Titel:
Anforderungen an eine Beschlussersetzungsklage
Normenkette:
WEG § 44 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Eine ausreichende Vorbefassung der Versammlung liegt vor, wenn sich die Eigentümerversammlung überhaupt mit der Thematik auseinandergesetzt und sich einen entsprechenden Willen gebildet hat; ob dort ein ordnungsmäßiger Beschluss zur Abstimmung stand, ist nicht entscheidend. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch nach der geänderten Rechtsprechung des BGH zu Heranziehungsbeschlüssen (BGH NJW 2023, 2945) besteht kein Anspruch auf einen Beschluss, mit dem einem Eigentümer eine Handlung aufgegeben wird. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Verstößt ein Eigentümer gegen die Beschlusslage, hat jeder Eigentümer einen Anspruch auf Einschreiten der GdWE. (Rn. 36 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschlussersetzungsklage, Vorbefassung, Heranziehungsbeschluss, Anspruch des Eigentümers
Fundstellen:
LSK 2023, 49127
ZMR 2024, 530
BeckRS 2023, 49127
Tenor
Es ist beschlossen, dass die WEG München, gegen den Eigentümer wegen der durch die Haltung von Hühnern, die Lagerung von Gegenständen auf der Terrasse und die Anbringung von Schilf- und Bastmatten an der Terrasse und den vorhandenen Zäunen vorliegenden Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung und die Hausordnung vorgeht und durch geeignete Maßnahmen die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen durchsetzt und sicherstellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist als Wohnungseigentümerin der Wohnung mit der Nummer 95 im Haus 6 der WEG München Mitglied der Beklagten. Die Wohnung befindet sich im 2. Obergeschoss. Der Vater der Klägerin bewohnt die Wohnung, ihm steht ein dingliches Nießbrauchsrecht zu. Unter der Wohnung der Klägerin befindet sich im Erdgeschoss die Wohnung mit der Nummer 84, Haus 6 (Eigentümer: Dr. ). Dieser hat ein Sondernutzungsrecht an der der Wohnung Nr. 84 zugewiesenen großen Terrasse im Hinterhof seiner Wohnung.
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Die geltende Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung (Anlage K 7) enthält u.a. folgende Vorschriften:
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Teil 1, § 3 Ziffer 4. a):
„[…] Die Nutzung dieser Terrassen und Gartenteile wird hinsichtlich … der Notausgänge und Zufahrten für die Feuerwehr und sonstige Not und Katastrophenfahrzeuge in der Weise eingeschränkt, dass die entsprechenden Flächen nur entsprechend dem genehmigten Freiflächengestaltungsplan bepflanzt werden dürfen und ansonsten von jeglicher Bebauung und Bepflanzung freizuhalten sind und auf diesen Flächen auch keine Gegenstände dauerhaft abgestellt werden dürfen. …;
Die Gartenanteile dürfen insbesondere nicht eingezäunt und bestehende Trennwände nicht verlängert werden. …“
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Die geltende Hausordnung (Anlage K 8) enthält u.a. folgende Regelungen:
„Haustiere jedweder Art dürfen nur mit schriftlicher Zustimmung des Verwalters gehalten werden. Durch Haustiere verursachte Verunreinigungen haben deren Eigentümer sofort zu beseitigen. …“
„… Balkone und Terrassen dürfen ebenfalls nicht als Abstellflächen benutzt werden (Ausnahme: übliche Tische, Stühle, Liegen, Sonnenschirme, Pflanzen)“
Herr Dr. hält auf seiner Terrasse Hühner (Stand Dezember 2022: 14 Stück). Auf der Terrasse sind Käfige für die Hühner und diverse Betongefäße aufgestellt. An der Terrasse ist eine Schilfmatte angebracht. Ferner werden zumindest vorübergehend dort Hühnerfutter und Hühnerstreu gelagert. Bestehende Trennwände im Garten wurden mit Schilf- bzw. Bastmatten verstärkt.“
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Eine Zustimmung der Hausverwaltung für die Tierhaltung liegt nicht vor.
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In der Eigentümerversammlung der Beklagten vom 19.12.2022 wurde u.a. Folgendes beschlossen:
Die Gemeinschaft beschließt, die Entfernung des Zauns und die Abschaffung aller abweichenden Genehmigungen, falls es solche gibt, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Gartens in Übereinstimmung mit dem der anderen Gartengeschosse, die Entfernung des am 29.10.2022 unter dem Balkon von ET auf dem Sondereigentum von ET Dr. aufgestellten Hühnerstalls, die Entfernung aller Hütten auf der Terrasse von Herrn Dr. , die Entfernung aller Hennen und den Entzug der Genehmigung, falls vorhanden, die Verpflichtung von Herrn Dr., keine Tiere mehr in die Residenz einzuführen, die die Ruhe und die Hygiene beeinträchtigen.“
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Der Beschluss wurde abgelehnt.
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Die Klägerin hat mit Datum vom 14.09.2023 ergänzend zu der ursprünglichen Anfechtungsklage eine Beschlussersetzungsklage erhoben. Dieses ursprünglich unter dem Aktenzeichen 1295 C 18356/23 WEG geführte Verfahren wurde mit Beschluss vom 05.10.2023 zum hiesigen Verfahren hinzuverbunden.
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Die Klägerin gibt an, die permanente Geräuschkulisse mit Gackern und plötzlichem Kreischen sei störend. Es gebe eine erhebliche Geruchsbelästigung. Die Exkremente der Hühner würden nicht regelmäßig und ausreichend entfernt, es befände sich auch Unrat wie Hausmüll und Futterreste auf der Terrasse. Es würden Fliegen und andere Insekten angezogen, die Nutzung des Balkons sei stark beeinträchtigt. Durch die veränderten Trennwände sei die Terrasse unzulässig abgeschlossen, ferner seien Notausgänge und Zufahrtswege eingeschränkt.
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Die Klägerin führt aus, der Eigentümer Dr. verstoße gegen die Gemeinschaftsordnung und die Hausordnung sowie gegen Regelungen des privaten und öffentlichen Nachbarrechts. Außerdem seien die Biosicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten, die Haltung sei auch tierschutzrechtlich bedenklich. Sie habe daher ein Anspruch auf Einschreiten der WEG.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
Der ablehnende Beschluss der Eigentümerversammlung vom 19.12.2022 zu dem Tagesordnungspunkt 7 wird für ungültig erklärt, hilfsweise für den Fall, dass der Beschluss nichtig ist, wird festgestellt, dass der Beschluss vom 19.12.2022 zu dem Tagesordnungspunkt 7, nichtig ist.
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Das Gericht soll für die Beklagte den nachfolgend näher bestimmten Beschluss, hilfsweise einen Beschluss mit einem entsprechenden Rechtschutzziel nach Ausübung des gerichtlichen Ermessens verfassen:
„Der Wohnungseigentümer Herr Dr. wird auf seine Kosten verpflichtet, auf seiner Terrasse im Erdgeschoss zu seiner Wohnung mit der Nr. 84 des Hauses Nr. 6 der Wohnungseigentümeranlage der Beklagten – Adresse des Herrn Dr. München – folgende bauliche Veränderungen/ Maßnahmen vorzunehmen:
អ Die Entfernung des ca. 2 Meter hohen Zaunes, bestehend aus Bast-/ Schilfmatten, welcher an den Grenzen der Terrasse errichtet wurde.
អ Die Entfernung der darüber hinaus bestehenden Verlängerungen der Trennwände an den Grenzen seiner Terrasse, gleich ob diese mit Bast-/ Schilfmatten oder mit sonstigen Zaunverlängerungen gefertigt wurden.
អ Die Entfernung sämtlicher Unterstände für die von Herrn Dr. gehaltenen Hühner, gleich ob diese aus Holz, Beton oder sonstigen Material gefertigt sind.
អ Die Entfernung der von Herrn Dr. U. auf seiner Terrasse gehaltenen Hühner.
អ Die regelmäßige, mithin tägliche Beseitigung sämtlichen Unrats, bestehend namentlich aus: Hausmüll, Hühnerexkremente und sonstigen Hühnerdreck, etwa Ausscheidungen, Hühnerstreusäcke und Hühnerfutterreste.
អ Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Flächen auf dieser Terrasse in Übereinstimmung mit dem genehmigten Freiflächengestaltungsplans.“
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte gibt an, es komme weder zu Lärm- noch zu Geruchsbelästigungen.
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Die Beklagte führt aus, die Anfechtungsklage sei nicht begründet, weil der beantragte Beschluss unbestimmt und anfechtbar gewesen wäre. Der Beschluss verstoße nicht gegen die Gemeinschaftsordnung. Die Hühnerhaltung verstoße nicht gegen nachbarrechtliche Vorschriften, eine etwaig fehlende Zustimmung der Verwaltung sei durch den streitgegenständlichen Beschluss ersetzt worden. Ein kleiner portabler Hühnerstall stelle keine Bebauung dar, auch Säcke mit Hühnerfutter und Hühnerstreu würde lediglich temporär auf der Terrasse zwischengelagert. Eine Beeinträchtigung ihres Sondereigentums könne und müsse die Klägerin im Übrigen selbst einklagen. Eine Verpflichtung der WEG zum Tätigwerden bestehe schon deshalb nicht, das Ermessen der WEG sei nicht auf Null reduziert. Der Beschlussersetzungsantrag sei unbestimmt, eine konstitutive Handlungspflicht könne durch Beschluss nicht begründet werden.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Parteien mit Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig.
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1. Das Amtsgericht München ist als Wohnungseigentumsgericht gem. §§ 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2c GVG örtlich und sachlich ausschließlich zuständig. Die Fristen des § 45 S. 1 WEG – soweit einschlägig für die Anfechtung – sind eingehalten.
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2. Gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 WEG kann das Gericht anstelle der Wohnungseigentümer in einem Rechtsstreit gemäß § 43 WEG auf Klage eines Wohnungseigentümers einen Beschluss fassen, sofern eine notwendige Beschlussfassung unterbleibt. Die gerichtliche Ersetzung von Entscheidungen der zunächst zur Regelung berufenen Gemeinschaft ist subsidiär. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 WEG besteht nur dann, wenn zuvor versucht wurde, eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung als dem primär zuständigen Beschlussorgan zu erreichen (entsprechend zu § 21 Abs. 8 WEG a.F. BGH ZWE 2010, 174, 176; LG Dortmund ZWE 2016, 32 ff.; KG ZWE 2000, 40 ff.).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. In der Eigentümerversammlung vom 19.12.2022 wurde der dem klägerischen Antrag im vorliegenden Verfahren entsprechende Antrag abgelehnt.
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Vorliegend wäre zwar der beantragte Beschluss nicht zulässig bzw. sogar nichtig gewesen (vgl.II.1.).
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Für die Frage der Vorbefassung ist es jedoch ausreichend, dass sich die Eigentümerversammlung überhaupt mit der Thematik auseinandergesetzt und sich einen entsprechenden Willen gebildet hat. Dies ist vorliegend offensichtlich der Fall. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ggf. aus rechtlichen Gründen den Beschluss abgelehnt hat, vielmehr wollte sie offensichtlich nicht gegen die Hühnerhaltung und die von der Klägerin vorgetragenen Umstände- wie auch immer – vorgehen. Im Übrigen muss auch die Hausverwaltung ggf. auf eine ordnungsgemäße Beschlussfassung und – formulierung hinwirken – es ist nicht sachgerecht, dass ein Eigentümer im Verhältnis zur WEG strenger beurteilt wird, als später vor Gericht, wo es im Rahmen einer beantragen Beschlussersetzung grundsätzlich ausreicht, sein Rechtsschutzziel anzugeben.
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3. Der Klägerin fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie zur Abwehr der behaupteten Beeinträchtigung ihres Sondereigentums ggf. direkt gegen den Hühnerhalter vorgehen könnte.
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Die Klägerin hat aus WEG-Recht einen Anspruch auf angemessene Beschlussfassung und ggf. Rechtsverfolgung nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, und das nicht nur, soweit ihr Sondereigentum beeinträchtigt wäre. Auf eventuelle persönliche Ansprüche gegen den Hühnerhalter braucht sie sich insofern nicht verweisen lassen.
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Auch das Urteil des AG München vom 24.10.2023 im Verfahren des Vaters der Klägerin gegen Herrn Dr. (173 C 16862/23), in dem dieser verurteilt wurde, die Zahl der Hühner auf vier zu begrenzen und hygienische Standards einzuhalten, lässt das Rechtsschutzbedürfnis unabhängig von der mangelnden Parteiidentität schon deshalb nicht entfallen.
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Die Klage ist hinsichtlich der beantragten Beschlussersetzung begründet, im Übrigen unbegründet.
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1. Hinsichtlich der Anfechtungsklage ist die Klage nicht begründet.
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Die Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Erfüllens eines Begehrens ist dann begründet, wenn der zu erfüllende Anspruch offenkundig und ohne jeden vernünftigen Zweifel begründet war (vgl. Bärmann/Dötsch WEG § 23 Rn. 319 m.w.N.).
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Vorliegend hat die Klägerin zwar einen Anspruch auf Tätigwerden der WEG (vgl. 2.).
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Der konkret beantragte Beschluss wäre jedoch nicht zulässig bzw. sogar nichtig gewesen, da ein „Verpflichtungsbeschluss“ nicht zulässig ist (vgl. BGH NJW 2010, 2801) bzw. die Begründung einer konstitutiven Duldungspflicht des Eigentümers durch Beschluss nicht möglich ist und die Beseitigung durch die WEG eine unzulässige Besitzstörung gem. § 858 BGB darstellen würde. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der neuen Rechtsprechung des BGH zur Frage der Auslegung von gefassten Ge- und Verbotsbeschlüssen einer WEG (BGH NJW 2023, 2945, insbesondere RN 21). Es bleibt bei dem Grundsatz, dass die Begründung einer Leistungspflicht eines anderen Wohnungseigentümers mit konstitutiver Wirkung nicht der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer unterliegt. Die nach der geänderten Rechtsprechung des BGH (aaO.) zulässige Auslegung solcher gefassten Beschlüsse als Aufforderungsbeschlüsse bedeutet nicht, dass auf die Fassung derart auslegungsbedürftiger Beschlüsse ein Anspruch besteht. Der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung kann nur zulässige Beschlüsse umfassen, nicht an sich nichtige Beschlüsse, die erst im Wege der Auslegung ggf. umgedeutet werden können.
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Dies widerspricht nicht den Ausführungen zur Vorbefassung. Im Gegensatz zur tatsächlichen Frage der Vorbefassung geht es hier um die rechtliche Frage, ob auf die Fassung genau dieses Beschlusses ein Anspruch bestanden hätte.
32
Die „Beseitigung“ des Negativbeschlusses ist unabhängig davon keine Voraussetzung für eine erfolgreiche Beschlussersetzungsklage. Im Gegensatz zu einer positiven Beschlussfassung lässt die Bestandskraft eines Negativbeschlusses das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Auch eine Sperrwirkung besteht nicht. Den Wohnungseigentümern ist es unbenommen, über eine Angelegenheit mehrfach zu entscheiden und etwa einen zunächst abgelehnten Beschluss doch noch zu fassen.
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2. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Beschlussersetzung in dem ausgesprochenen Umfang.
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a) Eine Ermessensentscheidung gemäß § 44 WEG darf das Selbstbestimmungsrecht der Wohnungseigentümer nur insoweit beschränken, wie dies aufgrund der zu regelnden Angelegenheit und zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes unbedingt nötig ist. Das Gericht hat deshalb immer vorrangig zu prüfen, ob und auf welche Weise es den Wohnungseigentümern – unter Beachtung des Rechtsschutzinteresses des Klägers – ermöglicht werden kann, noch selbst in eigener Verantwortung eine Entscheidung zu treffen. (zu § 21 Abs. 8 WEG a.F. LG Hamburg ZWE 2016, 36).
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Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat bei der Beschlussfassung über Verwaltungsmaßnahmen als Ausfluss der Privatautonomie einen Ermessensspielraum, der einer Überprüfung durch das Gericht weitgehend entzogen ist. Hinzunehmen sind vom Gericht dabei alle vertretbaren Mehrheitsentscheidungen, da es nicht darauf ankommt, ob eine Regelung in jeder Hinsicht notwendig und zweckmäßig ist. Kommen im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung mehrere Möglichkeiten in Betracht, besteht ein Auswahlermessen (vgl. Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 21 RN 23 m.w.N.).
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b) Die Klägerin hat im Rahmen ihres Anspruchs auf ordnungsgemäße Verwaltung einen Anspruch auf Tätigwerden der Beklagten gegen den Eigentümer Dr. C . Dieser verstößt mehrfach gegen die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung bzw. die Hausordnung. Das Ermessen der WEG ist insoweit auf Null reduziert.
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Aus den vorgelegten Fotos, insbesondere Anlage K 3.1., ergibt sich eindeutig, dass an den bestehenden Zäunen Bast- und Schilfmatten angebracht und diese dadurch erhöht wurden. Ferner befinden sich Bastmatten an der Terrasse. Dies verstößt gegen Teil 1, § 3 Ziffer 4. a) der Teilungserklärung.
38
Die Beklagte behauptet nicht einmal selbst, dass – wie Ziffer 05 der Hausordnung verlangt – eine Zustimmung der Hausverwaltung zur Tierhaltung vorliege. Die Beschlussfassung der Eigentümerversammlung kann diese schon deshalb nicht „konkludent“ ersetzen, als eine Entscheidung der Eigentümerversammlung in der Hausordnung nicht vorgesehen ist. Im Übrigen ist die Ablehnung eines – wie dargestellt unzulässigen – Beschlusses nicht mit einer konkreten Prüfung des Einzelfalls und einer aktiven Zustimmung – ggf. unter Auflagen – gleichzusetzen.
39
Zudem liegt ein Verstoß gegen Teil 1, § 3 Ziffer 4. a) und Ziffer 07) der Hausordnung vor: Zu sehen sind auf den Fotos der Terrasse auch diverse Kartons sowie mindestens zwei Hühnerkäfige, die offensichtlich nicht klein und portabel sind, sondern dort dauerhaft aufgestellt sind. Dies ergibt sich schon daraus, dass sie von weiteren dort gelagerten Gegenständen „eingebaut“ sind. Auf Grund der schieren Menge der auf der Terrasse befindlichen Säcke hat das Gericht im Übrigen auch erhebliche Zweifel, dass diese dort – wie die Beklagte vorbringt – nur vorübergehend gelagert werden.
40
Unabhängig von der konkreten Beeinträchtigung und den konkreten Verstößen gegen die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen wäre nach derzeitiger Einschätzung des Gerichts die Haltung von Hühnern in der WEG wie hier mitten in der Innenstadt in einer engen Wohnbebauung unter Heranziehung der Wertungen der entsprechenden verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung im Übrigen überhaupt nicht genehmigungsfähig.
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c) Die Beschlussersetzung wie ausgesprochen erfolgte unter Auslegung des Rechtsschutzziels der Klägerin.
42
Der Antrag der Klägerin richtete sich zwar auf einen unzulässigen „Verpflichtungsbeschluss“. Das Gericht hat jedoch im Rahmen der Prüfung der beantragten Beschlussersetzung unter Beachtung des Rechtsschutzinteresses der Klägerin auf der einen Seite und der zu berücksichtigenden Autonomie der Wohnungseigentümergemeinschaft auf der anderen Seite den Klageantrag entsprechend auszulegen.
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin eine sinnvolle Rechtsschutzmöglichkeit zustehen muss. Ein zu allgemeiner Beschluss ohne jeglichen konkreten Inhalt würde den tatsächlichen Rechtsschutz der Klägerin unzulässig verkürzen.
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Aus Sicht des Gerichts ist daher nach Abwägung der Interessen der Parteien die Ersetzung wie ausgesprochen sachgerecht. Das konkrete Vorgehen – etwa die Fassung eines Aufforderungsbeschlusses oder die direkte Klage auf Beseitigung – bleibt einer erneuten (im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung zeitnahen und die Ausführungen im hiesigen Urteil berücksichtigenden) Beschlussfassung vorbehalten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
46
Die Berechnung des Streitwerts erfolgt in Beschlussklagen nach § 44 Abs. 1 WEG nach der in § 49 GKG getroffenen Regelung. Danach wird der Streitwert auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festgesetzt. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht überschreiten.
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Da der vorgetragene Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Schätzung des Interesses aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung hinsichtlich des Beschlussanfechtungsantrags sowie des Beschlussersetzungsantrags bietet, hat das Gericht den Streitwert frei zu schätzen. Das Gericht folgt dabei der Einschätzung der Klagepartei und setzt den Streitwert jeweils auf 10.000,00 EUR, damit gem. § 5 ZPO insgesamt auf 20.000,00 EUR fest.