Inhalt

LG Schweinfurt, Urteil v. 27.11.2023 – 4 KLs 12 Js 2737/23, 4 KLs 14 Js 774/22
Titel:

Minder schwerer Fall beim bewaffneten Betäubungsmittelhandel

Normenkette:
BtMG § 29a Abs. 1, § 30a Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3
Leitsatz:
Ist die nicht geringe Menge lediglich geringfügig überschritten und handelt es sich bei der Waffe um eine Schreckschusswaffe mit Knallmunition, so kann das Tatbild von den erfahrungsgemäß vorkommenden Fällen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG so erheblich abweichen, dass die Annahme eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG geboten erscheint. (Rn. 96) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betäubungsmittelhandel, nicht geringe Menge, geringfügige Überschreitung, Bewaffnung, Schreckschusswaffe mit Knallmunition, Strafzumessung, minder schwerer Fall
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 29.04.2024 – 6 StR 132/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48387

Tenor

I. Der Angeklagte S2. S3., geboren am ...1991, ist schuldig des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit Diebstahl in zwei tatmehrheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, in einem Fall davon in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis.
II. Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.
III. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe

Vorspann:
1
Der im A.-Zentrum in  ..., untergebrachte Angeklagte trug anlässlich einer polizeilichen Kontrolle vor dem Eingang des A.-Zentrums am 24.02.2023 43,55 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 11,8 Gramm THC, aufgeteilt in elf verkaufsfertige Portionen, bei sich, die er gewinnbringend zu veräußern beabsichtigte. Im Verlauf einer anschließenden polizeilichen Durchsuchung seines Zimmers im A.-Zentrum, in welchem er das Haschisch zuvor aufbewahrt hatte, konnte an der Rückseite seines Kühlschranks eine mit zehn Kartuschen Knallmunition geladene funktionstüchtige SRS-Pistole mit PTB-Kennzeichnung aufgefunden werden (Fall 1).
2
Darüber hinaus entwendete der Angeklagte am 04.02.2022 gemeinsam mit drei Mittätern vom Gelände eines Gebrauchtwagenhändlers einen PKW Audi A3 im Wert von ca. 3.000 EUR, nachdem mindestens einer seiner Mittäter mit einem Stein die Fensterscheibe eines Bürocontainers eingeworfen und die auf der Fensterbank abgelegten Fahrzeugschlüssel an sich genommen hatte. Anschließend entfernten sich die vier Täter mit dem Pkw vom Gelände, wobei der Angeklagte das Fahrzeug steuerte, obwohl er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war. Kurz darauf entwendete einer seiner Mittäter im Einvernehmen mit den übrigen Tatbeteiligten die amtlichen Kennz ... vom PKW der Geschädigten ... und brachte diese am PKW Audi A3 an. Zuletzt führte der Angeklagte im Beisein seiner Mittäter das Fahrzeug am 06.02.2022 unter anderem auf der BAB 63 in Fahrtrichtung Mainz im Bereich der Anschlussstelle S. (Fall 2).
3
In einem weiteren Fall entwendete der Angeklagte am 16./17.08.2022 am Vorplatz des Hauptbahnhofs ... das verschlossen abgestellte Fahrrad des Geschädigten ... im Wert von ca. 350 EUR, indem er das Schloss aufbrach (Fall 3).
4
Hinsichtlich einer Reihe weiterer Vorwürfe hat die Kammer das Verfahren gegen den Angeklagten sowohl im Vorfeld der Hauptverhandlung als auch in der Hauptverhandlung selbst gemäß §§ 154, 154a StPO beschränkt.
5
Der Angeklagte hat die unter Ziffern II.1. und II.2. weitgehend eingeräumt. Im Übrigen erachtet ihn die Kammer als durch die durchgeführte Beweisaufnahme überführt und hat ihn unter Ablehnung der Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt, wie im Tenor dargestellt.
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Eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO hat nicht stattgefunden.
I. Feststellungen zur Person
1. Biographische Entwicklung und Drogenkonsum
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Der Angeklagte wurde am ... 1991 in ... geboren. Sein Vater heiratete fünf Frauen und hat mit diesen insgesamt 37 Kinder. Der Angeklagte selbst steht altersmäßig in der Mitte der zahlreichen Geschwister. Sämtliche acht Vollgeschwister des Angeklagten sind weiblich.
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Als der Angeklagte sechs Jahre alt war trennten sich seine Eltern, und der Angeklagte wuchs bei seiner Großmutter auf. Seine Kindheit war von Anfang an vom Bürgerkrieg in seiner Heimat geprägt, weshalb er, zumal seine Familie der Minderheit der Berber angehörte, sich überwiegend zuhause aufhalten musste und insbesondere keine Schule besuchte. Er kann deshalb weder Arabisch schreiben noch lesen. Im Alter von 13 Jahren begann er schließlich als landwirtschaftliche Hilfskraft zu arbeiten. Diese Tätigkeit verrichtete er bis zu seinem 19. Lebensjahr. Im Alter von ca. 23 Jahren erwarb er die algerische Fahrerlaubnis und arbeitete als LKW-Fahrer.
9
Vor 4-5 Jahren kam der Angeklagte zuerst nach Spanien, dann, nach Aufenthalten in Frankreich und Italien im Jahr 2021, zuletzt nach Deutschland. Asyl hat er ausschließlich in Deutschland beantragt. Der Antrag wurde bisher vorläufig verabschieden in Form einer Duldung.
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In Algerien begann der Angeklagte im Alter von zwölf Jahren mit dem Konsum von Cannabis und der Einnahme von Pregabalin in einer Dosis von ca. 900 – 1.200 mg am Tag. Er leidet nach eigenen Angaben an Epilepsie, die nach seinem Empfinden in der Heimat medikamentös falsch behandelt wurde.
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In Frankreich konsumierte er ebenfalls Tabletten und Kokain.
12
In den letzten zwei Jahren konsumierte der Angeklagte hauptsächlich Tabletten und Kokain – Letzteres in einer Dosis von 1 – 2 Gramm am Tag, sofern er es sich leisten konnte. Für den Fall, dass er nicht über ausreichend liquide Mittel verfügte, griff er auf Amphetamin zurück.
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Haschisch und Marihuana konsumierte er zuletzt nur gelegentlich und tauschte es, wenn möglich, gegen Kokain ein.
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LSD, Heroin, Crystal Meth und Ecstasy hat der Angeklagte bislang nur probeweise konsumiert.
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Entzugserscheinungen zeigten sich bei seiner Aufnahme in der JVA insbesondere in Form von Schwitzen.
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Der Angeklagte leidet unter einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ. Seit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland befand er sich – typischerweise aufgrund suizidaler oder fremdaggressiver Verhaltensweisen – 13 Mal in stationärer psychiatrischer Behandlung im ..., wobei unterschiedliche Diagnosen – zum Beispiel die einer Anpassungsstörung und eines Verdachts auf dissoziative Krampfanfälle – gestellt wurden, zu keinem Zeitpunkt aber eine Betäubungsmittelabhängigkeit diagnostiziert wurde.
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Der Angeklagte wurde im führenden Verfahren 12 Js 2737/21 am 24.02.2023 vorläufig festgenommen und befand sich zunächst aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Schweinfurt vom 25.02.2023 vom 25.02.2023 bis 25.06.2023 in Untersuchungshaft. Vom 26.06.2023 bis 21.07.2023 wurde gegen den Angeklagten eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt. Seit dem 21.07.2023 befindet sich der Angeklagte wieder, aufgrund des vorgenannten Haftbefehls, welcher mit Beschluss des Landgerichts Schweinfurt vom 05.09.2023 aufrechterhalten und angepasst wurde, in vorliegender Sache in Untersuchungshaft.
2. Vorstrafen
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Strafrechtlich ist der Angeklagte bereits wie folgt in Erscheinung getreten:
1. AG Schweinfurt vom 17.08.2021
D4608 7 Ds 15 Js 9668/21
Rechtskräftig seit 17.08.2021
Tatbezeichnung: Diebstahl Datum der (letzten) Tat: 16.08.2021 Angewandte Vorschriften: StGB § 242 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 56
2 Monat(e) Freiheitsstrafe Bewährungszeit 2 Jahr(e)
2. AG Schweinfurt vom 18.11.2021
D4608 6 Cs 15 Js 12925/21
Rechtskräftig seit 17.12.2021
Tatbezeichnung: Erschleichen von Leistungen Datum der (letzten) Tat: 08.10.2021 Angewandte Vorschriften: StGB § 265 a Abs. 1, § 265 a Abs. 3, § 248 a 30 Tagessätze zu je 5,00 EUR Geldstrafe
II. Feststellungen zur Sache
1. Verfahren 12 Js 2737/21
19
In einem nicht näher bekannten Zeitraum, jedenfalls seit Ende 2022 bis zum 24.02.2023, handelte der Angeklagte im Stadtgebiet Sch. mit Betäubungsmitteln, um hierdurch Gewinn zu erzielen und auf diese Weise seinen eigenen Drogenkonsum zu finanzieren.
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Das Betäubungsmittel erlangte der Angeklagte von seinem Lieferanten ..., mit dem er übereingekommen war, dass er einen kleinen Teil der durch ... jeweils gelieferten Betäubungsmittelmenge als Entlohnung für sich behalten durfte, den weit überwiegenden Teil aber weiterzuveräußern und den dadurch erzielten Erlös an ... abzuführen hatte.
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Zu diesem Zwecke verließ der Angeklagte regelmäßig, hauptsächlich am Nachmittag, sein Zimmer im A.-Zentrum, um in Sch., insbesondere am Roßmarkt bzw. am T.platz, vornehmlich Haschisch und Marihuana an unterschiedliche, nicht näher bekannte Abnehmer zu veräußern. Er verlangte von seinen Abnehmern in der Regel 7,00 bis 10,00 EUR pro Gramm. Die erzielten Einnahmen gab er absprachegemäß an ... weiter. Seinen eigenen Anteil an den Betäubungsmitteln konsumierte er entweder selbst oder tauschte ihn gegen Kokain ein.
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Als er auch am 24.02.2023 gegen 14:05 Uhr das A.-Zentrum in ... verließ, um sich nach Sch. zu begeben, führte der Angeklagte, als er vor dem Eingang des A.-Zentrums polizeilich kontrolliert wurde, wissentlich und willentlich 43,55 Gramm Haschisch mit sich, welches er in Sch. gewinnbringend zu verkaufen beabsichtigte.
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Das Haschisch, das bei dieser Gelegenheit sichergestellt werden konnte, war von überdurchschnittlicher Qualität, hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 11,8 Gramm (27,1%) und war bereits in elf verkaufsfertige Portionen – verpackt in Frischhaltefolie – aufgeteilt. Der Angeklagte rechnete zumindest damit und nahm jedenfalls billigend in Kauf, dass das von ihm mitgeführte Betäubungsmittel die genannte Wirkstoffkonzentration aufwies.
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Wie der Angeklagte wusste, besaß er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
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Bei einer anschließenden Durchsuchung des Zimmers des Angeklagten konnten eine digitale Feinwaage und umfangreiches Verpackungsmaterial sichergestellt werden.
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In seinem, aus einem Raum bestehenden und durch ein Badezimmer ergänzten Zimmer, in welchem der Angeklagte das sichergestellte Rauschgift zuvor gelagert und abgepackt hatte, bewahrte er – zum Durchsuchungszeitpunkt wie auch bereits zuvor während der Aufbewahrung des sichergestellten Haschischs – zudem eine mit zehn Kartuschen Knallmunition geladene, funktionstüchtige SRS-Pistole mit PTB-Kennzeichnung, Heckler & Koch, Modell P30, bei der die Gasableitung durch den Lauf nach vorne erfolgt griffbereit an der Rückseite seines Kühlschranks auf.
2. Unterbundenes Verfahren 14 Js 5331/22
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Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt in den Abendstunden des 04.02.2022 befanden sich der Angeklagte und die anderweitig Verfolgten ..., ... und ... auf dem Heimweg zur A.-Einrichtung in ..., als die Begleiter des Angeklagten beschlossen, vom Gelände des Gebrauchtwagenhandels des Geschädigten ..., ... einen PKW zu entwenden. Obgleich er zu diesem Zeitpunkt noch kein Interesse am Diebstahl eines Fahrzeugs hatte, begab sich der Angeklagte gemeinsam mit seinen Begleitern auf das Ausstellungsgelände des Geschädigten, wo er zunächst unentschlossen stehen blieb, während mindestens einer seiner Begleiter unter Verursachung eines Sachschadens von ca. 250,00 EUR mit einem Stein ein Fenster eines auf dem Gelände aufgestellten Bürocontainers einschlug, ins Innere des Containers griff und die auf der Fensterbank abgelegten Fahrzeugschlüssel eines gebrauchten PKW Audi A3 an sich nahm, mit denen er sodann den zugehörigen PKW im Wert von € 3.000,00 öffnete.
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Obwohl er mitbekommen hatte, auf welche Weise seine Mittäter in den Besitz der Fahrzeugschlüssel gelangt waren und dass sie diese benötigten, um den verschlossen abgestellten PKW Audi A3 aufzuschließen, entschloss sich der Angeklagte spätestens jetzt, an der bevorstehenden Entwendung des Fahrzeugs mitzuwirken. In Billigung des bisherigen Vorgehens seiner Begleiter setzte er sich ans Steuer des nicht mit amtlichen Kennzeichen versehenen Pkw und führte diesen, nachdem auch seine Mittäter darin Platz genommen hatten, auf öffentlichen Straßen in Sch., obwohl er wusste, dass er nicht im Besitz der hierfür erforderlichen Fahrerlaubnis war.
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Im Verlauf der Fahrt hatte ... die Idee, das Fahrzeug mit fremden Kennzeichen zu versehen, um weniger Aufmerksamkeit zu erregen. Auf seine Aufforderung hin hielt der Angeklagte den PKW an, woraufhin ... von dem auf Höhe des Anwesens ... abgestellten Pkw der Geschädigten ... die amtlichen Kennz. ... abmontierte und sie am PKW Audi A3 befestigte, um auf diese Weise den Anschein zu erwecken, das Fahrzeug sei ordnungsgemäß für den Straßenverkehr zugelassen, obwohl ihm – ebenso wie dem Angeklagten – bewusst war, dass die Kennzeichen gerade nicht für das letztgenannte Fahrzeug ausgegeben worden waren. In Kenntnis und Billigung dieser Umstände setzte der Angeklagte sodann gemeinsam mit den übrigen Beteiligten die Fahrt fort und führte das Fahrzeug weiterhin auf öffentlichen Straßen.
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Bei der Entwendung sowohl des PKW als auch der Kennzeichenschilder handelte der Angeklagte in der Vorstellung, dass er und seine Mittäter Fahrzeug und Kennzeichen jedenfalls auf unabsehbare Zeit für sich behalten würden und dass die jeweiligen Eigentümer möglicherweise nie wieder in den Besitz ihres Eigentums gelangen würden.
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Darüber hinaus führte der Angeklagte den PKW Audi A3 mit den genannten amtlichen Kennzeichen trotz Fehlens einer Fahrerlaubnis und in Kenntnis des Umstands, dass die an dem Fahrzeug angebrachten amtlichen Kennzeichen nicht für dieses ausgegeben worden waren, noch bei mindestens einer weiteren Gelegenheit, als er und seine drei oben genannten Begleiter am Abend des 06.02.2022 auf der BAB 63 in Fahrtrichtung Mainz unterwegs waren, wo sie um 22:40 Uhr im Bereich der Anschlussstelle Saulheim angehalten und einer polizeilichen Kontrolle unterzogen werden konnten.
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Fahrzeug und Kennzeichen konnten daraufhin an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden.
3. Unterbundenes Verfahren 9 Js 1862/23
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Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 16.08.2022, 14:50 Uhr, und dem 17.08.2022, 00:04 Uhr, entwendete der Angeklagte das am Bahnhofsvorplatz, ..., ..., abgestellte und mit einem Schloss verschlossene Fahrrad der Marke Hardtrail des Geschädigten ... im Wert von ca. 350 EUR. Der Angeklagte ging dabei derart vor, dass er den Fahrradsattel eines anderen Fahrrads abmontierte und mit der Sattelstange das Fahrradschloss des Fahrrads des Geschädigten ... gewaltsam aufhebelte. Im Anschluss nahm er das Fahrrad an sich, um dieses dauerhaft für sich zu behalten, obwohl er wusste, dass er hierauf keinen Anspruch hatte.
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Das Fahrradschloss wurde durch das gewaltsame Öffnen, wie vom Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommen unbrauchbar gemacht, wodurch dem Geschädigten ein Schaden in Höhe von etwa 20 EUR entstand.
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Das Fahrrad selbst konnte dem Geschädigten nach Sicherstellung wieder zurückgegeben werden.
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Die Staatsanwaltschaft hat das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung von Amts wegen bejaht.
III. Beruhen der Feststellungen zur Person
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Die unter Ziffer I getroffenen Feststellungen beruhen auf den eigenen glaubhaften Angaben des Angeklagten, an denen zu zweifeln die Kammer keinen Grund sieht, den Angaben des Sachverständigen Dr. ..., der die biographischen Auskünfte wiedergegeben hat, die der Angeklagte ihm im Rahmen der Exploration am 30.03.2023 erteilt hatte, sowie der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 17.10.2023.
IV. Beruhen der Feststellungen zur Sache
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Die Feststellungen zur Sache beruhen auf dem teilweisen Geständnis des Angeklagten sowie ergänzend auf der durchgeführten Beweisaufnahme.
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1. a) Hinsichtlich des Sachverhaltes unter Ziffer II.1. ließ sich der Angeklagte zunächst dahingehend ein, dass das aufgefundene Haschisch einem Freund namens ... gehöre und er es für diesen lediglich verwahrt und abgepackt habe.
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Auf Vorhalt diverser Widersprüche und Unstimmigkeiten räumte der Angeklagte schließlich ein, dass die sichergestellten 43,55 Gramm Haschisch für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt gewesen seien und dass er zu diesem Zweck unterwegs zur Sch. Innenstadt gewesen sei. Er erklärte, dass er das Haschisch von seinem Lieferanten bekommen und sodann in seinem Zimmer im A.-Zentrum aufgeteilt und verkaufsfertig abgepackt habe. Anschließend hätte er es verkauft und seinen eigenen Haschischanteil gegen Kokain eingetauscht. Er habe in der Regel pro Gramm Haschisch 7,00 bis 10,00 EUR bekommen. Es sei nicht so, dass er an seinen Lieferanten einen günstigeren Einkaufspreis gezahlt habe und den Gewinn habe behalten dürfen. Vielmehr habe er von diesem 50 Gramm bekommen, von denen er sich 5-10 Gramm als Lohn bzw. als seinen Anteil habe wegnehmen dürfen, während er den Rest habe verkaufen und den dadurch erzielten Erlös an seinen Lieferanten abgeben sollen.
41
Hinsichtlich der sichergestellten Waffe erklärte der Angeklagte, dass er diese vor circa einem halben Jahr ebenfalls von dem zuvor genannten Lieferanten bekommen habe, nachdem dieser sie nicht mehr habe haben wollen. Sein Lieferant habe ihm gegenüber erklärt, dass es sich nicht um eine echte Waffe handle.
42
b) Das Geständnis des Angeklagten hinsichtlich der Tatsache, dass er im tatgegenständlichen Zeitraum mit Betäubungsmitteln Handel getrieben habe und die sichergestellten 43,55 Gramm Haschisch ebenfalls zum Handeltreiben bestimmt gewesen seien, wurde bestätigt durch die glaubhaften Angaben der Zeugen KHK ... und KHK ... in der Hauptverhandlung.
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Der Zeuge KHK ... hat gegenüber der Kammer angegeben, dass er am 24.02.2023 eine Informantin namens „...“ vernommen und diese ihm mitgeteilt habe, dass ein algerischer Drogenhändler mit dem Spitznamen „...“, wohnhaft in der Asylbewerberunterkunft in ..., seit längerer Zeit, mindestens aber seit einem Vierteljahr, täglich ab den Nachmittagsstunden Haschisch, Marihuana und Kokain in Sch. im Bereich R. bzw. T.platz verkaufe. Oft verfüge dieser über mehrere Hundert Gramm, und seine Preise betrügen bei Cannabisprodukten 10,00 EUR/Gramm und bei Kokain 100,00 EUR/Gramm.
44
Der Zeuge ... gab weiter an, dass der Name „...“ als Spitzname des strafrechtlich schon mehrfach in Erscheinung getretenen Angeklagten polizeibekannt gewesen sei, weshalb dieser am 24.02.2023 am Eingang des A.-Zentrums einer Kontrolle unterzogen worden sei, bei welcher in der Unterhose des Angeklagten 43,55 Gramm Haschisch, verpackt in elf verkaufsfertige Portionen, hätten aufgefunden werden können.
45
Der Zeuge KK ..., welcher an der Durchsuchung des Zimmers des Angeklagten im A.-Zentrum am 24.02.2023 beteiligt war, hat in der Hauptverhandlung geschildert, dass der Angeklagte zum Durchsuchungszeitpunkt der einzige Bewohner des Zimmers gewesen sei und dass dort zwar keine weiteren Betäubungsmittel, jedoch einige Medikamente, die er nicht genau benennen könne, aufgefunden worden seien. Überdies sei auf der Rückseite des Kühlschranks eine Schreckschusspistole der Marke Heckler & Koch, Modell P30, mit PTB-Kennzeichnung versteckt gewesen. Ansonsten – so der Zeuge – seien in dem Zimmer noch eine funktionsfähige Waage und Verpackungsmaterial aufgefunden worden, das mit dem Verpackungsmaterial korrespondiere, welches man in der Unterhose des Angeklagten vorgefunden habe. Die aufgefundene Frischhaltefolie sei – offensichtlich zur Vorbereitung des Verpackens von Haschischbrocken – bereits zerteilt gewesen.
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Ferner berichtete der Zeuge der Kammer, dass er das Handy des Angeklagten ausgewertet habe. Hierbei habe er eindeutige Hinweise auf ein Handeltreiben des Angeklagten feststellen können, insbesondere aufgrund der Chatnachrichten, die zum Teil unter Verwendung des G.-Translators verfasst worden seien. Der Angeklagte habe sogar mit Minderjährigen in Person von ... und ... in Kontakt gestanden, wenngleich konkrete Geschäfte mit diesen nicht hätten nachgewiesen werden können.
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Soweit die Kammer zu der Feststellung gelangt ist, dass es sich bei dem Lieferanten des Angeklagten um ... gehandelt hat, beruht dies darauf, dass einerseits der Angeklagte in der Hauptverhandlung glaubhaft angegeben hat, sein Lieferant habe neben ihm gestanden, als er am Abend des 20.02.2023 am R.-markt in Sch. polizeilich kontrolliert worden sei und andererseits der Zeuge POM ... der Kammer geschildert hat, dass er an besagtem Abend gegen 22:45 Uhr den Angeklagten am Roßmarkt in Sch. kontrolliert und durchsucht habe, als dieser sich in Gegenwart des gleichfalls polizeibekannten ... befunden habe. Während in der Unterhose des Angeklagten zwei Druckverschlusstütchen mit jeweils ca. einem Gramm Marihuana aufgefunden worden seien, habe ... keine Betäubungsmittel bei sich gehabt.
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c) Dass es sich bei der aufgefundenen Waffe um eine Schusswaffe im Sinne von § 30a BtMG handelt entnimmt die Kammer gleichfalls den Angaben des Zeugen KK ..., der in der Hauptverhandlung berichtet hat, dass es sich bei der Waffe um ein Modell handle, bei welchem bei Schussabgabe der Gasdruck nach vorne durch den Lauf entweiche. Die Waffe sei funktionstüchtig und mit zehn Knallkartuschen im eingeführten Magazin teilgeladen gewesen, doch habe sich im Patronenlager keine Patrone befunden.
49
Die Kammer ist ferner davon überzeugt, dass der Angeklagte die Waffe beim Handeltreiben mit den Betäubungsmitteln mit sich geführt hat.
50
Dass er die zum gewinnbringenden Verkauf bestimmten Betäubungsmittel in seinem Zimmer gelagert und abpackt hat, hat der Angeklagte gegenüber der Kammer selbst eingeräumt. Die Kammer sieht keinen Grund, an diesen Angaben zu zweifeln, zumal auch ein in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenes Foto vom Handy des Angeklagten zeigt, wie der Angeklagte in seinem Zimmer im A.-Zentrum an einem Tisch sitzt, auf dem sich Betäubungsmittel, eine Feinwaage sowie eine Schusswaffe befinden. Ein weiteres in Augenschein genommenes Lichtbild vom Handy des Angeklagten, welches erst einen Tag vor der Durchsuchung erstellt wurde, zeigt Haschisch auf derselben Feinwaage.
51
Die Kammer schließt aus der solcherart bestätigten Einlassung des Angeklagten, dass dieser jedenfalls einen Teil der zur Erfüllung des Tatbestands des Handeltreibens erforderlichen Tathandlungen in seinem Zimmer im A.-Zentrum vorgenommen hat. Dass er in seinem Zimmer auch eine konkrete Verkaufstätigkeit entfaltet, also unmittelbaren Kontakt zu Drogenabnehmern gehabt hätte, gegen die er die Waffe gegebenenfalls hätte einsetzen können, konnte nicht festgestellt werden, ist aber auch nicht erforderlich.
52
Ferner belegen mehrere in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Fotos vom Handy des Angeklagten, dass dieser sich in seinem Zimmer zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit der sichergestellten Waffe fotografiert hat bzw. hat fotografieren lassen, weshalb die Kammer nicht daran zweifelt, dass er die Waffe im Vorfeld der Durchsuchung vom 24.02.2023 durchgehend und damit auch im Zeitraum der Verwahrung und Portionierung der sichergestellten Haschischmenge aufbewahrt hat.
53
Davon, dass Angeklagte ohne erheblichen Zeitaufwand auf die in seinem Zimmer verwahrte Waffe zugreifen konnte – diese also griffbereit war – hat sich die Kammer durch die Aussage des Zeugen KK ... überzeugt, der in der Hauptverhandlung unter Erläuterung in Augenschein genommener Fotos vom Zimmer des Angeklagten glaubhaft geschildert hat, dass der Kühlschrank, auf dessen Rückseite die Waffe in Fußbodennähe in ein Verkleidungselement eingeschoben gewesen sei, im Eingangsbereich des Zimmers, ca. fünf Meter vom Bett des Angeklagten entfernt, aufgestellt gewesen sei. Zwar habe man den Kühlschrank verrutschen müssen, um an die Waffe zu gelangen, doch habe dies durch eine einzelne Person mit etwas Kraftaufwand bewerkstelligt werden können.
54
Die Kammer entnimmt der Darstellung des Zeugen, dass der Angeklagte von jeder beliebigen Stelle seines Zimmers aus binnen weniger Sekunden in der Lage war, auf die gebrauchsbereit teilgeladene Waffe zuzugreifen und sie bei Bedarf einzusetzen.
55
d) Die getroffenen Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des sichergestellten Haschischs beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 19.04.2023, dem die Kammer entnommen hat, dass die elf sichergestellten Päckchen mit insgesamt 43,55 Gramm einen Wirkstoffgehalt von mindestens 27,1%, mithin also einen THC-Gehalt von mindestens 11,08 Gramm, aufgewiesen haben.
56
e) Bereits der in der Hauptverhandlung abgegebenen Einlassung des Angeklagten ist zu entnehmen, dass dieser das am 24.02.2023 sichergestellte Haschisch in der Absicht mit sich führte, es gewinnbringend zu verkaufen. Die Kammer ist ferner davon überzeugt, dass der Tatvorsatz des Angeklagten – zumindest in Gestalt bedingten Vorsatzes – auch den festgestellten Wirkstoffgehalt des sichergestellten Haschischs umfasst hat. Zwar war das Betäubungsmittel von überdurchschnittlicher Qualität, doch folgt selbst dann, wenn dem Angeklagten die Qualität des sichergestellten Haschischs aus seiner offenkundig eingespielten Geschäftsbeziehung zu seinem Lieferanten ... nicht ohnehin vertraut gewesen sein sollte, bereits aus der langjährigen Konsumerfahrung des Angeklagten, dass diesem die gerade bei Cannabisprodukten erfahrungsgemäß anzutreffenden erheblichen Qualitätsunterschiede durchaus bekannt sind, so dass mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon ausgegangen werden muss, dass er bei der Übernahme des Haschischs von ... jedenfalls damit gerechnet und billigend in Kauf genommen hat, dass dieses auch von deutlich überdurchschnittlicher Qualität würde sein können.
57
2. a) Den unter Ziffer II.2. festgestellten Sachverhalt räumte der Angeklagte vollumfänglich ein.
58
Er schilderte in der Hauptverhandlung, am 04.02.2022 nicht allein, sondern mit drei weiteren Tätern (zwei weiteren Syriern und einem Algerier namens ..., ... und ...) unterwegs gewesen zu sein. Zu viert seien sie auf dem Weg zum A.-zentrum gewesen und hätten eine Abkürzung nehmen wollen, als sein Begleiter ... gemeint habe, er wisse wie man auf das Gelände des Gebrauchtwagenhändlers komme und man könnte dort ein Auto mitnehmen. ... habe ihn gefragt, ob er fahren könne, was der Angeklagte bejaht habe.
59
Der Angeklagte sei bei einem Auto stehen geblieben, welches etwas entfernt von dem Bürocontainer gestanden habe. Zwei seiner Begleiter hätten dann die Schlüssel genommen. Dass sie die Scheibe eingeschlagen hätten – habe er nicht gesehen, er habe nur ein Geräusch wahrgenommen. Zunächst habe er das Auto zum A.-zentrum fahren sollen, wobei er zu Beginn ohne Nummernschilder gefahren sei. Kurz nach Fahrtbeginn habe jedoch ..., gesagt, er solle anhalten, und dann habe ... die KFZ-Kennzeichen ... von einem fremden Fahrzeug abmontiert und an dem entwendeten und von ihm geführten PKW angebracht. Später sei man dann übereingekommen nach Fr. zu fahren.
60
Über den Wert des Autos habe sich der Angeklagte keine Gedanken gemacht. Außerdem habe er an jenem Abend Kokain und Pregabalin konsumiert.
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Hingewiesen auf die Gefahren, welche durch ein Fahren nach dem Konsum berauschender Mittel und ohne Fahrpraxis entstehen können, entgegnete der Angeklagte, dass er habe fahren können, weil er in der Heimat und in Fr. einen Führerschein gehabt habe.
62
b) Das Geständnis des Angeklagten wurde bestätigt durch das Ergebnis der Beweisaufnahme.
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So hat der Zeuge PHM ... der Kammer in seiner Eigenschaft als polizeilicher Sachbearbeiter berichtet, dass in den Abendstunden des 04.02.2022 auf dem Gebrauchtwagengelände der Firma ...zunächst die Scheibe eines Bürocontainers eingeschlagen und aus dem Bürocontainer zwei Schlüssel eines Audi A3, welche in der Nähe der Fenster gelegen hätten, entwendet worden seien. Der dazugehörige PKW, welcher einen Wert von ca. 3000 EUR gehabt habe, sei sodann ebenfalls entwendet worden.
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In der Nacht zum 05.02.2022 seien zudem auf Höhe des Anwesens ... in Sch. die amtlichen Kennz ... entwendet worden.
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Am 06.02.2022 gegen 22:00 Uhr, schilderte der Zeuge weiter, sei der Angeklagte, welcher ohne gültige Fahrerlaubnis am Steuer des zuvor entwendeten PKW gesessen habe, mit drei weiteren Personen, namens ..., ... und ..., im Bereich M., genauer auf der BAB 63 in Fahrtrichtung Mainz AS Saulheim, kontrolliert worden.
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Die Kammer hat in der Hauptverhandlung gemeinsam mit dem Zeugen PHM ... ebenfalls die TÜV-Bescheinigung, den AU Nachweis, den Fahrzeugbrief und den Fahrzeugschein des entwendeten PKW Audi sowie Lichtbilder des Betriebsgeländes, des Bürocontainers und der eingeschlagenen Fensterscheibe inklusive des Innenraums in Augenschein genommen.
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Der Gebrauchtwagenhändler und Zeuge ... bezifferte den Wert des PKW auf etwa 3.000,00 EUR bis 3.500,00 EUR und den der zerbrochenen Fensterscheibe auf 250,00 EUR, wobei die Kammer ihren Feststellungen zugunsten des Angeklagten einen Zeitwert des Fahrzeugs von nur 3.000,00 EUR zugrunde gelegt hat. Außerdem berichtete der Zeuge, dass er zwei bis drei Wochen lang ohne Fensterscheibe in seinem Container habe sitzen müssen, was temperaturbedingt unangenehm gewesen sei. Den PKW Audi A3 habe er zwar unbeschadet zurückerhalten, doch sei dieser stark vermüllt gewesen, und es habe im Innenraum nach Rauch gestunken.
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Die Kammer erachtet die Angaben des Zeugen ... als glaubhaft. Denn die Angaben des Zeugen ...waren schlüssig und ohne Widersprüche. Auch zeigte der Zeuge keinen Belastungseifer. Insbesondere berichtete er, dass der PKW bei der Rückgabe zwar verschmutzt, jedoch unbeschadet gewesen sei.
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c) Dadurch, dass der Angeklagte sich an das Steuer des PKW Audi A3 gesetzt und diesen vom Gelände des Gebrauchtwagenhandels weggefahren hat, hat er die zunächst von den übrigen Tatbeteiligten begonnene Tatausführung gebilligt, sich ihrer Tat angeschlossen und sie dadurch zu seiner eigenen Tat gemacht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt handelte er somit aufgrund eines Tatvorsatzes, der auf die Wegnahme einer durch eine Schutzvorrichtung besonders gesicherten Sache gerichtet war.
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Entsprechendes gilt, soweit die Fahrzeugschlüssel, die zum Aufschließen des PKW benutzt wurden, von den übrigen Tatbeteiligten durch einen Einbruch in den Bürocontainer des Geschädigten erlangt worden waren. Zwar kann dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden, dass er das Einschlagen der Scheibe des Containers beobachtet hätte, doch hat er selbst angegeben, jedenfalls das damit verbundene Geräusch wahrgenommen zu haben. Da für den Angeklagten außerdem keinerlei Zweifel daran bestehen konnte, dass die Fahrzeugschlüssel des PKW Audi auf dem Gelände nicht etwa offen herumlagen, sondern sich in dem Bürocontainer befunden haben müssen, in dessen unmittelbarer Nähe die übrigen Tatbeteiligten jedenfalls aus seinem Sichtfeld verschwunden sein müssen, ist die Kammer davon überzeugt, dass dem Angeklagten spätestens zu dem Zeitpunkt, zu welchem die Fahrzeugschlüssel zum Öffnen des PKW verwendet wurden, bewusst war, dass diese von seinen Mittätern aus dem Inneren des Bürocontainers entwendet worden waren, dass also zu diesem Zweck einer von ihnen mindestens durch die Fensteröffnung, deren Scheibe er hatte zerbersten hören, ins Innere des Containers gegriffen haben musste. Dadurch, dass der Angeklagte sich bereitfand, das Fahrzeug vom Gelände zu entfernen, akzeptierte er also auch diesen Teilakt der Tatausführung als Teil jener Gesamttat, an welcher er vorsätzlich mitwirkte.
71
Auch den Diebstahl der fremden PKW-Kennzeichen sowie deren Montage am zuvor entwendeten PKW Audi führte der Angeklagte nicht selbst aus. Zu seinen Gunsten mag unterstellt werden, dass er, als er das Fahrzeug auf die Aufforderung ...s hin anhielt, noch nicht wusste, zu welchem Zweck dies geschah. Doch dann beobachtete er, wie sein Mittäter ausstieg, mit zwei fremden Kennzeichenschildern zurückkehrte und diese am Pkw Audi anbrachte. Wenn er in Kenntnis dieser Umstände anschließend die Fahrt als Fahrzeugführer fortsetzte, ergibt sich hieraus sein Tatvorsatz nicht nur hinsichtlich der begangenen Urkundenfälschung, sondern auch bezüglich des Kennzeichendiebstahls bereits daraus, dass er von Letzterem auf der Weiterfahrt jedenfalls insofern profitierte, als diese Weiterfahrt unter Benutzung falscher Kennzeichen, die den Anschein einer rechtsgültigen Zulassung des Fahrzeugs erweckten unauffälliger war als zuvor und damit nicht nur der persönlichen Sicherheit des Angeklagten, sondern auch der Beutesicherung nach dem vollendeten PKWDiebstahl diente, weshalb die Kammer keinen Zweifel daran hegt, dass der Angeklagte durch die Weiterfahrt jedenfalls auch den Kennzeichendiebstahl und die missbräuchliche Benutzung der Kennzeichen in seinen Gesamtvorsatz mit aufgenommen hat.
72
3. a) Hinsichtlich des unter Ziffer II.3. festgestellten Sachverhaltes erklärte der Angeklagte, dass es durchaus möglich sei, dass er das tatgegenständliche Fahrrad entwendet habe, jedoch könne er sich daran nicht erinnern.
73
b) Der Sachverhalt steht jedoch fest aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme.
74
Der Zeuge PHM ... gab hierzu an, dass sich am 17.08.2022 ... bei der Polizei gemeldet habe, um mitzuteilen, dass kurz zuvor sein Fahrrad gestohlen worden sei. Er sei sodann mit ihm zum Hauptbahnhof nach Schw. gefahren, wo das Fahrrad zuvor abgestellt worden sei. Dort habe er ein zerstörtes Schloss und einen Fahrradsattel vorgefunden, der zu einem anderen Fahrrad gehört habe. Dieser Fund habe auf einen dem Zeugen längst bekannten modus operandi schließen lassen, der darin bestehe, einen Fahrradsattel von einem anderen Fahrrad abzumontieren und die Sattelstange so lange um das Spiralschloss des zu entwendenden Fahrrads zu drehen, bis dieses zerreiße.
75
Das gestohlen gemeldete Fahrrad sei dann – so der Zeuge weiter – kurze Zeit später am A.-Zentrum aufgetaucht, wo es dem Angeklagten von einem Sicherheitsbediensteten abgenommen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei zwar noch unbekannt gewesen, wer das Fahrrad tatsächlich entwendet habe, doch habe die Untersuchung einer DNA-Spur von der Kette des zerstörten Fahrradschlosses einen Treffer ergeben, durch welchen schließlich der Angeklagte als Täter habe überführt werden können. Dieser habe bei der Konfrontation mit dem Tatvorwurf schelmisch gegrinst und gemeint, man müsse ihm die Tat erst per Videoaufzeichnung nachweisen.
76
Die Kammer entnimmt der Aussage des Zeugen PHM ..., dass die Tat so verübt wurde, wie es von dem Zeugen als polizeibekannter Ablauf geschildert wurde. Sie hat ferner die Beweisqualität des von dem Zeugen erwähnten DNA-Treffers dahingehend überprüft, dass sie in der Hauptverhandlung das spurentechnische Gutachten des Sachverständigen Dr. ... vom 18.08.2023 verlesen hat, dem sie – nach eigener Überprüfung – entnommen hat, dass aus dem untersuchten Abrieb vom Draht des zerstörten Fahrradschlosses des Geschädigten eine Mischspur habe isoliert werden können, an welcher – neben einer weiteren unbekannten Person – mit einer Wahrscheinlichkeit von 3,825 x 1020 zu 1 der Angeklagte als Spurenleger beteiligt gewesen sei.
77
Dem Ergebnis dieses Gutachtens in Verbindung mit dem Umstand, dass der Angeklagte im A.-Zentrum im Besitz des entwendeten Fahrrads angetroffen werden konnte, entnimmt die Kammer ihre Überzeugung, dass es tatsächlich der Angeklagte war, der das tatgegenständliche Fahrrad entwendet hat.
78
Die zum Wert des Fahrrads, zum Tatzeitraum und zum Tatort getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einvernahme des Zeugen ..., welcher in der Hauptverhandlung angab, das Fahrrad der Marke Hardtrail am 07.06.2022 für 379,00 EUR gekauft zu haben. Er habe das Fahrrad am 16.08.2022 um 14:30 Uhr in Sch. am Hauptbahnhof abgestellt und mit einem Schloss abgesperrt. Als er am 17.08.2022 um 00:04 Uhr zurückgekommen sei, sei das Fahrrad weg gewesen. Lediglich sein Schloss habe am Boden gelegen. Auf Vorhalt eines Fotos von dem im A.-Zentrum sichergestellten Fahrrad identifizierte der Zeuge sein Eigentum, das er unbeschädigt wieder zurückerhalten habe. Jedoch müsse der Sattel, der am Tatort gefunden worden sei, von einem anderen Fahrrad stammen.
79
Den Wert des Schlosses hat die Kammer, mangels weiterer zur Verfügung stehender Angaben geschätzt, wobei es diesen zu Gunsten des Angeklagten mit 20,00 EUR am unteren Rand angesetzt hat.
80
c) Dass der Angeklagte bei der Wegnahme des Fahrrads – sein Tatvorsatz steht angesichts seiner Vorgehensweise ohnehin außer Zweifel – in der Absicht gehandelt hat, das Fahrrad für sich zu behalten oder jedenfalls wirtschaftlich zu verwerten, schließt die Kammer daraus, dass er das Fahrrad nicht etwa nur als Fortbewegungsmittel auf seinem Weg zum A.Zentrum benutzt hat, sondern dass er auch auf dem Gelände des A.-Zentrums noch im Besitz des Fahrrads angetroffen werden konnte.
81
4. Die Überzeugung der Kammer davon, dass zu den jeweiligen Tatzeiten weder die Einsichts- noch die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich eingeschränkt oder gar aufgehoben war, beruht auf dem in der Hauptverhandlung erstatteten psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. med. ....
82
Der Sachverständige, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie (DGPPN), hat dargelegt, dass er den Angeklagten am 01.03. und am 31.03.2023 psychiatrisch untersucht habe.
83
Als psychopathologischer Befund der durchgeführten Untersuchung sei laut Sachverständigem festzuhalten, dass der Angeklagte wachen Bewusstseins und nach allen Qualitäten vollständig orientiert gewesen sei. Sein Benehmen sei höflich und korrekt, seine Grundstimmung sei zum Untersuchungszeitpunkt gut und ausgeglichen gewesen. Der formale Denkablauf sei geordnet gewesen. Dem klinischen Gesamteindruck nach verfüge der Angeklagte über eine durchschnittliche intellektuelle Ausstattung. Höhere Intelligenzfunktionen wie Überschauvermögen, Erkennen des Wesentlichen, Abstraktionsvermögen, Kritikfähigkeit, Einsichtsfähigkeit, Urteilsvermögen und Fähigkeit zum Perspektivenwechsel lägen unbeeinträchtigt vor. Das Antwortverhalten sei prompt gewesen, und es habe keine Anhaltspunkte für Wahrnehmungs- oder Ich-Störungen gegeben.
84
Der Sachverständige legte zusammenfassend dar, dass der Angeklagte in wenig kindgerechten Verhältnissen aufgewachsen sei. Die Primärverhältnisse seien gestört gewesen. Es habe Krieg geherrscht, und der Angeklagte habe einer Minderheit angehört. Der Angeklagte sei seit frühester Kindheit traumatisierenden Verhältnissen ausgesetzt gewesen, Wissen und Regeln seien im nicht vermittelt worden. Der Angeklagte habe ab dem zwölften Lebensjahr eine Affinität hinsichtlich des Drogenkonsums entwickelt. Zunächst Pregabalin (Lyrica) und sodann Cannabis. Pregabalin – so der Sachverständige – könnte unter Umständen auch aufgrund einer Epilepsie verabreicht worden sein, wobei sich allerdings die Diagnose einer Epilepsie bis zum heutigen Tag nicht habe verifizieren lassen.
85
Bereits einen Monat nach der Einreise des Angeklagten in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2021 habe aufgrund suizidaler und fremdaggressiver Tendenzen die psychiatrische Behandlung des Angeklagten begonnen. Die Diagnose habe seinerzeit auf Anpassungsstörung und Verdacht auf dissoziative Krampfanfälle gelautet.
86
Ein Abhängigkeitssyndrom erscheine auf der Grundlage der Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung plausibel. Allerdings sei auffällig, dass bei keiner der Behandlungen des Angeklagten im ... der Begriff „Suchtproblematik“ gefallen sei. Der Angeklagte habe etliche Narben und verletze sich öfter selbst. Er leide unter einer ausgeprägten Borderlinestörung. Auch bestehe der Verdacht auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Eine solche habe er zwar nicht sicher diagnostizieren können, gehe aber dennoch davon aus, dass der Angeklagte seit frühester Kindheit traumatisiert worden sei.
87
Zwar weise die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung des Angeklagten einen ausreichenden Schweregrad auf, um die Voraussetzungen einer „schweren anderen seelischen Störung“ im Sinne von § 20 StGB zu erfüllen, und auch die Abhängigkeitserkrankung des Angeklagten habe sich im Rahmen der Hauptverhandlung als ausgeprägter als zunächst angenommen dargestellt, doch zeigten sich sowohl bei der Exploration des Angeklagten als auch bei der Analyse der Tatausführung keinerlei Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit des Angeklagten, und eine konkrete Betrachtung der verfahrensgegenständlichen Taten ergebe, dass zu den jeweiligen Tatzeitpunkten auch seine Steuerungsfähigkeit jedenfalls nicht in forensisch relevantem Ausmaß beeinträchtigt gewesen sei, schon weil sämtliche dem Angeklagten vorgeworfene Taten ein hierfür zu ausgeprägtes Maß an Planung vorausgesetzt hätten.
88
Selbst wenn der Angeklagte bei der Begehung mancher Taten unter dem Einfluss eines gewissen Suchtdrucks gehandelt haben sollte, habe er sich jedenfalls nicht in einem Zustand befunden, in dem die Freiheit seiner Willensbildung und der Steuerung seines Verhaltens erheblich beeinträchtigt oder gar aufgehoben gewesen wäre. Abweichendes ergebe sich auch nicht bei Berücksichtigung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten, deren Symptomatik bei Straftaten der vorliegend zu beurteilenden Art – anders als etwa bei stark affektiv geprägten Taten – kein handlungsentscheidender Einfluss zukomme.
89
Der Sachverständige Dr. med ... ist der Strafkammer seit langem als erfahrener und gewissenhafter Gutachter bekannt. Seine Ausführungen erfolgten nachvollziehbar und waren von Objektivität und großer Sorgfalt geprägt. Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen deshalb nach eigener Überprüfung in vollem Umfang an und erachtet die Voraussetzungen für die Anwendung der §§ 20, 21 StGB als nicht gegeben.
V. Rechtliche Würdigung
90
Der Angeklagte hat sich des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit Diebstahl in zwei tatmehrheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, in einem Fall davon in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage I zum BtMG, §§ 3 Abs. 1, 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Nr. 2, 267 Abs. 1, 303 Abs. 1, 303c, 52, 53 StGB strafbar gemacht.
VI. Strafzumessung
91
Grundlage der Strafzumessung war die Schuld des Angeklagten, wobei jeweils auch diejenigen Wirkungen berücksichtigt wurden, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB).
A.
92
1. Die gegen den Angeklagten zu verhängende Strafe für die Tat unter Ziffer II.1. war dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zu entnehmen, der die Verhängung von Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren vorsieht.
93
Der Angeklagte hat sich zwar des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge strafbar gemacht, so dass grundsätzlich der Strafrahmen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG maßgeblich wäre. Allerdings war zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall im Sinne von § 30a Abs. 3 BtMG vorliegt.
94
Zu Gunsten des Angeklagten war in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen,
- dass dieser, wenn auch spät und erst nach Hinweis auf die Widersprüchlichkeit seiner Einlassung, ein umfassendes Geständnis abgelegt hat,
- dass er in der Hauptverhandlung seinen Lieferanten identifiziert hat, wenngleich dies nicht „rechtzeitig“ im Sinne von § 31 BtMG erfolgte,
- dass der Grenzwert zur nicht geringen Menge im Sinne der §§ 29a ff. BtMG nur geringfügig überschritten wurde,
- dass es sich bei Haschisch um eine Droge mit geringem Gefährdungspotential handelt,
- dass es sich bei der Waffe lediglich um eine Schreckschusswaffe mit Knallmunition handelt,
- dass sich die Waffe jedenfalls zum Zeitpunkt der Durchsuchung hinter einem Kühlschrank befand, der zunächst verrutscht werden musste, um an die Waffe zu gelangen,
- dass der Angeklagte im Tatzeitraum betäubungsmittelabhängig war und dadurch seine Steuerungsfähigkeit – wenn auch nicht erheblich im Sinne des § 21 StGB – herabgesetzt war,
- dass sich der Angeklagte bereits seit dem 25.02.2023 in Untersuchungshaft befindet, durch welche er sich sichtlich beeindruckt gezeigt hat und
- dass er sich mit der form- und entschädigungslosen Einziehung sämtlicher einziehungsfähiger Gegenstände einverstanden erklärt hat.
95
Zu Lasten des Angeklagten war hingegen zu berücksichtigen,
- dass er strafrechtlich bereits, wenn auch nicht einschlägig und nicht erheblich, in Erscheinung getreten ist, und
- dass er zum Tatzeitpunkt unter offener Bewährung stand.
96
Die Berücksichtigung sämtlicher dargestellter Gesichtspunkte ergibt, dass das vorliegende Tatbild von den erfahrungsgemäß vorkommenden Fällen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die nicht geringe Menge lediglich geringfügig überschritten wurde und es sich bei der Waffe um eine Schreckschusswaffe mit Knallmunition gehandelt hat so erheblich abweicht, dass die Annahme eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG geboten scheint.
97
Allerdings war bei der Ermittlung des zutreffenden Strafrahmens die Sperrwirkung des Strafrahmens aus § 29a Abs. 1 BtMG zu berücksichtigen, da diese Vorschrift zwar von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verdrängt wird, ihr Tatbestand aber vom Angeklagten mitverwirklicht worden ist und es nicht gerechtfertigt erscheint, den Angeklagten besserzustellen, als er stünde, wenn ihm bei der Tatausführung keine Schreckschusswaffe zugriffsbereit zur Verfügung gestanden hätte.
98
Nachdem im letztgenannten Fall die Abwägung der oben genannten Umstände mit Ausnahme der dann naturgemäß nicht einschlägigen Ausführungen zur eingeschränkten Gefährlichkeit der Waffe nicht ausreichend wäre, die Annahme eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG zu begründen, hat die Kammer deshalb der Strafzumessung im Rahmen des § 30a Abs. 3 BtMG den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt, der die Verhängung von Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren vorsieht.
99
Auf der Grundlage dieses Strafrahmens hat die Kammer die in § 46 Abs. 2 genannten und insbesondere die vorstehend aufgeführten Gesichtspunkte erneut gegeneinander abgewogen und erachtet deshalb im Fall II.1. die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren als tat- und schuldangemessen.
100
2. Für die Tat unter Ziffer II.2. war, weil der Angeklagte durch den ihm zuzurechnenden Einbruch in den Bürocontainer zum Zwecke der Entwendung des Fahrzeugschlüssels und die anschließende Entwendung des verschlossenen PKW die Regelbeispiele der §§ 243 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB erfüllt hat, zu prüfen, ob ein besonders schwerer Fall des Diebstahls anzunehmen ist oder ob die indizielle Bedeutung der verwirklichten Regelbeispiele durch das Gewicht der zugunsten des Angeklagten sprechende Strafzumessungsgründe so weit kompensiert wird, dass das Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit trotz der Verwirklichung der Regelbeispiele nur den erfahrungsgemäß vorkommenden Fällen des § 242 Abs. 1 StGB entspricht mit der Folge, dass dann die Anwendung des modifizierten Strafrahmens nach § 243 Abs. 1 StGB als unangemessen erschiene. Die Prüfung dieser Frage erforderte eine Gesamtbetrachtung, bei welcher alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen.
101
Hierbei hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt,
- dass der Angeklagte die Tat zu Beginn der Hauptverhandlung vollumfänglich eingeräumt hat,
- dass der entwendete PKW wieder an den Eigentümer zurückgebracht werden konnte und an dem PKW selbst kein Schaden entstanden ist,
- dass der Angeklagte zu der Tat durch einen gruppendynamischen Prozess verleitet worden ist,
- dass der Angeklagte die Regelbeispiele der § 243 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB nicht in eigener Person verwirklicht hat, sondern sich diese über die sukzessive Mittäterschaft zurechnen lassen muss,
- dass der Angeklagte im Tatzeitraum betäubungsmittelabhängig war und dadurch seine Steuerungsfähigkeit – wenn auch nicht erheblich im Sinne des § 21 StGB – herabgesetzt war,
- dass sich der Angeklagte bereits seit dem 25.02.2023 in Untersuchungshaft befindet, durch welche er sich sichtlich beeindruckt gezeigt hat und
- dass er sich mit der form- und entschädigungslosen Einziehung sämtlicher einziehungsfähiger Gegenstände einverstanden erklärt hat.
102
Zu Lasten des Angeklagten war hingegen zu werten,
- dass dieser strafrechtlich bereits einschlägig, wenn auch nicht erheblich, in Erscheinung getreten ist,
- dass er zum Tatzeitpunkt unter offener einschlägiger Bewährung stand,
- dass der Angeklagte tateinheitlich eine Sachbeschädigung (Scheibe Bürocontainer, Wert: ca. 250 EUR), eine Urkundenfälschung sowie den Straftatbestand des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verwirklicht hat und
- dass er durch das Führen des PKW einen maßgeblichen Beitrag zu dessen Entwendung geleistet hat.
103
Bei Abwägung dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte vermochte die Kammer – insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass durch die Tat gleich zwei Regelbeispiele verwirklicht wurden – nicht festzustellen, dass die hier zu bewertende Tat von den durchschnittlichen Fällen, in welchen ein Regelbeispiel im Sinne des § 243 Abs. 1 StGB erfüllt ist, derart abweicht, dass die Anwendung des Strafrahmens nach § 243 Abs. 1 StGB als unangemessen erschiene, so dass der Strafrahmen der vorgenannten Vorschrift zu entnehmen ist, die die Verhängung von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht.
104
Auf der Grundlage dieses Strafrahmens hat die Kammer die in § 46 Abs. 2 genannten und insbesondere die vorstehend aufgeführten Gesichtspunkte erneut gegeneinander abgewogen und erachtet deshalb im Fall II.2. die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr als tat- und schuldangemessen.
105
3. Für die Tat unter Ziffer II.3. war, weil der Angeklagte aufgrund der Tatsache, dass das Fahrrad mit einem Schloss gesichert war, das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt hat, zu prüfen, ob ein besonders schwerer Fall des Diebstahls anzunehmen ist, oder ob die indizielle Bedeutung des verwirklichten Regelbeispiels durch das Gewicht der zugunsten des Angeklagten sprechende Strafzumessungsgründe so weit kompensiert wird, dass das Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit trotz der Verwirklichung des Regelbeispiels nur den erfahrungsgemäß vorkommenden Fällen des § 242 Abs. 1 StGB entspricht mit der Folge, dass dann die Anwendung des modifizierenden Strafrahmens nach § 243 Abs. 1 StGB als unangemessen erschiene. Die Prüfung dieser Frage erforderte eine Gesamtbetrachtung, bei welcher alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen.
106
Hierbei hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt,
- dass das entwendete Fahrrad wieder an seinen Eigentümer zurückgegeben werden konnte und an dem Fahrrad selbst kein Schaden entstanden ist,
- dass der Wert des entwendeten Fahrrads mit 350,00 EUR eher gering war,
- dass der Angeklagte im Tatzeitraum betäubungsmittelabhängig war und dadurch seine Steuerungsfähigkeit – wenn auch nicht erheblich im Sinne des § 21 StGB – herabgesetzt war,
- dass sich der Angeklagte bereits seit dem 25.02.2023 in Untersuchungshaft befindet, durch welche er sich sichtlich beeindruckt gezeigt hat und
- dass er sich mit der form- und entschädigungslosen Einziehung sämtlicher einziehungsfähiger Gegenstände einverstanden erklärt hat.
107
Zu Lasten des Angeklagten war hingegen zu werten,
- dass er strafrechtlich bereits einschlägig, wenn auch nicht erheblich, in Erscheinung getreten ist,
- dass er zum Tatzeitpunkt unter offener einschlägiger Bewährung stand und
- dass er tateinheitlich eine Sachbeschädigung, wenn auch einer geringwertigen Sache (Fahrradschloss, Wert ca. 20 EUR) verwirklicht hat.
108
Bei Abwägung dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte vermochte die Kammer – insbesondere vor dem Hintergrund dass der Angeklagten im Tatzeitpunkt unter offener einschlägiger Bewährung stand – nicht festzustellen, dass die hier zu bewertende Tat von den durchschnittlichen Fällen, in welchen ein Regelbeispiel im Sinne des § 243 Abs. 1 StGB erfüllt ist, derart abweicht, dass die Anwendung des Strafrahmens nach § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB unangemessen wäre, so dass der Strafrahmen der vorgenannten Vorschrift zu entnehmen ist, die die Verhängung von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht.
109
Auf der Grundlage dieses Strafrahmens hat die Kammer die in § 46 Abs. 2 genannten und insbesondere die vorstehend aufgeführten Gesichtspunkte erneut gegeneinander abgewogen und erachtet deshalb im Fall II.3. die Verhängung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten als tat- und schuldangemessen.
B.
110
Aus den verhängten Einzelstrafen war unter erneuter und zusammenfassender Würdigung der Person des Angeklagten und der einzelnen Taten (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB) durch Erhöhung der höchsten Einzelstrafe von zwei Jahren eine Gesamtstrafe zu bilden, welche die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen durfte (§ 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 StGB).
111
Unter nochmaliger Abwägung aller oben aufgeführten Strafzumessungsgesichtspunkte, insbesondere des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs hält die Kammer die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren für erforderlich, aber auch für ausreichend.
VII. Keine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
112
Der Angeklagte war bei Begehung der Taten betäubungsmittelabhängig und hat jedenfalls die Tat unter Ziffer II.1. aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen.
113
Nach dem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten des Sachverständigen Dr. med. ..., dessen Ausführungen sich die Kammer nach eigener Überprüfung in vollem Umfang anschließt, liegt bei dem Angeklagten jedoch keine Substanzkonsumstörung im Sinne des § 64 StGB in der seit dem 01.10.2023 geltenden Fassung vor, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert. Die Kammer war sich bei der Frage der Beurteilung der Erheblichkeit und Dauerhaftigkeit einer der genannten Beeinträchtigungen bewusst, dass es sich hierbei primär nicht um eine Sachverständigenfrage, deren Beantwortung psychiatrisches oder suchtmedizinisches Fachwissen voraussetzt, sondern vielmehr um eine Frage handelt, deren Beantwortung dem Gericht aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung und wertender Betrachtungen möglich ist.
114
Dennoch war im vorliegenden Fall die Einschätzung des Sachverständigen deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Lebensgestaltung des Angeklagten, wie bereits die hohe Zahl der seit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnenden stationären Aufenthalte in einer psychiatrischen Klinik zeigt, ganz offenkundig von wesentlichen psychischen Beeinträchtigungen geprägt ist. Der Sachverständige Dr. med. ... hat hierzu jedoch ausgeführt, dass die zugrundeliegenden Klinikeinweisungen des Angeklagten gerade nicht seiner Betäubungsmittelabhängigkeit, sondern vielmehr seiner Borderlinestörung und den hieraus resultierenden Verhaltensauffälligkeiten geschuldet gewesen seien, wobei in diesem Zusammenhang der Umstand besonders aussagekräftig sei, dass die Abhängigkeitsproblematik des Angeklagten in den vom Sachverständigen eingesehenen Darstellungen der jeweiligen Behandlungsverläufe im ... überhaupt keine Erwähnung fänden.
115
Die Kammer hat auch diese Ausführungen des Sachverständigen inhaltlich nachvollzogen und macht sie sich nach eigener Überprüfung zu Eigen. Sie hat deshalb ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, dass erhebliche und dauerhafte Beeinträchtigungen der in § 64 StGB geforderten Art, die gerade der Substanzkonsumstörung des Angeklagten zuzuordnen wären, nicht feststellbar sind mit der Folge, dass das Vorliegen eines Hanges im Sinne der genannten Vorschrift nicht bejaht werden kann.
VIII. Kosten
116
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 465 Abs. 1 StPO.