Titel:
Kostenfestsetzungsantrag - substanzlose Einwendungen und Einreden gemäß § 11 Abs. 5 S. 1 RVG
Normenketten:
RVG § 11 Abs. 1, Abs. 5 S. 1
ZPO § 104
RPflG § 11
Leitsätze:
Die Kostenfestsetzung nach § 11 RVG ist nicht abzulehnen, wenn der Kostenschuldner einwendet, er verstehe die Gebührenrechnung des Prozessbevollmächtigten nicht und dieser habe ihm einen anderen Betrag genannt vorbehaltlich des vom Gericht festzusetzenden Streitwertes. (Rn. 11 – 12 und 17)
Über die Berechtigung von Einwendungen und Einreden gemäß § 11 Abs. 5 S. 1 RVG, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben, ist nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden. Diese Einwände müssen weder substantiiert noch schlüssig sein. Sie sind aber dann nicht zu beachten, wenn sie schon bei oberflächlicher Betrachtung offensichtlich unbegründet, halt- oder substanzlos sind. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde, Vergütungsfestsetzungsverfahren, Gebührenrechnung des Prozessbevollmächtigten, Kostenschuldner, Einwendungen, Außerhalb des Gebührenrechts
Vorinstanz:
ArbG Weiden, Beschluss vom 11.02.2022 – 3 Ca 1199/17
Fundstelle:
BeckRS 2023, 4894
Tenor
Die Kostenfestsetzung nach § 11 RVG ist nicht abzulehnen, wenn der Kostenschuldner einwendet, er verstehe die Gebührenrechnung des Prozessbevollmächtigten nicht und dieser habe ihm einen anderen Betrag genannt vorbehaltlich des vom Gericht festzusetzenden Streitwertes.
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 11.02.2022 – 3 Ca 1199/17 – wird dieser abgeändert und neu gefasst wie folgt:
Nach § 11 RVG sind vom Kläger 870,49 € an Kosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.12.2021 an Frau Rechtsanwältin L… zu erstatten.
2. Die Kosten des Festsetzungsverfahrens – Eingangsinstanz und Beschwerdeinstanz – trägt der Kläger.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 870,49 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Beschwerdeführerin hat den Kläger in einem Kündigungsrechtsstreit vertreten. Der Rechtsstreit endete mit Beschluss des Gerichtes nach § 278 Abs. 6 ZPO vom 22.01.2018 (Bl. 39 f der Akte). Mit weiterem Beschluss vom 22.01.2018 wurde der Streitwert für das Verfahren auf 22.431,00 € und für den Vergleich auf 32.408,00 € festgesetzt.
2
Mit Schreiben vom 31.01.2018 (Bl. 77 f der Akte) übersandte die Beschwerdeführerin dem Kläger den Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO, erläuterte die damit verbundenen Rechte und Pflichten des Klägers und fügte ihre Endabrechnung vom gleichen Tag (Bl. 49 der Akte) bei mit der Bitte um Ausgleich. Beides war adressiert an den Kläger unter der Anschrift „H…str. xx, … M…“. Dabei handelt es sich um die Adresse, unter der die Klage anhängig gemacht wurde und unter der der Kläger nach Auskunft der Gemeinde M… vom 24.02.2022 (Bl. 76 der Akte) wohnhaft ist.
3
Die Kostenrechnung lautete wie folgt:
„Streitwert gem. Beschluss: EUR 22.431,- Vergleichswert: EUR 32.408,- 1,3 Verfahrensgebühr gem. RVG-VV Nr. 3100 EUR 1.024,40
0,8 Verfahrensgebühr gem. RVG-VV Nr. 31.00 Nr. 2 (aus Vergleichsmehrwert: EUR 9.977,-)
gem. § 15 Abs. 3 RVG gekürzt auf EUR 195,00
1,2 Terminsgebühr gem. RVG-VV Nr. 3104 EUR 1.225,60 (aus vollem Streitwert: EUR 32408,-)
1,0 Einigungsgebühr gem. RVG-VV Nr. 1003 EUR 788,00 (aus anhängigem Streitwert: EUR 22.431,-)
Zwischensumme: EUR 3.133,00
1,5 Einigungsgebühr gem. RVG-VV Nr. 1000 (aus nicht anhängigem Streitwert: EUR 9.977,-)
gem. § 15 Abs. 3 RVG gekürzt auf EUR 619,00 Auslagenpauschale gem. RVG-VV Nr. 7002 EUR 20,00
Fotokopien als Anlage zur Klageschrift und Klageerweiterung gem. RVG-VV Nr. 7000 EUR 10,50 Gesamtkosten netto EUR 3.782,50
19% Mehrwertsteuer EUR 718,68
EUR 4.501,18 Abzüglich Abtretung: EUR 3.630,69
=========== Mit Schreiben vom 07.08.2018 (Bl. 57 der Akte) mahnte die Beschwerdeführerin die Begleichung der Rechnung an mit Fristsetzung bis 17.08.2018.“
Mit Schreiben vom 17.12.2021 (Bl. 47 f der Akte) beantragte die Beschwerdeführerin Kostenfestsetzung nach § 11 RVG.
Das Erstgericht übersandte diesen Antrag an den Kläger am 20.12.2021 unter der Adresse „H…str. xx, … M…“ mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis 03.01.2022. Am 04.01.2022 ging ein Fax des Klägers vom 03.01.2022 (Bl. 51 der Akte) bei Gericht ein mit der Absenderadresse „A… x, … M…“.
Entgegen der Aussage von Frau L…, wurde mir keine Mahnung zugestellt.
Auch ist es mir ein Rätsel, wie eine so hohe Abschlussrechnung entstehen kann. Dies fällt mir nach fast 4 Jahren auch sehr schwer nachzuvollziehen.
Damals wurde eine Abtretung mit Frau L… vereinbart. Frau L… versicherte mir damals telefonisch, dass eine Abschlussrechnung von vielleicht 150 – 200 € noch nachkommen könnte. Dies Sei Abhängig vom festgelegten Streitwert.
Ich kann somit die gestellte Abschlussrechnung so nicht anerkennen.
Auf ein weiteres Schreiben des Gerichtes an den Kläger vom 24.01.2022 an die Adresse „H…str. xx, … M…“ mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis 07.02.2022 ging an diesem Tag ein weiteres Fax des Klägers bei Gericht ein. Es trug wieder als Adresse des Absenders „A… x, … M…“.
Die beiden Mahnungen die Frau L… mir lt. Ihrer Aussage gesendet hat, sind leider nicht bei mir angekommen.
Ich erinnere mich, dass wir ein persönliches Gespräch am 05.01.18 (gleichwohl ich das Datum aus dem Schreiben von Frau L… übernommen habe) hatten.
Allerdings könnte ich nicht mit Sicherheit sagen ob wir die zu erwartende Höhe der Abschlusszahlung persönlich oder in einem Telefonat besprochen haben.
Da Frau L… einen konkreten Kostenbereich für die Abschlussrechnung genannt hat, kann ich die Rechnungshöhe absolut nicht nachvollziehen.
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Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 11.02.2022 den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Der Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 14.02.2022 zugestellt. Sie legte am 25.02.2022 sofortige Beschwerde ein. Das Erstgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 15.11.2022 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur weiteren Entscheidung vorgelegt.
7
Bezüglich näherer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
8
1. Die von der Beschwerdeführerin eingelegte sofortige Beschwerde ist statthaft, § 11 Abs. 1 und 2 RVG, § 21 Ziffer 2 und § 11 Abs. 1 RPflG, § 567 Abs. 1 und 2 ZPO und auch frist- und formgerecht eingelegt worden, § 78 Satz 1 ArbGG, § 569 ZPO.
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2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Kosten waren wie beantragt festzusetzen.
10
(1) Nach § 11 Abs. 1 RVG sind die Kosten des Prozessvertreters festzusetzen, soweit sie die gesetzlichen Gebühren und Aufwendungen nicht überschreiten. Nach § 11 Absatz 5 Satz 1 RVG ist die Festsetzung der Kosten allerdings abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Über die Berechtigung derartiger Einwendungen ist nicht im vorliegenden Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden. Dementsprechend müssen die Einwände weder substantiiert noch schlüssig sein. Trotz der geringen Substantiierungspflicht und der zu unterbleibenden Schlüssigkeitsprüfung im Rahmen des § 11 Absatz 5 Satz 1 RVG sind solche Einwendungen außerhalb des Gebührenrechts jedoch nicht zu beachten, die schon bei oberflächlicher Betrachtung offensichtlich unbegründet, halt- oder substanzlos sind.
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(2) Nach diesem Maßstab sind die Einwendungen des Klägers gegen die beantragte Kostenfestsetzung in der Hauptsache unbeachtlich.
12
a) Der Kläger macht geltend, es sei ihm ein Rätsel, wie eine so hohe Abschlussrechnung entstehen kann. Nach 4 Jahren sei dies schwer nachvollziehbar. Dies ist unbeachtlich.
13
Die Kostenrechnung entspricht den geltenden Bestimmungen des RVG unter Zugrundelegung der vom Erstgericht festgesetzten Streitwerte für das Verfahren und den Vergleich. Die Kostenrechnung liegt dem Kläger vor.
14
Soweit in dem Vorbringen der Einwand der Verjährung liegen sollte, hat das Erstgericht zur Unbeachtlichkeit des Einwandes im erforderlichen Umfang ausgeführt. Dem schließt sich das Beschwerdegericht an.
15
b) Der Kläger macht geltend, es sei eine Abtretung mit der Beschwerdeführerin vereinbart worden. Dies ist ebenfalls unbeachtlich.
16
Die Abtretung wurde in der Abrechnung berücksichtigt und von der Honorarforderung über 4.501,18 € in Abzug gebracht. Der Kläger wendet nicht ein, dass die Höhe der Zahlung der Beklagten an die Beschwerdeführerin infolge der Abtretung nicht korrekt sei. Die Beschwerdeführerin erläutert dies auch dahingehend, dass die Beklagte die Kosten erstattete, die unter Zugrundelegung eines angenommenen Streitwertes von 30.000,00 € anfielen.
17
c) Der Kläger macht geltend, die Beschwerdeführerin habe ihm versichert, dass noch eine Abschlussrechnung von 150,00 bis 200,00 € nachkommen könne, dies sei abhängig vom festgelegten Streitwert. Dies ist ebenfalls unbeachtlich. Dabei handelt es sich nicht um eine Gebührenvereinbarung, sondern eine Gebührenschätzung. Dies ergibt sich schon aus dem Inhalt des klägerischen Fax vom 03.01.2022. Er weist selbst darauf hin, dass nach Auskunft der Beschwerdeführerin noch eine Abschlussrechnung nachkommen könne. Dies sei abhängig vom festgelegten Streitwert. Zu dem Gesprächstermin vom 05.01.2018, den die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 24.01.2022 mitgeteilt und den der Kläger mit Schreiben vom 07.02.2022 bestätigt hat, war noch kein Streitwert festgesetzt. Damit liegt auf der Hand, dass es sich um eine Gebührenschätzung handelte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst von einer Gebührenvereinbarung ausgegangen wäre.
18
d) Der Kläger macht geltend, er habe keine Mahnungen erhalten. Zinsen waren daher ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrages bei Gericht festzusetzen, auch wenn ihn die Post der Beschwerdeführerin vor den Mahnungen und die Post des Gerichtes ab der Zuleitung des Kostenfestsetzungsantrages seitens des Erstgerichtes offensichtlich erreicht hat und sein Vorbringen insoweit schwer nachvollziehbar ist.
19
(3) Die Kostenrechnung ist auch der Höhe nach zutreffend.
20
Der Beschwerde war antragsgemäß stattzugeben.
21
1. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ohne Hinzuziehen der ehrenamtlichen Richter erfolgen, § 78 Satz 3 ArbGG.
22
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens und des erfolgreichen Rechtsmittels zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 11 Abs. 2 Satz 6 RVG.