Titel:
Vollstreckbarerklärung eines türkischen Unterhaltstitels - Voraussetzungen
Normenketten:
HUntVÜ Art. 4 ff.
AUG § 1 Abs. 1 Nr. 2b, Art. 35
HUÜ 2007 Art. 2 Abs. 1 lit. a, lit. b, Art. 25, Art. 56 Abs. 1
Leitsatz:
Die Vollstreckbarerklärung eines türkischen Unterhaltstitels beurteilt sich nach dem Haager Übereinkommen von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (HUntVÜ), das für die Bundesrepublik Deutschland am 1.4.1987 unter anderem im Verhältnis zur Türkei in Kraft getreten ist. Ergänzend ist das Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten (Auslandsunterhaltsgesetz – AUG) vom 23.5.2011 anwendbar. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vollstreckbarerklärung, Unterhaltstitel, Türkei
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 24.11.2021 – 532 F 3013/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 27.03.2024 – XII ZB 291/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48675
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners vom 03.02.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 24.11.2021 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
1
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Vollstreckbarerklärung eines Unterhaltstitels aus der Türkei durch das Amtsgericht München.
2
Die Antragstellerin begehrt, ein Urteil des 3. Familiengerichts K./Türkei, Aktenzeichen 2015/…33, Urteilsnummer 2015/…12, vom 27.10.2015, mit dem der Antragsgegner verpflichtet wurde, an die Antragstellerin ab Rechtskraft des Urteils einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 600,00 € und einen monatlichen Kindesunterhalt für das gemeinsame am ... 2001 geborene Kind B. Ö. in Höhe von 700,00 € zu bezahlen, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären sowie mit einer Vollstreckungsklausel gem. § 41 AUG zu versehen. Das genannte Urteil ist seit dem 27.10.2015 rechtskräftig.
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Mit Schriftsatz vom 14.04.2020 änderte die Antragstellerin ihren ursprünglichen Antrag auf Vollstreckbarerklärung insoweit, als Unterhalt für den gemeinsamen Sohn B. infolge dessen Umzugs zum Antragsgegner am 27.06.2018 nur für den Zeitraum von 27.10.2015 bis 27.06.2018 begehrt werde.
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Die Antragstellerin hat ihren ständigen Aufenthaltsort in der Türkei. Die Antragstellerin hat am 18.02.2019 zunächst beim Amtsgericht Augsburg die Anerkennung und Vollstreckung des vorgenannten Unterhaltstitels beantragt. Dem Antrag beigefügt waren eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils des 3. Familiengerichts K./Türkei, Aktenzeichen 2015/833, Urteilsnummer ..., vom 27.10.2015, in vollem Wortlaut. Der Antrag wurde dann zunächst beim Landgericht Augsburg eingetragen, an das Amtsgericht Augsburg weitergeleitet und sodann an das Amtsgericht München – Familiengericht – verwiesen.
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Antragsgemäß erließ das nach § 35 AUG zuständige Amtsgericht München am 24.11.2022 den Beschluss, mit dem es den o.g. Titel anerkannte und für vollstreckbar erklärte sowie anordnete, ihn mit der Vollstreckungsklausel nach § 41 AUG zu versehen. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 07.01.2022 zugestellt.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 03.02.2022, beim Amtsgericht München eingegangen am 03.02.2022.
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Der Antragsgegner führt im Wesentlichen aus, dass das Amtsgericht nicht geprüft habe, ob im türkischen Verfahren ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Hinsichtlich der Ansprüche des inzwischen volljährig gewordenen Kindes sei ein Wechsel in der Aktivlegitimation eingetreten; zudem fordere der Sohn, der zwischenzeitlich zum Vater nach Deutschland gezogen sei, keinen Unterhalt vom Vater. Das Urteil hätte in der Türkei vor der Vollstreckung abgeändert werden müssen, was die Antragstellerin unterlassen habe. Eine gesetzliche Prozessstandschaft sei erloschen. Die Beschränkung des Vollstreckbarerklärung hinsichtlich Ziffer 7 des Urteils auf den Zeitraum 27.10.2015 bis 27.06.2018 durch die Antragstellerseite sei ohne Belang, weshalb der Antrag vom 20.08.2020 ins Leere ginge. Auch sei der Antrag zu unbestimmt, da der konkrete Unterhaltsrückstand nicht benannt werde. Zuletzt verstoße die Entscheidung auch gegen den ordre public der Bundesrepublik Deutschland, weil es den drastischen Wertverfall der türkischen Lira nicht berücksichtigt habe. Zudem sei in der Türkei seit November 2021 ein Abänderungsverfahren anhängig, so dass dieses Verfahren vorläufig ruhend zu stellen sei.
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Die Antragstellerin beantragt die Beschwerde zurückzuweisen.
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Mit Verfügung vom 03.08.2022 hat der Senat darauf hingewiesen, dass in Bezug auf die Vollstreckung des nachehelichen Unterhalts als Folgesache zunächst festgestellt sein muss, dass die Entscheidung über die Ehe selbst im Inland anzuerkennen ist, da die Beteiligten nicht nur türkische Staatsanhörige sind. Mit Schriftsatz vom 21.04.2023 legte die Antragstellerin die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts München vom 14.03.2023 vor.
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Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verfügungen des Senats Bezug genommen.
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1. Die Vollstreckbarerklärung eines türkischen Unterhaltstitels beurteilt sich nach dem Haager Übereinkommen von Unterhaltsentscheidungen vom 02.10.1973 (HUntVÜ). Dieses Abkommen ist für die Bundesrepublik Deutschland am 01.04.1987 unter anderem im Verhältnis zur Türkei in Kraft getreten. Ergänzend ist das Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten (Auslandsunterhaltsgesetz – AUG) vom 23.05.2011 anwendbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 2b AUG).
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2. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 24.11.2022 ist zulässig.
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Aus dem vorgelegten Urteil des Familiengerichts K./Türkei vom 27.10.2015, Aktenzeichen 2015/833, Urteilsnummer ..., vom 27.10.2015, das dem Amtsgericht in deutscher Übersetzung vorgelegt wurde, ergibt sich, dass die ausländische Entscheidung rechtskräftig und vollstreckbar ist. Damit war sie auch ohne weitere Prüfung für die Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar zu erklären und die beantragte Vollstreckungsklausel zu erteilen.
14
Der Einwand des Antragsgegners, das Amtsgericht München habe nicht geprüft, ob im türkischen Verfahren ordnungsgemäß zugestellt worden sei, geht ins Leere, da es sich ausweislich der türkischen Entscheidung vom 27.10.2015 um eine einverständliche Scheidung handelte in der Unterhalt in Anwesenheit beider Ehegatten einvernehmlich festgesetzt wurde und das aufgrund des erklärten Rechtsmittelverzichts beider Ehegatten am 27.10.2015 bereits rechtskräftig wurde.
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Die Entscheidung über einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung ergeht nach Art. 57 in Verbindung mit 38 Abs. 1 Satz 1 AUG ohne mündliche Verhandlung. Die nach Art. 17 HUntVÜ vorzulegenden Schriftstücke wurden dem Antrag vom 18.2.2019 beigefügt.
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Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 45 Abs. 1 Satz 1 AUG, 68 III S. 2 FamFG), worauf der Beschwerdeführer mit Verfügung vom 08.06.2022 auch hingewiesen wurde.
17
3. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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3.1 Die förmlichen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung des o.g. Titels sind gegeben.
19
Das HUÜ 2007 findet gemäß Art. 2 Abs. 1 lit.a und b HUÜ 2007 sowohl in sachlicher wie personeller Hinsicht Anwendung. Auch der zeitliche Anwendungsbereich des Übereinkommens gem. Art. 56 Abs. 1 HUÜ 2007 ist gegeben.
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Die nach Art. 25 HUÜ 2007 erforderlichen Schriftstücke (vollstreckbare Ausfertigung des o.g. Urteils (Abs. 1 lit. a) und b) und Rückstandsaufstellung (lit.d)) wurden dem Antrag beigefügt.
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Das Amtsgericht München war nach § 35 AUG für die Vollstreckbarerklärung zuständig.
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3.2 Es liegt kein Anerkennungshindernis nach Art. 5 HUntVÜ vor, das der Anerkennung und Vollstreckung des o.g. Titel entgegensteht.
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Prüfungsmaßstab sind Art. 4 ff. HUntVÜ. Die Anerkennungsvoraussetzungen nach Art. 4, 17 HUntVÜ liegen vor und werden auch von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen. Anerkennungsversagungsgründe nach Art. 5 HUntVÜ sind nicht ersichtlich und werden von der Antragsgegnerin auch nicht behauptet. Die Gesetzmäßigkeit der ausländischen Entscheidung darf ansonsten gemäß Art. 12 HUntVÜ nicht nachgeprüft werden.
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Ein Verstoß gegen den ordre public ist nicht ersichtlich. Der Verfall der türkischen Lira ist in einem Abänderungsverfahren in der Türkei gegebenenfalls geltend zu machen. Zudem ist der in Deutschland lebende Antragsgegner zur Zahlung eines Unterhalts in Euro verurteilt worden, so dass es aus seiner Sicht nicht auf den Verfall der türkischen Lira ankommt. Allein die Anhängigkeit des Abänderungsverfahrens in der Türkei führt nicht dazu, dass das Vollstreckungsverfahren auszusetzen ist oder das Ruhen des Verfahrens anzuordnen wäre. Die Beschwerdegegnerin hat einem Ruhen des Verfahrens auch nicht zugestimmt.
25
Der türkische Titel weist die Antragstellerin als Berechtigte zur Geltendmachung des Ehegatten- und Kindesunterhalts aus. Soweit etwaige Einwendungen gegen den Titel geltend gemacht werden, ist dies im Rahmen des in der Türkei anhängigen Abänderungsverfahrens geltend zu machen und nicht im Anerkennungsverfahren. Dies gilt für die Dauer des Ehegattenunterhalts und dessen Höhe ebenso wie für den Kindesunterhalt im beantragten Zeitraum. Materielle Einwendungen, die nach § 59a AUG beachtlich wären, sind nicht vorgetragen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 2 AUG i.V.m. § 243 Satz 1 und 2 Nr.1 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, dass der unterlegene Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.
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5. Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist wegen § 46 AUG ebenso entbehrlich wie wegen der Festgebühr der Nr. 1720 KV-FamGKG eine Festsetzung des Verfahrenswerts.
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Die Voraussetzungen für eine Festsetzung des Verfahrenswerts nach § 33 RVG liegen nicht vor.