Titel:
Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bei Widerruf im Finanzierungsvertrag eines Fahrzeuges
Normenkette:
BGB § 257, § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1
Leitsatz:
Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten setzt voraus, dass die Gläubigerin die von ihr selbst aus dem Rückgewährschuldverhältnis geschuldete Leistung der Schuldnerin in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Freistellung, Rückgewährschuldverhältnis
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 13.05.2024 – 19 U 4308/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 49076
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 45.602,60 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über den Widerruf eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugs.
2
Am 21.02.2016 schloss die Klägerin mit der Beklagten im Wege des Fernabsatzes den als Anlage DB 1 vorgelegten „Kreditvertrag“ über einen Nettodarlehensbetrag von 33.460,- € mit einem Sollzinssatz von 3,11 % p.a., 59 monatlichen Raten von je 384,86 € und einer Schlussrate in Höhe von 14.511,- € zur Finanzierung des Kaufs eines Neufahrzeugs … für private Zwecke zum Preis von 41.460,- €. Davon beglich die Klägerin 8.000,- € durch Anzahlung. Der Klägerin wurde der Darlehensvertrag mit der Beklagten durch das Autohaus vermittelt. Die Beklagte zahlte den Darlehensbetrag an das Autohaus aus. Das Darlehen wurde am 01.06.2021 vollständig zurückgeführt.
3
Wegen des Inhalts der Darlehensunterlagen wird, auch hinsichtlich der erteilten Widerrufsinformation, auf die Anlage DB 1 Bezug genommen.
4
Mit Schreiben vom 27.12.2021 (Anlage DB 2) erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Widerruf des Darlehensvertrags. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 17.02.2022 (Anlage DB 3) zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 28.04.2022 (Anlage DB 4) forderte die Klagepartei die Beklagte u.a. dazu auf, den Widerruf zu bestätigen und die gezahlten Raten nebst gezogenen Nutzungen hieraus sowie etwa an das Autohaus gezahlte Beträge zu überweisen abzüglich eines angemessenen Wertersatzes. Außerdem heißt es in dem Schreiben u.a..: „Wir bieten Ihnen hiermit den Pkw nebst dazugehörigen Schlüsseln sowie Papieren an der von Ihnen gewünschten Adresse abzugeben. Bitte geben Sie uns hierfür die Adresse an, an welcher Sie den Pkw entgegennehmen möchten und nennen Sie uns einen Termin zur Rückgabe innerhalb der kommenden beiden Wochen.“ Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 28.04.2022 (Anlage DB 4) erneut zurück.
5
Die Klägerin trägt vor, bei dem Darlehensvertrag handle es sich um einen widerruflichen Verbraucherdarlehensvertrag gemäß §§ 491, 495 BGB. Die Widerrufserklärung sei auch rechtzeitig erfolgt, denn die Widerrufsfrist sei infolge von Formverstößen (§ 356 b Abs. 1 BGB), infolge fehlender und fehlerhafter Pflichtangaben (§ 356 b Abs. 2 BGB) sowie infolge insuffizienter Widerrufsinformation noch nicht abgelaufen gewesen. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB könne sich die finanzierende Bank nicht berufen.
6
Infolge der wirksamen und fristgerechten Widerrufserklärung habe sich der Darlehensvertrag in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt. Daher habe die Klägerin zunächst gemäß § 346 BGB Anspruch auf Rückzahlung aller Zins- und Tilgungsleistungen, die auf das Darlehen erbracht worden seien. Da der Darlehensvertrag und der Fahrzeugkaufvertrag verbundene Verträge im Sinne des § 358 BGB seien und der Darlehensbetrag bereits an den Verkäufer des Fahrzeuges ausgezahlt worden sei, könne die Klägerin zudem auch die an das Autohaus geleistete Anzahlung von der Beklagten zurückverlangen (§ 358 Abs. 4 Satz 5 BGB). Die Durchsetzbarkeit der Ansprüche erfolge gemäß § 348 BGB Zug-um-Zug gegen Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren.
7
Der Klägerin stehe gegen die Beklagte gemäß § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB (bzw. § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB a.F.) ein Anspruch auf Rückerstattung aller an die Beklagte erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen sowie der an das Autohaus geleisteten Anzahlung von 8.000,- € zu. Im Gegenzug schulde die Klägerin der Beklagten die Übereignung sowie Übergabe des finanzierten Fahrzeugs. Die Beklagte habe als Darlehensgeber, der in die Rolle des Unternehmers eintrete, indes keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Rückzahlung des Nettodarlehensbetrags, da dieser Anspruch mit dem Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises kraft Gesetzes saldiert werde.
8
Die Klägerin biete den streitgegenständlichen PKW nebst dazugehörigen Schlüsseln sowie Papieren in Annahmeverzug begründender Weise an, und zwar explizit am Sitz der Beklagten. Die Beklagte werde gebeten, hierfür die Adresse anzugeben, an welcher die Rückgabe erfolgen solle, sowie einen Termin zur Rückgabe innerhalb der nächsten beiden Wochen unmittelbar bekanntzugeben.
9
Die Klägerin habe gegen die Beklagte nach dem Widerruf einen Anspruch auf Rückzahlung sowohl der an den Verkäufer geleisteten Anzahlung als auch der an die Beklagte gezahlten Monatsraten. Die Klägerin könne den Anspruch bereits jetzt unabhängig von seiner Fälligkeit gerichtlich geltend machen. § 259 ZPO lasse eine Klage bereits vor Fälligkeit zu, wenn die Besorgnis bestehe, der Schuldner werde sich bei Fälligkeit der Leistung verweigern. Die Beklagte bestreite die Berechtigung der Klägerin zum Widerruf und damit auch ihre aus dem Widerruf folgende Pflicht zur Rückzahlung. In einem solchen Fall ermögliche § 259 ZPO unabhängig von den Voraussetzungen des § 322 Abs. 2 BGB bereits vor Fälligkeit die Klage, da beide Normen den vorleistungspflichtigen Schuldner vor einem anderen Hintergrund Schutz gewährten. Bei § 322 Abs. 2 BGB gehe es darum, dass der vorleistungspflichtige Schuldner die Fälligkeit seiner Forderung nicht herbeiführen könne, solange er seine Leistung nicht erbracht habe, der Gläubiger sie nicht angenommen habe. Bei § 259 ZPO gehe es hingegen um die Befürchtung, der Beklagte werde seiner Leistungspflicht nicht nachkommen. Da es dem Schuldner, der gleichzeitig Gläubiger sei, nicht zugemutet werden könne, seine Leistung dennoch zu erbringen, ermögliche § 259 ZPO ihm auch bei Vorleistungspflicht eine Klage vor Fälligkeit.
10
Die Beklagte befinde sich im Verzug mit der Annahme des zurückzugebenden Fahrzeugs. Für den Annahmeverzug genüge nach § 295 Satz 1 1. Alt BGB ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger erklärt habe, er werde die Annahme verweigern. Die Beklagte habe zwar nicht ausdrücklich die Annahme des Wagens abgelehnt. Sie habe aber die Erfüllung ihrer Rückzahlungspflicht ernsthaft und endgültig verweigert. Dem vorleistungspflichtigen Schuldner könne in einer solchen Situation nicht zugemutet werden, seine Leistung in dem Wissen zu erbringen, dass sein Vertragspartner sich seiner Pflichten entziehen werde. Die Vorleistungspflicht wandle sich daher in eine Zug-um-Zug-Leistung um. Die Beklagte, die die Rückzahlung nicht anbiete, sei nach § 298 BGB in Annahmeverzug.
11
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 45.602,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen nach Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke … nebst Schlüsseln und Fahrzeugpapieren;
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 13.05.2022 mit der Rücknahme des unter Ziff. 2 genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet;
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.002,41 EUR freizustellen.
12
Die Beklagte beantragt
13
Hilfsweise für den Fall, dass der Widerruf wirksam ist, beantragt die Beklagte:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des mit dem Darlehensvertrag mit der Anfrage … finanzierten PKW … zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und Funktionsweise nicht notwendig war.
14
Die Beklagte trägt vor, die Klage sei unbegründet. Weder die Widerrufsinformationen der Beklagten, noch die von ihr erteilten Pflichtangaben böten Anlass zu durchgreifenden Beanstandungen. Die Widerrufsfrist wäre daher zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs längst abgelaufen gewesen.
15
Zum Zeitpunkt des Widerrufs sei das Widerrufsrecht der Klägerin ohnehin erloschen gewesen, da der Widerruf über ein halbes Jahr nach vollständiger Erfüllung der wechselseitigen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag erfolgt sei. Die Klägerin habe das Darlehen bereits am 01.06.2021 vollständig zurückgeführt. Die Beklagte habe den Vertrag intern als erledigt vermerkt und habe am 27.12.2021 nicht mehr damit rechnen müssen, dass die Klägerin den Widerruf des bereits am 21.02.2016 zu Stande gekommenen Darlehensvertrages erklären würde. Das Widerrufsrecht der Klägerin erweise sich damit jedenfalls als verwirkt.
16
Letztlich könne all dies dahinstehen, da die Klägerin ihrer Vorleistungspflicht, die aus dem in Folge ihres Widerrufs entstandenem Rückabwicklungsschuldverhältnis resultiere, nicht nachgekommen sei. Die wörtlichen Angebote zur Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs seien zur Begründung des Annahmeverzugs gegenüber der Beklagten nicht ausreichend. Die Klage erweise sich damit jedenfalls als derzeit unbegründet.
17
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und auf das Protokoll vom 24.10.2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
18
Die Klage ist zulässig.
19
Insbesondere ist die Klage auf künftige Leistung gemäß Klageantrag Ziffer 1. (§ 259 ZPO) wegen des ernstlichen Bestreitens der Beklagten zulässig (vgl. BGH II ZR 330/97).
20
Die Klage ist unbegründet.
21
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin den Darlehensvertrag wirksam widerrufen hat mit der Folge, dass sich der Darlehensvertrag und der mit ihm verbundene Fahrzeugkaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hätten, § 495 Abs. 1 BGB in der bis 20.03.2016 gültigen Fassung, § 355 ff. BGB. Soweit die Klägerin den Anspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis 20.03.2016 gültigen Fassung i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihr an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen sowie der an den Autohändler geleisteten Anzahlung geltend macht, ist die Klage jedenfalls derzeit unbegründet. Insoweit steht der Beklagten – was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat – nach § 358 Abs. 4 Satz 1 in der bis 20.03.2016 gültigen Fassung i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis 27.05.2022 gültigen Fassung gegenüber der vorleistungspflichtigen Klägerin ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder die Klägerin den Nachweis erbracht hat, dass sie das Fahrzeug abgesandt hat. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug bei der Klägerin abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB in der bis 27.05.2022 gültigen Fassung), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit die Klägerin Zahlung „nach“ Herausgabe des Fahrzeugs begehrt, setzt dies in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (BGH, Urt. v. 10.11.2020 – XI ZR 426/19 Randziffer 21). Dies ist aber nicht der Fall. Die Rückgabepflicht der Klägerin ist mangels anderweitiger Vereinbarung eine Bring- oder Schickschuld, die der Schuldner dem Gläubiger an dessen Wohnsitz anbieten oder an ihn absenden muss. Die Klägerin hat der Beklagten das Fahrzeug nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise nach §§ 293 bis 297 BGB angeboten. Dass die Klägerin der Beklagten das Fahrzeug an deren Sitz tatsächlich angeboten (§ 294 BGB) oder an sie nachweisbar abgesandt hat (§ 357 Abs. 4 BGB), hat sie nicht vorgetragen.
22
Aus dem Umstand, dass die Beklagte ihre Rückzahlungspflicht in Abrede gestellt hat, ergibt sich im vorliegenden Fall nichts anderes, vgl. BGH VII ZR 27/00 Randziffer 17. Denn die Beklagte hat nicht von vornherein das Bestehen einer vertraglichen Verbindung abgestritten (vgl. BGH VII ZR 40/66 Randziffern 18, 19). Es liegt also nicht der Fall vor, dass man ihr ein Leistungsverweigerungsrecht zubilligt, dessen Ausübung sie von vornherein ablehnt (vgl. BGH VII ZR 43/83 Randziffer 27 m.w.N.).
23
Der grundsätzlich aus den §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 2, 257 BGB herzuleitende Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag Ziffer 3) besteht nicht. Der Anspruch setzt voraus, dass die Klägerin die von ihr selbst aus dem Rückgewährschuldverhältnis geschuldete Leistung der Beklagten in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.02.2022 – 17 U 52/21, Randziffer 64 m.w.N.). Dies war hier, wie oben ausgeführt, nicht der Fall (vgl. Auch BGH, Urteil vom 4. Juli 2023 – XI ZR 118/22 –, juris).
24
Über die Hilfswiderklage braucht mangels Bedingungseintritts nicht entschieden zu werden.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO:
26
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.