Inhalt

OLG München, Endurteil v. 06.04.2023 – 14 U 3320/22
Titel:

Auskunft zu Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung

Normenketten:
VVG § 3 Abs. 3, § 203
BGB § 242, § 810
ZPO § 254
DS-GVO Art. 15
Leitsätze:
1. Eine Stufenklage ist unzulässig, wenn das Auskunftsbegehren zu früheren Beitragsanpassungen die Prüfung ermöglichen soll, ob dem Auskunft Suchenden dem Grunde nach ein Anspruch auf Rückzahlung von Prämienanteilen zusteht (Anschluss an OLG Hamm BeckRS 2021, 40312 Rn. 12; OLG München BeckRS 2021, 40311 Rn. 58). (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 3 Abs. 3 VVG bezieht sich nur auf aktuelle Versicherungsscheine und verpflichtet den Versicherer nicht dazu, überholte Versicherungsscheine und Nachträge dazu an den Versicherungsnehmer zu übermitteln (entgegen OLG Schleswig BeckRS 2022, 21351). (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Art. 15 DS-GVO verpflichtet den Versicherer nicht, Nachträge zu Versicherungsscheinen nochmals an den Versicherungsnehmer zu übermitteln. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
4. § 242 BGB begründet keinen Anspruch auf Überlassung von Unterlagen, wenn diese zuvor vom Versicherungsnehmer entsorgt worden sind. (Rn. 57 – 61) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
private Krankenversicherung, Prämienanpassung, Auskunft, Stufenklage, überholte Versicherungsscheine
Vorinstanz:
LG Augsburg, Urteil vom 06.05.2022 – 093 O 3993/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 08.05.2024 – IV ZR 102/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 49637

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 06.05.2022, Az. 093 O 3993/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Gegen dieses Urteil wird die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, bei der sie seit dem 01.05.2000 (s. S. 3 der Klageschrift) privat krankenversichert war und ist, soweit es Gegenstand der Berufung ist, im Wege der Stufenklage zunächst – in erster Stufe – die Erteilung verschiedener Auskünfte über von der Beklagten in den Jahren 2015, 2017 und 2018 vorgenommene Beitragsanpassungen. In zweiter Stufe macht sie die Feststellung geltend, dass – von ihr nach Erteilung der Auskünfte – noch genauer zu bezeichnende Neufestsetzungen der Versicherungsprämien unwirksam seien und die Klägerin nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet gewesen sei. Zudem begehrt sie – ebenfalls in zweiter Stufe – die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung eines nach Auskunftserteilung noch zu beziffernden Betrages, der sich aus Prämienzahlungen auf unwirksame Beitragserhöhungen ergebe, und die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe der aus den zurückzugewährenden Prämienzahlungen gezogenen Nutzungen. Schließlich verlangt sie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
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Wegen der Einzelheiten und der in erster Instanz gestellten Anträge (diese unterscheiden sich von den in der Berufung gestellten Anträgen dahin, dass die Klägerin erstinstanzlich auch Auskünfte betreffend in den Jahren 2012 bis 2014, 2016, 2019 und 2020 vorgenommene Beitragsanpassungen begehrt hatte) wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils (Bl. 136/138 d. A.) verwiesen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
4
Die in erster Instanz unter Ziffern 2. und 4. gestellten Anträge seien unzulässig, weil sie nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 1 Nr. 2 ZPO entsprächen. Die Voraussetzungen einer Stufenklage gemäß § 254 ZPO lägen nicht vor, weil die Klägerin mit der von ihm erstrebten Auskunft nicht das Ziel verfolge, einen bestehenden Leistungsanspruch zu beziffern oder in vergleichbarer Weise zu konkretisieren. Vielmehr verfolge die Klagepartei das Ziel, sich überhaupt erst Informationen über Beitragsanpassungen der Beklagten zu beschaffen, um in Erfahrung zu bringen, ob Ansprüche in Betracht kommen könnten. Im Zusammenhang mit dem gemäß Klageantrag 2 geltend gemachten Anspruch seien noch keine Erhöhungen angegeben. Es fehle nicht lediglich an der Bezifferung, sondern an der Beschreibung der Grundlage für den vermuteten Anspruch.
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Die Klageseite habe auch keinen Anspruch auf die von ihr geltend gemachte Erteilung von Auskünften. Ein solcher Anspruch bestehe insbesondere weder nach § 3 Abs. 3 VVG, Art. 15 DS-GVO, § 242 BGB, § 810 BGB oder aus einer etwaigen Aufbewahrungspflicht der Beklagten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils (Bl. 139/142 d. A.) verwiesen.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Klageseite, soweit die Klage bezüglich der Beitragsanpassungen in den Jahren 2015, 2017 und 2018 abgewiesen worden ist; bezüglich dieser Beitragsanpassungen stellt die Klägerin die gleichen Sachanträge wie sie sie bereits vor dem Landgericht gestellt hatte. Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:
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Das Landgericht habe bezüglich der Stufenklage (gemeint sind offensichtlich die Anträge zu 2, 3 und 4) zu Unrecht die Zulässigkeit des stufenweisen Begehrens der Klägerseite in Frage gestellt. Die streitgegenständlichen Begründungsschreiben der Beklagten genügten den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nach § 203 Abs. 5 VVG nicht, sodass ein klägerischer Anspruch auf Rückzahlung der rechtsgrundlos geleisteten Teilbeträge bestehe. Lediglich die Höhe dieses Anspruchs sei der Klägerseite nicht bekannt. In derartigen Fällen sei die Stufenklage aber zweifelsohne zulässig. Dass Beitragserhöhungen stattgefunden hätten, sei im übrigen unstreitig.
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Die Klägerin sei – so der in der Berufung neue, von der Beklagen insoweit allerdings nicht bestrittene Vortrag der Klägerin – aktuell in den Tarifen KK 1 und EKTG92 88 versichert.
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Die Klägerin behauptet erstmals in der Berufung, in diesen Tarifen hätten bei anderen Versicherungsnehmern der Beklagten die in den auf S. 8 und 9 des Schriftsatzes zur Berufungsbegründung vom 12.09.2022 (Bl. 165/180 d. A.) einkopierten Tabelle dargelegten Beitragserhöhungen stattgefunden. Es sei daher davon auszugehen, dass auch bei den Versicherungsnehmern derselben Beobachtungseinheit Beitragsanpassungen stattgefunden hätten, die jedoch je nach Eintrittsalter und Lebensalter unterschiedlich ausfielen.
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Die Klägerseite meint, dieser Vortrag sei auch dann beachtlich, falls sie erstinstanzlich noch nicht vorgebracht worden sei (die Klägerin möchte sich anscheinend nicht der Mühe unterziehen, selbst zu überprüfen, ob sie entsprechendes bereits erstinstanzlich vorgetragen hat). Die zur Wahrheit verpflichtete Beklagte (§ 138 Abs. 1 ZPO), könne diesen Vortrag nicht bestreiten. In gleichgelagerten Parallelverfahren habe die Beklagte die Beitragsanpassungen zugestanden. (s. S. 9 des Schriftsatzes vom 12. 9. 2022, Bl. 165/180 d. A.).
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Entgegen der Ansicht des Landgerichts bestehe der geltend gemachte Auskunftsanspruch. Anspruchsgrundlagen hierfür seien § 3 Abs. 3 VVG, Art. 15 Abs. 1 i. V. m. 3 DS-GVO, § 242 BGB § 810 BGB und aufgrund der Aufbewahrungspflicht der Beklagten, die leerlaufen würde, gäbe es keinen korrespondierenden Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers. Dabei würden die Ansprüche der Klägerseite die Herausgabe der Informationen mindestens der letzten zehn Jahre umfassen; dies folge aus der Aufbewahrungspflicht der Beklagten gemäß § 257 HGB. Der Auskunftsanspruch sei auch nicht verjährt.
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Zu den Gründen, aufgrund derer sich ein Anspruch auf Auskunft über die auslösenden Faktoren ergebe, verweist die Berufungsbegründung auf ihr diesbezügliches Vorbringen im Schriftsatz vom 15.10,2021.
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Wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 12.09.2022 (Blatt 165/180 der Akten) verwiesen.
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In der Berufung beantragt die Klägerin:
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2015, 2017 und 2018 zur Versicherungsnummer …840/1/001 vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:
▪ die Höhe der Beitragsanpassungen für die Jahre 2015, 2017 und 2018 unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis der Klägerseite,
▪ die der Klägerseite zu diesem Zweck übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein der Jahre 2015, 2017 und 2018 sowie
▪ die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer 52.990.840/1/001 seit dem 01.01.2012.
2. Es wird festgestellt, dass die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch genauer zu bezeichnenden Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer 52.990.840/1/001 unwirksam sind und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet war.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt,
a) der Klägerseite die Nutzungen in der nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Höhe herauszugeben, die die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 2) noch aufzuführen Beitragsanpassungen gezahlt hat,
b) die Zinsen aus den herauszugeben Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an die Klägerseite zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite hinsichtlich der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 887,03 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit freizustellen.
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Die Beklagte beantragt in der Berufung,
die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der Begründung dieses Antrags, die sich auf Rechtsausführungen beschränkt, wird auf den Schriftsatz vom 27.02.2023 (Blatt 188/200 der Akten) verwiesen.
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Wegen vom Senat vor der Berufungsverhandlung erteilter Hinweise zur Unbestimmtheit der Klageanträge wird auf die Verfügung vom 02.03.2023 (Bl. 202 d. A.) verwiesen.
18
Änderungen haben sich in der Berufung nur bezüglich des Umfangs der Klageanträge und des oben näher dargestellten neuen Vortrags zu Beitragsanpassungen in anderen Vertragsverhältnissen ergeben.
II.
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Die zulässige Berufung ist gemäß § 513 Abs. 1 ZPO unbegründet. Anhaltspunkte für fehlerhafte oder unvollständige Tatsachenfeststellungen bestehen nicht; solche werden auch nicht geltend gemacht. Auch unter Berücksichtigung des in der Berufung neuen (unstreitigen) Vortrags zu Beitragserhöhungen in anderen Versicherungsverhältnissen ist keine andere als die vom Landgericht getroffene Entscheidung zu fällen. Die angegriffene Entscheidung beruht nicht auf Rechtsfehlern.
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1. Die Anträge zu 2. (Feststellung der Unwirksamkeit noch zu bezeichnender Beitragserhöhungen), 3. (Zahlung eines noch zu beziffernden Betrages) und 4. (Herausgabe nicht näher bezeichneter Nutzungen und deren Verzinsung) sind vom Landgericht zutreffend als unzulässig abgewiesen worden. Soweit das Landgericht nur bezüglich der Anträge Ziffern 2) und 4) ausführt, dass diese unzulässig seien, liegt ein offensichtlich Schreibversehen vor; auch der Antrag Ziffer 3) sollte offensichtlich als unzulässig abgewiesen werden.
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1.1. Die Anträge sind mangels Bezeichnung der konkreten Beitragserhöhungen, deren Unwirksamkeit festgestellt werden soll und fehlender Bezifferung des geltend gemachten Betrages sowie des Nutzungsherausgabeverlangens nicht hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
22
Trotz des gerichtlichen Hinweises vom 02.03.2023 (Bl. 202 d. A.) hat die Klägerin in seinen Klageanträgen zu 2) bis 4) nicht näher bezeichnet, auf welche konkreten Beitragsanpassungen (welche Tarife in welchen Jahren) sich die Anträge zu 2) bis 4) beziehen sollen.
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1.2. Sie sind auch nicht als Teil einer Stufenklage nach § 254 ZPO zulässig.
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§ 254 ZPO ermöglicht es als Ausnahme zu § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, schon mit der Auskunftsklage eine zunächst unbezifferte Leistungsklage rechtshängig zu machen (BeckOK ZPO/Bacher, § 254 ZPO, Rdnr. 1). Es bedarf keiner näheren Erörterung, ob auch eine noch unbestimmte Feststellungsklage zweite Stufe einer Stufenklage sein kann, was jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen sein dürfte.
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Der erforderliche Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsbegehren fehlt aber, wenn die Auskunft der Klägerin die Beurteilung ermöglichen soll, ob ihr dem Grunde nach ein Anspruch zusteht (BGH NJW 2000, 1645 (1646)). Letzteres betrifft auch den hier vorliegenden Fall der Klage gegen einen Versicherer auf Auskunft über frühere Beitragsanpassungen und auf Rückzahlung von danach zu Unrecht geforderten Beitragsanteilen (Senat, Beschluss vom 24.11.2021 – 14 U 6205/21 = BeckRS 2021, 40311, Rn. 58; OLG Hamm r+s 2022, 93 Rn. 5).
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Auch falls bei anderen, ebenfalls im Tarif KK 1 versicherten Versicherungsnehmern Beitragserhöhungen stattgefunden haben sollten, führt nicht dazu, dass sicher davon auszugehen wäre, dies sei auch bei der Klägerin der Fall gewesen. § 10 Abs. 1 S. 1 KVAV fordert nämlich eine altersabhängige Kalkulation sowie eine Prämienstaffelung nach Einzelaltern (s. Bach/Moser/Fiegl/Mattar, 6. Aufl. 2023, KVAV § 10 Rn. 4). Dies hat zur Folge, dass eine Beitragsanpassung in anderen Altersstufen, also bei Versicherungsnehmern anderen Lebensalters, keine Rückschlüsse darauf zulässt, ob auch bei der Klägerin eine solche stattgefunden hat, und ob es sich um eine Erhöhung oder Ermäßigung des Beitrags gehandelt hat. Die Klägerin trägt auch nicht dazu vor, ob die Versicherungsnehmer der in den Tabellen auf S. 8/9 der Berufungsbegründung dargestellten Versicherungsverträge der gleichen Beobachtungseinheit wie die Klägerin angehörten. Zudem hat die Klägerin – auch nicht in der Berufung – dazu vorgetragen, ob bei anderen Versicherungsnehmern im Tarif EKTG92 88, in dem sie neben dem Tarif KK 1 (zu dem entsprechender Vortrag erfolgt ist) versichert ist, in den streitgegenständlichen Jahren Beitragsanpassungen stattgefunden haben. Auch dies zeigt, dass die begehrte Auskunft sich auch auf das „Ob“ der Ansprüche bezieht.
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Unabhängig davon, ob die Klägerin den Inhalt der Mitteilungsunterlagen der Beklagten kennt und zu diesem auch vorgetragen hat, bezieht sich weder der von ihr gestellte Feststellungsantrag noch der Leistungsantrag auf konkret benannte Prämienanpassungen oder von ihr aufgrund konkret benannter Prämienanpassungen geleistete Zahlungen, deren jeweilige Höhe ihr unbekannt ist. Vielmehr beantragt sie – auch noch in der Berufung – die Feststellung, dass nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) erst noch zu bezeichnende Neufestsetzungen unwirksam seien. Auch bezüglich des Zahlungsantrags hat sie nicht bezeichnet, dass dieser von ihr aufgrund bestimmter Prämienanpassungen (welcher konkrete Zeitpunkt, welcher Tarif) geleistete Zahlungen betreffe. Diese Antragslage, die sich auf mehrere Jahre und mehrere Tarife bezieht, hat das Landgericht zutreffend dahin gewertet (EU S.7), dass die „begehrte Auskunft“ darauf abzielt, einschlägige Beitragsanpassungen (in den Tarifen der Klägerin) erst zu ermitteln. Zutreffend hat es entschieden, dass diese Anträge nicht hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind.
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2. Ein Auskunftsanspruch gemäß Ziffer 1) der klägerischen Anträge, wie er bezüglich aller streitgegenständlichen Jahre bereits erstinstanzlich unter Ziffer 1) beantragt worden war (s. S. 2/3 der Klageschrift vom 19.11.2021, Bl. 2/3 d. A.), ist zwar grundsätzlich auch mit einem isolierten Antrag und nicht nur im Rahmen einer Stufenklage zulässig einklagbar.
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Insoweit ist die Klage aber in der Sache unbegründet.
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2.1. Der eingeklagte Auskunftsanspruch ergibt sich nicht aus § 3 Abs. 3 Satz 1 VVG n.F. (so bereits Senatshinweis 24.11.2021, Az. 14 U 6205/21 = r+s 2022, 94).
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2.1.1. Nach dieser Regelung kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer im Fall des Abhandenkommens oder der Vernichtung eines Versicherungsscheins die Ausstellung eines neuen Versicherungsscheins verlangen, der das Bestehen und den Umfang des Versicherungsschutzes des Versicherungsnehmers dokumentiert.
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Der Versicherungsschein soll den Versicherungsnehmer über die wesentlichen Inhalte des abgeschlossenen Vertrages informieren, Beweis dafür erbringen und seinen Inhaber unter bestimmten Voraussetzungen legitimieren, Leistungen des Versicherers zu empfangen (Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., Rn. 1 zu § 3).
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2.1.2. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift bezieht sich der Anspruch aus § 3 Abs. 3 VVG auf den aktuellen Versicherungsschein, aus dem der Versicherungsnehmer bestimmte Rechte herleiten will, oder dessen Inhalt für Dritte – z.B. wegen eines Sicherungsbedürfnisses – von Bedeutung ist. Die Ausstellung eines neuen, aktuellen Versicherungsscheins fordert die Klägerin aber gerade nicht.
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§ 3 Abs. 3 VVG dient – entgegen der Rechtsauffassungen des OLG Schleswig in seinem Urteil vom 18.07.2022, Az. 16 U 181/21, und des OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 05.05.2022 im Verfahren 8 U 105/22 – nicht dazu, den Versicherer zu verpflichten, dem Versicherungsnehmer frühere überholte Versicherungsscheine bzw. Nachträge neu auszustellen, damit dieser ermitteln kann, ob in der Vergangenheit liegende Beitragserhöhungen formell und materiell rechtmäßig gewesen sind.
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2.2. Die Pflichten des § 6 Abs. 1 S.1 VVG und die hieran anknüpfenden Dokumentationspflichten nach § 6 Abs. 1 S. 2 VVG begründen keine Nebenpflicht des Versicherers, dem Versicherungsnehmer Unterlagen über zurückliegende Zeiträume eines vor geraumer Zeit abgeschlossenen Versicherungsvertrages zusammenzustellen und zu übermitteln.
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Denn die Beratung wird nach § 6 Abs. 1 S.1 VVG geschuldet zur Vorbereitung eines abzuschließenden Vertrages, nicht aber mit Blick darauf, eine Klage des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer auf Rückgewähr gemutmaßter Beitragsüberzahlungen vorzubereiten.
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2.3. Auch aus einer Aufbewahrungspflicht, der die Beklagte unterliegen mag, folgt weder in konnexer Weise noch als bloßer Reflex ein Recht des Versicherungsnehmers auf die hier beantragte aufbereitete Auskunft.
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Denn soweit Versicherer zur Aufbewahrung von Unterlagen verpflichtet sind, verfolgt der Gesetzgeber damit kein Anliegen des Versicherungsnehmers; die Aufbewahrungspflicht bezieht auch nicht etwa ihren Sinn allein aus dem Anliegen, dem jeweiligen Geschäftsgegner späterhin die Durchsetzung eigene Rechte ermöglichen zu sollen.
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2.4. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich auch nicht aus Art. 15 DS-GVO (so überwiegend auch das OLG Schleswig, a.a.O., OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 15.11.2021, 20 U 269/21; OLG Dresden, Urteil vom 29.3.2022, 4 U 1905/21; OLG Brandenburg, Hinweisbeschluss vom 4.5.2022, End-Beschluss vom 8.6.2022, 11 U 239/21; OLG Nürnberg, Urteil vom 14.3.2022, 8 U 2907/21; OLG Oldenburg, Urteil vom 30.6.2022, 1 U 191/21).
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2.4.1. Diese Vorschrift lautet in ihren hier allein interessierenden Passagen aus den Absätzen 1 und 3:
(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:
a) … h)… [hier nicht einschlägig] …
(3) 1Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. 2Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. ..
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2.4.2. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 15.06.2021 im Verfahren VI ZR 576/19 den Begriff der personenbezogenen Daten sehr weit gezogen, indem er zunächst jegliche Information genügen lässt, die aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer identifizierten oder identifizierbaren natürlichen Person verknüpft ist (Rn. 22, zitiert nach juris).
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2.4.2.1. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Bundesgerichtshof (so Rn 23) den Zweck des Auskunftsrechts nach DS-GVO darin sieht, der Betroffene solle sich der Verarbeitung bewusst sein und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung kontrollieren können, genauer (Rn. 25): für sich feststellen können, ob die erhobenen Daten korrekt sind und ob sie zulässig verarbeitet werden. Demgegenüber richtet sich das mit der Klage verfolgte Interesse der Klägerin im Wesentlichen darauf, dass die Beklagte über ihr eigenes Verhalten (vergangene Beitragsanpassungen und deren begründete Ankündigungen an die Versicherungsnehmer) Angaben machen und Unterlagen zusammenstellen soll.
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Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs vom 15.06.2021 können die zurückliegende Korrespondenz zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem, das „Prämienkonto“ des Versicherungsnehmers und Daten des Versicherungsscheins nicht kategorisch vom Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 DS-GVO ausgeschlossen werden (Rn. 24). Der Bundesgerichtshof hat jedoch nicht entschieden, dass Versicherungsscheine bzw. die damals auch streitgegenständlichen (s. Rn. 21) Nachträge zu Versicherungsscheinen nach ihrem typischen Inhalt grundsätzlich einem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO unterliegen.
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2.4.2.2. Die Schreiben der Beklagten an die Klägerin unterfallen dem Auskunftsanspruch insoweit, als sie personenbezogene Informationen über die Klägerin beinhalten (Rn. 25). Allein der Umstand, dass ein Schreiben Name und Adresse des Versicherungsnehmers enthält, genügt daher auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht, um den Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu bejahen. Es kommt vielmehr nach den weiteren Ausführungen des Bundesgerichtshofs unter Tz. 25 maßgeblich darauf an, ob die Schreiben nach ihrem Inhalt als personenbezogene Daten gemäß Art. 4 Nr. 1 DS-GVO anzusehen sind.
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2.4.2.3. Die Versicherungsprämien und sonstigen Auskunftsziele des klägerischen Antrags sind keine personenbezogenen Daten im Sinne dieser Vorschrift. Insbesondere beinhalten die Anschreiben der Beklagten an den Versicherungsnehmer über die die Beitragserhöhung auslösende Rechnungsgrundlage keine Informationen über die Klägerin.
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Die in den Versicherungsscheinen und den Begründungsschreiben zur Beitragserhöhung enthaltenen Daten verkörpern als solche auch nicht den individualisierten Versicherungsschutz der versicherten Personen unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands. Wenn der Versicherer die Beitragshöhe für jeden Tarif „individuell“ kalkuliert, so macht das die Prämienhöhe noch nicht zu einer personenbezogenen Angabe.
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2.4.3. Unabhängig davon, dass der Wortlaut der Vorschrift keinen Auskunftsanspruch im Blick hat, gebieten auch Sinn und Zweck von Art. 15 Abs. 3 DS-GVO nicht die Aufarbeitung von Unterlagen für den Versicherungsnehmers, um diesem anschließend die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen, wenn der Versicherungsnehmer seine Unterlagen nicht aufbewahrt hat. Vielmehr bezweckt die DS-GVO eine effektive Kontrolle des jeweils Betroffenen darüber, welche Daten der Verantwortliche besitzt und was damit weiter geschieht.
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Art. 15 Abs. 3 DS-GVO hat zwar auch die Durchsetzung von Rechten der betroffenen Person im Auge, jedoch betrifft das nicht vermögensrechtliche Ansprüche, sondern durch das Auskunftsrecht sollen persönliche Rechte aus dem 3. Abschnitt unterstützt werden, beispielsweise Löschungsansprüche.
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Zwar hat sich der IV. Senat des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung vom 15.6.2021 (VI ZR 576/19) nicht ausdrücklich dazu geäußert, ob er den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch auch zu evident datenschutzfernen Zwecken anerkennen will.
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Es liegt jedoch fern, dies anzunehmen, da er sich bei seiner Entscheidung auf die datenschutzrechtlichen Kernzwecke fokussiert hat und seine Begründung sich denkbar eng an die Erwägungsgründe der DS-GVO hält, indem sie auf deren Zweck abstellt, „sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können“.
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Soweit das OLG Köln in einer Entscheidung vom 13.05.2022 im Verfahren 20 U 1298/21 die Meinung vertreten hat, in den kompletten Mitteilungsunterlagen herauszugebende personenbezogene Daten sehen zu können, wurde dies auch damit begründet, dass man nicht ausschließen könne, dass es „dem Versicherungsnehmer zumindest auch um den Schutz seiner Daten“ gehe. Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch schon aus der Art der eingeklagten Auskünfte und der als Stufenklage angelegten Rechtsverfolgung, dass es der Klägerseite hier nicht um die Durchsetzung datenschutzrechtlicher Ansprüche geht, und zwar weder ganz noch zu einem erkennbaren Teil.
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2.4.4. Die Beklagte muss der Klagepartei auch nicht zumindest nach Art. 15 DS-GVO die Nachträge zum Versicherungsschein nochmals übermitteln.
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Es ist nicht ersichtlich, worin der Personenbezug jener Angaben liegen soll, um derentwillen die Klagepartei den jeweiligen Nachtrag zum Versicherungsschein nochmals zur Verfügung gestellt bekommen will, nämlich laut Antrag die Höhe der Beitragsanpassungen (abermals ein Verhalten der Beklagten) und die Informationen (welche die Beklagte seinerzeit gegeben hat) in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein (welche die Beklagte ausgestellt hat) sowie schließlich die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren die für die Beklagte bestimmend waren.
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Der Auskunftsanspruch betrifft einzig das Verhalten der Beklagten. Soweit damit personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers „verknüpft“ sind, bilden diese den Ausgangspunkt, nicht aber den Inhalt des hier klagegegenständlichen Auskunftsbegehrens.
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Dieser verfolgt ersichtlich weder direkt noch mittelbar den Zweck, dass die Klägerin sich der Verwendung und Speicherung ihrer Daten bewusst bleibt und ggf. datenschutzrechtliche Ansprüche vorbereiten kann. Vorbereiten möchte sie lediglich die nächste „Stufe“, nämlich eine Zahlungsklage auf Rückgewähr von Beitragsteilen. Der Senat hält es nicht für erforderlich, die Frage zu entscheiden, ob die Verfolgung datenschutzfremder Zwecke ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 S. 2 b DS-GVO begründet (bejahend OLG Nürnberg 14.3.2022, Az. 8 U 2907/21), insbesondere ob der Antrag vorliegend vergleichbar „exzessiv“ ist wie es ein häufig wiederholter Antrag wäre.
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Denn unabhängig von der Tatbestandsqualität des Weigerungsrechts ist mit Blick auf die DS-GVO der allgemeine unionsrechtliche Grundsatz des Missbrauchsverbots (vgl. nur EuGH C-116/16, C-117/16, dort Rn 76, Rn 81) zu beachten. Die Klagepartei macht in Gestalt der DS-GVO Vorschriften des Unionsrechts auf eine Weise geltend, die nicht mit ihrem Zweck in Einklang steht: Ein Begehren auf nochmalige Überlassung der Mitteilungsunterlagen wird ins Gewand einer Auskunftsklage gekleidet in der „Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden“ (Rn 97). Als „willkürlich“ in diesem Sinne hat man es zu verstehen, wenn der erstrebte Vorteil im Einzelfall ungerechtfertigt erscheint, weil damit den vorgenannten Zielen der DS-GVO in keiner Weise näher zu kommen ist und der Zweck des Auskunftsbegehrens (Vorbereitung einer Zahlungsklage auf Rückzahlung von Beitragsanteilen) weitab dieser Ziele liegt.
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2.5. Die Klägerin kann einen Auskunftsanspruch auch nicht mit Treu und Glauben gemäß § 242 BGB begründen.
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Die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehung (hier Versicherungsvertrag) bringt es nicht „mit sich“, dass sich die Klägerin „in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang eines Rechts im Ungewissen“ ist. Unstreitig hat die Klagepartei nämlich seinerzeit von der Beklagten die Unterlagen bekommen, die darüber Aufschluss gegeben haben, welche Tarife angepasst werden und in welchen Fällen sich der Tarif aus anderen Gründen als einer Anpassung geändert hat.
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Die Klagepartei beruft sich in der Berufungsbegründung (S. 13) darauf, dass der Versicherungsnehmer keine Veranlassung habe sehen müsse, diese Unterlagen aufzubewahren. Im Hinblick auf die neuen Versicherungsscheine bzw. Nachträge habe es nahe gelegen, sich der älteren zu entledigen.
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Hat die Versicherungsnehmerin jedoch selbst keinen Wert auf eine Dokumentation seines Versicherungsschutzes gelegt, so macht das ihre nachträgliche Ungewissheit nicht entschuldbar. Eine Entsorgung von älteren Vertragsunterlagen durch einen Versicherungsnehmer ist weder üblich noch liegt sie nahe. Vielmehr ist eine Aufbewahrung der Unterlagen höchst sinnvoll, schon um den eigenen Versicherungsschutz übersichtlich selbst zu dokumentieren und später im Bedarfsfall nachvollziehen zu können. Zwar hat das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 18.11.2021 im Verfahren 7 U 244/21 einen Anspruch nach § 242 BGB für den Fall, dass glaubhaft gemacht wird, dass die Unterlagen verloren gegangen sind, für begrifflich denkbar gehalten. Dem sind weitere Oberlandesgerichte (OLG Frankfurt 7.4.2022, 3 U 266/21 und OLG Karlsruhe Beschl 28.6.2022, 8 U 105/22) gefolgt, weil sie im jeweiligen Entscheidungsfall von „Entschuldbarkeit“ ausgingen.
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Die Klagepartei hat im vorliegenden Fall jedoch selbst nicht vorgetragen, bei welcher Gelegenheit die Unterlagen unfreiwillig verloren gegangen sein könnten.
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2.6. Auch aus § 810 BGB besteht kein Auskunftsanspruch.
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Rechtsfolge der Vorschrift ist ein Akteneinsichtsrecht. Die begehrte Auskunft nebst Übermittlung von Unterlagen ist mit einer Akteneinsicht weder identisch noch ist das eine zum anderen ein wie auch immer geartetes Minus.
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2.7. Der Anspruch besteht auch nicht als Rechenschaftsanspruch nach §§ 666, 675 BGB. Die flankierenden Beratungspflichten des § 6 Abs. 1 S.1 VVG, über die die Klagepartei zur Anwendung von §§ 666, 675 BGB gelangen möchte, begründen (samt den hieran anknüpfenden Dokumentationspflichten) keine weiter-flankierende Nebenpflicht des Versicherers, dem Versicherungsnehmer Unterlagen über zurückliegende Zeiträume des vor geraumer Zeit abgeschlossenen Versicherungsvertrages in strukturierter Form zusammenzustellen und zu übermitteln. Denn die Beratung wird nach § 6 Abs. 1 S.1 VVG geschuldet zur Vorbereitung eines abzuschließenden Vertrages, nicht aber mit Blick darauf, eine Klage des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer auf Rückgewähr gemutmaßter Beitragsüberzahlungen vorzubereiten.
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2.8. Die Berufung bezüglich des Verlangens auf Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages seit dem 01.01.2012 (letzter Unterpunkt des Antrags 1) ist unbegründet.
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Der Versicherer ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen der Mitteilung zur Prämienanpassung nicht verpflichtet, mitzuteilen, in welcher Höhe sich die Rechnungsgrundlage bzw. der auslösende Faktor verändert hat.
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2.8.1. Die Mitteilungspflicht nach § 203 Abs. 2 und 5 VVG hat nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2021, Az. IV ZR 148/20). Gemäß § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG hat vielmehr ein fachlich qualifizierter unabhängiger Treuhänder in einem gesetzlich geregelten Verfahren die technischen Berechnungsgrundlagen und insbesondere auch die Frage, ob die Anpassungsvoraussetzungen gegeben sind, zu überprüfen.
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2.8.2. Auch eine andere Anspruchsgrundlage für die begehrte Auskunftspflicht der Beklagten kommt nicht in Betracht.
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Insbesondere kann der klägerische Anspruch nicht aus den Vorschriften der DS-GVO oder § 242 BGB hergeleitet werden. Die begehrte Auskunft betrifft keine personenbezogenen Daten.
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Im Übrigen kann der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dort nicht ohne besondere Umstände einen Auskunftsanspruch begründen, wo der Gesetzgeber diesen im Rahmen einer Konzeption bewusst nicht vorsieht, mit der er gerade die Informations- und Kontrollinteressen mit den gegenläufigen Interessen des Versicherers in einen angemessenen Ausgleich zu bringen beabsichtigte.
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Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, die Zweifel an dem von der Beklagten mitgeteilten Erreichen des Schwellenwerts oder der Angemessenheit der Prämienerhöhung begründen würden.
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3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Freistellung von außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten betreffend die streitgegenständlichen Ansprüche.
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Die Klägerin kann aufgrund eventuell unwirksamer Prämienerhöhungen der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB nur Anspruch auf Ersatz von sachgerechten Rechtsverfolgungsmaßnahmen haben. Insbesondere kommen insoweit die Kosten der anwaltlichen Verfolgung berechtigter Ansprüche in Betracht. Hingegen stellt sich die Verfolgung unbegründeter Ansprüche nicht als sachgerechte Rechtsverfolgungsmaßnahme dar.
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Im Übrigen hat die Klägerin weder substantiiert zu einem außergerichtlichen Vorgehen, noch nicht einmal zu einem Auftrag hierzu, vorgetragen. Es ist daher auch nicht davon auszugehen, dass der Klägerin insoweit überhaupt Kosten entstanden sind oder diesbezügliche Forderungen der Klägervertreter gegen die Klägerin bestehen.
III.
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1. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO, § 7 EGZPO zugelassen. Die Frage eines Auskunftsanspruchs der Versicherungsnehmer ist für eine Vielzahl vergleichbarer Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung. Der Senat weicht von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte ab.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO erfolgt.