Titel:
Wirksamkeit einer Veränderungssperre
Normenkette:
BauGB § 14 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz:
Der zeitliche Zusammenhang zu einem geplanten Vorhaben stellt noch keinen ausreichenden Beleg für eine tatsächlich nur vorgeschobene (Verhinderungs-)Planung dar. Dass eine Veränderungssperre durch eine Gemeinde erst ergeht, wenn ein Bedürfnis hierfür entsteht, ist ohne Weiteres nachvollziehbar und dürfte der Normalfall sein. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versagung eines Vorbescheids für Mehrfamilienhäuser zu mehreren Einzelfragen wegen dem Vorhaben insgesamt entgegenstehender Veränderungssperre, formelle und materielle Rechtmäßigkeit einer Veränderungssperre, Aufstellungsbeschluss für Bebauungsplan und Beschluss über Veränderungssperre in gleicher Gemeinderatssitzung, gemeinsame Bekanntmachung beider Beschlüsse, keine reine Negativplanung, keine evidente Unmöglichkeit der Planrealisierung/keine im Bauplanungsverfahren unbehebbaren Mängel, Veränderungssperre, Verhinderungsplanung, Negativplanung, Ausfertigung, Bekanntmachung, Realisierung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48463
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Errichtung von drei Mehrfamilienhäusern unter Abbruch der Vorgängernutzung.
2
Die Klägerin hat das 5.030 m² große Grundstück FlNr. 1 der Gemarkung … (* …, …, Ortsteil …*) erworben. Sie möchte dieses mit drei Wohnhäusern (Erdgeschoss, Obergeschoss, ausgebautes Dachgeschoss, im wesentlichen unausgebauter Spitzboden), jeweils mit mehreren Wohneinheiten bebauen; die Grundfläche des Bauvorhabens beträgt insgesamt 642,04 m² (GRZ 0,13), die Geschossflächenzahl 1.926,23 m² (GFZ 0,38). Die Häuser sind zwischen 17,40 m und 21,90 m lang und 10,25 m und 12,00 m breit und im Winkel zueinander geplant, das Haus 2 entlang der westlichen Grundstückgrenze und die Häuser 1 und 3 nördlich davon in Ost-West-Ausrichtung, alles in der südlichen Grundstückshälfte. Es sollen weiter 20 Carports, teilweise nördlich der Häuser 1 und 3 errichtet werden.
3
Bisher befindet sich auf dem Grundstück ein ehemaliges landwirtschaftliches Anwesen mit mehreren Gebäuden, die ähnlich situiert sind wie das geplante Bauvorhaben. Das bisherige Wohngebäude zum landwirtschaftlichen Anwesen liegt mit seiner nördlichen Außenwand auf der Höhe der Nordwand des geplanten Hauses 1. Die landwirtschaftlichen Gebäude sollen weitgehend abgerissen werden. Das sich im Norden des Grundstücks befindende Scheunengebäude soll erhalten bleiben und durch den bisherigen Nutzer weiter landwirtschaftlich genutzt werden. Erhalten bleiben sollen auch die Grünflächen mit Biotopcharakter nördlich dieser Scheune und eine prägende Baumreihe an der westlichen Grundstücksgrenze.
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Westlich der vorgesehenen Bebauung befindet sich auf dem Nachbargrundstück FlNr. 3/1 (* …*) auf gleicher Höhe ein Wohnhaus, südlich des Vorhabengrundstücks weitere Bebauung, im Norden und Osten des Vorhabengrundstücks befindet sich hauptsächlich Grünland.
5
Zunächst hatte die Klägerin beim Beklagten und der beigeladenen Marktgemeinde einen Vorbescheidsantrag für ein Bauvorhaben mit einem Wohnkomplex in L-Form (Antrag vom 11.3.2022; Eingang beim Landratsamt … am 13.4.2022) mit einer Situierung des Gebäudes etwas weiter nördlich auf dem Grundstück eingereicht. Der Beigeladene hatte hierzu sein gemeindliches Einvernehmen versagt, weil die Erschließung nicht gesichert sei. Das Landratsamt hatte hierzu mit Schreiben vom 10. Mai 2022 und in einem Gespräch vom 25. Mai 2022 der Klägerin mitgeteilt, dass das Vorhaben zum Teil im Außenbereich liege und deshalb nicht genehmigungsfähig sei.
6
Mit am 26. August 2022 unterzeichnetem Formblattantrag und Plänen vom 26. August 2022, beantragte die Klägerin die Erteilung eines Vorbescheids für die jetzige Planung mit folgenden Fragestellungen:
- Ist das Bauvorhaben gemäß beiliegendem Plan planungsrechtlich hinsichtlich der Lage auf dem Baugrundstück, Größe und Höhe zulässig?
- Ist die Erschließung gesichert?
- Ist das geplante Maß der Nutzung hinsichtlich der Zahl der Vollgeschosse (2 Vollgeschosse) und der Geschossfläche zulässig?
- Ist die geplante Gestaltung mit Satteldächern 48° und Balkonen zulässig?
- Ist die geplante Art der Nutzung als Wohnnutzung zulässig?
- Ist die Anordnung der Stellplätze und deren geplante Zufahrt zulässig?
- Wäre das Bauvorhaben auch mit Unterkellerung von einigen bzw. allen Gebäuden genehmigungsfähig?
7
Am 15. September 2022 beschloss der Beigelade die Aufstellung des Bebauungsplans „Z. …“ auf dem Grundstück FlNr. 1 der Gemarkung … Nach den Ausführungen im Aufstellungsbeschluss sei der Bebauungsplan zur Förderung der innerörtlichen Wohnbebauung erforderlich. Dem Beigeladenen sei es wichtig, die Ortsansicht von … möglichst unverändert zu lassen und ein für den kleinen Ortsteil verträgliches Bevölkerungswachstum zu sichern. Es solle eine organische Entwicklung des Dorfes ermöglicht werden und dabei ein sanfter Übergang zwischen Bebauung und … geschaffen werden. Es sei die Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets nach § 4 BauNVO im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB vorgesehen. Im Beschlussbuchauszug zum Aufstellungsbeschluss ist weiter ausgeführt, dass ausschließlich Ein- und Doppelhäuser in offener Bauweise zulässig seien. Weiter beschloss der Beigeladene, ebenfalls am 15. September 2022, den Erlass einer Veränderungssperre für den Bebauungsplan „Z. …“, die nach ihrem § 4 Abs. 1 mit ihrer Bekanntmachung in Kraft trete. Der Aufstellungsbeschluss und die Veränderungssperre wurden am 30. September 2022 im Amts- und Mitteilungsblatt Nr. … des Marktes … bekanntgemacht.
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Der Beigeladene verweigerte mit beim Landratsamt … am 19. Oktober 2022 eingegangenem Schreiben das gemeindliche Einvernehmen für die Planung der Klägerin und verwies auf die Marktgemeinderatsbeschlüsse vom 15. September 2022 und seine Stellungnahme in vorausgegangenen Vorbescheidsverfahren.
9
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2022 teilte der Beklagte der Klägerin mit Verweis auf die Veränderungssperre mit, dass das Bauvorhaben damit am beantragten Standort nicht genehmigungsfähig sei und regte die Rücknahme des Vorbescheidsantrags an. Nachdem eine solche nicht erfolgte, lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides für das Bauvorhaben „Abbruch einer Hofstelle und Neuerrichtung von mehreren Wohneinheiten in …“ auf dem Grundstück FlNr. 1 Gemarkung … mit Bescheid vom 15. November 2022 ab und legte der Klägerin Gebühren in Höhe von 149,00 EUR und Auslagen in Höhe von 4,11 EUR auf. Die in Kraft getretene Veränderungssperre stehe der Erteilung des begehrten Vorbescheids entgegen. Es liege ein ausreichendes Planungskonzept und eine hinreichende Konkretisierung der Planung für die Veränderungssperre vor. Auch sei die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens nicht zu beanstanden.
10
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 1. Dezember 2022 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach und beantragte zuletzt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 15. November 2022 zur Erteilung des beantragten Vorbescheids zu verpflichten,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag auf Vorbescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
11
Der Beklagte beantragte unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 15. November 2022,
12
Die Klägerseite teilte zur Begründung mit Schriftsatz vom 2. Mai 2023 unter Vorlage von Presseberichten (betreffend den Bebauungsplan „H. …“) vom 30. März 2023 mit, dass der Aufstellungsbeschluss zu diesem Bebauungsplan nicht mit dem Zweckverband … als Zuständigem für den Flächennutzungsplan abgestimmt worden sei und es deshalb zu Schwierigkeiten gekommen sei und auch der Bebauungsplan „…“ nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werde.
13
Der Beklagte führte mit Schriftsatz vom 17. Mai 2023 aus, dass für den Bebauungsplan „Z. …“, anders als für den Bebauungsplan „H. …“, nicht zwingend das Entwicklungsgebot nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BauG zu beachten sei, sondern die Verfahrenserleichterung des § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB gelte und eine nachträgliche Berichtigung des Flächennutzungsplans möglich sei. Auch weise der Flächennutzungsplan für den maßgeblichen Bereich eine gemischte Fläche und keine Grünfläche wie im Bereich des Bebauungsplans „H. …“ aus.
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Der beigeladene Markt … teilte mit Schriftsatz vom 24. März 2023 mit, dass bei den Beratungen des Marktgemeinderates Konsens bestanden habe, zunächst die Bauleitplanung „A. …“ im Ortsteil … abzuschließen und anschließend den Bebauungsplan „Z. …“ voranzutreiben. Im Bebauungsplangebiet „Z. …“ solle lediglich eine Bebauung mit Ein- und Zweifamilienhäusern zugelassen werden, um ein organisches Wachstum des Ortes und ein harmonisches Einfügen in die Landschaft bzw. das Ortsbild zu gewährleisten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Behördenakten einschließlich der Akten des Beigeladenen zum Bebauungsplan- und Veränderungssperrenverfahren und die Gerichtsakte Bezug genommen. Für den Verlauf und die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO auf Erteilung des beantragten baurechtlichen Vorbescheids nach Art. 71 BayBO ist zulässig, aber unbegründet. Die Ablehnung des Vorbescheids mit Bescheid 15. November 2022 ist rechtmäßig bzw. verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Rechtsanspruch auf den begehrten Vorbescheid, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Ebenso wenig hat die Kläger Anspruch darauf, dass der Beklagte über ihren Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
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Nach Art. 71 Satz 1 BayBO ist auf Antrag des Bauherrn vor der Einreichung eines Bauantrags zu einzelnen Fragen eines Bauvorhabens durch die Bauaufsichtsbehörde ein Vorbescheid zu erteilen. Eine positive Verbescheidung erfolgt, wenn dem Vorhaben keine im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, Art. 68 Abs. 1 BayBO i.V.m. Art. 71 Satz 4 BayBO. Dies ist nicht der Fall, weil das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Dem Vorhaben steht die von Beigeladenen erlassene Veränderungssperre nach § 14 BauGB entgegensteht.
18
1. Das Vorhaben ist vorliegend anhand der vorgelegten Pläne und sonstigen Unterlagen und Ausführungen im Vorbescheidsantrag als Baukomplex mit drei Mehrfamilienhäuser in der konkreten Situierung und mit den benannten Angaben zum Maß der baulichen Nutzung (insbesondere Höhe, Länge, Breite, Vollgeschosse, GRZ und GFZ) definiert. Sämtliche Einzelfragen der Bauherrin im Antrag vom 22. August 2022 beziehen sich auf das so bestimmte Vorhaben und nicht auf davon losgelöste, abstrakte Fragestellungen. Solche wäre in Rahmen eines Vorbescheidsverfahrens nicht zulässig. Es können nach Art. 71 Satz 1 BayBO nur Fragen zu einem – wenn auch noch nicht zwingend in jedem Punkt konkretisierten – „Bauvorhaben“ gestellt werden. Auch die Fragestellungen etwa zur Sicherung der Erschließung, der Dachgestaltung und der Parkplatzsituierung beziehen sich somit auf die konkret geplanten Mehrfamilienhäuser und mussten und konnten vom Beklagten nicht unabhängig davon beantwortet werden. Da die Veränderungssperre vom 15. September 2022 die Errichtung von Mehrfamilienhäusern auf dem Grundstück ausschließt, konnte keine der Einzelfragen positiv verbeschieden werden, sondern war ein Vorbescheid insgesamt abzulehnen.
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2. Die Veränderungssperre vom 15. September 2022 ist rechtmäßig. Sie ist formell rechtmäßig ergangen und weist bei inzidenter Überprüfung durch das Gericht auch keine materiellen Rechtsfehler auf; sie ist damit wirksam und anzuwenden und führt zu einem Bauverbot für das Vorhaben, § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
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Die Veränderungssperre für das Gebiet des sich in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans „Z. …“ im Ortsteil … wurde vom Markt … formell rechtmäßig erlassen. Sie wurde im Marktgemeinderat am 15. September 2022 als Satzung, § 16 Abs. 1 BauGB, beschlossen. Sie ist im Amts- und Mitteilungsblatt Nr. … des Marktes … ortsüblich bekanntgemacht worden (§ 16 Abs. 2 BauGB) und zuvor, wie erforderlich (vgl. § 26 Abs. 2 Bayerische Gemeindeordnung; BayVGH, U.v. 4.4.2003 – 1 N 01.2240 – juris Rn. 17) ordnungsgemäß vom Ersten Bürgermeister ausgefertigt worden. Der Erste Bürgermeister hat nach Aktenlage die Veränderungssperre zwar nicht ausdrücklich „ausgefertigt“, er hat aber am 16. September 2022 den Beschluss der Satzung über die Veränderungssperre im gesamten Wortlaut unterzeichnet und zudem die Bekanntmachungsverfügung, die den Text und den Plan der Veränderungssperre ebenfalls vollumfänglich umfasste, am 23. September 2022 unterschrieben. Damit hat er die Satzung als Originalurkunde hergestellt und beglaubigt, dass die Satzung wie unterschrieben vom Gemeinderat beschlossen worden ist. Der Identitätsfunktion der Ausfertigung (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 10.11.2020 – 1 N 17.333 – juris, Rn. 20, BVerwG B.v. 21.6.2018 – 4 BN 34.17 – juris) ist somit Genüge getan. Auf die ausdrückliche Verwendung des Begriffs der „Ausfertigung“ oder „ausgefertigt“ kommt es nicht an (OVG Bremen, U.v. 16.11.2021 – 1 D 305/20 – juris Rn. 65; BVerwG, B.v. 27.10.1998 – 4 BN 46/98 – juris).
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Der Wirksamkeit der Veränderungssperre steht auch nicht entgegen, dass der Marktgemeinderatsbeschluss vom 15. September 2022 den Plan als Anlage zum Satzungstext beschlossen hat, die Bekanntmachung den Plan aber innerhalb des § 2 des Satzungstextes abgedruckt hat. Dass die Veröffentlichung der Satzung und der gefasste Beschluss insoweit nicht absolut identisch sind, begründet keinen Fehler, der zur Unwirksamkeit führt. Im Normgehalt decken sich die Bekanntmachung und der Beschluss und die fehlende äußerliche Kongruenz wirft keine Unklarheiten auf. Der bei der Bekanntmachung in § 2 integrierte Plan ist mit der beschlossenen Anlage deckungsgleich. Bei der Abweichung der äußeren Form der Veröffentlichung (und gegebenenfalls der Ausfertigung) vom erlassenen Beschluss handelt sich lediglich um eine unbedenkliche geringfügige redaktionelle Abweichung, die nicht zur Unwirksamkeit der Satzung führt (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Stock [EZBK], 151. EL August 2023, BauGB § 16 Rn. 2; BayVGH, U.v. 11.7.2000 – 26 N 99.3185 – juris Rn. 19; BVerwG, B.v. 8.7.1992 – 4 NB 20/92 – juris Rn. 8). Eines Plans hätte es zur Festlegung des Geltungsbereichs vorliegend nicht zwingend bedurft, da der Geltungsbereich durch die Nennung der Flurnummer bereits eindeutig definiert wurde (vgl. hierzu auch Art. 51 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz). Die zusätzliche Erklärung des Planes zum Satzungsinhalt ist aber auch nicht schädlich.
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3. Die Veränderungssperre weist auch keine materiell-rechtlichen Fehler auf. Der Erlass einer Veränderungssperre erfordert (wenigstens) einen Aufstellungsbeschluss für den mit der Veränderungssperre zu sichernden Bebauungsplan (a), ein Mindestmaß an Konkretisierung der Planung bei Erlass der Veränderungssperre (b) und die Realisierbarkeit der gesicherten Bauleitplanung (c). Dies ist vorliegend gegeben.
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a) Ein Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „Z. …“ liegt vor, er ist der Veränderungssperre vorausgegangen und hat auch einen identischem Umgriff. Wie sich aus dem vorgelegten Beschlussbuchauszug ergibt, erfolgte der Aufstellungsbeschluss (Beschlussbuch-Nr. …2) unmittelbar vor dem Beschluss der Veränderungssperre (Beschlussbuch-Nr. …3) in der gleichen Gemeinderatssitzung. Dies ist ausreichend (EZBK a.a.O. Rn. 37). Der Aufstellungsbeschluss ist im Amts- und Mitteilungsblatt Nr. … des Marktes … auch bekanntgemacht worden, nämlich zeitgleich mit der Bekanntmachung der Veränderungssperre. Auch dies ist ausreichend (EZBK a.a.O. Rn. 38, Jäde, Baugesetzbuch, 9. Auflage 2018 Rn. 6). Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 BauGB erfordert lediglich, dass der Aufstellungsbeschluss im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Veränderungssperre bereits gefasst worden ist, nicht aber, dass er bereits bekanntgemacht sein muss.
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b) Nach der Rechtsprechung muss angesichts des hohen Grundrechtseingriffs die zu sichernde Planung im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Veränderungssperre bereits ein Mindestmaß an Konkretisierung erreicht haben (EZBK, a.a.O. Rn. 43; BayVGH, U.v. 20.9.2016 15 N 15.1092 – juris Rn. 15 ff., OVG Rh-P., U.v. 2.3.2023 – 1 C 19398/21.OVG – juris Rn. 26 ff.; BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16/03 – juris Rn. 17). Dabei muss es sich um eine positive planerische Vorstellung handeln und darf nicht eine reine Negativplanung vorliegen (EZBK, a.a.O. Rn. 44 und 47, Jäde, a.a.O. Rn. 7, 14; BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16/03 – juris Rn. 30). Die Absicht, in eine Planung erst einzutreten bzw. ein Planungskonzept erst zu entwickeln, genügt für den Erlass einer Veränderungssperre nicht (BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16/03 – juris Rn. 30; BayVGH, U.v. 20.9.2016 – 4 CN 16/03 – juris Rn. 18), andererseits muss und kann ein bestimmtes Planungsergebnis im Zeitpunkt des Bebauungsplansaufstellungsbeschlusses auch noch nicht feststehen, sondern ist unter Beachtung des Abwägungsgebots im Bauleitverfahren erst zu erarbeiten (BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16/03 – juris Rn. 31). Zum in der Regel erforderlichen, aber auch ausreichenden Planungsstand im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre gehört die Vorstellung über die Art der baulichen Nutzung (BVerwG, B.v. 21.10.2010 – 4 BN 26.10 – juris Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, U.v. 20.9.2016 – 4 CN 16/03 – juris Rn. 18), wobei nicht zwingend eine Festlegung auf einen bestimmten Baugebietstyp nach der BauNVO bereits vorgenommen sein muss (EZBK, a.a.O. Rn. 45). Entscheidend ist, dass ein Planungsstand besteht, anhand dessen ein Vorhaben im Plangebiet nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB darauf hin überprüft werden kann, ob dieses die Planung stört oder erschwert oder, weil dies nicht der Fall ist, im Wege der Ausnahme zugelassen werden kann.
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Ein solcher Planungsstand war für den Bebauungsplan „Z. …“ im Zeitpunkt der Veränderungssperre bereits erreicht. Nach den Ausführungen im Aufstellungsbeschluss (vgl. Beschlussbuchauszug und Bekanntmachung im Amts- und Mitteilungsblatt) soll im Plangebiet ein allgemeines Wohngebiet gem. § 4 BauNVO ausgewiesen werden und zwar – dies ergibt sich allerdings nur aus dem Beschlussbuch, was jedoch ausreichend ist – ein solches ausschließlich für Einfamilienhäuser und Doppelhäusern in offener Bauweise. Dies wurde mit der möglichst unveränderten Ortsansicht von …, einer organischen Entwicklung des Dorfes, und der Sicherstellung eines sanften Übergangs von Bebauung zum „…“ sowie der Gewährleistung eines für den kleinen Ortsteil verträglichen Bevölkerungswachstums begründet. Eine tatsächlich in diesem Sinn bestehende positive Planung erscheint mit dieser Begründung auch nachvollziehbar und glaubhaft. In der mündlichen Verhandlung schilderten die Vertreter der beigeladenen Marktgemeinde nachdrücklich, dass im Gebiet des Marktes … bisher lediglich in einem einzigen Baugebiet, nämlich im Baugebiet „H. …“ im Ortsteil … und damit ganz in der Nähe des Vorhabens eine Bebauung mit Mehrfamilienhäusern zugelassen worden sei und sich dies als unverträglich und nicht wünschenswert herausgestellt habe. Dem Gericht ist auch aus einem anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Bereich des Marktes … (Bereich der Bebauungspläne „…“ und „…“) eine Planung ausschließlich in offener Bauweise, überwiegend mit Einzelwohnhäusern und ohne Mehrfamilienwohnkomplexe und mit erkennbarem Wertlegen auf eine lockere Bebauung und Durchgrünung und ohne Massivität bekannt, so dass auch insofern ausgeschlossen werden kann, dass die angegebene Planung nur vorgeschoben ist, und die Veränderungssperre lediglich der Verhinderung einer unliebsamen Planung durch die Klägerin dient. Bis auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Veränderungssperre und dem Vorbescheidsantrag der Klägerin bestehen auch keine Hinweise auf eine reine Verhinderungsplanung seitens der Gemeinde. Der zeitliche Zusammenhang stellt aber noch keinen ausreichenden Beleg für eine tatsächlich nur vorgeschobene (Verhinderungs-)Planung dar. Dass eine Veränderungssperre durch eine Gemeinde erst ergeht, wenn ein Bedürfnis hierfür entsteht, ist ohne Weiteres nachvollziehbar und dürfte der Normalfall sein. Dass es zu einem Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt gekommen ist, ist durch die Darlegungen der Gemeindevertreter, dass zunächst vorrangig der weitere Bebauungsplan „A. …“ vorangetrieben werden sollte, ebenfalls plausibel. Auch das bislang fehlende In-Kontakt-Treten der Beigeladenen mit dem Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1 haben die Gemeindevertreter plausibel damit erklärt, dass an den Eigentümer wegen wiederholter (und unstreitiger) Inhaftierungen schwer heranzukommen sei. Dass das Plangebiet nicht auf weitere Grundstücke ausgedehnt worden ist oder an anderer Stelle ein Wohngebiet geplant worden ist, konnte von den Gemeindevertretern in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nachvollziehbar erklärt werden. In der Vergangenheit ist es danach durchaus zu Kontaktaufnahmen mit anderen Grundstückseigentümern gekommen, diese hatten aber einen Verkauf der Flächen ausgeschlossen. Davon, dass im Ortsteil … tatsächlich ein ungedeckter Bedarf an Bauflächen besteht, zeugt das Bebauungsplanverfahren „A. …“ und nicht zuletzt auch die klagegegenständliche Bauabsicht des Klägers. Ein bestehender Baubedarf in … erscheint aufgrund der auch touristisch interessanten Lage in der unmittelbaren Nähe des … auch wahrscheinlich. Eine reine Negativplanung kann damit entgegen der Auffassung der Klägerin, nicht festgestellt werden. Vielmehr ist einer real bestehenden Planung als Wohngebiet mit Einfamilien- und Doppelhäuser in offener Bauweise auszugehen.
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c) Die mit dem Bebauungsplan beabsichtige Planung erscheint auch nach wie vor realisierbar. Sie ist nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen – bereits jetzt – absehbar ausgeschlossen. Da eine genauere Planung im Bebauungsplanverfahren erst noch zu entwickeln ist, stehen nur solche Umstände der Veränderungssperre entgegen, die eine Realisierung der Planung von vorneherein, evident und nicht behebbar unmöglich machen (OVG Berlin, U.v. 28.7.1989 – 2 A 3.88 – juris; OVG Rh.-Pf. U.v. 2.3.2023 – 1 C 10398/ 21´.OVG – juris Rn. 36) . Eine umfassende antizipierte Normenkontrolle kann und muss hingegen nicht stattfinden (EZBK, a.a.O. Rn. 53 ff.). Derartige, einer Realisierung evident entgegenstehende und nicht heilbare Mängel bestehen vorliegend nicht.
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Die Realisierung eines allgemeinen Wohngebiets mit Einzel- und Doppelhäusern in offener Bauweise scheitert nicht offenkundig daran, dass der Eigentümer der FlNr. 1 die Planrealisierung verhindern wird. Im Grundbuch eingetragen und damit derzeit weiter Eigentümer ist der ehemalige Landwirt, der, wie der Verkauf des Grundstücks an die Klägerin im Jahr 2020 zeigt, ein Interesse an der Veräußerung des Grundstücks hat. Selbst wenn dieser rechtlich keinen weiteren Zugriff auf das Grundstück haben sollte, sondern aufgrund des 2020 geschlossenen und eventuell dinglich gesicherten Tauschvertrags zwischen dem Landwirt und der Klägerin allein die Klägerin über das Grundstück verfügen kann, ist die Realisierung eines allgemeinen Wohngebiets im Sinne der Beigeladenen nicht ausgeschlossen und auch nicht unwahrscheinlich. Bei der Klägerin handelt es sich um einen gewerblichen Bauträger. Es ist zu erwarten, dass die Umsetzung des Bebauungsplans entweder durch diese selbst erfolgen wird oder, wenn dies, wie die Klägerin vorträgt, unrentable ist, es zu einem Weiterverkauf des Grundstücks oder zu einem Rücktritt vom notariellen Tauschvertrag kommt und das Grundstück über kurz oder lang der vorgesehenen Nutzung zugeführt werden kann.
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Auch die derzeit auf dem Grundstück vorhandene Bebauung steht der Realisierung der Planung nicht entgegen. Die Beseitigung der Altbebauung im Süden des Grundstücks wird auch bei der klägerischen Planung vorausgesetzt, scheint also rechtlich und tatsächlich möglich. Die noch bestehende Maschinenhalle oder ehemalige landwirtschaftliche Lagerhalle im Norden des Grundstücks, die nach Aussage der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom (Alt-)Eigentümer an eine dritte Person verpachtet ist, macht eine Realisierung ebenfalls nicht unmöglich. Zum einen wäre die Herausnahme einer Teilfläche aus dem Planungsgebiet im Laufe des Bauleitplanverfahrens noch denkbar und nicht von vorneherein schädlich, zum anderen hatte auch die Klägerin zunächst eine Planung bei der Gemeinde vorgestellt, die die Beseitigung dieses Gebäudes vorausgesetzt hat; dies teilte die Beigeladene unter Vorlage von entsprechenden Plänen in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2023 mit. Diese Planung ist offenbar im Hinblick auf die Außenbereichslage und der damit ohne Bebauungsplan fehlender Realisierbarkeit nicht weiterverfolgt worden, zeigt aber, dass ein (zivilrechtlicher) Zugriff auf die Fläche nicht ausgeschlossen ist.
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Die Umsetzung von Wohnbebauung scheitert auch nicht gesichert an den vorgegebenen bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten. Das Plangebiet und dessen Umgebung ist im Flächennutzungsplan der Gemeinde … derzeit als gemischte Fläche (M) ausgewiesen und nicht als Wohnfläche (W). Zwar ist ein Bebauungsplan grundsätzlich aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln, § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB, ein Flächennutzungsplan kann jedoch auch nach oder parallel zum Bebauungsplan geändert werden, vgl. § 8 Abs. 3 und Abs. 4 BauGB oder über eine Berichtigung, § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB, überwunden werden. Die konkreten Umstände des Einzelfalls schließen das Überwinden der Flächennutzungsplanfestsetzung M vorliegend nicht aus. Eine fehlende Umsetzbarkeit kann nicht aus dem Umstand geschlossen werden, dass der Markt … nicht selbst Träger der Flächennutzungsplanung ist, sondern ein Planungsverband nach §§ 203 ff. BauGB. Es ist nicht bekannt und von Klägerseite auch nicht vorgetragen, dass der zuständige Planungsverband eine entsprechende Änderung des Flächennutzungsplans von vorneherein ablehnen würde oder bereits abgelehnt hat. Aus Unstimmigkeiten zwischen dem Planungsverband und der Gemeinde, die im Rahmen von anderen Bauleitplanverfahren aufgetreten sind, kann dies nicht geschlossen werden. Es scheint wegen der Außenbereichslage der nördlichen Teilfläche des geplanten Bebauungsplangebiets zwar durchaus schwierig, andererseits aber auch nicht von vorne herein völlig ausgeschlossen, den Bebauungsplan „Z. …“, wie die Beigeladene plant, im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB zu erlassen, wodurch lediglich eine Berichtigung des Flächennutzungsplans erforderlich würde, § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB (zur Möglichkeit, auch Außenbereichsinseln im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB zu beplanen, vgl. BVerwG U.v. 25.4.2023 – 4 CN 5.21 – NVwZ 2023, 1498 ff.). Hierauf kommt es aber letztlich nicht entscheidungserheblich an, weil jedenfalls eine Flächennnutzungsplanänderung im regulären Verfahren nach § 8 Abs. 3 oder
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Abs. 4 BauGB in Frage kommt. Da der Aufstellungsbeschluss für das Bauleitplanverfahren nur Anstoßfunktion hat und außer der öffentlichen Bekanntmachung des Beschlusses (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB) das Gesetz keine weiteren Förmlichkeiten für diesen aufstellt, ist es nicht erforderlich, dass im Aufstellungsbeschluss bereits eine Festlegung auf ein Verfahren erfolgt. Vorliegend hat die Beigeladene zwar das vereinfachte Verfahren nach § 13a BauGB vorgesehen, allerdings kann noch auf das reguläre Verfahren umgeschwenkt werden. Dies hätte keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre (HessVGH, B.v. 1.4.2021 – 3 B 1736/20.N – juris Rn. 38).
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Schließlich verhindert auch die Umgebungsbebauung, die die Bauleitplanung zu berücksichtigen hat, das geplante allgemeine Wohngebiet nicht von vorne herein. Nach der Aussage der Gemeindevertreter existiert in unmittelbarer Nähe zum Plangebiet kein emittierender landwirtschaftlicher Betrieb. Die Klägerseite behauptet dies zwar, bleibt den Nachweis hierfür aber schuldig. Wäre dies der Fall, dürfte auch die Planung der Klägerin, die ja ebenfalls eine reine Wohnbebauung plant, kaum realisierbar sein. Hierfür spricht also wenig, zumal sich dem Lageplan und dem Kartenmaterial des BayernAtlas für die westlich gelegene FlNr. 3/1 lediglich ein Wohnhaus (Hausnr. **) mit kleinem Nebengebäude, mutmaßlich eine Garage, entnehmen lässt.
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Auch unüberwindbare Gegebenheiten des Naturschutzes oder anderer maßgeblicher Belange sind nicht erkennbar. Eine durch Veränderungssperre sicherungsfähige Planung liegt damit vor.
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Nach alledem steht dem beantragten Vorbescheid die wirksame Veränderungssperre vom 15. September 2022 entgegen.
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4. Nachdem die Beigeladene ihr Einvernehmen zur klägerischen Planung rechtmäßig deshalb versagt hat, weil diese eine Bebauung mit Mehrfamilienhäusern vorsieht, was dem (zukünftigen) Bebauungsplan „Z. …“ klar widerspricht und die zu sichernde Planung unmöglich machen würde (vgl. EZBK a.a.O. Rn. 93 ff.), kam auch die Zulassung einer Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB – schon tatbestandlich – nicht in Betracht, ohne dass insoweit ein Ermessen eröffnet wäre und ist damit die Klage auch mit ihrem Hilfsantrag abzuweisen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und sich dem Kostenrisiko somit nicht ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3 VwGO, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO.
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6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.