Titel:
Anleihegläubigerversammlung, Insolvenzverfahren, Beschlussfassung, Gemeinsamer Vertreter, Vergütungsregelung, Haftungsbegrenzung, Interessenkonflikte
Schlagworte:
Anleihegläubigerversammlung, Insolvenzverfahren, Beschlussfassung, Gemeinsamer Vertreter, Vergütungsregelung, Haftungsbegrenzung, Interessenkonflikte
Rechtsmittelinstanzen:
LG München I, Beschluss vom 23.02.2024 – 14 T 1353/24
BGH, Beschluss vom 16.10.2025 – IX ZB 14/24
LG München I, Beschluss vom 23.02.2024 – 14 T 1354/24
BGH, Beschluss vom 16.10.2025 – IX ZB 11/24
LG München I, Beschluss vom 23.02.2024 – 14 T 660/24
BGH, Beschluss vom 16.10.2025 – IX ZB 10/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48565
Tenor
Die Anträge der Anleihegläubiger ..., ... und ..., gerichtet auf die Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung gemäß § 78 InsO betreffend die ...-Anleihe 2020/2025, werden zurückgewiesen.
Gründe
1
In der ordnungsgemäß einberufenen Anleihegläubigerversammlung gemäß § 19 Abs. 2 SchVG vom 27.11.2023 fassten die anwesenden bzw. vertretenen Gläubiger der Anleihe 2020/2025 den zur Veröffentlichung gebrachten Beschluss (Blatt 122/124 d. A.), womit die ... zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger gewählt und zudem deren Vergütung und Haftung geregelt wurde. Bezüglich des Zustandekommens des Beschlusses darf vollumfänglich auf die Terminsniederschrift Bl. 118/121 d. A. verwiesen werden.
2
Der BGH hat mit der Entscheidung vom 16.11.2017 – IX ZR 260/15 bestätigt, dass die Kontrolle der Beschlüsse der ersten Gläubigerversammlung wegen des allgemeinen Vorrangs des Insolvenzrechts nach § 78 InsO zu erfolgen hat. Die im Termin anwesenden Anleihegläubiger ..., ... und ... beantragten zu Protokoll die Aufhebung des Beschlusses nach § 78 InsO. Zur Begründung führte ... aus, dass die Vergütungsvereinbarung im einheitlichen Beschlussvorschlag nicht als angemessen iSd. SchVG betrachtet werden könne und zu weit darüber hinaus gehe und damit den Interessen der Gläubiger zuwiderlaufe. Eine ... könne zudem kein gemeinsamer Vertreter nach dem SchVG sein. ... verwies weiterhin auf den Beschluss in Sachen, bei der keine ausländische Gesellschaft zur Wahl zugelassen wurde. ... führte aus, dass überhaupt keine Vollmacht der ... vorliege und das Amt damit auch nicht angenommen werden könne. Weiterhin wurde gerügt, dass keine Weisungen existieren, wie ... in der Sache abzustimmen hätte. ... machte sich die Begründung des ... zu eigen.
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Im Nachgang zum Termin wurde den Antragstellern sowie dem gewählten gemeinsamen Vertreter eine Protokollabschrift übersandt und Gelegenheit zur weiteren Begründung binnen einer Woche eingeräumt. Eine längere Frist war aufgrund der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit nicht zu gewähren.
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Mit Schriftsatz vom 03.12.2023 ergänzte ... die Begründung seines Antrags wie folgt:
„Da die Anleihebedingungen nicht vorsehen, dass die Gläubiger nach § 5 Abs. 1 SchVG einen gemeinsamen Vertreter bestellen können, sei eine Einberufungskompetenz des Insolvenzgerichts nach § 19 Abs. 2 SchVG nicht gegeben. Weiter habe keine Beschlussfähigkeit der Versammlung hinsichtlich des gestellten Antrags vorgelegen, da § 19 Abs. 2 SchVG lediglich die Möglichkeit der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters als Gegenstand der Beschlussfassung vorsehe. Im Einklang mit der herrschenden Literaturmeinung habe das Amtsgericht München im Verfahren ... (... ) entschieden, dass lediglich die Bestellung des gemeinsamen Vertreters in der Versammlung vor dem Insolvenzgericht zulässig sei. Der entsprechende Protokollauszug wurde zitiert. Gleiches treffe hier auf die im Beschlussvorschlag enthaltene Vergütungsregelung zu, welche von der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 6 SchVG abweiche, wonach der Schuldner die Kosten und Aufwendungen der Bestellung des gemeinsamen Vertreters sowie dessen angemessene Vergütung zu tragen habe. Es sei nicht erkennbar, warum das RVG, das der vorliegenden Regelung zugrunde liege, auf eine Schweizer Firma überhaupt anwendbar sein solle. Während bei Streitwertentscheidungen in Insolvenzverfahren grundsätzlich auf die erwartete Insolvenzquote abgestellt werde, solle vorliegend auf den Nominalwert der Forderung abgestellt werden. Die Ermächtigung zur Abrechnung von Kosten externer Berater sei zudem summenmäßig nicht beschränkt. Auch die Ermächtigung zum Einbehalt der Vergütung sowie eine mögliche Haftungsbegrenzung würden von den gesetzlichen Regelungen abweichen und seien damit nicht Beschlussgegenstand einer Versammlung nach § 19 Abs. 2 SchVG. Für entsprechende Beschlussfassungen seien zu späterem Zeitpunkt eigene Gläubigerversammlungen ohne insolvenzgerichtliche Beteiligung unter Anwendung des SchVG einzuberufen. Dies erscheine auch deshalb sachgerecht, da auf der Versammlung nach § 19 Abs. 2 SchVG nur die Anwesenheit eines einzelnen Gläubigers ausreicht, um die Beschlussfähigkeit herzustellen.“
5
Weiter führt ... zu seinen erheblichen Zweifeln an der Geeignetheit des gemeinsamen Vertreters aus: Nach den Ausführungen von Thole (in: Hopt/Seibt, § 7 SchVG, Rn. 7) meine das Gesetz nur inländische juristische Personen, da bei der Wahl einer ausländischen Gesellschaft die Gefahr bestünde, dass die deutschen Anleihegläubiger etwa die Haftung unter § 7 Abs. 3 SchVG nicht durchsetzen können. In der Versammlung habe der anwaltliche Vertreter des Kandidaten Fragen zur Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft nicht beantwortet. Die Geschäftsführer seien nicht anwesend gewesen, was zeige, dass die Sachkunde nicht nachgewiesen werden könne. Die Insolvenzquotenzahlung solle hier offenbar zunächst vom Insolvenzverwalter in die Schweiz transferiert werden, die Gläubiger würden bei möglichen Rechtsstreitigkeiten auf einen ausländischen Gerichtsstand verwiesen. Das ggf. fehleranfällige Modell des gewählten gemeinsamen Vertreters, die an die Gläubiger gerichteten Quotenzahlungen zunächst selbst zu vereinnahmen und anschließend zu prüfen, ob mögliche Hinderungsgründe für eine Auszahlung in der Person des Gläubigers bestehen, sei unüblich und für die Gläubiger nachteilhaft sowie risikobehaftet, da für diese ein hoher bürokratischer Aufwand verbunden sei. Dies wiederum widerspreche der Intention des Gesetzgebers, der mit der globalen Anmeldung der Forderung durch den gemeinsamen Vertreter das Verfahren erleichtern wollte. Weiter schildert ... zusätzlichen steuerlichen Aufwand und Nachteile für unerfahrene Anleger, da diese die Auszahlung aktiv anfordern müssen. Im Ergebnis sei das Verfahren ungeeignet für die Verteilung der Insolvenzquoten und zudem fehler- und betrugsanfällig.
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Zuletzt ergeht ein Hinweis auf die beigefügte Presseberichterstattung, wonach ein Geschäftsführer der ... einer Vielzahl von Vorwürfen ausgesetzt sei, welche ihn aus Sicht des Antragstellers ungeeignet für die Position als gemeinsamer Vertreter erscheinen lassen.
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... begründet seinen Antrag nach § 78 InsO mit weiterem Schriftsatz vom 05.12.2023 wie folgt:
„Der Beschlussvorschlag der ... sei bereits unzulässig zur Abstimmung gestellt worden, da weder die noch die ... als eigenständige Gläubiger im nichtöffentlichen Termin präsent gewesen seien, und damit nicht stimm-, vorschlags- oder antragsberechtigt. Es hätten im Termin keine Handelsregisterauszüge, weder der beiden Gesellschaften, noch der Kanzlei ... vorgelegen. Weiter sei davon auszugehen, dass bezüglich ... keine gemäß Punkt II.2.2 des Einberufungsbeschlusses erforderlichen Weisungen bei den Gerichtsakten vorlägen. Bereits die Teilnahme des bevollmächtigten Vertreters der ..., ... sei in der vorausgegangenen ersten Versammlung nicht ordnungsgemäß vom Gericht und/oder den Gläubigern bestätigt worden, sodass dessen Teilnahme nicht legitimiert gewesen sei. Auch hätte ... nach Verlesen der Stimmrechte keine Einwände dagegen erhoben, dass sein Stimmrecht nicht berücksichtigt war.“
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Weiter rügt ... die Unzulässigkeit des Beschlussvorschlages, da dieser im Vorfeld der Versammlung nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden sei. Die Anleihegläubiger seien daher einer Täuschung erlegen und hätten sich nicht interessewahrend positionieren können. Im Einberufungsbeschluss sei als Tagesordnungspunkt nur die Wahl eines gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger angekündigt worden, nicht aber eine Entscheidung über dessen Vergütung oder Sonstiges. Gemäß § 13 Abs. 1 SchVG habe der Einberufende zu jedem Gegenstand, über den die Gläubigerversammlung beschließen soll, in der Tagesordnung einen Vorschlag zur Beschlussfassung zu machen. Soweit in der Tagesordnung nichts anderes angekündigt sei, könne nur der gemeinsame Vertreter bestellt werden, mit der Folge, dass dieser gemäß § 7 Abs. 6 SchVG einen Vergütungsanspruch in angemessener Höhe gegen die Emittentin der Anleihe habe, nicht aber – gleich in welcher Höhe – gegen die Anleihegläubiger. Weiter rügt ..., dass in der ersten Versammlung durch das Gericht nicht die Vorfrage, ob überhaupt ein gemeinsamer Vertreter gewählt werden solle, zur Abstimmung gestellt wurde.
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Dass es der Versammlung an Beschlusskompetenz gefehlt habe, ergebe sich auch aus § 5 Abs. 1 SchVG. Auf die ausführlichen Erläuterungen im Schriftsatz darf an dieser Stelle verwiesen werden. Für die Regelung der Vergütung des gemeinsamen Vertreters gebe es nach Auffassung des Gesetzgebers kein Bedürfnis, weil die Entgeltfrage mit § 7 Abs. 6 SchVG abschließend geklärt sei, im Übrigen müsse ein Vergütungsbeschluss nach Maßgabe der Regelungen des SchVG, d. h. mit Quorum gemäß § 15 Abs. 3 S. 1 SchVG, bzw. einer qualifizierten Mehrheit nach § 5 Abs. 4 S. 2 SchVG gefasst werden. Die Vergütungsregelung selbst sei unangemessen, da sie das Risiko berge, die Quote vollkommen aufzuzehren. Es sei kaum zu rechtfertigen, dass der gemeinsame Vertreter für zwei Anleihen, die in Summe / thematisch ein und dieselbe Interessensvertretung der Anleihegläubiger zur Grundlage haben, „doppelt“ in der beschriebenen Höhe nach RVG und der jeweiligen Anleihe-Nominale „abkassieren“ dürfe. Die Vergütung sei insbesondere in Anbetracht des zu erwartenden Aufgabenspektrums nicht angemessen. Auch ... verweist auf das Risiko einer ggf. erforderlichen länderübergreifenden gerichtlichen Durchsetzung. Unklar bleibe, ob den Vollmachtgebern der ... der Beschlussvorschlag mit seinen Folgen überhaupt zur Kenntnis gebracht worden sei.
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Schließlich verweist der Antragsteller auf mögliche Interessenskonflikte, da die ..., vertreten durch ihren Geschäftsführer ..., bereits als Gläubigerausschussmitglied bestellt sei.
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Auch durch die ... wurde mit Schriftsatz vom 08.12.2023 eine weitere Stellungnahme abgegeben. Dieser ist die durch den Geschäftsführer ... zugunsten Herrn Rechtsanwalt ... erteilte Vollmacht vom 22.11.2023 beigefügt.
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Die Anträge der bezeichneten Anleihegläubiger, den in der Gläubigerversammlung vom 27.11.2023 durch Mehrheit im Sinne des § 76 Abs. 2 InsO zustande gekommenen Beschluss aufzuheben, sind zulässig, da nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gefasste Beschlüsse der Gläubiger einer Schuldverschreibung nur durch das Insolvenzgericht nach Maßgabe des § 78 InsO aufgehoben werden können (Urteil des BGH v. 16.11.2017, IX ZR 260/15).
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Die Anträge sind jedoch nicht begründet, da die Aufhebung des Beschlusses durch das Gericht voraussetzt, dass dieser dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger widerspricht. Voraussetzung für einen Antrag nach § 78 Abs. 1 InsO ist zunächst, dass es sich um einen wirksamen Beschluss der Gläubigerversammlung handelt. Ein unwirksamer Beschluss wäre rechtlich ohnehin unbeachtlich. Macht ein Gläubiger die Nichtigkeit eines Beschlusses der Gläubigerversammlung geltend, so findet § 78 InsO nach Ansicht des BGH weder unmittelbar noch analog Anwendung (BGH 21.7.2011, NZI 2011, 713; Uhlenbruck/Knof, 15. Aufl. 2019, InsO § 78 Rn. 8). Da die Antragsteller ihre Anträge teilweise auf Mängel stützen, welche die Unwirksamkeit des Beschlusses zur Folge haben könnten, jedoch nicht von der Vorschrift des § 78 InsO abgedeckt sind, ist höchst vorsorglich zunächst festzustellen, dass ein wirksamer Beschluss zustande gekommen ist. Im Einzelnen:
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Soweit ... bereits eine Einberufungskompetenz des Insolvenzgerichts nach § 19 Abs. 2 SchVG bestreitet, da die Anleihebedingungen im konkreten Fall nicht vorsehen, dass die Gläubiger nach § 5 Abs. 1 SchVG einen gemeinsamen Vertreter bestellen können, sei darauf hingewiesen, dass der BGH diese Frage bereits mit Urteil vom 16.11.2017 – IX ZR 260/15 – abschließend entschieden hat. Demnach können die Gläubiger auch ohne Verankerung in den Anleihebedingungen in der Insolvenz des Schuldners gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG einen gemeinsamen Vertreter bestellen.
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... stützt die Unwirksamkeit des Beschlusses auf die Behauptung, weder die ..., noch die ... seien im Termin formal präsent gewesen, sodass ein Vorschlags- oder Antragsrecht nicht bestanden habe.
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Insofern sei auf die im Protokoll wiedergegebene Anwesenheitsliste verwiesen, welche ... als anwesend und zur Vertretung der Gesellschaften im Termin legitimiert ausweist. Vor Eröffnung der Versammlung wurden durch alle teilnehmenden Personen Identitätsnachweise, bei sämtlichen Anleihegläubigern der jeweilige Besondere Nachweis inklusive Sperrvermerk sowie bei vertretenen Personen die maßgeblichen Vollmachten, ggf. auch Handelsregisterauszüge überprüft. Soweit ... die Bevollmächtigung im Termin nicht nachweisen konnte, wurde diese zu Protokoll anwaltlich versichert. Die Vollmacht für die ... wurde nachgereicht (vgl. §§ 80 S. 2, 88 ZPO). Die zum Termin vorgelegten Unterlagen wurden in Leitzordnern gesammelt und, soweit möglich, zur Akte genommen. Die Prüfung wurde im Protokoll vermerkt. Dass die im vorausgegangenen ersten Termin (Anleihe 2019/2024) zunächst verlesene, allerdings nicht Teil des Protokolls gewordene Anwesenheitsliste nicht vollständig war, ändert nichts an der tatsächlichen Anwesenheit des Bevollmächtigten der ...-Gesellschaften in beiden Terminen, welche auch in die jeweilige finale Niederschrift mit aufgenommen worden ist. Zweifel am Vorschlags-/ Antragsrecht oder der wirksamen Annahme des Amtes sind nicht feststellbar. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der gewählte gemeinsame Vertreter die Amtsannahme zusätzlich schriftlich mit Schreiben vom 27.11.2023 (Bl. 125 d.A.) erklärt hat.
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Die weitere Rüge des ..., dass der konkrete Beschlussvorschlag nicht vorab im Rahmen des Einberufungsbeschlusses veröffentlicht wurde, führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Beschlussfassung. Mit Beschluss vom 30.10.2023 wurde die Tagesordnung wie folgt bekannt gegeben und im Insolvenzportal, im Bundesanzeiger sowie auf der Homepage der Schuldnerin veröffentlicht: Beschlussfassung über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters (…), die Vergütung des gemeinsamen Vertreters und dessen Haftung. § 13 Abs. 1 SchVG dürfte für die Versammlung vor dem Insolvenzgericht nur beschränkt Anwendung finden. Dass auch kurzfristig gefertigte Beschlussvorschläge in der Versammlung zur Abstimmung kommen, ist generell üblich und nicht zum Nachteil der Anleihegläubiger, welche aufgrund der Veröffentlichung der Tagesordnung im Vorfeld des Termins ausreichend über diese informiert wurden. Von einer gezielten Täuschung kann daher nicht ausgegangen werden. Soweit die Antragsteller anzweifeln, ob konkret auch den Vollmachtgebern der ... der Beschlussvorschlag mit seinen Folgen zur Kenntnis gebracht worden sei, ist zu konstatieren, dass jedem Anleihegläubiger die Entscheidung selbst überlassen war, zur betreffenden Versammlung mit der veröffentlichten Tagesordnung persönlich zu erscheinen, sich durch eine andere Person im Rahmen des § 79 ZPO unter Vorgabe von Weisungen oder ohne solche vertreten zu lassen, oder der Versammlung vollständig fernzubleiben und sich damit einer Beschlussfassung zu enthalten.
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Im vorliegenden Einberufungsbeschluss wurde neben den genannten Tagesordnungspunkten zudem bereits bekanntgegeben, dass sich die ... zur Wahl stellen werde. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass es zwar in der Literatur nicht unumstritten ist, ob der Versammlung nach § 19 Abs. 2 SchVG über die Wahl des gemeinsamen Vertreters hinaus eine weitere Beschlusskompetenz zusteht (vgl. auch § 13 Abs. 3 SchVG; ablehnend u.a. Veranneman-Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 14.). Dies bietet sich jedoch im Zweifel bereits aus verfahrensökonomischen Gründen an (so Martini in: Bork/Hölzle, Handbuch Insolvenzrecht, Anleihen in der Insolvenz, Rn. 61; ebenso Vogelmann/Käppler in ZInsO 2018, 2169; Neuhäuser: Die Anleihegläubigerversammlung im Insolvenzverfahren, Rpfleger 2023, 437). Dies vorausgesetzt, gelten auch für Beschlussfassungen über Vergütung und Haftung des gemeinsamen Vertreters die Vorschriften der InsO, worauf auch bei der Einberufung hingewiesen wurde. Soweit ... also die mangelnde Beschlussfähigkeit der Versammlung auf § 5 Abs. 1 SchVG zurückführt und für die Fassung eines Vergütungsbeschlusses ein Quorum nach § 15 Abs. 3 S. 1 SchVG bzw. eine qualifizierte Mehrheit nach § 5 Abs. 4 S. 2 SchVG zur Voraussetzung erhebt, geht die Argumentation fehl, da sich Beschlussfähigkeit und Mehrheitsbildung aus den §§ 74 ff. InsO ergeben.
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Der Verweis des Antragstellers ... auf Entscheidungen im Verfahren über das Vermögen der ... (Amtsgericht München, Az....) ist ebenfalls nicht zielführend, da im dortigen Fall die Tagesordnung für die Versammlung nach § 19 Abs. 2 SchVG lediglich die Beschlussfassung über die Bestellung einer bestimmten Person zum gemeinsamen Vertreter sowie zur Beschränkung der Haftung, nicht aber einer Vergütungsregelung vorsah (vgl. dortigen Beschluss vom ...). Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass auch die dortige Zurückweisung eines Beschlussentwurfs durch den Sitzungsleiter aufgrund mangelnder Geeignetheit der Kandidatin zur Wahl des gemeinsamen Vertreters nicht in erster Linie aus dem Grund erfolgte, dass es sich um eine ausländische Gesellschaft handelte, sondern vielmehr, da die Sachkunde nicht nachgewiesen werden konnte bzw. ausschließlich auf ein Rechtsanwaltsmandat gestützt wurde. Dies ist hier nicht der Fall, siehe unten.
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Schließlich sei zu dem Argument, bezüglich der anwaltlichen Vertreterin ... hätten keine Weisungen vorgelegen, festzustellen, dass weder das BGB, noch die ZPO, noch das SchVG einen Zwang zur Erteilung von Weisungen vorsehen. § 14 Abs. 2 S. 1 SchVG regelt lediglich die Form, nach welcher etwaige Weisungen in Vollmachten zu erteilen wären.
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Von der Wirksamkeit des getroffenen Beschlusses der Anleihegläubigerversammlung ist damit auszugehen. Sinn und Zweck des § 78 InsO ist es, einen gezielten Mehrheitsmissbrauch in der konkreten Situation der Gläubigerversammlung zum einseitigen Nachteil einer Minderheit zu verhindern (LG Konstanz 1.7.2013, ZInsO 2013, 2318; Uhlenbruck/Knof, 15. Aufl. 2019, InsO § 78 Rn. 10). Durch den antragstellenden Gläubiger ist summarisch darzulegen, dass der Beschluss das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger (Anleihegläubiger) verletzt, wobei es regelmäßig nicht ausreicht, dass der Antragsteller die Beeinträchtigung des gemeinsamen Interesses nur schlicht behauptet oder etwa lediglich dartut, dass seine eigenen Interessen durch den Beschluss tangiert werden (vgl. MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, 4. Aufl. 2019, InsO § 78 Rn. 25). Ein Ermessen steht dem Gericht bei der Entscheidung nicht zu (ebd., Rn. 20).
22
Durch die Antragsteller wird vorliegend sowohl die Wahl des gemeinsamen Vertreters als auch die Beschlussfassung über dessen Vergütungsregelung und die Haftungsbegrenzung als nachteilig für die Gläubiger gerügt.
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Eine mögliche Ungeeignetheit der ... für die Übernahme des Amtes des gemeinsamen Vertreters wird durch die Antragsteller auf die ausländische Rechtsform der Gesellschaft sowie deren Sitz in der Schweiz gestützt. Zur Geeignetheit führt das SchVG in § 7 Abs. 1 lediglich aus: Zum gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger kann jede geschäftsfähige Person oder eine sachkundige juristische Person bestellt werden.
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Durch die ... wurde dargelegt, dass diese bzw. ihre Vorgängergesellschaft durch Rechtsnachfolge seit 2008 Gesellschaften in Sondersituationen, insbesondere in Restrukturierungs- und Insolvenzsituationen berät und bereits mehr als 25 Mandate als gemeinsamer Vertreter von Anleihegläubigern betreut. An der generellen Sachkunde der gewählten Gesellschaft bestehen insoweit für das Gericht keine Zweifel und auch durch die Antragsteller wurde diese nicht primär angezweifelt, welche die vermeintliche mangelnde Geeignetheit nur aus der Tatsache ableiten, dass es sich um eine schweizerische Gesellschaft handelt. Unterstellt, eine gerichtliche Verfolgung von Ansprüchen könnte für die Anleihegläubiger im Verfahrensverlauf erforderlich werden, kann nicht angenommen werden, dass eine solche in der Schweiz per se ausgeschlossen wäre, da es sich nicht um einen rechtsfreien Raum handelt.
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Gemäß § 19 Abs. 3 SchVG ist ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger allein berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen. Hierzu gehört auch die Vereinnahmung der Quotenzahlungen und die Weiterleitung an die einzelnen Anleihegläubiger. Der Vortrag der Antragsteller, das von der ... hierzu verwendete Verfahren sei fehleranfällig, kann die Geeignetheit der Gesellschaft für das Amt des gemeinsamen Vertreters ebenfalls nicht widerlegen. Derzeit liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das konkrete Verfahren in ausreichendem Sinne nachteilig für die Gläubiger oder gar rechtswidrig wäre. Solche die Abwicklung betreffenden Details sind durch die Gläubiger und den gemeinsamen Vertreter im Innenverhältnis und nicht durch das Insolvenzgericht zu klären. Soweit das Verteilungsverfahren zudem konkret als betrugsanfällig bezeichnet und darüber hinaus auf eine bestimmte Presseberichterstattung verwiesen wird, ist festzustellen, dass diese Vorwürfe ohne die rechtskräftige Verurteilung beteiligter Personen aufgrund etwaiger Straftaten an dieser Stelle nicht berücksichtigungsfähig sind.
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Schließlich ist festzustellen, dass die, vertreten durch ..., derzeit als Mitglied des (vorläufigen) Gläubigerausschusses gemäß § 67 InsO bestellt und tätig ist, sich hieraus jedoch kein für die Bestellung der ... als gemeinsamer Vertreter relevanter Interessenskonflikt ableiten lässt. Die zeitgleiche Tätigkeit in beiden Positionen ist auch in anderen Verfahren gang und gäbe, zumal es sich hier formell auch nicht um dieselbe juristische Person handelt. Gegebenenfalls sind durch die Doppeltätigkeit eher Vorteile für die Anleihegläubiger vorstellbar, da deren Gruppe besondere Beteiligung im Verfahren erfährt.
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Als Zwischenergebnis ist festzustellen, dass die Wahl der ... zum gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger nicht maßgeblich zum Nachteil der Gläubiger erfolgt ist und zumindest die behauptete Ungeeignetheit nicht ausreichend dargelegt werden konnte, um eine Aufhebung des Beschlusses gemäß § 78 InsO zu begründen.
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Die Antragsteller erachten daneben insbesondere die im Beschlussentwurf enthaltene Vergütungsregelung als nachteilig für die Anleihegläubiger, da sie das Risiko berge, die Quote vollkommen aufzuzehren und der Höhe nach insbesondere in Anbetracht des zu erwartenden Aufgabenspektrums nicht angemessen sei. Die Vergütung des gemeinsamen Vertreters ist im Gesetz nur sporadisch geregelt. Gemäß § 7 Abs. 6 SchVG trägt der Schuldner die durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters entstehenden Kosten und Aufwendungen, einschließlich einer angemessenen Vergütung des gemeinsamen Vertreters. Welche Vergütung nunmehr konkret „angemessen“ ist, wird sowohl durch das Gesetz als auch die Rechtsprechung bislang weitestgehend offengelassen. In einer Reihe von Entscheidungen hat der BGH einige Klarstellungen zumindest zur insolvenzrechtlichen Qualität der Vergütungsforderung getroffen. So wurde zunächst entschieden, dass Vergütungen und Auslagen des gemeinsamen Vertreters für die Anleihegläubiger nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gehören und damit auch nicht vom Insolvenzgericht festgesetzt werden können (BGH v. 14.07.2016, IX ZB 46/15 = Rpfleger 2016, 743). Weiter wurde klargestellt, dass es sich beim Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters auch nicht um eine Masseverbindlichkeit handelt (BGH v. 12.01.2017, IX ZR 87/16 = ZInsO 2017, 438), sodass die („angemessene“) Vergütungsforderung gegen die Emittentin nach § 7 Abs. 6 SchVG eine Neugläubigerforderung darstellt. Letztlich wurde durch den BGH auch der ungeregelte Einbehalt eines Teils der Insolvenzquote durch den gemeinsamen Vertreter als unkritisch angesehen (BGH v. 21.01.2021, IX ZR 77/20 = ZInsO 2021, 520; BGH v. 10.03.2022, IX ZR 178/20 = ZInsO 2022, 754; im Anschluss auch BGH v. 13.10.2022, IX ZR 105/21 = ZInsO 2023, 147 und BGH v. 17.11.2022, IX ZR 42/22; siehe auch: Neuhäuser, die Anleihegläubigerversammlung im Insolvenzverfahren, Rpfleger 2023, 437).
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Die Höhe einer „angemessenen“ Vergütung sollte abhängig sein von der Qualifikation des gemeinsamen Vertreters, dem Aufwand, dem Haftungsrisiko und den individuellen Fähigkeiten. Nach Abzug der entstehenden Kosten sollte ein Honorar verbleiben, das diesen Umständen Rechnung trägt (Martini in: Bork/Hölzle, Handbuch Insolvenzrecht, Anleihen in der Insolvenz, Rn. 82). Eine Orientierung an den gesetzlichen Gebühren, bspw. des RVG, wird in der Literatur als möglich erachtet (z.B. Brenner NZI 2014, 789), wobei sich die Vergütung auch prozentual an der Höhe der Emissionssumme orientieren kann (NomosBR/Borowski SchVG/Sascha Borowski, 1. Aufl. 2019, SchVG § 7 Rn. 27, 28). Da deren Höhe zusammen mit den Renditeerwartungen auch die Haftung des gemeinsamen Vertreters mitbestimmt, ist eine Berücksichtigung zumindest nicht als grundsätzlich unangemessen einzustufen. In der Literatur wird weiterhin die Ansicht vertreten, dass die von der Gläubigerversammlung als angemessen beurteilte und im Beschlusswege als solche festgelegte Vergütung für die Emittentin nicht bindend ist, wenn diese unangemessen ist (Thole in Hopt/Seibt SchVG § 7 Rn. 66 f.; Nomos-BR/Borowski SchVG/Sascha Borowski, 1. Aufl. 2019, SchVG § 7 Rn. 29). Jedenfalls kann die im angenommenen Beschlussvorschlag enthaltene Vergütungsregelung ausgehend von diesen Überlegungen und mangels aussagekräftiger Rechtsprechung zur Angemessenheit vom Insolvenzgericht nicht als ausreichend nachteilig für die Gläubiger beurteilt werden, um eine Aufhebung des Beschlusses zu rechtfertigen.
30
Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass der im Rahmen der Tagesordnung wirksam zustande gekommene Beschluss der Anleihegläubiger nach Ansicht des Gerichts nicht mit Nachteilen zulasten der Gläubigergesamtheit einhergeht, welche die Aufhebung und damit einen starken Eingriff in die Gläubigerautonomie begründen würden. Die Anträge nach § 78 InsO sind daher gesammelt zurückzuweisen. Es sei abschließend darauf hingewiesen, dass es den Anleihegläubigern offen steht, weitere Versammlungen ohne Beteiligung des Insolvenzgerichts abzuhalten und weitere Beschlüsse unter vollständiger Anwendung des SchVG zu fassen. Was die Angemessenheit der vereinbarten Vergütung betrifft, so seien die Beteiligten auf die Klärung dieser Rechtsfrage im Innenverhältnis verwiesen.