Titel:
Rundfunkbeitrag, Anfechtung eines Festsetzungsbescheids, Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus Gewissensgründen (abgelehnt)
Normenkette:
RBStV
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag, Anfechtung eines Festsetzungsbescheids, Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus Gewissensgründen (abgelehnt)
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48159
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen.
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Der Kläger ist mit einer Wohnung in der B.-Straße, … T. unter der Beitragsnummer … beim Beklagten als privater Beitragszahler erfasst.
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Mit Bescheid vom 3. Januar 2020 setzte der Beklagte für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2019 einen Betrag in Höhe von 60,50 Euro einschließlich eines Säumniszuschlags fest.
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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom … Januar 2020 Widerspruch ein. Zur Begründung führte der Kläger mit Schreiben vom … Februar 2020 im Wesentlichen aus, dass die Entrichtung des Rundfunkbeitrags beim Kläger eine innere Gewissensnot auslöse.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2020 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dass die Rundfunkbeitragspflicht gesetzeskonform sei und die vorgebrachten Gewissensgründe der Rundfunkbeitragserhebung nicht entgegenstünden.
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Mit Schreiben vom 9. April 2020 erhob der Kläger Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München. Er beantragt,
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1. den Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2020 aufzuheben und
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2. den Beklagten zu verpflichten, den Kläger entsprechend seines Antrags vom 7. April 2020 nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV zum Zeitpunkt der Antragstellung von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien bzw. ihm eine äquivalente Befreiungsmöglichkeit einzuräumen.
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Der Klage ist ein an den Beklagten adressiertes Schreiben vom 7. April 2020 beigefügt, in dem dieser wegen eines besonderen Härtefalls einen gesonderten Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV stellt.
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Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Massen manipuliere, weshalb der Kläger aus Gewissensgründen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht finanzieren könne.
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Mit Schreiben vom 7. Mai 2020 beantragte der Beklagte,
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Entrichtung des Rundfunkbeitrags bereits nicht das Grundrecht der Gewissensfreiheit tangiere und der Kläger vor Erhebung der Klage keinen Antrag auf Befreiung gestellt habe.
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Mit Schreiben vom 5. Mai 2023 wurde der Kläger zur einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Der Beklagte hatte sich bereits in seinem Schreiben vom 5. Juni 2020 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.
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Mit Beschluss vom 25. September 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, vgl. § 84 Abs. 1 VwGO. Auf ein Einverständnis der Beteiligten kommt es nicht an (Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 84 Rn. 10).
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2. Die Klage hat keinen Erfolg.
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2.1. Soweit der Kläger die Aufhebung des Widerspruchsbescheids und damit gemäß § 88 VwGO auch die Aufhebung des zugrundeliegenden Festsetzungsbescheids vom 3. Januar 2020 begehrt, vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, ist die zulässige Klage unbegründet, da der angegriffene Festsetzungsbescheid rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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2.1.1. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15. Dezember 2010 (GVBl. 2011 S. 258; 2012 S. 18). Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist nach Zustimmung der Landesparlamente und Hinterlegung der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten (Art. 7 Abs. 2 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags; BayVerfGH, E. v. 14.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 juris Rn. 57). Mit dem Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags vom 17. Mai 2011 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl 2011 S. 258) kommt ihm die Wirkung eines bayerischen Landesgesetzes zu.
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2.1.2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung der Rundfunkbeiträge liegen vor.
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2.1.2.1. Der Kläger ist zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags verpflichtet.
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Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV ein Rundfunkbeitrag grundsätzlich für jede Wohnung durch deren Inhaber (Beitragsschuldner) zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede Person, die die Wohnung selbst bewohnt, § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist, § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV. Der Begriff der Wohnung ist in § 3 RBStV definiert. Die Rundfunkbeitragspflicht besteht somit kraft Gesetzes; einer vertraglichen Vereinbarung bedarf es ebenso wenig wie einer Bestellung des Rundfunkangebots.
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Der Kläger wohnte im maßgeblichen Zeitraum ausweislich der Adressangabe in seinen Schreiben, die er zwischen 2018 und 2020 an den Beklagten richtete, in der im Bescheid aufgeführten Wohnung. Er war demnach als Wohnungsinhaber Beitragsschuldner und für den festgesetzten Zeitraum verpflichtet, einen monatlichen Rundfunkbeitrag zu zahlen.
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2.1.2.2. Die Rundfunkbeiträge einschließlich des Säumniszuschlags durften auch in der gewählten Höhe festgesetzt werden.
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Der Rundfunkbeitrag betrug bis einschließlich März 2015 17,98 Euro pro Monat, § 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag in der Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 15. Dezember 2010, bzw. zwischen April 2015 und Juli 2021 17,50 Euro pro Monat, § 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag in der Fassung des 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 9. Juli 2014.
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Der Rundfunkbeitrag ist monatlich geschuldet und in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten, § 7 Abs. 3 RBStV. Der Rundfunkbeitrag ist somit kraft Gesetzes fällig; eines Festsetzungsbescheids zur Begründung der Fälligkeit bedarf es nicht. Rückständige Rundfunkbeiträge werden festgesetzt, § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV.
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Wird der Rundfunkbeitrag nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet, ist ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag in Höhe von 8 Euro fällig. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt, § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Rundfunkbeitragssatzung vom 5. Dezember 2016.
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Die Festsetzung der Rundfunkbeiträge sowie des Säumniszuschlags in Höhe von 8 Euro durften in der gewählten Höhe erfolgen, weil die Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach deren Fälligkeit vollständig gezahlt wurden. Einer vorangehenden Mahnung bedurfte es nicht.
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2.1.3. Schließlich bestehen auch keine sonstigen, insbesondere verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beitragspflicht als solche und die des Klägers.
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2.1.3.1. Die Verfassungsmäßigkeit des seit 1. Januar 2013 geltenden Beitragsmodels ist höchstrichterlich durch Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U. v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u. a.), des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 18.3.2016 – 6 C 6/15) sowie des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH, E. v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12 u. a.) geklärt. Mit dem Rundfunkbeitrag, der sich als nichtsteuerliche Abgabe darstellt, wird ein individueller Vorteil abgegolten, der in der Möglichkeit des Rundfunkbeitragsschuldners, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu nutzen, liegt. Auf die tatsächliche Nutzung und die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger kommt es dabei ebenso wenig an wie auf das Bereithalten von Empfangsgeräten, da nicht erforderlich ist, dass der beitragsrelevante Vorteil auch tatsächlich wahrgenommen wird. Da die Beitragspflicht an die potentielle Möglichkeit anknüpft, Rundfunkangebote zu nutzen, lässt ein freiwilliger Verzicht auf die Nutzungsmöglichkeit die Beitragspflicht nicht entfallen. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit besteht. Die Landesgesetzgeber durften die Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich an das Innehaben von Wohnungen in der Annahme anknüpfen, das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werde typischerweise in der Wohnung in Anspruch genommen. Die einheitliche Erhebung des Rundfunkbeitrags pro Wohnung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), da dem Rundfunkbeitrag mit der angebotenen Programmbreite eine äquivalente staatliche Leistung gegenübersteht.
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Die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags umfasst dabei auch die Höhe der Rundfunkbeiträge in Höhe von 17,50 Euro seit April 2015, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 18. Juli 2018 mit für die Gerichte bindender Wirkung, § 31 BVerfGG, festgestellt hat (BVerfG, U. v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u. a. – NJW 2018, 3223, 3230).
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2.1.3.2. Die Beitragserhebung verletzt den Kläger auch nicht in seinen Grundrechten aus Art. 4 Abs. 1 GG, da der Schutzbereich des die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit schützenden Grundrechts, das in Teilen aus als Religionsfreiheit bezeichnet wird, durch die Rundfunkbeitragspflicht nicht tangiert wird.
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Die Zahlung des Rundfunkbeitrags ist als solche nicht mit der Äußerung eines insbesondere weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnisses verbunden. Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch Sendungen enthält, die der Kläger aus Gewissensgründen oder religiösen Gründen ablehnen mag. Der Rundfunkbeitrag dient allgemein der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wobei dieser aufgrund der Programmfreiheit über die Programmgestaltung und damit über die Beitragsverwendung eigenverantwortlich entscheidet. Ähnlich wie bei der Steuer steht auch hier nicht fest, für welche Programme und Programminhalte der Beitrag des jeweiligen Schuldners verwendet wird (BVerfG, B. v. 2.6.2013 – 2 BvR 1775/02 – juris Rn. 3; OVG NRW, U. v. 21.9.2018 – 2 A 1821/15 – ZUM 2019, 195, 196; OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 16.11.2015 – 7 A 10455/15 – juris).
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2.1.3.3. Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen Einwände gegen die Berichterstattung erhebt, kann daraus ebenfalls keine Grundrechtsverletzung abgeleitet werden.
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Die grundrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, gewährleistet die Programmfreiheit (Programmautonomie) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms sind danach Sache des Rundfunks selbst (vgl.etwa BVerfG, U. v. 22.2.1994 – 1 BvL 30/88 – BVerfGE 90, 60; BVerwG, U. v. 25.1.2017 – 6 C 15.16 – BeckRS 2017, 106650 Rn. 19). Es ist dem Einzelnen deshalb verwehrt, seine Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags davon abhängig zu machen, ob ihm das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefällt (BayVGH, U. v. 17.7.2023 – 7 BV 22.2642 – BeckRS 2023, 21166 Rn. 23; U. v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707 – BeckRS 2015, 47772 Rn. 34 f.) oder ob seines Erachtens die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, vgl. § 11 Abs. 2 RStV, vom Beklagten eingehalten werden (BayVGH, B. v. 30.3.2017 – 7 ZB 17.60 – BeckRS 2017, 107886 Rn. 9).
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2.2. Soweit der Kläger die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aufgrund seines Antrags vom 7. April 2020 begehrt, ist die Klage bereits unzulässig.
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Für die Verpflichtungsklage ist anerkannt, dass ihre Zulässigkeit grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts abhängt; diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus §§ 68 II, 75 S. 1 VwGO („Antrag auf Vornahme”) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden (BVerwG, U. v. 28.11.2007 – 6 C 42/06 – BeckRS 2008, 32612 Rn. 23 m. w. N.).
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Ausweislich der Behördenakte hat der Beklagte den Antrag des Klägers vom 7. April 2020 jedoch erst im Rahmen des Klageverfahrens und somit erst nach Erhebung der Klage erhalten, so dass der Kläger mit seinem maßgeblichen Antrag vom 7. April 2020 kein dem Klageverfahren vorgelagertes Verwaltungsverfahren erfolglos durchgeführt hat.
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3. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Mangels begehrter Befreiung aus fürsorgerischen Erwägungen ist § 188 Satz 2 VwGO nicht einschlägig (BayVGH, B. v. 16.9.2019 – 7 C 19.1603 – BeckRS 2019, 22565 Rn. 6).
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4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.