Titel:
Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Schuldner auf Herausgabe oder Ersatz einer im Eröffnungsverfahren unberechtigt empfangenen Drittschuldnerleistung
Normenketten:
InsO § 21 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 1, § 24, § 35 Abs. 1, § 80 Abs. 1, § 82
BGB § 182, § 185, § 816 Abs. 2, § 818, § 819 Abs. 1
Leitsätze:
1. Leistungen, die der Schuldner im Eröffnungsverfahren nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts unberechtigt vereinnahmt hat (hier aus gewerblicher Untervermietung), können vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter zur Masse gezogen werden (Abgrenzung von BGH BeckRS 2021, 39401 und BeckRS 2021, 51056). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Überschüsse aus einer gewerblichen Untervermietung im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung sind Masseverbindlichkeiten. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für den Fall des Freiwerdens des gutgläubigen Drittschuldners von der Leistungspflicht gegenüber der Insolvenzmasse nach § 82 InsO setzt das Gesetz ungeschrieben einen entsprechenden Ausgleichsanspruch der verkürzten Insolvenzmasse gegen den Schuldner voraus. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Insolvenzverwalter, Insolvenzschuldner, Zustimmungsvorbehalt, Eröffnungsverfahren, gewerbliche Untervermietung, Forderungseinzug, Drittschuldner, Masseverbindlichkeit, Ausgleichsanspruch, ungerechtfertigte Bereicherung, Genehmigung, Entreicherung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Endurteil vom 26.04.2024 – 15 U 736/23
BGH Karlsruhe, Urteil vom 05.06.2025 – IX ZR 69/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48689
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.350,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.08.2022 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 12.350,58 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten von diesem als Insolvenzschuldner die Zahlung der eingeklagten Forderung, welche die Erstattung der vom Beklagten vereinnahmten Gewinne aus einer gewerblichen Untervermietung eines Wohnraumobjekts in Schweinfurt im Zeitraum der gegen den Beklagten angeordneten vorläufigen Insolvenzverwaltung betrifft.
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Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten. Mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – Fürth vom 27.11.2019 (...) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet, und zunächst ein anderer Rechtsanwalt als der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit weiterem Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – Fürth vom 27.05.2021 (...) wurde schließlich der Kläger zum (neuen) Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten bestellt. Vor der Insolvenzeröffnung war vom Amtsgericht – Insolvenzgericht – Fürth am 05.08.2019 bereits die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und besagter anderer Rechtsanwalt zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten bestellt worden. In dem Beschluss wurde zur Sicherung des Schuldnervermögens vor nachteiligen Veränderungen (§ 21 InsO) auch angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners, einschließlich der Einziehung von Außenständen, nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO. Der vorläufige Insolvenzverwalter wurde überdies ermächtigt, Forderungen des Schuldners auf ein Treuhandkonto einzuziehen. Den Drittschuldnern wurde aufgegeben, nur noch an den vorläufigen Insolvenzverwalter zu leisten, es sei denn, dieser stimme der Leistung an den Schuldner zu. Von diesem Beschluss hatte der Beklagte Kenntnis. Gegenstand der Klage ist die Abführung bzw. Erstattung der vom Beklagten aus gewerblicher Untervermietung vereinnahmten Gewinne an die Insolvenzmasse. Der Beklagte vermietet unter der Bezeichnung „...“ ein Anwesen in Schweinfurt gewerblich unter. Das Grundstück ist mit einem Dreiparteienhaus bebaut. Der Beklagte selbst hat das Anwesen mit Mietvertrag vom 25.06.2017 von einem Dritten als Hauptvermieter angemietet. Dieser Mietvertrag erlaubt dem Beklagten die gewerbliche Untervermietung. Der Beklagte hatte im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung (also ab Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung am 05.08.2019 bis einschließlich 26.11.2019) auf Grund der gewerblichen Untervermietung Einnahmen in Höhe von 22.550,01 € (brutto) und Ausgaben in Höhe von 8.699,35 €, welche sich im Einzelnen aus der Anlage K4 ergeben. Bislang leistete der Beklagte lediglich am 04.01.2021 1.500,00 € an den Kläger. Mit Schreiben des vorherigen Insolvenzverwalters an den Beklagten vom 01.01.2020 wurde diesem die Freigabe seiner gewerblichen Untervermietung gemäß § 35 Abs. 2 S. 1 InsO mit Wirkung zum 01.01.2020 mitgeteilt, wobei ausdrücklich (u.a.) nicht die Freigabe der im Zeitraum vom 05.08.2019 bis 31.12.2019 hiermit erzielten Einkünfte erteilt wurde. Ferner wurde mit Schreiben vom 20.05.2020 auch die selbständige Tätigkeit des Schuldners als Transportunternehmer und mit Schreiben vom 06.10.2020 die selbständige Tätigkeit des Schuldners als Fliesenleger aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben.
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Im Kern streiten die Parteien um die Frage der Aktivlegitimation des Klägers als Insolvenzverwalter vor dem Hintergrund insbesondere der beiden Urteile des Bundesgerichtshofs einerseits vom 21.10.2021, Az. IX ZR 265/20 (NJW 2022, 242) sowie andererseits vom 02.12.2021, Az. IX ZR 206/20 (NJW 2022, 2276).
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.350,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.08.2021 zu bezahlen.
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Der Beklagte behauptet, ihm sei vom vorläufigen Insolvenzverwalter eine Genehmigung zur Einziehung der Untermieten erteilt worden.
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Ferner wendet er ein, sämtliche Einnahmen bzw. Gewinne aus der Untervermietung für seine private Krankenversicherung, danach für seinen Lebensunterhalt und denjenigen seiner Familie, der er unterhaltsverpflichtet sei, verwendet zu haben.
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Dem Klageverfahren ist ein Mahnverfahren vorausgegangen. Die nach Widerspruch des Beklagten eingereichte Anspruchsbegründung vom 24.08.2022 wurde diesem am 30.08.2022 zugestellt.
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Das Gericht hat mit Einverständnis der Parteien gemäß Beschluss vom 16.12.2022 das schriftliche Verfahren angeordnet, in dem Schriftsätze bis 16.01.2023 eingereicht werden konnten.
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Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und, abgesehen von einem späteren Zinsbeginn, vollumfänglich begründet.
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Die Klage ist zulässig.
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I. Der Kläger ist prozessführungsbefugt. Er macht den Zahlungsanspruch als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten und damit als Partei kraft Amtes zur Anreicherung der vom Kläger verwalteten Masse geltend. Ob der Kläger dazu auch berechtigt ist, richtet sich nach der im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfenden Aktivlegitimation.
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II. Der Klage fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
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Gemäß der Replik vom 11.11.2022, Bl. 30f. d.A., bezieht sich der Kläger mit seiner Klage auf das nicht vom Insolvenzbeschlag erfasste Vermögen des Beklagten. Dieser Anspruch muss im Klagewege verfolgt werden (vgl. BGH, NJW 2022, 2276, Rn. 14-16). Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt auch nicht deshalb, weil eine Vollstreckung in das insolvenzfreie Vermögen des Beklagten von vornherein ausgeschlossen wäre (BGH a.a.O., Rn. 17 u.H.a. BGH, NJW 2011, 70). Solches insolvenzfreies Vermögen des beklagten Schuldners kann auch schon vor Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens jedenfalls bei Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners gemäß § 35 Abs. 2 S. 1 InsO entstehen, zu der es sowohl hinsichtlich der streitgegenständlichen gewerblichen Untervermietung, als auch hinsichtlich selbständiger Tätigkeiten des Beklagten als Transportunternehmer und Fliesenleger gekommen ist. Dass die Vollstreckung in das insolvenzfreie Vermögen des Beklagten von vornherein aussichtslos wäre, ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.
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Die Klage ist, abgesehen von einem späteren Zinsbeginn, auch vollumfänglich begründet. Dem Kläger steht der begehrte Zahlungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB gegen den Beklagten zu.
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I. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die streitgegenständlichen Forderungen aus gewerblicher Untervermietung des Beklagten im Zeitraum der vorläufigen Insovenzverwaltung unterliegen dem Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 1 InsO. Damit verbunden ist im Ergebnis die Sachbefugnis des klagenden Insolvenzverwalters aus § 80 Abs. 1 InsO, wonach er zur Verwaltung des und Verfügung über das zur Insolvenzmasse gehörende(n) Vermögen(s) berufen ist.
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a) Die Forderungen aus einer selbständigen Tätigkeit, die vor der Freigabe der entsprechenden Tätigkeit – wie hier mit Wirkung zum 01.01.2020 durch das datumsgleiche Schreiben des Insolvenzverwalters – entstanden sind, gehören zur Insolvenzmasse (vgl. Braun, InsO, 9. Aufl 2022, § 35 InsO, Rn. 146 mit weiteren Nachweisen zur BGH-Rechtsprechung), wie sich mittelbar bzw. im Umkehrschluss auch § 35 Abs. 2 S. 1 InsO entnehmen lässt.
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b) Bei den vorliegend begehrten Überschüssen des Beklagten aus seiner gewerblichen Untervermietung im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung handelt es sich auch um eine Masseverbindlichkeit, so dass sich die Aktivlegitimation des Klägers aus § 80 Abs. 1 InsO ergibt. Es handelt sich gerade nicht um eine insolvenzfreie Neuforderung der von der Masseverkürzung im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung betroffenen Gläubiger (vgl. zu dieser Abgrenzungsfrage etwa BGH, NJW 2022, 2276, Rn. 20).
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aa) Hinsichtlich des Zeitrahmens liegt der vorliegende Fall, in dem es um den Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung geht, zwischen den Zeiträumen der beiden Entscheidungen des BGH, NJW 2022, 242 (= Verkürzung der Masse durch die Verschiebung von Vermögensbestandteilen vor Insolvenzverfahrenseröffnung, wobei eine vorläufige Insolvenzverwaltung nicht angeordnet worden war) einerseits sowie NJW 2022, 2276 (Vereinnahmung von Untermieten aus privat veranlasster Untervermietung nach Insolvenzverfahrenseröffnung) andererseits. Im letzteren Fall konnte der BGH die Frage nach der Aktivilegitimation offenlassen, weil schon eine verbleibende Bereicherung als Rechtsfolge eines etwaigen Anspruchs aus § 816 Abs. 2 BGB – anders als vorliegend – ausgeschlossen war.
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bb) Überdies liegt für den relevanten Zeitraum der Fall des sogenannten „schwachen“ Insolvenzverwalters vor, da im Beschluss über die vorläufige Insolvenzverwaltung vom 05.08.2019 kein allgemeines Verfügungsverbot gegen den Schuldner verhängt worden war, sondern lediglich gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO angeordnet worden war, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, wobei unter diese Anordnung auch die Einziehung von Außenständen fällt. Überdies durften nach dem genannten Beschluss die Drittschuldner nur an den vorläufigen Insolvenzverwalter leisten, es sei denn, dieser stimmte der Leistung an den Schuldner zu.
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cc) Für den Fall des Zustimmungsvorbehalts des vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO verweist § 24 Abs. 1 InsO bezüglich der Rechtsfolgen bei Zahlungen von Drittschuldnern an den Insolvenzschuldner auf § 82 InsO. Nach § 82 InsO ist für das Freiwerden der Drittschuldner von ihrer Leistungspflicht gegenüber der Insolvenzmasse grundsätzlich maßgeblich, ob diese im Moment der jeweiligen Zahlung von der vorläufigen Insolvenzverwaltung und dem Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters auch betreffend Forderungseinziehungen bzw. dem an die Drittschuldner gerichteten Zahlungsverbot an den Schuldner Kenntnis hatten.
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Für den Fall des Freiwerdens des gutgläubigen Drittschuldners von der Leistungspflicht gegenüber der Insolvenzmasse setzt jedoch das Gesetz ungeschrieben einen entsprechenden Ausgleichsanspruch der verkürzten Insolvenzmasse gegen den Schuldner voraus. Andernfalls wäre das System des Zustimmungsvorbehalts des vorläufigen Insolvenzverwalters auch zu Einziehungen von Außenständen des Schuldners ein weitestgehend „zahnloser Tiger“, da der Mittelzufluss beim Schuldner durch die Erfüllungsleistungen der Drittschuldner bei diesem verbliebe. Von einem entsprechenden Ausgleichsanspruch der Insolvenzmasse gegen den Schuldner gehen offensichtlich auch – soweit ersichtlich – sämtliche Kommentare zur Insolvenzordnung aus, da in jedem dieser Kommentare die Möglichkeit des Insolvenzverwalters, bei fehlender Gutglaubenswirkung nach § 82 InsO die Zahlung des Drittschuldners nach § 182 Abs. 2 S. 1, 1. Var. BGB zu genehmigen, diskutiert wird. Wenn ein solcher Ausgleichsanspruch nach § 816 Abs. 2 BGB dann nicht bestünde, würde sich der (vorläufige) Insolvenzverwalter jeweils schadensersatzpflichtig machen, wenn er durch Genehmigung eine Erfüllungswirkung herbeiführt, ohne dass der Masse ein entsprechender Abschöpfungsanspruch gegen den bereicherten Schuldner zustünde. Auch in der Rechtsprechung des BGH ist verschiedentlich eine solche Genehmigungsmöglichkeit teilweise bereits des vorläufigen Insolvenzverwalters (vgl. etwa BGH, NZI 2010, 938, Rn. 16 [letzter Satz]) und erst recht des Insolvenzverwalters anerkannt worden (vgl. BGH, NZI, 2012, 803). Auch ein ehemaliger Richter des für Insolvenzrecht zuständigen IX. Zivilsenats des BGH geht in einem Aufsatz wie selbstverständlich davon aus, dass die nach § 82 InsO unwirksame Zahlung eines Drittschuldners auch direkt an den Insolvenzschuldner (und nicht etwa nur an einen von diesem bestimmten Treuhänder, was nach der Rechtsprechung des BGH dann ein Fall des § 81 InsO wäre) vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter genehmigbar ist (vgl Gehrlein, WM 2014, 485, 488; vgl. ferner Karsten Schmidt, InsO, § 82 InsO, Rn. 8, der überdies sogar vom Insolvenzverwalter verlangt, das von dem Drittschuldner dem Insolvenzschuldner Zugewandte zunächst vom Insolvenzschuldner einzufordern, welcher zur Herausgabe verpflichtet sei, andernfalls der Drittschuldner dem Insolvenzverwalter gegen seine zweite Inanspruchnahme den Arglisteinwand, § 242 BGB, entgegenhalten könne). Für den Anspruch spricht auch die gesetzgeberisch zugedachte Funktion der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, Vermögensverluste durch Handlungen des Schuldners zu verhindern (vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 116).
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dd) Das Gericht übersieht dabei auch nicht die Einwände, die einem solchen Anspruch entgegenstehen könnten, aus den Entscheidungen des BGH, NJW 2022, 242, Rn. 8ff. sowie NJW 2276, Rn. 22. Dennoch lässt sich der Bereicherungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB der Masse gegen den Insolvenzschuldner in diesem besonderen Stadium der vorläufigen Insolvenzverwaltung damit in Einklang bringen.
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(1) Zum einen stellt der Anspruch, da er entweder – bei Gutgläubigkeit, § 24 Abs. 1 i.V.m. § 82, S. 1 InsO – ipso iure oder aber im Falle der Genehmigung, § 185 Abs. 2 S. 1, 1. Var. BGB, der Zahlung(en) der Drittschuldner zunächst durch den vorläufigen Insolvenzverwalter oder später den Insolvenzverwalter mit Wirkung ex tunc entsteht, vgl. § 184 Abs. 1 BGB, zeitlich gesehen jedenfalls eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO dar und gerade keine insolvenzfreie Neuforderung der von einer Masseverkürzung betroffenen Gläubiger, da die Zahlungen der Drittschuldner an den Insolvenzschuldner sämtlich nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, aber vor Insolvenzverfahrenseröffnung erfolgt sind.
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(2) Die Aktivlegitimation folgt im vorliegenden Fall auch nicht erst aus § 92, S. 1 InsO wie im Fall der Vermögensverschiebungen des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (so im Fall BGH, NJW 2022, 242), dem vorausgehend gerade keine vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet war. Dies ergibt sich daraus, dass – wie oben dargelegt – die beim Schuldner eingegangenen Beträge unmittelbar mit Zahlung zunächst der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters und später des Insolvenzverwalters unterlegen haben. Zwar findet § 22 Abs. 1 InsO nur auf den sogenannten „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter Anwendung, d.h. wenn dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot i.S.d. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 1. Alt. InsO auferlegt worden ist. Innerhalb des durch das Insolvenzgericht abgesteckten Zuständigkeits- und Befugnisrahmens ist jedoch auch der vorläufige Insolvenzverwalter sachkompetent. Für den Insolvenzverwalter ergibt sich dann die Sachbefugnis aus § 80 Abs. 1 InsO (i.V.m. § 35 Abs. 1 InsO). Die Problematik, dass § 92, S. 1 InsO keine Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen den Schuldner selbst wegen Masseverkürzung erfassen soll, spielt daher vorliegend keine Rolle.
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(3) Auch die übrigen Argumente der Entscheidung BGH, NJW 2022, 242, Rn. 12ff. Vermögen die gesetzliche Wertung des § 24 Abs. 1 InsO i.V.m. § 82 InsO sowie der allgemein anerkannten Genehmigungsmöglichkeit des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bei fehlendem Gutglaubensschutz (s.o.) nicht zu beseitigen. Aus dieser grundlegenden Systematik folgt bereits, dass ein Erlöschen einer entsprechenden Forderung aus § 816 Abs. 2 BGB gegen den Schuldner wegen Konfusion, d.h. gleichzeitiger Gläubiger- und Schuldnerrolle, vom Gesetz nicht vorgesehen ist, da andernfalls das System des Zustimmungsvorbehalts zu Gunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters leerliefe.
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(4) Anders als in der Entscheidung BGH, NJW 2022, 242, in der es keinen vorläufigen Insolvenzverwalter gab, sieht das Gesetz in der vorliegenden Konstellation im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung gerade eine Beteiligung des vorläufigen Insolvenzverwalters bis zur Entscheidung über die Insolvenzverfahrenseröffnung vor, um eine nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten, § 21 Abs. 1 InsO, sofern das Insolvenzgericht, wie vorliegend geschehen, einen solchen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Dieser könnte der geschilderten Aufgabe, die Masse zusammenzuhalten, jedoch nur unvollkommen nachkommen, wenn er im Fall des § 82 InsO (i.V.m. § 24 Abs. 1 InsO) bei Zustimmungsvorbehalt nicht auch vom Schuldner die vereinnahmten Beträge herausverlangen könnte. In diese Rolle des vorläufigen Insolvenzverwalters tritt sodann der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung ein.
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(5) Dass schließlich der Schuldner nach Insolvenzverfahrenseröffnung regelmäßig nicht mehr über Mittel verfügen wird, aus denen er einen vom Verwalter für die Insolvenzgläubiger geltend gemachten Zahlungsanspruch befriedigen könnte (vgl. BGH, NJW 2022, 242, Rn. 13), mag sein, rechtfertigt es jedoch nicht, von vornherein bereits den materiellrechtlichen Anspruch auszuschließen. Es bleibt mindestens immer noch die freiwillige Erfüllung des Anspruchs durch Familie o.ä.
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(6) Schließlich zeigt die Entscheidung BGH, NJW-RR 2014, 617, nach der ein Schuldner nach Freigabe seiner selbstständigen Tätigkeit im eröffneten Insolvenzverfahren verpflichtet ist, aus einem tatsächlich erwirtschafteten Gewinn dem Insolvenzverwalter den pfändbaren Betrag nach dem fiktiven Maßstab des § 295 II InsO abzuführen und der wegen der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners von diesem an die Masse abzuführende Betrag vom Insolvenzverwalter auf dem Prozessweg geltend zu machen ist, dass ein vom Insolvenzverwalter im allgemeinen ZPO-Prozesswege geltend gemachter Anspruch gegen den Schuldner dem deutschen Recht doch nicht völlig fremd ist. Die oben geschilderten Besonderheiten aus der Wertung des „24 Abs. 1 i.V.m. § 82 InsO und der allgemein anerkannten Genehmigungsmöglichkeit des (vorläufigen) Insolvenzverwalters gebieten einen solchen Anspruch auch in der vorliegenden Konstellation.
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II. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 816 Abs. 2 BGB, Leistungen an einen Nichtberechtigten, die dem Berechtigten gegenüber wirksam sind, liegen vor.
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1. Es liegen jeweils Leistungen der Untermieter in Form ihrer monatlichen Mietzahlungen an den Beklagten als Nichtberechtigten vor. In dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 05.08.2019 zur vorläufigen Insolvenzverwaltung wurde zur Vermeidung einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners, einschließlich der Einziehung von Außenständen, nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, § 21 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO und den Drittschuldnern verboten, ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters noch an den Schuldner zu leisten. Es fehlte dem Beklagten trotz Gläubigerstellung aus den Untermietverträgen mithin ausnahmsweise an der ausreichenden, alleinigen Forderungszuständigkeit. Hinsichtlich einer womöglich behaupteten Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters durch aktives Tun, welcher nicht identisch mit dem Kläger ist, zur Einziehung der Mieteinnahmen aus der gewerblichen Untervermietung, welche vom Kläger zulässigerweise bestritten wurde, ist der Kläger beweisfällig geblieben. Allein aus einem bloßen Unterlassen des vorläufigen Insolvenzverwalters, die Untermietforderungen zu sichern, kann jedenfalls noch keine den jeweiligen Zahlungen vorangehende Einwilligung, § 183 Abs. 1 BGB, von ihm in die Zahlungen der Untermieter direkt an den Beklagten gesehen werden, wie es aber erforderlich wäre, um den Beklagten im jeweiligen Leistungszeitpunkt als Berechtigten anzusehen.
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2. Die monatlichen Mietzahlungen der Untermieter an den Beklagten sind dem Kläger gegenüber in Folge Genehmigung, § 185 Abs. 2 S. 1, 1. Var. BGB, wirksam.
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a) Hinsichtlich der Rechtsfolgen bei damit gegebenem Verstoß gegen § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 (2. Alt.) InsO im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung verweist § 24 Abs. 1 InsO auf die Gutglaubensvorschrift des § 82 InsO, wonach es darauf ankommt, ob die Untermieter jeweils bei Bezahlung der Monatsmieten von der vorläufigen Insolvenzverwaltung und dem Zustimmungsvorbehalt zu Gunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters auch bezüglich der Einziehung von Forderungen wussten. Nach dem Grundsatz des § 82, S. 1 InsO muss derjenige, der sich auf die gutgläubige Erfüllungswirkung beruft – vorliegend der Kläger als sich auf § 816 Abs. 2 BGB Stützender – die entsprechende Nichtkenntnis darlegen und beweisen. Entsprechender Vortrag, auch zur Vermutung nach § 82, S. 1 InsO, ist nicht erfolgt.
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b) Der Kläger hat jedoch mit der vorliegenden Anspruchsbegründung, §§ 253 Abs. 1, 697 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, welche dem Beklagten am 30.08.2022 zugestellt wurde, konkludent die unwirksamen Zahlungen der Untermieter an den Beklagten genehmigt, § 185 Abs. 2 S. 1, 1. Var. BGB, und damit der Insolvenzmasse gegenüber wirksam gemacht. Der Insolvenzverwalter ist befugt, eine unwirksame Leistung des Drittschuldners an den Schuldner oder an einen von diesem Ermächtigten zu genehmigen. In der Klageerhebung kann regelmäßig die Genehmigung der Leistung an einen Nichtberechtigten gesehen werden, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt wird. Eine solche Annahme ist jedenfalls gerechtfertigt, wenn die Klagebegründung die Voraussetzungen eines den Anspruch aus § 816 II BGB ausfüllenden Tatsachenvortrags enthält (vgl. BGH, NJW-RR 2012, 1129, Rn. 16f.; BGH, NJW-RR 2009, 705 = NZI 2009, 244 = WM 2009, 517 Rdnr. 8). Dies ist vorliegend schon durch den Tatsachenvortrag sowie daran anschließend die rechtliche Würdigung in der Anspruchsbegründung vom 24.08.2022, Bl. 15f. d.A., geschehen, welche sich insbesondere auch auf bereicherungsrechtliche Ansprüche stützt (mag auch die explizite Bezugnahme auf § 816 Abs. 2 BGB erst durch Folgeschriftsätze als Reaktion auf den gerichtlichen Hinweis vom 17.11.2022 bzgl. § 816 Abs. 2 BGB, Bl. 35 d.A., erfolgt sein).
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III. Der Beklagte schuldet damit grundsätzlich gemäß § 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB die Herausgabe der vereinnahmten Mietzahlungen abzüglich seiner Kosten, wie vom Kläger zutreffend in Anlage K4 berechnet, und abzüglich der am 04.01.2021 gezahlten (§ 362 Abs. 1 BGB) 1.500 €; im Übrigen gilt § 308 Abs. 1 ZPO. Daraus ergibt sich der Klageforderungsbetrag.
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IV. Der Kläger kann sich auch nicht erfolgreich auf Entreicherung, § 818 Abs. 3 BGB, berufen, auch wenn § 818 Abs. 3 BGB auch auf den Bereicherungsanspruch nach § 816 BGB grundsätzlich anwendbar ist (vgl. Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 818 BGB, Rn. 27).
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1. Eine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB setzt jedoch einen Zusammenhang zwischen Vor- und Nachteil dergestalt voraus, dass der fragliche Vermögensnachteil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise adäquat-kausal auf der Bereicherung, d.h. dem rechtsgrundlosen Vermögenszuwachs, beruht. Das setzt zunächst voraus, dass der Bereicherungsschuldner ohne diesen Zuwachs den Vermögensverlust nicht erlitten hätte (vgl. Grüneberg a.a.O., Rn. 29). Daher stellt auch die Befreiung von Verbindlichkeiten, wie sie vorliegend in Form der Zahlung der privaten Krankenversicherung durch den Beklagten sowie zur Erfüllung von Unterhaltspflichten gegenüber seiner Familie geltend gemacht werden, eine fortbestehende Bereicherung dar, da insoweit das Schuldnervermögen lediglich umverteilt wurde (vgl. Grüneberg, a.a.O., Rn. 45). Hinsichtlich des Verbrauchs zur eigenen Lebensgestaltung des Schuldners besteht die Bereicherung grundsätzlich fort, wenn er hierdurch Ausgaben erspart hat, die er auch ansonsten hätte tätigen müssen. Bei den Ausgaben des täglichen Lebens versteht sich von selbst, dass der Beklagte diese auch so hätte bestreiten müssen.
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2. Schließlich ist dem Beklagten überdies die Berufung auf Entreicherung nach § 819 Abs. 1 BGB versagt, da er – unstrittig – Kenntnis von dem Beschluss über die vorläufige Insolvenzverwaltung durch das AG Fürth vom 05.08.2019 und damit auch von dem darin angeordneten Zustimmungsvorbehalt auch bzgl. der Einziehung von Außenständen zu Gunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters hatte. Die erforderliche positive Rechtsfolgenkenntnis war damit gegeben, da ihm klar war, dass der Zustimmungsvorbehalt gerade dazu bestand, um ihm allein, ohne Zutun des vorläufigen Insolvenzverwalters, nicht die Forderungseinziehung zu ermöglichen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709, S. 1 und S. 2 ZPO.