Inhalt

VG München, Urteil v. 18.01.2023 – M 17 K 22.2071
Titel:

Beihilferecht, Kieferorthopädische Behandlung, I* Hellip-System, Heil- und Kostenplan, Zielleistungsprinzip, Analogberechnung

Normenketten:
BayBG Art. 96 Abs. 2
BayBhV §§ 7, 15
GOZ § 4 Abs. 2 S. 2, 6 Abs. 1 S. 1
GOZ-Nr. 6100
GOZ-Nr. 6100 analog
Schlagworte:
Beihilferecht, Kieferorthopädische Behandlung, I* Hellip-System, Heil- und Kostenplan, Zielleistungsprinzip, Analogberechnung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48739

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Er ist als Beamter im Dienste des Beklagten dem Grunde nach beihilfeberechtigt. Der Bemessungssatz zu krankheitsbedingten Aufwendungen beträgt 50 v.H. .
2
Mit Schreiben vom 15. April 2019 erkannte das Landesamt für Finanzen, Dienststelle …, die Beihilfefähigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung auf der Grundlage eines kieferorthopädischen Heil- und Kostenplans vom 28. Mai 2021 im Rahmen der Beihilfevorschriften an. Die im Heil- und Kostenplan ausgewiesenen Beträge seien ausdrücklich als vorläufig zu betrachten. Die Bezügestelle beschränke sich bei der Auswertung der Kostenvoranschläge auf die allgemeine Darstellung der in § 15 BayBhV festgelegten Grundsätze der Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen. Über die Beihilfefähigkeit einzelner Gebührennummern könne erst bei Vorlage der jeweiligen (Teil-)Rechnung entschieden werden, da bestimmte Nummern der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) bzw. der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) nicht beihilfefähig seien, wenn sie nebeneinander berechnet würden (§ 7 Abs. 1 BayBhV), und im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung bestimmte Positionen aus der GOÄ und der GOZ nicht berechenbar seien.
3
Mit Beihilfeantrag vom *. Januar 2022 beantragte der Kläger Leistungen für die Rechnung des Kieferorthopäden Dr. … W* … vom 27. Dezember 2021 über einen Betrag von 3.056,01 €.
4
Mit Bescheid vom 26. Januar 2022 wurde seitens des Landesamts für Finanzen, Dienststelle … hinsichtlich der Rechnung vom 27. Dezember 2021 ein Betrag in Höhe von 2.168,61 € als beihilfefähig anerkannt und dem Kläger dementsprechend für diese Rechnung eine Beihilfe in Höhe von 1.084,31 € (50% von 2.168,61 €) gewährt. Begründet wurden die Kürzungen der Beihilfestelle in Bezug auf die Honorarforderungen damit, dass die Maßnahmen der GOZ-Nrn. 6100 und 2197 bereits mit den Kernpositionen GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 abgegolten seien und nicht gesondert beihilfefähig seien (Hinweis f0).
5
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom … Februar 2022 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Leistungen nach den GOZ-Nrn. 6100 und 2197 im vorgelegten Heil- und Kostenplan vom 28. Mai 2021 vorgesehen gewesen seien und anerkannt worden seien. Nach dem von der Beihilfestelle zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 5. März 2021 (5 C 11/19) sei nur GOZ-Nr. 2197 nicht gesondert neben GOZ-Nr. 6100 abrechenbar. Dies bestimme auch Nr. 2.5.3. des Anhangs 1 der Verwaltungsvorschriften zur BayBhV (VV-BayBHV). Daraus ergebe sich, dass die GOZ-Nr. 6100 gesondert beihilfefähig sei. Die GOZ-Nr. 6100 könne jedoch für die Eingliederung von Brackets selbständig in Ansatz gebracht werden. Die Entscheidung des BVerwG betreffe die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers, um die es vorliegend nicht gehe. Dieses Ergebnis sei auch aus Nr. 2.5.4 des Anhangs 1 VV-BayBhV abzuleiten.
6
Der Widerspruch gegen den Beihilfebescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2022 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Eingliederungen der Klebebrackets nach GOZ-Nrn. 6100 innerhalb des Vierjahreszeitraums mit den Komplexleistungen nach dem dritten Absatz der Abrechnungsbestimmung zur GOZ-Nr. 6080 mit den GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 abgegolten seien. Das BVerwG habe in seinen Urteilen vom 26. Februar 2021 (5 C 7/19) und vom 5. März 2021 (5 C 8/19) dargelegt, dass mit den Kernpositionen der GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 jegliche Umformungs- und Retentionsleistungen mit Ausnahme der durch den Verordnungsgeber bewusst ausdrücklich genannten GOZ-Nrn. 6090 bis 6180 im Vierjahreszeitraum abgegolten seien. Das BVerwG habe außerdem festgestellt, dass es sich bei der Leistung der adhäsiven Befestigung nach GOZ-Nr. 2197 lediglich um eine besondere Ausführung der Befestigung eines Brackets nach GOZ-Nr. 6100 handele.
7
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom *. April 2022, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 11. April 2022 Klage mit dem Antrag,
8
den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Beihilfebescheides vom 26. Januar 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2022 zu verpflichten, dem Kläger eine weitere Beihilfe bezüglich der Rechnung vom 27. Dezember 2021 in Höhe von 292,32 € zu gewähren.
9
Mit Schreiben vom … Mai 2022 führte er ergänzend im Wesentlichen aus, dass sich aus der Anerkennung des Heil- und Kostenplans eine Bindungswirkung ergebe. Die Beihilfestelle habe die Rechtsprechung des BVerwG und die einschlägigen Verwaltungsvorschriften rechtsfehlerhaft angewendet. Die private Krankenversicherung habe die streitgegenständlichen Positionen in vollem Umfang erstattet. Aus der Rechtsprechung des BVerwG und aus Nrn. 2.5.3 und 2.5.4 des Anhangs 1 VV-BayBhV ergebe sich, dass die GOZ-Nr. 6100 für die Eingliederung von Klebebrackets gesondert beihilfefähig sei.
10
Der Vertreter des Beklagten beantragte mit Schreiben vom 17. Juni 2022,
11
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im kieferorthopädischen Behandlungsplan vom 28. Mai 2021 zur Durchführung der Behandlung serielle Aufbissschienen OK/UK, Retentionsgeräte und Kleberetainer vorgesehen gewesen seien. Die streitgegenständliche Rechnung vom 27.Dezember 2021 enthalte als Anlage eine Rechnung der Fa. I* … für das I* … System Comprehensive. Der in der Rechnung enthaltene unmittelbare Ansatz der GOZ-Nr. 6100 scheide aus, da dieser nach der Leistungsbeschreibung für die Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel vorgesehen sei. Brackets seien Befestigungselemente (Klammern) bzw. Kunststoffelemente oder Edelstahlelemente bei festsitzenden Apparaturen, die an den Zähnen befestigt würden zum Anlegen einer Tragkonstruktion resp. Zahnspange. Ausweislich der Anlage zur Rechnung seien jedoch keine derartigen Klebebrackets eingegliedert worden, sondern es sei das I* … System Comprehensive angewendet worden, also eine Behandlung mit Alignern durchgeführt worden. Hierbei handele es sich nicht um festsitzenden Apparaturen, sondern um eine Vielzahl dünner, transparenter Zahnschienen, die der Patient selbst nach Belieben einsetzen und herausnehmen könne. Dabei würden kleine Befestigungselemente (sog. Attachements) auf die Zähne geklebt, um dort als Haltepunkte für die Aligner zu dienen. Nachdem die originäre Leistung der GOZ-Nr. 6100 nicht erbracht worden sei, komme allenfalls deren analoger Ansatz in Betracht. Eine Analogberechnung scheidet vorliegend für die Befestigung der Attachements und der Eingliederung der Kunststoffschienen auch aus, weil sich diese als Maßnahme der Umformung mit dem Inhalt der vom behandelnden Kieferorthopäden berechneten GOZ-Nr. 6050 überschneide und daher dem Doppelberechnungsverbot unterliege. Auch in GOZ-Nr. 6080 sei ausgeführt, dass die Leistungen nach den Nrn. 6030-6080 alle im Behandlungsplan festgelegten Maßnahmen innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren umfassten. Die Maßnahmen im Sinne der GOZ-Nrn. 6030-6080 würden alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren umfassten, unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden oder den verwendeten Therapiegeräten.
13
Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom … Juli 2022, dass die GOZ-Nr. 6100 vorliegend unmittelbar in Ansatz zu bringen sei. Zwar spreche der Wortlaut von Klebebrackets. Im Wege der Auslegung ergebe sich jedoch, dass auch die Befestigung von Attachements im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung mit Alignern hierunter zu subsumieren sei. Sowohl bei Klebebrackets als auch bei Attachments handele es sich um Befestigungselemente die jeweils auf die Zähne geklebt werden. Beide dienten als Haltepunkte zur festen Aufnahme einer Zahnspange bzw. von Alignern und damit orthodentischer Hilfsmittel. Darauf, dass es sich bei Alignern um herausnehmenbare Kunststoffschienen handele, komme es für die Frage der Berechenbarkeit der Befestigung nicht an. Hilfsweise sei GOZ-Nr. 6100 analog heranzuziehen. Das Doppelberechnungsverbot stehe nicht entgegen. Es sei nicht relevant, ob eine Überschneidung mit den GOZ-Nrn. 6030-6080 gegeben sei. Denn der Gesetzgeber habe selbst den speziellen Gebührentatbestand der GOZ-Nr. 6100 geschaffen und als selbstständige Leistung definiert.
14
Der Kläger verzichtete mit Schreiben vom … Mai 2022 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Vertreter des Beklagten erklärte mit Schreiben vom 17. Juni 2022 den Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
15
Mit Beschluss vom 17. Januar 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
16
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage, über die nach übereinstimmender Erklärung der Beteiligten im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden konnte, hat in der Sache keinen Erfolg.
18
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe im beantragten Umfang (§ 113 Abs. 5 VwGO); der Bescheid vom 26. Januar 2022 und der Widerspruchsbescheid vom 9. März 2022 sind – soweit sie angegriffen wurden – rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Die Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Für die vorgenommene zahnärztliche Untersuchung und Behandlung entstehen Aufwendungen mit jeder Inanspruchnahme des Arztes (Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand Juli 2022, Bd. 2 Anm. 12 zu § 7 Absatz 2 BayBhV). Die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans lässt die Aufwendungen danach noch nicht entstehen. Bei der streitgegenständlichen Behandlung am 21. Oktober 2021 bestimmt sich die Beihilfefähigkeit daher nach Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) vom 23. Juli 2008 (GVBl S. 500) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.12.2019 (GVBl. S. 724) und der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 18. August 2021 (GVBl S. 558).
20
2. Zahnärztliche Leistungen sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Die Angemessenheit beurteilt sich gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BayBhV insoweit ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), soweit die GOÄ den Zahnärzten nach § 6 Abs. 2 GOZ zugänglich ist. Für die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen enthält § 15 BayBhV zusätzliche Bestimmungen.
21
Gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 GOZ ist insbesondere das sog. Zielleistungsprinzip zu beachten. Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Arzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Insoweit sind gegen das Zielleistungsprinzip verstoßende durch den Zahnarzt abgerechnete Leistungen im Rahmen der Beihilfe nicht beihilfefähig. Hierdurch soll eine Doppelhonorierung von Leistungen verhindert werden. Zu beachten ist unter Anlegung eines abstrakt-generellen Maßstabs wegen des abrechnungstechnischen Zwecks dieser Bestimmungen vor allem der Inhalt und der systematische Zusammenhang der Gebührenordnungsposition und deren Bewertung (BGH v. 5.6.2008, NJW-RR 2008, 1278).
22
3. Zwischen den Beteiligten steht die grundsätzliche Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung des Klägers nicht im Streit. Gegenstand des Rechtsstreits ist lediglich die Frage, ob es sich bei der vom behandelnden Kieferorthopäden in Rechnung gestellten GOZ-Nr. 6100 um angemessene Aufwendungen handelt. Nicht streitgegenständlich ist die Nichtanerkennung der GOZ-Nr. 2197 durch die Beihilfestelle, da der Kläger seine Klage auf die Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 292,32 € für die nicht anerkannte 18-fache Abrechnung der GOZ-Nr. 6100 (18 x 32,48 € x 50%) beschränkt hat.
23
Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für ärztliche Leistungen knüpft grundsätzlich an den Leistungsanspruch des Arztes an und setzt voraus, dass dieser seine Leistungen unter zutreffender Auslegung der Gebührenordnung in Rechnung gestellt hat.
24
Die Kürzung der beihilfefähigen Aufwendungen hinsichtlich der vom behandelnden Kieferorthopäden abgerechneten GOZ-Nr. 6100 erfolgte zu Recht.
25
3.1. Die GOZ-Nr. 6100 ist vorliegend nicht unmittelbar anwendbar. Die Leistung nach GOZ-Nr. 6100 umfasst nach der Leistungsbeschreibung die Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodentischer Hilfsmittel. Die Leistung umfasst das Positionieren, die Eingliederung des Brackets und die Überschussentfernung. Bei dem Anbringen von Attachments im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung mit dem I* … System mit transparenten Zahnschienen (Alignern) handelt es sich nicht um die Eingliederung von Klebebrackets. Attachments sind auf den Zahn aufgeklebte biomechanische Haltepunkte, die aus (zahnfarbenem) Kunststoff bestehen, und die Funktion kleiner Griffe haben, an denen die nicht fest eingegliederten Aligner sich bei Einsetzung festhalten können. Das Gericht folgt insoweit nicht der im Kommentar der Bundeszahnärztekammer (BZAEK) zur Gebührenordnung für Zahnärzte ohne Angabe einer Begründung vertretenen Auffassung (Kommentar der BZAEK zur GOZ, Stand August 2022, Anm. zu GOZ-Nr. 6100, S. 216). Die GOZ-Nr. 6100 ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Der Verordnungsgeber hat in GOZ-Nr. 6100 eine Leistung, die mit ihrem Leistungsinhalt dem Grunde nach dem Leistungsinhalt der GOZ-Nrn. 6030-6080 angehört, gebührenrechtlich verselbständigt (BVerwG, U.v. 26.2.2021 – 5 C 7.19, juris Rn. 30). Diese besondere und ersichtlich als Ausnahme normierte Verselbständigung kann nicht auf andere Leistungen übertragen werden (BVerwG, a.a.O.). Eine über den eindeutigen Wortlaut hinausgehende Auslegung kommt deshalb nicht in Betracht.
26
3.2. Auch eine Analogberechnung der GOZ-Nr. 6100 kommt vorliegend nicht in Betracht.
27
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ können selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Eine Analogbewertung scheitert vorliegend bereits daran, dass das Anbringen der Attachments im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung mit dem I* … System nicht als selbstständige Leistung berechnungsfähig ist.
28
Die GOZ-Nr. 6100 GOZ kann für das Anbringen der Attachments nicht (analog) in Ansatz gebracht werden, weil sich das Anbringen der Attachments mit dem Inhalt der vom behandelnden Kieferorthopäden berechneten Nr. 6050 GOZ überschneidet und daher dem sog. Doppelberechnungsverbot unterliegt. Eine solche Überschneidung folgt daraus, dass es sich bei der Leistung um eine besondere Ausführung dieser anderen Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ handelt (3.2.1.). Unterliegt das Anbringen der Attachments damit dem Doppelberechnungsverbot, kann die Leistung auch nicht ausnahmsweise entsprechend der Nr. 6100 GOZ neben der Nr. 6050 GOZ berechnet werden (3.2.2.).
29
3.2.1. Das Anbringen der Attachments stellt eine besondere Ausführung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ der in Nummer 6050 Anlage 1 GOZ beschriebenen Leistung dar.
30
Eine Leistungsausführung ist dann als besonders i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ anzusehen, wenn sie sich als bloße methodische bzw. technische Variation oder Modifikation der beschriebenen Zielleistung erweist. Dies ist dann zu bejahen, wenn die Beschreibung der Zielleistung im Gebührenverzeichnis ergibt, dass die in Rede stehende Leistungsausführung ihrer technischen oder methodischen Eigenart nach bereits davon mit umfasst ist, etwa weil die Leistungsbeschreibung offen lässt, mit welchen Techniken oder Methoden eine Leistung zu erbringen bzw. ein Behandlungsziel zu erreichen ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.2.2021 – 5 C 7/19, juris Rn. 22; U.v. 5.3.2021 – 5 C 8/19, juris Rn. 21; BGH, U.v. 21.1.2010 – III ZR 147/09 – NJW-RR 2010, 1355, juris Rn. 11). Die Auslegung der vorliegend abgerechneten GOZ-Nr. 6050 einschließlich der in GOZ-Nr. 6080 enthaltenen übergreifenden Abrechnungsbestimmungen ergibt, dass die GOZ-Nr. 6050 als Zielleistung im Sinne von § 4 Abs. 2 GOZ anzusehen und das Anbringen der Attachments auch nach der normativen Wertung im Sinne einer besonderen Ausführungsart in der Leistungsbeschreibung dieser GOZ-Nr. 6050 enthalten ist.
31
Die GOZ-Nrn. 6030-6080 haben im gebührenrechtlichen Sinne handwerkliche oder behandlungstechnische zahnärztliche Leistungen zum Gegenstand und können deshalb auch Bezugspunkt des Doppelberechnungsverbots nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ sein (BVerwG, U.v. 26.2.2021 – 5 C 7/19, juris Rn. 23). Nach der Abrechnungsbestimmung der GOZ-Nr. 6080 Abs. 3 umfassen die Maßnahmen im Sinne der GOZ-Nrn. 6030-6080 alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren, unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden oder den verwendeten Therapiegeräten. Damit können nur die handwerklichen bzw. behandlungstechnischen Einzelleistungen gemeint sein, die zur Erreichung dieser Behandlungsziele eingesetzt werden (BVerwG, U.v. 26.2.2021 – 5 C 7/19, juris Rn. 23; U.v. 5.3.2021 – 5 C 8/19, juris Rn. 22). Dies ergibt sich auch aus der Verordnungsbegründung vom 21. September 2011, die zum Ausdruck bringt, dass „der Leistungsinhalt der Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 näher beschrieben“ werde (BR-Drs. 566/11 S. 62). Die Ergänzung des (neu eingefügten) dritten Absatzes der Abrechnungsbestimmung stelle klar, dass die Gebührennummern 6030 bis 6080 auch dann nur einmal in einem Vier-Jahres-Zeitraum abgerechnet werden dürfen, wenn besondere Behandlungsmethoden angewandt oder besondere Therapiegeräte (z.B. Loops, Bögen, Attachments bei Alignern, festsitzenden Retainer oder Kunststoffschienen) verwendet werden (BR-Drs. 566/11 S. 62).
32
Erfasst sind danach gebührenrechtlich sämtliche Behandlungsleistungen, die im Zusammenhang mit dem jeweiligen Behandlungsziel stehen, an das der im Leistungstext genannte Begriff der „Maßnahme“ anknüpft, und die diesem zugeordnet werden können. Dies beinhaltet alle hierauf bezogenen Einzelleistungen, ohne dass der behandelnde Zahnarzt insoweit auf eine bestimmte Methodik oder Ausführungsweise festgelegt wird. Eingeschlossen ist damit auch das Anbringen von Attachments an den Zähnen, auf die die nicht fest eingegliederten Aligner gesetzt werden.
33
Dies folgt bereits aus dem Wortlaut von GOZ-Nr. 6050 und GOZ-Nr. 6080. Wie oben ausgeführt, umfasst die Leistungsbeschreibung der GOZ-Nr. 6080 nach Abs. 3 „alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren, unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden oder den verwendeten Therapiegeräten“, soweit sie sich den im Behandlungsplan festgelegten Maßnahmen zuordnen lassen. Erfasst wird damit schon nach dem Wortlaut („alle“) ausnahmslos das vollständige Leistungsspektrum zur Erreichung der Kieferumformung bzw. -einstellung in allen behandlungstechnischen Variationen innerhalb des Vierjahreszeitraums. Der Leistungsumfang ist ausdrücklich unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden und verwendeten Therapiegeräten und schließt daher Methoden und Geräte jedweder Art in der aktiven Behandlungsphase (Kieferumformung bzw. -einstellung) wie auch der passiven Behandlungsphase (Retention) ein. Das bedeutet abrechnungstechnisch zugleich, dass die Gebühren nach den GOZ-Nrn. 6030-6080 die Anwendung sämtlicher dieser Techniken im maßgeblichen Zeitraum erfassen und sie deshalb unabhängig von der konkreten Behandlungsweise weder mehrfach in Ansatz gebracht werden noch hiervon erfasste Einzelleistungen gesondert abgerechnet werden dürfen (BVerwG, U.v. 26.2.2021 – 5 C 7/19, juris Rn. 25; U.v. 5.3.2021 – 5 C 8/19, juris Rn. 24). Dass dies auch für das Anbringen von Attachments bei Alignern dem Willen des Verordnungsgebers entspricht, ergibt sich aus der Verordnungsbegründung, in der diese Behandlungsgeräte ausdrücklich erwähnt und in den Kreis der besonderen Behandlungsmethoden und Therapiegeräte einbezogen sind (BR-Drs. 566/11 S. 62).
34
3.2.2. Da das Anbringen von Attachments als besondere Ausführung einer Leistung nach den GOZ-Nrn. 6030-6080 dem Doppelberechnungsverbot nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ unterliegt, ist die Leistung keine nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ entsprechend berechenbare selbstständige zahnärztliche Leistung. Von diesem Ergebnis ist nicht deshalb abzuweichen, weil die hier herangezogene GOZ-Nr. 6100 (Eingliederung eines Klebebrackets) mit ihrem spezifischen Leistungsinhalt ihrerseits dem Grunde nach dem Leistungsinhalt der GOZ-Nrn. 6030-6080 angehört, aber gleichwohl durch den Verordnungsgeber verselbstständigt worden ist (vgl. Umkehrschluss aus GOZ-Nr. 6080 Abs. 4, BVerwG, U.v. 26.2.2021 – 5 C 7/19, juris Rn. 28). Diese besondere und ersichtlich als Ausnahme normierte gebührenrechtliche Verselbstständigung kann nicht im Wege einer Analogberechnung auf andere Leistungen im Zusammenhang einer Kieferumformung bzw. -einstellung (wie hier des Anbringens von Attachments) übertragen werden, weil dies zu einer nicht statthaften Aufgabe der Selbstständigkeit der ärztlichen Leistung als Voraussetzung für ihre Abrechenbarkeit und damit des Doppelberechnungsverbots führen würde (vgl. BGH, U.v. 13.5.2004 – III ZR 344/03 – BGHZ 159, 142 und U.v. 21.1.2010 – III ZR 147/09 – NJW-RR 2010, 1355 juris, BVerwG, U.v. 26.2.2021 – 5 C 7/19, juris Rn. 30; U.v. 5.3.2021 – 5 C 8/19, juris Rn. 29).
35
4. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger vor der Behandlung dem Beklagten einen Heil- und Kostenplan vorgelegt hat, der den Ansatz der GOZ-Nr. 6100 beinhaltete.
36
Ein Heil- und Kostenplan bzw. dessen Akzeptanz durch die Beihilfestelle stellt – worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat – keine Zusicherung konkreter Erstattungsleistungen dar. Ein Heil- und Kostenplan begründet lediglich die medizinische Notwendigkeit der Behandlung und beziffert neben Angaben zur Behandlungsdauer, zu Behandlungsgeräten, zu Hilfsmitteln und zu Zahlungsmodalitäten die voraussichtlichen Gesamtkosten, die von der Beihilfestelle nur dem Grunde nach als beihilfefähig anerkannt werden ohne eine Aussage zum (konkreten) Honorar der Höhe nach zu treffen (vgl. VG München, U.v. 13.7.2022 – M 17 K 21.2151; Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand Juli 2022, Bd. 2 Anm. 3 zu § 15 BayBhV). Das folgt daraus, dass die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen sich nach der Sach- und Rechtslage richtet, die im Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen besteht. Diese Lage kann sich, was künftige Aufwendungen betrifft, ohne weiteres ändern, ohne dass zum Zeitpunkt der Entscheidung schon hinreichend vorausgesehen werden kann, ob bzw. wann eine solche Änderung eintritt und in welche Richtung sie gegebenenfalls gehen wird (vgl. BayVGH, B. v. 18.2.2014 – 14 C 13.900 – juris Rn. 11; OVG NW, B. v. 12.6.2013 – 1 A2291/11 – juris Rn. 29). Die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans lässt die Aufwendungen nicht entstehen. Abgesehen davon widerspricht das im Beihilferecht formalisierte Antrags- und Bewilligungsverfahren (vgl. §§ 48 BayBhV) einer – pauschalen – Anerkennung der Erstattungsfähigkeit zukünftiger Aufwendungen (vgl. BayVGH, B.v. 6.8.2015 – 14 ZB 15.210, juris Rn. 7).
37
Ungeachtet dessen beinhaltete der von der Beihilfestelle als dem Grunde nach als beihilfefähig anerkannte Heil- und Kostenplan vom 28. Mai 2021 auch eine andere Behandlung als die in der Rechnung vom 27. Dezember 2021 vom behandelnden Kieferorthopäden abgerechnete Behandlung. Ausweislich dieser Rechnung wurde nicht – wie im Heil- und Kostenplan vom 28. Mai 2021 angegeben – eine Umformung der Kiefer u.a. mittels Eingliederung von Klebebrackets vorgenommen, sondern das I* … System (Comprehensive) angewendet.
38
5. An diesem Ergebnis ändert auch der Einwand des Klägers, die private Krankenversicherung habe die streitgegenständlichen Aufwendungen vollumfänglich anerkannt, nichts. Der Leistungsumfang privater Krankenversicherungen ist nicht deckungsgleich mit der Beihilfe, sondern richtet sich nach den individuell zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen. Entscheidungen der privaten Krankenversicherung sind daher auf die Entscheidung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen nicht übertragbar.
39
6. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
40
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.