftragte im Namen des Klägers die Sachverständige … mit der Erstellung eines Gutachtens zur Ermittlung eines Haushaltsführungsschadens für den Zeitraum Juli 2014 bis 31.12.2019. Die Sachverständige ermittelte mit Gutachten vom 02.03.2020 einen Haushaltsführungsschaden des Klägers für den Zeitraum Juli 2014 bis 31.12.2019 in Höhe von 24.428,00 € netto und ab 2020 von monatlich ca. 500,00 €. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten der Sachverständigen … vom 02.03.2020 (Anlage K25a) Bezug genommen. Mit Schreiben des Klägervertreters vom 27.03.2020 forderte der Kläger unter Vorlage dieses Gutachtens die Haftpflichtversicherung des Beklagten zur Zahlung eines Haushaltsführungsschadens auf. Im Jahr 2022 kam es schließlich zu einer Einigung des Klägers mit der Versicherung über die Höhe des Haushaltsführungsschadens.
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Für die Begutachtung stellte die Sachverständige mit Rechnung vom 02.03.2020 einen Betrag in Höhe von 3.062,30 € in Rechnung. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Rechnung wird auf die Anlage K25b Bezug genommen. Der Beklagte und seine Haftpflichtversicherung weigern sich, die Kosten des Gutachtens zu übernehmen.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Kalkulation des Haushaltsführungsschadens sei ein sehr komplexes Unterfangen. Um einen solchen Schaden qualifiziert erfassen zu können, sei eine Begutachtung erforderlich, die Kosten hierfür erstattungsfähig.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.062,20 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2020.
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Der Beklagte beantragt,
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Er vertritt die Ansicht, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich gewesen sei. Die Bestimmung eines Haushaltsführungsschadens sei die ureigenste Aufgabe eines Rechtsanwalts. Hier handele es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt und einen klar abgesteckten Zeitraum, bei dem der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Bedarf selbst hätte ermitteln können. Zudem ist der Beklagte der Auffassung, die Gutachterkosten seien übersetzt, insbesondere die Fahrtkosten zur Bestimmung des Haushaltsführungsschadens nicht erforderlich gewesen.
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Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf gewechselte Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Hof sachlich und örtlich zuständig. Die Klage ist auch vollumfänglich begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von 3.062,20 € gemäß § 823 BGB in Verbindung mit §§ 249, 280, 286, 288 BGB zu.
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Unstreitig ist der Beklagte dem Kläger aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers bei dessen Geburt zum Schadensersatz verpflichtet. Dieser Schadensersatzanspruch umfasst gemäß § 249 BGB auch Kosten der Schadensfeststellung und der Rechtsverfolgung, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sind. Aufwendungen für einen Sachverständigen sind dann zu ersetzen, wenn ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter dessen Einschaltung nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten für geboten halten durfte. Vorliegend hat der Kläger zur Berechnung eines Haushaltsführungsschadens sachverständige Hilfe in Anspruch genommen. Nach Ansicht des Gerichts durfte der Kläger entgegen der Ansicht des Beklagten die Aufwendungen für das Gutachten für erforderlich halten. Diese Kosten waren zusätzlich zur anwaltlichen Beratung des Klägers zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich, insbesondere sind die fundierten Erkenntnisse der Sachverständigen nicht Gegenstand der juristischen Ausbildung. Es waren im einzelnen die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers festzuhalten und in Bezug auf die Haushaltsführung gegenüber einem gesunden Menschen ins Verhältnis zu setzen. Die Erforderlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der komplexen Rechtslage ergibt sich nach Ansicht des Gerichts auch bereits daraus, dass der Kläger und die Haftpflichtversicherung des Beklagten eine Einigung über die Höhe des Haushaltsführungsschadens erst nach zwei Jahren erzielen konnten. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des konkreten Haushaltsführungsschadens war daher nach Ansicht des Gerichts nicht zu beanstanden.
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Auch die geltend gemachte Höhe der Sachverständigengebühren ist nicht zu beanstanden, insbesondere musste der Kläger keine Marktforschung in Bezug auf die Höhe der Sachverständigengebühren betreiben. Ein Auswahlverschulden ist seitens des Beklagten weder dargelegt, noch erkennbar. Die Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Die Rechnung hält auch einer Plausibilitätskontrolle stand. Hier ist darauf abzustellen, ob für den Kläger die Kosten erkennbar überhöht gewesen waren. Hierzu ist seitens der Beklagten nichts konkret dargelegt worden. Es bestehen aus Sicht des Gerichts keinerlei Bedenken gegen die Höhe der abgerechneten Sachverständigengebühren, insbesondere auch nicht hinsichtlich der angefallenen Fahrtkosten.
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Damit ist die Klage vollumfänglich begründet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.