Titel:
Tierhalterhaftung: Erforderlichkeit der Kausalität zwischen Tiergefahr und Eintritt des Schadens
Normenkette:
BGB § 833 S. 2 BGB
Leitsatz:
Es fehlt am Nachweis der Kausalität zwischen der Tiergefahr und dem Schaden, wenn ein Hund nach einem kontaktlosen Aufeinandertreffen mit einem anderen Hund zwar hinkt und eine Kreuzbandruptur festgestellt wird, auf dem zeitnah gefertigtem Röntgenbild aber klare Hinweise für eine chronische Kreuzbandruptur erkennbar sind. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tierhalterhaftung, Tiergefahr, Kausalität, Fehlverhalten, Schaden, Kreuzbandruptur
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48202
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Der Streitwert wird auf 2.653,33 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um den Ersatz von Tierbehandlungskosten.
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Am 17.06.2019 gegen 16:40 Uhr ging die Zeugin M F in der K -Straße in S -R mit den beiden Hündinnen namens ''K '' und ''G '' der Klägerin spazieren. Aufgrund der Tatsache, dass ein weiterer, unbekannter Hundehalter mit seinen Hunden ebenfalls in der K -Straße in S -R zur gleichen Zeit spazieren ging, reagierten die Hunde namens ''R '' und ''M '' der Beklagten bereits aggressiv. Diese befanden sich zu diesem Zeitpunkt innerhalb des Grundstücks der Beklagten in der K -Str. , S -R . Das Gartentor zum Grundstück der Beklagten war nur angelehnt, die Hunde der Beklagten befanden sich innerhalb des Gartens. Als sich die Zeugin M F mit den Hündinnen der Klägerin vor dem oben genannten Anwesen befand, stürmten beide Hunde der Beklagten durch das angelehnte Gartentor zunächst auf die Hündinnen der Klägerin zu. Die Zeugin M F führte die Hündin ''Gina'' an der Leine und hielt die andere Hündin namens ''K '' am Halsband fest und befand sich vor dem oben genannten Anwesen der Beklagten. Beide Hunde der Beklagten umkreisten die Zeugin M F und deren mitgeführte Hunde. Insbesondere der Hund ''R '' verhielt sich aggressiv, war aufgeregt und bellte. Dabei kam es zu keinem Kontakt zwischen den Hündinnen der Klägerin und der Hunde der Beklagten, der Hund ''R '' näherte sich jedoch der Zeugin M F sowie derer mitgeführter Hündinnen auf bis zu 40 cm. Die Hündinnen der Klägerin verhielten sich während des ganzen Vorfalls ruhig. Nach dem Vorfall hinkte die Hündin ''K ''. Am 17.06.2019 wurde durch den Tierarzt Dr. D eine vollständige Kreuzbandruptur links bei der Hündin ''K '' festgestellt. Die Hündin ''K '' wurde am 26.06.2019 an dem verletzten linken Kreuzband operiert. Die Behandlungskosten für Tierarzt und Tierklinik beliefen sich auf insgesamt 2.653,33 EUR.
3
Die Klägerin behauptet, dass die Hündin ''K '' durch den streitgegenständlichen Vorfall eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes mit Läsion Innenmeniskus links erlitten hätte.
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Die Klägerin hat ursprünglich mit Schriftsatz vom 11.08.2020 die Zahlung von 264,31 EUR verlangt und Klageschrift am 11.08.2020 beim Amtsgericht Amberg eingereicht. Die Klägerin erweiterte mit Schriftsatz vom 10.03.2021 die Klage und beantragt zuletzt,
- 1.
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die Beklagten zu verurteilen, an sie 2.653,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.12.2019 zu zahlen
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die Beklagten zu verurteilten, die Klägerin von den vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 334,75 € freizustellen.
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Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Verletzungen nicht auf den streitgegenständlichen Vorfall zurückzuführen seien.
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Die Klägerin hat mit Schreiben vom 08.09.2023, die Beklagten mit Schreiben vom 05.09.2023 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt. Das Gericht hat mit Beschluss vom 19.10.2023 den Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, auf den 02.11.2023 bestimmt.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M F und S G sowie aufgrund des Beweisbeschlusses vom 06.04.2022 und Beweisbeschlusses vom 20.09.2022 durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.02.2022 (Bl. 86-94 der Akte) und das Gutachten des Sachverständigen B vom 06.08.2022 (Bl. 110-112 der Akte) und das Gutachten des Sachverständigen Dr. S vom 12.06.2023 (Bl. 172-174 der Akte) und der ergänzenden Stellungnahme des Dr. S (Bl. 194-195 der Akte) Bezug genommen.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
11
Die Klage ist in ihrer zuletzt gestellten Form zulässig.
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Klagepartei hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Hundevorfall aus § 833 S. 1 BGB.
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Die Haftung des Tierhalters gemäß § 833 BGB ist eine Gefährdungshaftung, wobei der Grund für die strenge Tierhalterhaftung in der typischen Tiergefahr liegt. Dies bedeutet, dass in dem der Natur des Tieres entsprechend unberechenbaren und instinktgemäßen selbstständigen Verhalten des Tieres und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter eine Haftung begründet sein soll (BGH NJW 14, 2434). Nur für den Fall, dass sich diese typische Tiergefahr verwirklicht, soll der Halter als derjenige, der die Gefahr im eigenen Interesse schafft und beherrscht, dafür einstehen müssen (Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 833 RdNr. 2).
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Bei deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüchen muss dabei der Geschädigte den Eintritt eines Schadens (einschließlich seiner Höhe) sowie die Kausalität zwischen Fehlverhalten und Schaden beweisen (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 483).
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Der Nachweis der Kausalität zwischen Fehlverhalten und Schaden gelingt der Klägerin nicht.
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Dabei ist anhand der Zeugenaussagen der Zeugin F und G nicht feststellbar, dass sich die Hunde der Parteien überhaupt berührten.
18
Aufgrund der nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S S konnte anhand der Röntgenaufnahmen des geschädigten Hundes am 26.06.2019 (vor der Operation) arthrotische Veränderungen im Knie des Hundes festgestellt werden. Der Sachverständige führt aus, dass dies ein klarer Hinweis für eine chronische, vordere Kreuzbandruptur (Kreuzbanderkrankung) wäre. ''Chronisch'' würde bedeuten, dass der Prozess schon mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits vor dem traumatischen Ereignis am 17.06.2019 bestanden haben müsste und es sich insofern nicht um eine rein traumatische Ursache handeln würde. Dabei kann eine traumatische Kreuzbandruptur von der chronischen Degeneration des Kreuzbandes bei Hunden gut unterscheiden werden. Das angegebene Trauma, demnach der streitgegenständliche Vorfall, dürfte – so der Sachverständige – lediglich die bereits vorhandene, partielle Ruptur in eine vollständige Ruptur überführt haben. Dies wäre auch ohne das Trauma in einem überschaubaren Zeitraum eingetreten. Der Vorfall vom 17.06.2019 wäre insofern nicht kausal für die Verletzung ''vordere Kreuzbandruptur''. Der Nachweis, dass die geltend gemachten Heilbehandlungskosten auf das schädigende Ereignis zurückzuführen sind, gelingt daher nach Überzeugung des Gerichts nicht. Das Gericht folgt den Angaben des Sachverständigen. Die seitens des Sachverständigen im Rahmen der gutachterlichen Untersuchungen gewonnenen Feststellungen erwiesen sich als nachvollziehbar, kohärent und schlüssig. Gegen die Glaubwürdigkeit des Sachverständigen und die Glaubhaftigkeit seiner tiermedizinischen Expertise bestehen keine Bedenken. Denn das Gericht hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Feststellungen und Ausführungen des Sachverständigen zum streitgegenständlichen Verletzungsbild des linken Kreuzbandes unzutreffend sind. Die Ausführungen sind frei von Widersprüchen. Der Sachverständige ging erkennbar von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus, die nachvollziehbar in dem schriftlichen Gutachten erläutert worden sind. Die Schlussfolgerungen waren jeweils in sich logisch.
19
Der durch den Vorfall ausgelöste Schaden (Heilbehandlungskosten) wäre aufgrund der chronischen Kreuzbanderkrankung zudem auch ohne den streitgegenständlichen Vorfall früher oder später eingetreten (vgl. BGH NJW 2018, 3097; r+s 1996, 303), zumal hier kein Kontakt zwischen den Hunden der Parteien positiv feststellbar war. Dies lässt die Haftung aus Gründen der Kausalität entfallen (NJW 2018, 3097 Rn. 7, beck-online).
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Damit entfallen Schadensansprüche aus § 833 S. 1 BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Einbeziehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.