Titel:
Vertretungsbefugnis eines mitsorgeberechtigten Elternteils für die Geltendmachung von Kindesunterhalt, wenn sich das Kind fünfzehn Nächte im Monat bei dem anderen Elternteil aufhält
Normenketten:
BGB § 1612b Abs. 1, § 1629 Abs. 2 S. 2
FamGKG § 40, § 51
Leitsätze:
1. Die Vertretungsbefugnis des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB setzt voraus, dass sich die Kinder in der Obhut eines Elternteils befinden. Dafür genügt es, wenn bei diesem Elternteil ein eindeutig feststellbares, aber nicht notwendigerweise großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind vorliegt. Dem zeitlichen Umfang kommt dabei eine indizielle, aber erhebliche Bedeutung zu (ebenso BGH BeckRS 2014, 23279). (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Bemessung der zeitlichen Betreuungsanteile sind grundsätzlich weder die Nächte noch die Zeit in Schule, Kindergarten oder sonstiger Betreuungseinrichtung, noch die Ferien außer Acht zu lassen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Bemessung des Betreuungsanteils bietet es sich an, von den bei einem Elternteil unter Einbeziehung der bisherigen Handhabung prognostisch verbrachten Nächten auszugehen (ebenso OLG Dresden BeckRS 2021, 37320). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Verbringet das Kind monatlich fünfzehn Nächte bei einem Elternteil, ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass bei dem anderen Elternteil ein Übergewicht hinsichtlich der tatsächlichen Fürsorge vorliegt, sodass er für die Geltendmachung von Kindesunterhalt gemäß § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB nicht vertretungsbefugt ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
paritätisches Wechselmodel, Kindergeld, Mindestunterhalt, Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge, Betreuungsanteil, Vertretungsbefugnis, Obhut eines Elternteils
Vorinstanz:
AG Fürstenfeldbruck, Endbeschluss vom 26.01.2023 – 6 F 504/22
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 10.04.2024 – XII ZB 459/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48677
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers vom 22.02.2023 gegen den Endbeschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck – Familiengericht – vom 26.01.2023 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Auszahlung des hälftigen Kindergeldes ab Juni 2022 bis Oktober 2022 in Höhe von 1.250 € wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller zu gleichen Teilen?
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.129 € festgesetzt.
Gründe
1
Vorliegend machen die minderjährigen Kinder, vertreten durch den Vater, Kindesunterhalt gegenüber der Mutter geltend. Sie haben erstinstanzlich beantragt, die Antragsgegnerin jeweils zur Zahlung von Mindestunterhalt in der jeweiligen Altersstufe zu verpflichten. Es wurde erstinstanzlich außerdem die Zustimmung der Mutter dazu verlangt, dass das Kindergeld an den Vater ausbezahlt wird.
2
Zum Kindergeld haben die Beteiligten mit Zwischenvergleich vom 03.11.2022 in Ziffer 2 folgendes vereinbart:
„Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, mit Wirkung ab 01.11.2022 die Hälfte des Kindergelds für die beiden gemeinsamen Kinder an den Antragsteller weiterzuleiten.“
3
Den Umgang haben die Beteiligten seit November 2021 und nochmals mit Vereinbarung vom 07.04.2022 wie folgt geregelt:
„Die Betreuung an den Wochenenden (beginnend ab Freitag nach der Schule/nach dem Kindergarten bis zum Montag zur Schule/zum Kindergarten) und in den Schulferien werden hälftig aufgeteilt. Ansonsten soll die Antragsgegnerin die Kinder an den sieben Tagen im Monat (jeweils beginnend bereits mit dem Vorabend ab 18 Uhr) betreuen, an denen der Vater in der Pflege arbeiten muss und ansonsten beim Vater leben.“
4
Die Beteiligten tragen im einzelnen zum praktizierten Umgang vor. Insoweit wird auf die vorgelegten Dienstpläne (August bis Dezember 22, Anlagen zu Bl. 19 und 36), Kalender (Januar bis August 2022, Anlage zu Bl. 21) und die dazu gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Danach verbringen die Kinder die Nacht vor und nach dem Arbeitstag des Vaters bei der Mutter.
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Das Amtsgericht hat die Anträge als unzulässig zurückgewiesen. Es fehle an einer Vertretungsbefugnis des Vaters nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB, weil die Kinder im paritätischen Wechselmodell betreut werden. Für den geltend gemachten Anspruch auf Zustimmung der Mutter zur Auszahlung des Kindergeldes an den Vater fehle es den Kindern als Antragsteller am Rechtsschutzbedürfnis. Es handele sich alleine um eine Streitigkeit zwischen den Eltern.
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Gegen die Zurückweisung des Antrages auf Zahlung von Mindestunterhalt richtet sich die Beschwerde der Antragsteller vom 22.02.2023.
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Es liege kein paritätisches Wechselmodel vor, vielmehr ergebe sich aus den vorgelegten Dienstplänen, dass der Vater die Kinder zu 80% betreue. Der Vater arbeite an sieben Tagen, die Mutter an zwanzig Tagen im Monat. Er betreue die Kinder umfassend, auch im Hinblick auf Arztbesuche, Besuche bei Freunden, Schulaufgaben und Sport. Es fehle außerdem an der Kommunikation zwischen den Eltern, die Voraussetzung für ein Wechselmodell sei. Die Eltern lägen im ständigen Streit bis hin zu Strafanzeigen. Die Mutter lasse die Kinder auch durch die Oma betreuen. Sie habe sie ohne Absprache mit dem Vater bei der Schule und Mittagsbetreuung und bei Sportaktivitäten angemeldet. Es sei bei Abschluss der Umgangsvereinbarung gerade kein paritätisches Wechselmodell vereinbart worden Sie beantragen,
den Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben und die Antragsgegnerin zur Zahlung von Mindestunterhalt zu verpflichten wie folgt:
„Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle für die gemeinsamen Kinder …, geboren … und …, geboren … zu Händen des Antragstellers monatlich im Voraus, spätestens bis zum 3. eines Monats, nach Stufe 1 zu zahlen in Höhe von vormals 341,50 € für … und 341,50 € für … Diese Unterhaltszahlung gilt rückwirkend zum 1.6.2022, so dass aufgelaufener Unterhalt nachzuzahlen ist. Dieser Unterhaltsbetrag wird entsprechend den Anpassungen in der Düsseldorfer Tabelle angepasst. Die Antragsteller beantragen außerdem,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, das hälftige Kindergeld ab Juni 2022 bis Oktober 2022 (250 € x 5 Monate) in der Höhe von insgesamt 1.250 € zu Händen des Antragstellers zu zahlen.“
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Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
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Dem Sachvortrag der Antragsgegnerin zum Betreuungsumfang seien die Antragsteller nicht entgegengetreten. Es liege eine gleichwertige Betreuung vor. Die Arbeitstage des Vaters ergäben sich aus den vorgelegten Dienstplänen. An den Arbeitstagen des Vaters wechselten die Kinder am Vorabend zur Mutter und seien bei ihr bis zum Schulbeginn am Tag danach. Ein Schwergewicht der Betreuung durch den Vater werde bestritten, auch im Hinblick auf Sport, Freunde, Ärzte und Schulaufgaben. Es sei mit der Vereinbarung zum Umgang vom 07.04.2022 ein paritätisches Wechselmodell vereinbart worden. Für eine Verpflichtung zur Auszahlung des Kindergeldes sei das Familiengericht nicht zuständig.
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Die Beschwerde vom 22.03.2023 richtet sich gegen die Zurückweisung der Anträge auf Zahlung des Kindesunterhalts. Diese Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt nach § 63 FamFG und begründet nach § 117 Abs. 1 FamFG. Der Beschwerdewert nach § 61 FamFG ist erreicht.
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Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat die Anträge auf Zahlung von Kindesunterhalt im Ergebnis zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil die Antragsteller durch ihren Vater nicht wirksam vertreten werden konnten nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB (OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. Februar 2022 – 16 UF 113/21 –, juris).
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Die Vertretungsbefugnis des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB setzt voraus, dass sich die Kinder in der Obhut des Vaters befinden.
13
Dafür genügt nach der Rechtsprechung des BGH, wenn bei diesem Elternteil ein eindeutig feststellbares, aber nicht notwendigerweise großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind vorliegt. Dem zeitlichen Umfang kommt dabei eine indizielle, aber erhebliche Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2014 – XII ZB 234/13 –, juris, Rn 17; BGH, Beschluss vom 5. November 2014 – XII ZB 599/13 –, juris, Rn. 22; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 14. April 2022 – 9, UF 155/21 –, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 30. September 2021 – 20 UF 421/21 –, juris; Themengutachten, DIJuF-Rechtsgutachten, 1. Auflage, Edition 44 2023, Rn 5; § 2 Kindes-, Eltern- und sonstiger Verwandtenunterhalt, Klinkhammer in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis,10. Auflage 2019 Rn. 448). Dabei schadet es nicht, wenn sich das für die Betreuung zuständige Elternteil von einem Dritten unterstützen lässt (OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. Februar 2022 – 16 UF 113/21 –, juris; BeckOGK/Amend-Traut BGB § 1629 Rn. 81; Wendl/Dose a.a.O.). Es kann auch nicht darauf ankommen, ob sich die Betreuungszeiten innerhalb eines Monats gleichmäßig verteilen. Zu berücksichtigen wäre neben der zeitlichen Verteilung, insbesondere wenn die Zeitanteile nahe beieinander liegen, wenn einer der Eltern die Hauptverantwortung in der Gestaltung und Organisation des Alltags trägt (Themengutachten a.a.O.).
14
In Rechtsprechung und Literatur ist bisher nicht abschließend geklärt, ob trotz eines geringen Übergewichts eines Elternteils, also bei einem Betreuungsanteil zwischen 45% und 55% von einem Wechselmodell im unterhaltsrechtlichen Sinne auszugehen ist, so dass eine Vertretungsbefugnis nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB ausscheidet (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.12.2016 – 11 UF 673/16, NZFam 2017, 257; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 14. April 2022 – 9, UF 155/21 –, juris; OLG Köln, Beschluss vom 21. März 2014 – II-4 UF 1/14 –, juris; Themengutachten, a.a.O., § 1629 BGB jurisPK-BGB 10. Aufl. / Bullmann, Rn. 60; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. Februar 2022 – 16 UF 113/21 –, juris; BeckOGK/Amend-Traut BGB § 1629 Rn. 83).
15
Bei der Bemessung der zeitlichen Betreuungsanteile sind dabei grundsätzlich weder die Nächte (BGH a.a.O; Wendl/Dose a.a.O.) noch die Zeit in Schule, Kindergarten oder sonstiger Betreuungseinrichtung, noch die Ferien außer Acht zu lassen (AG Garmisch-Partenkirchen, Urteil vom 19. November 2007 – 1 F 247/07 –, juris). Die Organisation, Strukturierung und Beaufsichtigung des Alltags unter Einbeziehung von Schule /Kindergarten und organisierten Freizeitaktivitäten, Arztbesuchen etc. stellt ebenso wie die unmittelbare Betreuung eines Kindes gerade mit zunehmendem Alter einen wesentlichen Bestandteil der Betreuung dar, wohingegen die Betreuung von kleinen Kindern in der Nacht erhöhte Anforderungen stellen kann. Es ist nicht veranlasst, danach zu differenzieren, mit welcher Intensität zu welchen Zeiten eine unmittelbare Beaufsichtigung erforderlich ist. Die Betreuungszeiten legen vielmehr fest, wer in welchem Zeitraum für die Kinder und die Organisation der Betreuung zuständig ist, auch im Krankheitsfall, oder im Falle sonstiger unvorhergesehener Ereignisse. Hinzu kommt, dass sich Abläufe im Alltag auch kurzfristig ändern und sich dadurch Abweichungen ergeben können. Solange es sich dabei nur um vorübergehende und unwesentliche Änderungen handelt, dürfen diese keinen Einfluss auf die Frage der Vertretungsbefugnis oder den Unterhalt haben. Dabei kommt es für die Vertretungsbefugnis nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB auf den Zeitpunkt der Entscheidung bzw. eine Prognose darüber an, wie die Betreuung des Kindes praktiziert wird (AG Garmisch-Partenkirchen, Urteil vom 19. November 2007 – 1 F 247/07 –, juris; jurisPK-BGB 10. Aufl. / Bullmann, § 1629 BGB Rn 60).
16
Deshalb kann hier die weiter praktizierte Umgangsvereinbarung vom 07.04.2022 zugrunde gelegt werden. Darauf, ob die Beteiligten mit dieser Vereinbarung der Betreuungszeiten ein Wechselmodell im unterhaltsrechtlichen Sinne beabsichtigt haben, kommt es nicht an. Auch die kindschaftsrechtlichen Voraussetzungen der gerichtlichen Anordnung eines Wechselmodells sind für die unterhaltsrechtliche Beurteilung der Betreuungssituation nicht relevant.
17
Eine stundengenaue Berechnung ist weder zielführend noch erforderlich. Sie ist in der Praxis kaum umzusetzen und führt zu Abgrenzungsschwierigkeiten, wenn die Betreuungsanteile der Eltern nahe beieinander liegen. Es bietet sich deshalb bei der Bemessung des Betreuungsanteils an, von den bei einem Elternteil unter Einbeziehung der bisherigen Handhabung prognostisch verbrachten Nächten auszugehen (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 30. September 2021 – 20 UF 421/21 –, juris). Dabei handelt es sich um ein eindeutiges Kriterium, das in der Regel zu einer sachgerechten Bemessung der Betreuungsanteile führt, ohne dass nach einzelnen Stunden oder Intensität der Betreuung differenziert werden muss und von dem abgewichen werden kann, wenn es wegen Besonderheiten im Einzelfall zu keiner angemessenen Abgrenzung der Betreuungsanteile führt. Die Betreuung in den Nächten wird regelmäßig nicht aufgeteilt, ist damit eindeutig und ist mit Zuständigkeiten am Vortag und am Folgetag verbunden. Diese pauschalierende Betrachtung vermeidet die o.g. Abgrenzungsschwierigkeiten.
18
Danach kann vorliegend nicht von einem Betreuungsschwerpunkt beim Vater ausgegangen werden, für den die Antragsteller die materielle Beweislast tragen.
19
Die Berechnung des Vaters lässt sowohl die Wochenenden unberücksichtigt als auch außer Acht, dass die Kinder bereits am Vortag zur Mutter wechseln, wenn sie an einem Wochentag wegen der Arbeitstätigkeit des Vaters bei der Mutter sind und danach bis zum Schulbeginn am darauffolgenden Morgen bleiben.
20
Demzufolge ergibt sich für den Umfang der Betreuung, dass die Mutter die Kinder zunächst an den Wochenenden von Freitag bis Montag betreut. Das ergibt 3 Übernachtungen pro Wochenende und damit durchschnittlich etwa 6 pro Monat. Hinzu kommen die 7 Tage, an denen der Vater von 08.30 Uhr bis zum nächsten Tag um 08.30 Uhr arbeitet. Am Tag davor wechseln die Kinder um 18 Uhr zur Mutter, aber auch die Übernachtung an diesem Tag findet bei der Mutter statt. Das führt zu einer weiteren Übernachtung dann, wenn der Arbeitstag des Vaters nicht auf einen Montag oder Freitag in der Woche fällt, in der am Wochenende vor oder nach diesem Tag sowieso Umgang bei der Mutter stattfindet. Danach wäre von durchschnittlich mindestens 2 weiteren Übernachtungen auszugehen. Das ergibt einen Anteil von 15 Übernachtungen (6 plus 7 plus 2 Übernachtungen) und schließt einen Betreuungsschwerpunkt beim Vater aus. Dass sich die Mutter dabei von der Großmutter unterstützen lässt, schadet nicht.
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Ein atypischer Fall, der bei einer Bemessung des Betreuungsanteils nach Nächten zu einem unangemessenen Ergebnis führt, liegt nicht vor. Auch bei einer Berechnung der Betreuungsanteile nach Bruchteilen, wie sie das Amtsgericht durchgeführt hat, ergibt sich ein Betreuungsanteil der Mutter von jedenfalls mehr als 45%, wobei hier die Schulzeit, Ferienzeit, aber auch die zusätzlichen Übernachtungen vor einem Arbeitstag des Vaters zu berücksichtigen wären. Eine Abweichung von der pauschalierenden Betrachtung nach Nächten ist dadurch nicht gerechtfertigt.
22
Umstände, die abweichend von der zeitlichen Betrachtung aus anderen Gründen eine Hauptversorgung durch den Vater annehmen lassen, sind, wie das Amtsgericht zu Recht feststellt hat, nicht konkret vorgetragen.
23
Die Beschwerde richtet sich nicht gegen den Teil des Endbeschlusses, mit dem das Amtsgericht den Antrag auf Zustimmung der Mutter zur Auszahlung des Kindergeldes an den Vater zurückgewiesen hat. Stattdessen haben die Antragsteller in der Beschwerdeinstanz ihren Zahlungsantrag erweitert und erstmals die Auszahlung des hälftigen Kindergeldes für den Zeitraum Juni bis Oktober 2022 in Höhe von 1.250 € zu Händen des Vaters beantragt. Die Antragsteller machen damit einen eigenen Anspruch geltend. Ein Anspruch der unterhaltsberechtigten Kinder auf Auskehr des auf den Barbedarf entfallenden Anteils des Kindergeldes kommt grundsätzlich in Betracht, wenn dieser Teil nicht entsprechend der Bestimmung des § 1612 b Abs. 1 BGB zur Deckung des Barbedarfes verwendet wird (Wendl/Dose, a.a.O., § 2, Rn. 781).
24
Auch für die Geltendmachung eines solchen Anspruchs fehlt es aber, unabhängig von der Frage, ob er überhaupt besteht, jedenfalls an der Vertretungsbefugnis des Vaters. Richtigerweise ist ein solcher Anspruch der Kinder als besonders geregelter Unterhaltsanspruch einzuordnen (Staudinger/Klinkhammer, BGB, § 1612b, Rn 85; BeckOGK/Kliebisch BGB § 1612b Rn. 49), so dass sich die Vertretungsbefugnis des Vaters für seine Geltendmachung ebenfalls nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB richtet. Diese Vertretungsbefugnis liegt aus den oben genannten Gründen nicht vor. Ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch des Vaters selbst, der sich auf die Hälfte des Betreuungsanteils des Kindergeldes richtet, ist nicht geltend gemacht (vgl. BGH, 20.04.2016, FamRZ 2016, 1057, Rn. 31f). Eine (gewillkürte) Prozessstandschaft der Kinder kommt wegen der insoweit ebenfalls fehlenden Alleinvertretungsbefugnis des Vaters nicht in Betracht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Rechtsbeschwerde war nach § 70 Abs. 2 FamFG zuzulassen. Es ist bisher nicht abschließend obergerichtlich geklärt, wie im Rahmen der Anwendung des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB der Betreuungsanteil eines Elternteiles zu berechnen ist und ab wann im Bereich zwischen 45% und 55% Betreuungsanteil ein die Obhut i.S.d. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB ausschließendes paritätisches Wechselmodell anzunehmen ist.
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Der Verfahrenswert ergibt sich aus §§ 40, 51 FamGKG.