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VG Würzburg, Beschluss v. 30.05.2023 – W 9 K 22.1093
Titel:

Eintragung, Berufung, Jagdschein, Ermessen, Frist, Zustimmung, Nichtigkeit, Landratsamt, BJagdG, Jagdrecht, Aufhebung, Feststellung, Jagdgenossenschaft, Jagdpachtvertrag, Kosten des Verfahrens, billigem Ermessen

Schlagworte:
Eintragung, Berufung, Jagdschein, Ermessen, Frist, Zustimmung, Nichtigkeit, Landratsamt, BJagdG, Jagdrecht, Aufhebung, Feststellung, Jagdgenossenschaft, Jagdpachtvertrag, Kosten des Verfahrens, billigem Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 49730

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1
Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Kläger- und Beklagtenseite ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Die Zustimmung anderer Verfahrensbeteiligter als der Hauptbeteiligten, selbst des notwendig Beigeladenen im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO, ist nicht erforderlich (allg. Meinung, vgl. statt vieler BayVGH, B. v. 13.4.2017 – 15 N 16.825 – BeckRS 2017, 108378 Rn. 1 und Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 161 Rn. 6 m.w.N. zu Rspr. und Lit.).
2
Die übereinstimmenden Erledigungserklärungen von Kläger- und Beklagtenseite beenden den Rechtsstreit ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich Erledigung eingetreten ist. Der gerichtliche Einstellungsbeschluss wirkt lediglich deklaratorisch (BVerwG, B.v. 7.9.1998 – 4 B 75.98 – juris Rn. 3; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 161 Rn. 6). Ob sich die Hauptsache tatsächlich erledigt hat, darf das Gericht nicht prüfen. Das Verfahren ist daher in rechtsähnlicher Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
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Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO hat das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes lediglich über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
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Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, die Kosten dem Beteiligten aufzuerlegen, der bei einer Entscheidung des Rechtsstreits voraussichtlich unterlegen und deshalb nach Maßgabe des § 154 VwGO kostenpflichtig geworden wäre. Sind die Erfolgsaussichten völlig offen, so sind die Kosten in der Regel gegeneinander aufzuheben. Wo die Verwaltungsgerichtsordnung wie zum Beispiel in § 155 Abs. 4 VwGO eine besondere Kostenregelung getroffen hat, ist dies auch im Rahmen der Entscheidung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO zu beachten. Ebenso ist zu berücksichtigen, wenn sich die Beteiligten in einem anderen Verfahren gerichtlich oder im anhängigen Verfahren außergerichtlich geeinigt und dabei auch festgelegt haben, wer die Kosten des sich erledigenden Verfahrens trägt. Ist schließlich die Erledigung von einem Beteiligten herbeigeführt worden und liegen die Gründe hierzu in dessen Bereich, so ist dies im Regelfall zu seinem Nachteil zu werten. Für eine weitere Sachverhaltsaufklärung, insbesondere für eine Beweisaufnahme, ist grundsätzlich kein Raum. Eine Verpflichtung des Gerichts, allein im Hinblick auf die noch offene Kostenentscheidung ansonsten erforderliche Feststellungen zu treffen, Beweise zu erheben oder schwierige Rechtsfragen zu klären, besteht damit nicht (Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 161 Rn. 15).
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Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.
6
Nach summarischer Prüfung stand dem Kläger vor der Feststellung der Unwirksamkeit des Pachtverhältnisses durch das Landgericht S* … mit Endurteil vom 8. Mai 2023 im Verfahren … * …22 ein Anspruch auf Eintragung der Jagdpachtflächen über den Gemeinschaftsjagdbezirk H* … in den Jagdschein nach § 11 Abs. 7 BJagdG, Art. 16 Abs. 3 Satz 3 BayJG zu.
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Nach § 11 Abs. 7 BJagdG muss die Fläche, auf der einem Jagdausübungsberechtigten oder Inhaber einer entgeltlichen Jagderlaubnis nach § 11 Abs. 3 BJagdG die Ausübung des Jagdrechts zusteht, von der zuständigen Behörde in den Jagdschein eingetragen werden. Nähere Regelungen bleiben den Bundesländern vorbehalten. Hierzu regelt Art. 16 Abs. 3 Satz 3 BayJG, dass die Jagdbehörde die Jagdpachtflächen in den Jagdschein einzutragen hat. Sie kann nach Art. 16 Abs. 3 Satz 4 BayJG die Vorlage des Jagdpachtvertrags oder sonstige Nachweise verlangen.
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Der Kläger ist zwar nicht Pächter im Gemeinschaftsjagdrevier H* … geworden, weil der unter dem 19. April 2021 ohne die erforderliche Vertretungsmacht seitens des Notvorstands abgeschlossene Jagdpachtvertrag zwischen der Jagdgenossenschaft H* … und dem Kläger zunächst schwebend unwirksam war und aufgrund Ablehnung der Genehmigung durch die Jagdgenossenschaftsversammlung schließlich unwirksam geworden ist (vgl. Endurteil des Landgerichts Schweinfurt vom 8.5.2023, 23 O 622/22). Die objektiv gegebene Unwirksamkeit des Jagdpachtvertrags stand nach gegebener Sachlage im vorliegenden Fall jedoch wohl einem Eintragungsanspruch des Klägers nicht entgegen.
9
Das Landratsamt Rhön-Grabfeld als Untere Jagdbehörde konnte die Eintragung der sich aus dem vorgelegten Jagdpachtvertrag ergebenden Jagdpachtfläche in den Jagdschein wohl nicht unter Berufung auf die Nichtigkeit des Pachtvertrages verweigern.
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Nachdem den bundes- und landesrechtlichen Vorschriften über die Eintragung der Jagdflächen in den Jagdschein keine speziellen Regelungen für den Fall zu entnehmen sind, dass die Untere Jagdbehörde Mängel des Pachtvertrages feststellt, richtet sich die Beurteilung nach den allgemeinen Regelungen.
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Es kann dahinstehen, ob vorliegend ein Beanstandungsgrund nach § 12 Abs. 1 Satz 2 BJagdG oder Art. 14 Abs. 4 i.V.m. 12 Abs. 1 Satz 4 BayJG, § 6 AVBayJG gegeben gewesen wäre, denn von seinem Beanstandungsrecht im Rahmen des Anzeigeverfahrens des Jagdpachtvertrags nach § 12 Abs. 1 BJagdG hat das Landratsamt Rhön-Grabfeld keinen Gebrauch gemacht, sondern unter dem 10. Mai 2021 festgestellt, dass Beanstandungen nicht erhoben werden. Eine von der Unteren Jagdbehörde etwa beabsichtigte Beanstandung muss binnen drei Wochen nach Eingang der Anzeige erfolgen, § 12 Abs. 1 Satz 2 BJagdG, was hier nicht der Fall gewesen ist. Nach Ablauf der Frist ist eine Beanstandung nicht mehr möglich. Erfolgt sie trotzdem, so liegt keine wirksame Beanstandung vor. Mängel des Pachtvertrages, die von der Jagdbehörde hätten beanstandet werden können, aber innerhalb der Frist nicht beanstandet worden sind, gelten als geheilt, d.h., sie können von der Jagdbehörde nicht mehr geltend gemacht werden (Frank/Kaesewieter, PdK Bay D-7 BJagdG/BayJG, Stand: Mai 2022, Erl zu Art. 18). Andererseits wird ein nichtiger oder sonst fehlerhafter Jagdpachtvertrag nicht dadurch wirksam, dass er von der Behörde unbeanstandet bleibt oder dass die Dreiwochenfrist ungenutzt verstreicht (vgl. Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, Erl. 1.3 zu § 12 BJagdG Kennzahl 11.12). Eine Beanstandung des Jagdpachtvertrags hätte die Jagdbehörde ohnehin nur auf die gesetzlich vorgeschriebenen Beanstandungsgründe, nicht aber z.B. darauf stützen können, dass der Jagdpachtvertrag nichtig sei oder an sonstigen Mängeln leide. Die Aufzählung der Beanstandungsgründe im Gesetz ist ausschließlich, d.h., die Jagdbehörde kann sonstige Mängel oder Verstöße nicht beanstanden. Das gilt insbesondere für die öffentlich-rechtlichen (§ 11 Abs. 6 BJagdG, Art. 18 BayJG) und bürgerlich-rechtlichen Nichtigkeitsgründe (§§ 117, 134, 138 BGB) – wie hier § 177 BGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 1 Buchst. g und h, § 11 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Jagdgenossenschaft H* … vom 15. März 1996. Nichtige Jagdpachtverträge können von der Unteren Jagdbehörde nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 2 BJagdG geprüft, wegen Nichtigkeit beanstandet und ihre Änderung oder Aufhebung kann nicht verlangt werden (vgl. Frank/Kaesewieter, PdK Bay D-7 BJagdG/BayJG, Stand: Mai 2022, Erl zu Art. 18 BayJG). Die Jagdbehörde muss somit jeden – auch nichtigen – Pachtvertrag so behandeln als sei er wirksam (vgl. zum Beanstandungsverfahren bei Anzeige eines nichtigen Jagdpachtvertrags Koch in Schuck, BJagdG, 3. Aufl. 2019, § 12 Rn. 18).
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Dementsprechend wäre eine Befugnis des Landratsamts Rhön-Grabfeld, die von ihm angenommene Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags durch Verwaltungsakt festzustellen, vorliegend auch nicht gegeben gewesen. Vielmehr war das Landratsamt wohl (nur) verpflichtet, die Vertragsteile davon zu informieren, dass es den Pachtvertrag für nichtig hält, und diese aufzufordern, die notwendigen Folgerungen daraus zu ziehen, d.h. ggf. Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags vor dem ordentlichen Gericht zu erheben. Diese Verpflichtung folgt aus der mit der staatlichen Jagdhoheit verbundenen Aufsichtspflicht über das Jagdwesen (vgl. Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, Erl. 1.3 zu § 12 BJagdG Kennzahl 11.12). Für den Fall, dass die Nichtigkeitsgründe von beiden oder von einem der Vertragspartner nicht anerkannt werden – wie vorliegend –, hätte die Untere Jagdbehörde den Vertragsteilen die Anhängigmachung eines Rechtsstreits über die Rechtsgültigkeit des Pachtvertrages unter Fristsetzung zur Auflage machen und bei Nichterfüllung der Auflage die Jagdausübung und den Jagdschutz durch einstweilige Anordnung regeln können (Art. 55 Nr. 7 BayJG; vgl. Frank/Kaesewieter, PdK Bay D-7 BJagdG/BayJG, Stand: Mai 2022 Erl zu Art. 18). Von dieser Möglichkeit hat das Landratsamt – soweit nach Aktenlage ersichtlich – vorliegend keinen Gebrauch gemacht.
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Dass der Unteren Jagdbehörde unabhängig hiervon die Befugnis zustehen soll, im Falle eines von ihr für nichtig gehaltenen Jagdpachtvertrags die Eintragung der Jagdpachtflächen in den Jagdschein – einstweilen – zu verweigern, lässt sich nach summarischer Prüfung den gesetzlichen Regelungen nicht entnehmen. Dem Landratsamt Rhön-Grabfeld stand vorliegend wohl nicht die Möglichkeit offen, unter Berufung auf die noch nicht zivilgerichtlich festgestellte Unwirksamkeit des Jagdpachtvertrags die Eintragung der Bejagungsfläche in den Jagdschein zu verweigern. Die Feststellung der Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags war insoweit dem ordentlichen Gericht vorbehalten. Die Jagdbehörde war nicht befugt, den Jagdpachtvertrag insoweit zu beanstanden (vgl. zur Zuständigkeit der Feststellung der Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags wegen Überschreitung der zulässigen Gesamtjagdfläche Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, Erl. 4 zu Art. 16 BayJG Kennzahl 15.16).
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Da sich die Beigeladenenseite nicht durch eigene Sachantragstellung am Prozessrisiko beteiligt hat, konnten der Beigeladenen keine Kosten auferlegt werden; zudem entspricht es der Billigkeit, die ihr entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen nicht für erstattungsfähig zu erklären (vgl. § 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
15
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.