Titel:
Keine Irreführung durch Vorleistungspflicht des Verbrauchers und Zustandekommen des Vertrags erst mit Warenzustellung
Normenkette:
UWG § 5 Abs. 1
Leitsatz:
Es ist nicht irreführend, wenn ein Verbraucher zur Zahlung einer Vorkasse nach Eingang der Bestellung aufgefordert wird, der Vertrag mit dem Verbraucher aber nach den AGB des Anbieters erst mit Zustellung der Ware zustande kommt. (Rn. 20 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Irreführung, Vorleistungspflicht, Verbraucher, Vertragsschluss, Annahme, Warenzustellung, AGB, unangemessene Benachteiligung
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Endurteil vom 30.01.2024 – 3 U 1594/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48763
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 17.500,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung ihrer im Online-Handel praktizierten Übung in Anspruch, Kunden im Rahmen der Bezahlart „Vorkasse“ zur Zahlung des Kaufpreisbetrages zu veranlassen, obwohl nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Vertrag erst mit Zustellung der Ware geschlossen werden solle.
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Im Rahmen des Onlinehandels bietet die Beklagte Verbrauchern, die nicht über ein Kundenkonto Verfügen, die Möglichkeit der Bestellung als Gast an.
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Bei dieser Option wird der Verbraucher veranlasst, den AGB zuzustimmen; in diesen ist u.a.geregelt, dass der Vertrag in deutscher Sprache durch Zustellung der Ware zustandekommt.
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In Nr. 6 der AGB ist u.a. geregelt:
„[…] Bei Bezahlung per Vorkasse überweisen Sie bitte den vollen Rechnungsbetrag unter Angabe des Verwendungszwecks innerhalb von 7 Tagen nach Bestelleingang auf unser Konto. Die Artikel Ihrer Bestellung werden für Sie bis dahin reserviert. Für den rechtzeitigen Zahlungseingang beim N. Online-Shop ist für Ihre Überweisung ein Zeitraum von bis zu drei Werktagen zu berücksichtigen. Bitte beachten Sie, dass sich bei dem Zahlungsmittel „Vorkasse“ die in der Artikelübersicht angegebene Lieferfrist um 3 Werktage verlängert und die so verlängerte Lieferfrist mit dem Tag der Zahlungsanweisung durch Sie beginnt. […] „
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Den Verbrauchern wurde weiter folgender Hinweis erteilt:
„Bei Bezahlung per Vorkasse überweisen Sie bitte den vollen Rechnungsbetrag unter Angabe des Verwendungszwecks innerhalb von 7 Tagen nach Bestelleingang auf unser Konto.“
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In der Bestellbestätigung wird entsprechend formuliert:
„Wir sind gesetzlich verpflichtet, Ihnen den Eingang Ihres Auftrags zu bestätigen. Dem kommen wir hiermit gerne nach. Bitte beachten Sie, dass diese Bestätigung noch keine Annahme Ihres Angebots darstellt. Die Annahme Ihres Angebots durch den N. Online-Shop und damit der Vertragsschluss erfolgt gemäß unseren AGB erst mit Zustellung der Ware. Bei Bezahlung per Vorkasse überweisen Sie bitte den vollen Rechnungsbetrag unter Angabe des Verwendungszwecks innerhalb von sieben Tagen nach Bestelleingang auf unser Bankkonto.“
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Der Kläger hat die Beklagte vorgerichtlich erfolglos auf Unterlassung dieser Praxis in Anspruch genommen.
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Er ist der Meinung, das Vorgehen der Beklagten sei unlauter und irreführend.
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Irreführend sei die Praxis deswegen, weil entgegen der Auffassung der Beklagten der Kaufvertrag bereits mit Übersendung der Bestellbestätigung geschlossen werde. Weiter verstoße die Praxis der Beklagten gegen wesentliche Grundgedanken der §§ 145 ff., 433 Abs. 2 BGB, nachdem den Verbrauchern eine Vorleistungspflicht auferlegt werde. Dies sei geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Diese leisteten auf eine nicht bestehende Schuld, wonach ihnen vertragliche Ansprüche verwehrt seien; auch bereicherungsrechtliche Ansprüche seien gemäß § 814 BGB nicht gegeben.
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Weiter liege eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vor aufgrund der Vereinbarung eines Zugangsverzichts für den Fall der Versendung der Ware.
Die Beklagte wird verurteilt,
- 1.1.1.
-
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, im Internet, bei Bestellungen unter der URL https://www.n.-o..de, die Zahlungsoption „Vorkasse“ anzubieten und dabei Verbraucher zur Zahlung des vollen Rechnungsbetrags unter Angabe des Verwendungszwecks innerhalb von 7 Tagen nach Bestelleingang aufzufordern, wenn nach Ziffer 1 der im Folgenden wiedergegebenen verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingung (gültig ab 17. Dezember 2021) der Vertrag erst durch Zustellung der Ware zustande kommen soll:
„Der Vertrag kommt in deutscher Sprache durch Zustellung der Ware zustande.“, und dies geschieht, wie in der Anlage K 5 dargestellt.
- 2.
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an den Kläger 260,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Sie hält ihre Vorgehensweise für rechtmäßig.
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Sie ist der Meinung, ein Vertragsschluss komme erst mit Zustellung der Ware zustande.
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Ihre Vorgehensweise benachteilige die Kunden auch nicht unangemessen. An der Praxis bestehe ein grundlegendes und schutzwürdiges Interesse. Aufgrund des weitestgehend anonymen Onlinegeschäfts habe sie ein berechtigtes Interesse, ihre Waren nur an solche Kunden zu verkaufen und zu liefern, bei denen sie davon ausgehen könne, dass die Bezahlung der Ware einigermaßen gesichert sei; sie biete daher neben weiteren Zahlungsarten dann, wenn eine Bezahlung auf Rechnung wegen fehlender Bonität des Kunden nicht möglich sei, eine Bezahlung per Vorkasse an.
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Die Verbraucher seien auch im Fall des Nichtzustandekommens des Vertrages nicht schutzlos. Zum einen bestünden durchaus bereicherungsrechtliche Ansprüche. Zum anderen habe der Kunde auch in diesen Fällen schuldrechtliche Ansprüche.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg.
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Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche (§§ 3, 3 a, 5 Abs. 1 UWG, §§ 307 Abs. 1 Nr. 1,145 ff., 433 Abs. 2 BGB) nicht zu.
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Zum einen liegt eine Irreführung der Verbraucher nicht vor, weil der Vertrag entgegen der Auffassung der Beklagten bereits mit Übermittlung der Bestellbestätigung zustande käme.
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Dies ist nicht der Fall.
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In den AGB, wie auch in der Bestellbestätigung, wird ausdrücklich Gegenteiliges geregelt und mitgeteilt; die Bestellbestätigung entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut als Vertragsannahme zu behandeln, verbietet sich.
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Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Angebot des Buttons „zahlungspflichtig bestellen“; insoweit kommt die Beklagte lediglich einer rechtlichen Verpflichtung nach.
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Weiter stellen die beklagtenseits vorgetragenen Erwägungen zu ihrem schutzwürdigen Interesse an ihrer Praxis einen ausreichenden und nachvollziehbaren Grund hierfür dar.
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Eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher ist trotz der Abweichung der Praxis von der ansonsten bestehenden Vorleistungspflicht der Beklagten nicht gegeben.
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Diese sind nach Auffassung der Kammer hinreichend geschützt.
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Zum einen scheiden bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht aus gem. § 814 BGB; wird eine Leistung in der Erwartung erbracht, dass eine wirksame Verpflichtung später entsteht, ist § 814 BGB grundsätzlich nicht anwendbar (Grüneberg, RdNr. 6 zu § 814 BGB).
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Darüber hinaus haben die Kunden im Fall einer Nichtannahme durch die Beklagte auch schuldrechtliche Ansprüche. Wie die Beklagte richtig ausführt, entsteht zwischen der Beklagten und dem potentiellen Kunden gem. § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein Schuldverhältnis, das beim Scheitern eines Vertrages die Beklagte zur Rückzahlung empfangener Beträge verpflichtet unabhängig davon, ob entsprechende Ansprüche auch gemäß §§ 312 g Abs. 1, 355 BGB zum Tragen kommen.
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Nicht zum Erfolg führt den Kläger letztlich der Hinweis auf die Entscheidung des Landgerichts München I vom 15.02.2022 (S. 2 ff. des Schriftsatzes vom 31.05.2023). In der beklagtenseits gewählten Konstellation kommt der Vertrag durch die Zustellung der Ware zustande und nicht die Versendung; es liegt daher keine Zugangsfiktion oder ein Verzicht des Zugangs der Annahmeerklärung vor.
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Vielmehr kann der Verbraucher den Vertragsabschlusszeitpunkt jederzeit feststellen.
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Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.