Titel:
Strafbarkeit eines Gehilfen im Konstrukt eines Umsatzsteuerkarussells mit Platinmünzen
Normenketten:
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 3 S. 1, S. 2 Nr. 1, Nr. 5
StGB § 27, § 28, § 49 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Abgrenzung der Mittäterschaft zur Beihilfe erfolgt aufgrund einer wertenden Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von der Vorstellung des Angeklagten umfasst sind. (Rn. 111) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das fördern von lediglich fremden Tun stellt eine Beihilfe dar, wenn es nur ein Rad in einem Getriebe war, das von anderen geplant und organisiert wurde, selbst wenn die Tatbeiträge wesentlich und für das Gelingen unabdingbar waren. (Rn. 112 und 112) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Tatsache, dass die Beihilfehandlungen erhebliche Zeit vor den jeweiligen Haupttaten lagen, beseitigt die tatsächliche Förderung der Haupttaten durch das Verhalten des Gehilfen nicht. (Rn. 115) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein großes Ausmaß iSd § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO wird bei einem einheitlichen Schwellenwert von 50.000,00 EUR angenommen. (Rn. 116) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine Verurteilung wegen täterschaftlicher Begehung nach § 370 AO kommt nur hins. der Person in Betracht, die zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist. (Rn. 122) (redaktioneller Leitsatz)
6. Die Annahme eines besonders schweren Falls nach § 370 Abs. 3 AO setzt beim Gehilfen eine eigenständige Bewertung aller Umstände einschließlich seines Tatbeitrags voraus. (Rn. 129) (redaktioneller Leitsatz)
7. Für ein Abweichen von der Regelwirkung des § 370 Abs. 3 StPO ist kein Raum, wenn der Gehilfe für das Gelingen der Tat(en) einen unabdingbaren Tatbeitrag geleistet hat und darüber hinaus die Steuerverkürzung jeweils eine Höhe erreicht, die sehr deutlich oberhalb der Schwelle zur Steuerhinterziehung großen Ausmaßes liegt. (Rn. 134) (redaktioneller Leitsatz)
8. Die steuerrechtliche Erklärungspflicht ist ein besonderes persönliches Merkmal bei einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen. (Rn. 150) (redaktioneller Leitsatz)
9. Unterlassene Umsatzsteueranmeldungen führen nicht dazu, dass sich ein Vermögensvorteil im Vermögen des Steuerpflichtigen niederschlägt, sondern der (abzuschöpfende) Vermögensvorteil tritt nur im Vermögen desjenigen ein, der auf Grundlage von Scheinrechnungen unberechtigt Vorsteuerabzüge geltend macht. (Rn. 168) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Umsatzsteuerkarussell, Rechnungsstellung, Vorsteuerabzug, Steuerschaden, Beihilfe zur Steuerhinterziehung, Nachtatgeschehen, doppelter Gehilfenvorsatz
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 16.04.2024 – 1 StR 204/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48056
Tenor
I. Der Angeklagte L. M1., geb. am …, ist schuldig der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in achtzehn Fällen.
II. Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
III. Die Einziehung von Wertersatz i.H.v. … EUR wird angeordnet.
IV. Die in der Tschechischen Republik erlittene Untersuchungshaft wird im Verhältnis 1:1 angerechnet.
V. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
§§ 369 Abs. 1, 370 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, Nr. 5 AO, §§ 1 Abs. 1, 10, 12, 13, 13a, 14, 14c UStG, §§ 27, 28 Abs. 1, 46b Abs. 1 Nr. 1, 53, 73, 73c StGB.
Entscheidungsgründe
1
Verfahrensgegenständlich sind Steuerstraftaten des Angeklagten M im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussells im Zeitraum 01.03.20xx bis 31.03.20xx.
2
Die Steuerstraftaten wurden zugunsten der E H M mbH (im Folgenden: E M) bzw. deren Organträgerin, der B GmbH & Co. KG Holding (im Folgenenden: B Holding) sowie zugunsten der W L GmbH begangen.
3
Die anderweitig Verfolgten O und M2. C betrieben seit März des Jahres 20xx ein Umsatzsteuerkarussell mit Platinmünzen. Ab März des Jahres 20xx betrieb der anderweitig Verfolgte M2. C einen von der Gruppierung um den anderweitig Verfolgten O getrennten Münzkreislauf, an dem auch der Angeklagte M beteiligt war. Die E M, ein renommiertes Münzhandelshaus mit Sitz im … in H, hatte in diesem Umsatzsteuerkarussell die Funktion eines sog. Distributors und kaufte im Rahmen des Umsatzsteuerkarussells papiermäßig Platinmünzen von der W L GmbH an. Tatsächlich wurden die Platinmünzen aus der Tschechischen Republik angeliefert. Bei Anlieferung der Platinmünzen bei der E M zahlte die E M neben dem Preis für die Platinmünzen – entsprechend der umsatzsteuerlichen Regelung für den Handel mit Platinmünzen – auch die Umsatzsteuer i.H.v. 19% des Nettokaufpreises der Platinmünzen an die W L GmbH per Überweisung aus bzw. übergab zumeist dem jeweiligen Kurier Goldmünzen im Wert des Bruttokaufpreises der Platinmünzen (einschließlich 19% Umsatzsteuer). Anschließend veräußerte die E M die Platinmünzen papiermäßig an die T s.r.o., mit Sitz in B, Slowakei, wo die Münzen auch hingeliefert wurden (sog. innergemeinschaftliche Lieferung). Die Gesellschaft wurde ebenfalls durch die Gruppierung um M2. C gesteuert. Anschließend gelangten die Münzen wieder zu M3. S, dem Geschäftsführer und Alleingesellschafter der W L GmbH und dem faktischen Geschäftsführer der E s.r.o. mit Sitz in P, Tschechische Republik. Die Verantwortlichen der E M machten im verfahrensgegenständlichen Zeitraum monatlich die in den Rechnungen der W L GmbH ausgewiesene und – wie sie wussten tatsächlich nicht angefallene – Vorsteuer beim Finanzamt geltend. Das Finanzamt stimmte den Voranmeldungen jeweils zu. Der hierfür bereits rechtskräftig Verurteilte M3. S reichte als Verantwortlicher der W L GmbH keine Steuererklärungen beim Finanzamt ein, d.h. die erhaltene Umsatzsteuer wurde – wie von den Beteiligten bereits zum Zeitpunkt der ersten Lieferung geplant – nicht an das zuständige Finanzamt abgeführt, sondern einbehalten. Jedenfalls der anderweitig verfolgte C, der für die verfahrensgegenständlichen Taten bereits rechtskräftig Verurteilte S und die Verantwortlichen der E M, das heißt der anderweitig Verfolgte B und der rechtskräftig Verurteilte R, schlossen sich mit dem Angeklagten M stillschweigend zu einer Bande zusammen, mit dem Ziel dauerhaft zur Schaffung einer Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer und in verschiedenen Funktionen arbeitsteilig die verfahrensgegenständlichen Platingeschäfte durchzuführen und so den Fiskus zu schädigen.
4
Der Angeklagte M fungierte innerhalb der Bande als Kurier. Er transportierte Platinmünzen nebst vorbereiteten Rechnungsbelegen auf Anweisung des anderweitig Verfolgten C und des rechtskräftig Verurteilten S aus der Tschechischen Republik mit dem Auto nach H, lieferte sie bei der E M an und erhielt im Gegenzug Goldmünzen ausgehändigt.
5
Einen Teil der Goldmünzen verkaufte er im Namen der E s.r.o. jeweils noch am selben Tag auftragsgemäß an Goldhändler in Deutschland.
6
Die Europäische Staatsanwaltschaft erstellte am 23.08.2022 eine Anklageschrift, die am 24.08.2022 beim Landgericht M I einging. Mit Beschluss vom 12.01.2023 wurde das Verfahren gegen den Angeklagten M abgetrennt und ihn betreffend die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen.
7
Das Urteil beruht nicht auf einer Verständigung i.S.d. § 257c StPO.
C. Persönliche Verhältnisse
II. Gesundheitliche Verhältnisse
III. Alkohol, Drogen und Tabakkonsum
D. Festgestellter Sachverhalt
I. Vereinbarung und Durchführung des Umsatzsteuerbetrugssystems
8
Anfang Januar des Jahres 20xx vereinbarten die anderweitig Verfolgten O und C die Umsetzung eines Umsatzsteuerkarussells mit Platinmünzen in Deutschland, bei dem die Platinmünzen zwischen der E M und der AA Gold Company s.r.o. mit Sitz in B, die der anderweitig Verfolgte O als Gesellschafter steuerte, kreisten.
9
Hierbei banden Sie den hierfür bereits rechtskräftig Verurteilten S mit seinem in Deutschland ansässigen Einzelunternehmen M3. S als Rechnungssteller, bzw. Missing Trader, und auf Seiten der E M in H den rechtskräftig Verurteilten R und den anderweitig Verfolgten B ein.
10
Bei der E M handelt es sich um eine Gesellschaft der E Gruppe, zu der auch die im Jahr 20xx gegründete B Holding gehört. Gesellschafter der B Holding sind der anderweitig Verfolgte B (seit dem Jahr 20xx: x % der Gesellschaftsanteile) sowie C1. F B (seit dem Jahr 20xx: x % der Gesellschaftsanteile) und Ph. B (seit dem Jahr 20xx: x % der Gesellschaftsanteile). Komplementärin der B Holding ist die B BeteiligungsGmbH, H, deren Alleingesellschäftsführer der Angeklagte B ist. Zwischen der B Holding und der E M besteht seit dem Jahr 20xx eine umsatzsteuerliche Organschaft nebst Gewinnabführungsvertrag mit der E M als Organgesellschaft. Aufgrund dieser werden die umsatzsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen der E M durch die einheitliche Umsatzsteuererklärung bzw. die einheitliche Umsatzsteuervoranmeldung der B Holding erklärt bzw. angemeldet. Der anderweitig Verfolgte B war seit dem Jahr 20xx nicht mehr Geschäftsführer der E M, steuerte jedoch im Tatzeitraum weiterhin maßgeblich die Geschäfte der E Gruppe. Der Angeklagte R war im Tatzeitraum bei der E M in der Abteilung Bullionhandel tätig.
11
Das Umsatzsteuersystem wurde sodann ab März des Jahres 20xx arbeitsteilig umgesetzt, wobei sämtliche Beteiligten über das Gesamtsystem informiert waren.
12
Ab Oktober des Jahres 20xx war der rechtskräftig Verurteilte S Alleingesellschafter der W L GmbH. Mit Übernahme der Geschäftsführertätigkeit am 04.10.20xx erweiterte S den Unternehmensgegenstand um den Zweck des „Edelmetallrecyclings sowie des Handels mit Edelmetall und Edelmetallschrott“. Zum 09.09.20xx verlegte er den Geschäftssitz der W L GmbH von B in die S Straße 25, xx G. Eine unternehmerische Tätigkeit wurde absprachegemäß tatsächlich nicht ausgeübt. Bis zur Sitzverlegung wurde die W L GmbH vom Finanzamt für Körperschaften IV in B geführt. Danach wurde sie vom Finanzamt H-L II geführt.
13
Ab 19.11.20xx wurde mit Einverständnis aller die W L GmbH anstelle des Einzelunternehmens S als Rechnungsstellerin gegenüber der E M in das Umsatzsteuerhinterziehungssystem eingebunden.
14
Sodann trennte sich die Gruppierung um C einschließlich des rechtskräftig Verurteilten S und des Angeklagten M von der Gruppierung um O ab und etablierte – parallel zu dem bereits bestehenden Münzkreislauf – ab 01.03.20xx einen eigenen Münzkreislauf und eine eigene Rechnungskette. Die W L GmbH fungierte im neuen Münzkreislauf weiterhin als Rechnungsstellerin für die Gruppierung um C, während sich die Gruppierung um O anderer Scheinlieferfirmen bediente. Die E M fungierte weiterhin als Distributor.
15
Der anderweitig Verfolgte C und der rechtskräftig Verurteilte S steuerten den neuen Münzkreislauf. Sie bestimmten – in Absprache mit B und R – wann welche Art und welche Menge an Platinmünzen geliefert werden sollten, zudem den Preis. Sie kauften Platinmünzen dazu und bestimmten über den Abverkauf von Gold. S übernahm die Buchführung und ermittelte die zu verteilenden Gewinne aus dem so verwirklichten Umsatzsteuerkarussell.
16
Papiermäßig stellte sich der Platinmünzhandel wie folgt dar.
17
Der rechtskräftig Verurteilte S erstellte für die W L GmbH in Absprache mit dem anderweitig Verfolgten C Ausgangsrechnungen über den Verkauf von Platinmünzen und barren an die E M und wies hierbei jeweils Umsatzsteuer in Höhe von 19% des Rechnungsbetrages aus.
18
In zeitlichem Zusammenhang hierzu erstellte der rechtskräftig Verurteilte R als Verantwortlicher der E M jeweils eine Gegenrechnung an die W L GmbH über den angeblich umsatzsteuerfreien Verkauf von Gold bzw. Goldmünzen der E M. Unter Verrechnung der gegenseitigen Zahlungsforderungen hieraus erfolgte sodann lediglich in Höhe der (allenfalls geringfügigen) Differenz eine Zahlung in bar oder per Überweisung.
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Anschließend veranlasste der rechtskräftig Verurteilte R in Absprache mit dem anderweitig Verfolgten B die Erstellung von Ausgangsrechnungen der E M über den Weiterverkauf der von S stammenden Platinmünzen an die vom anderweitig Verfolgten Ivan C geleitete T s.r.o. mit Sitz in B, diesmal jedoch ohne Umsatzsteuerausweis als innergemeinschaftliche und daher umsatzsteuerbefreite Lieferung. Für die T s.r.o. erstellte eine unbekannte Person eine Ausgangsrechnung über den angeblichen Weiterverkauf der Platinmünzen an die E s.r.o, deren Geschäftsführerin und Gesellschafterin die Ehefrau des rechtskräftig Verurteilten S ist, die jedoch tatsächlich von S geleitet wurde. S erstellte sodann Ausgangsrechnungen über angebliche Weiterverkäufe der Platinmünzen ins Ausland, unter anderem an die Scheinfirma D S.R.L. mit Sitz in Rumänien.
20
Zusätzlich bestand eine fingierte Rechnungskette hinsichtlich der Platinmünzen zur W L GmbH. Papiermäßig wurden die Platinmünzen von dem Einzelunternehmen I1. A an die S UG, von dieser an die M GmbH und von dieser wiederum an die W L GmbH veräußert. Hierbei handelte es sich jeweils um Scheinfirmen. Der anderweitig Verfolgte Ch. W erstellte die Scheinrechnungen dieser Firmen auf Anweisung des C und des S zusammen mit den anderweitig Verfolgten ... I und Th. WE.
II. Platinankauf der E M von der W L GmbH
21
Die W L GmbH stellte an die E M im verfahrensgegenständlichen Zeitraum … bis … insgesamt 44 Rechnungen, in denen jeweils Umsatzsteuer i.H.v. 19% ausgewiesen wurde. Im Zeitraum … bis … wurden 23 weitere Rechnungen ausgestellt.
22
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Rechnungen:
23
In den Rechnungen wurde insgesamt folgende Umsatzsteuer ausgewiesen:
24
Bei der W L GmbH ergaben sich hieraus – quartalsmäßig unterteilt – folgende Zahlen:
III. Tatsächlicher Münzkreislauf
25
Die tatsächlichen Vertragsparteien der einzelnen Geschäfte sowie die tatsächlichen Lieferwege der Platinmünzen und des im Gegenzug verkauften Goldes wichen von der fingierten Rechnungskette ab. Die Platinmünzen wurden zwischen der E M, der E s.r.o. und der T s.r.o. im Kreis gehandelt. Die Platinmünzen wurden auf Anweisung von S und C durch einen Kurier oder S selbst von T oder P nach H transportiert und bei der E M angeliefert. Dort wurden sie von R entgegengenommen. Bei Anlieferung der Platinmünzen bei der E M zahlte diese neben dem Preis für die Platinmünzen – entsprechend der umsatzsteuerlichen Regelung für den Handel mit Platinmünzen – auch die Umsatzsteuer i.H.v. 19% des Nettokaufpreises der Platinmünzen an die W L GmbH per Überweisung aus oder übergab – in den überwiegenden – Fällen dem jeweiligen Kurier Goldmünzen im Wert des Nettokaufpreises der Platinmünzen plus 19% Umsatzsteuer. Die Goldmünzen wurden von der Tätergruppierung vereinnahmt oder im Namen der E s.r.o. bzw. durch den anderweitig Verfolgten W weiterveräußert. Die E M ließ die Platinmünzen anschließend zum Flughafen M transportieren, von wo aus sie zur T s.r.o., mit Sitz in B, gelangten. Von dort wurden die Platinmünzen wieder zum anderweitig Verfolgten S bzw. der E s.r.o. verbracht und weiter für den Betrieb des Karussells, teils mit Änderungen der Zusammensetzung, verwendet.
26
Das vereinbarte Umsatzsteuerbetrugssystem wurde – entsprechend dem gemeinsamen Tatplan – arbeitsteilig umgesetzt, wobei sämtliche Beteiligte (mit Ausnahme der Goldabnehmer) über das Gesamtsystem informiert waren und zumindest billigend in Kauf nahmen, dass Steuerstraftaten begangen wurden.
27
Wie alle Beteiligten zumindest billigend in Kauf nahmen, machte die E M die in den Rechnungen der W L GmbH ausgewiesene Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt als erstattungsfähige Vorsteuer geltend. Wie von allen Beteiligten zumindest billigend in Kauf genommen, reichte der bereits rechtskräftig Verurteilte S zu keinem Zeitpunkt im Namen der W L GmbH Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein, wodurch eine Festsetzung von Umsatzsteuer betreffend die W L GmbH unterblieb, obwohl gem. § 14c Abs. 2 UStG aufgrund des unrichtigen Steuerausweises auf der Platinrechnung den ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag schuldete und dies hätte erklärt werden müssen.
IV. Tatbeitrag des Angeklagten
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Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, spätestens jedoch am 03.09.20xx schloss sich der Angeklagte M der Bande an und übernahm fortan hauptsächlich Transportdienste, insbesondere Platinanlieferungen bei der E M. Der Angeklagte agierte hierbei auf Anweisung des rechtskräftig Verfolgten S und des anderweitig Verfolgten C. Er erhielt die Platinmünzen regelmäßig von S in T oder in P. S übergab dem Angeklagten M in P oder T auch die notwendigen Unterlagen, d.h. Lieferscheine und Rechnungen. Von dort fuhr der Angeklagte mit einem Pkw zur E M nach H. Er übergab die Münzen im Firmensitz der E M, … in H, in einem Besprechungsraum an den rechtskräftig Verurteilten R. Der Angeklagte M nahm bei der E M regelmäßig Goldmünzen im Bruttowert der Platinmünzen einschließlich Umsatzsteuer entgegen. Jeweils noch am selben Tag fuhr er mit den Goldmünzen zu (nicht nachweislich involvierten) Goldhändlern in E, L oder B und verkaufte zumindest einen Großteil der Münzen im Namen der E s.r.o. Hierfür führte er bereits entsprechende Ausgangsrechnungen der E s.r.o., die als Verkäuferin auftrat, mit sich. Die Goldhändler zahlten den Preis für die Goldmünzen jeweils per Überweisung auf das Konto der E s.r.o.
29
Im Einzelnen führte der Angeklagte 34 Platinanlieferungen bei der E M im Zeitraum 01.03.20xx bis 31.03.20xx durch:
30
Der Angeklagte M enthielt hierfür mindestens folgende Entlohnung:
Juli 20xx … EUR, August 20xx … EUR, September … EUR, Oktober 20xx … EUR, November 20xx … EUR, Dezember 20xx … EUR, Januar 20xx … EUR, Februar … EUR, März 20xx … EUR
V. Hinterziehung von Umsatzsteuer und Steuerschaden
31
Die B Holding erklärte im Zeitraum xx bis xx gegenüber dem Finanzamt H insgesamt Vorsteuern i.H.v. … EUR im Zusammenhang mit den Scheineingangsrechnungen der W L GmbH. Das Finanzamt stimmte den Voranmeldungen jeweils zu. Im Einzelnen wurde Folgendes erklärt.
32
Der anderweitig Verfolgte B wusste, dass er zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der W L GmbH nicht berechtigt war. Wie vom anderweitig Verfolgten B und den weiteren Beteiligten zumindest billigend in Kauf genommen, entstand hierdurch eine Steuerverkürzung in entsprechender Höhe.
2. W L GmbH (Taten 14-18)
33
Für den Verurteilten S bestand für die W L GmbH im Jahr 20xx und 20xx, wie der Angeklagte und die weiteren Beteiligten der Gruppierung zumindest billigend in Kauf genommen, eine Pflicht spätestens am 10. Tag nach Ablauf eines jeden Voranmeldungszeitraums Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben, in welchen gem. § 14c Abs. 2 UstG der unberechtigte Steuerausweis bzw. die entsprechenden Beträge hätten erklärt werden müssen. Der hierfür bereits rechtskräftig Verurteilte S kam – entsprechend dem gemeinsamen Tatplan – seiner Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen bzw. der Umsatzsteuerjahreserklärung für die W L GmbH wie folgt nicht nach.
34
Wie vom rechtskräftig Verurteilten S und den weiteren Beteiligten zumindest billigend in Kauf genommen, entstand hierdurch eine Steuerverkürzung in entsprechender Höhe. Das Steuerstrafverfahren gegen den Verurteilten S wegen Hinterziehung der Umsatzsteuer zugunsten der W L GmbH wurde an folgenden Daten eingeleitet: ….
35
Insgesamt wurden im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zugunsten der E M sowie der W L GmbH Umsatzsteuern in Höhe von … EUR verkürzt.
36
Der Angeklagte nahm zumindest – wie auch die übrigen Tatbeteiligten – billigend in Kauf, dass der bereits Verurteilte S, welcher als Rechnungssteller die in den im Namen der W L GmbH ausgestellten Scheinrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer gegenüber dem zuständigen Finanzamt wahrheitsgemäß und vollständig zu erklären hatte; dieser Pflicht entsprechend dem gemeinsamen Tatplan nicht nachkam und weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch Umsatzsteuerjahreserklärungen für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum abgab. Hierdurch unterblieb, wie alle Beteiligten zumindest billigend in Kauf nahmen, eine Steuerfestsetzung und es wurden Umsatzsteuern verkürzt.
37
Der Angeklagte nahm zumindest – wie auch die übrigen Tatbeteiligten – billigend in Kauf, dass einerseits der anderweitig Verfolgte B die in den Rechnungen der W L GmbH ausgewiesene Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt als erstattungsfähige Vorsteuer geltend machte, obwohl er wusste, dass er zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt war, und andererseits der Verurteilte S seinen steuerlichen Pflichten hinsichtlich der W L GmbH nicht nachkam.
VI. Feststellungen zum Nachtatgeschehen
38
Der Angeklagte räumte bereits im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung am xx und bei einer Vernehmung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens am xx ein, für C, die W L GmbH und die E s.r..o. tätig gewesen zu sein und Platinmünzen nach H transportiert zu haben. Er belastete den anderweitig Verfolgten C und den bereits rechtskräftig Verurteilten S.
39
Zudem teilte er den Ermittlungsbehörden aus eigener Motivation mit, dass er den anderweitig Verfolgten C als Chauffeur nach Rumänien zu einem „D1.“ gefahren habe, dessen Rufnummer und Lichtbild in seinem Handy eingespeichert sei. Die Steuerfahndung konnte nur aufgrund dieser Angaben ermitteln, dass es sich bei dem „D1.“ um den anderweitig Verfolgten I1. A handelte, der verdächtig ist, für die D S.R.L. verantwortlich gewesen zu sein.
I. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
40
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben des Angeklagten.
41
Die Feststellungen zu den Vorahndungen beruhen auf dem Auszug aus dem deutschen Strafregister sowie aus dem ….
II. Feststellungen zum Sachverhalt
1. Einlassung in der Hauptverhandlung
42
Der Angeklagte M führte in der Hauptverhandlung aus, dass er nicht bestreite, Platinmünzen nach H transportiert zu haben. Er habe jedoch geglaubt, legal Münzen zu transportieren. Im Einzelnen führte er Folgendes aus:
43
Den anderweitig Verfolgten C habe er im Jahr 20xx kennengelernt. Zufällig habe man die Familie C im Jahr 20xx oder 20xx wiedergetroffen. Nachdem er C von seinen Problemen mit dem Seniorenhaus erzählt habe, habe C ihm eine Stelle als Chauffeur angeboten. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag habe es nicht gegeben. Er habe pro Monat xx EUR pauschal von C erhalten. Zunächst habe er zahlreiche „private“ Fahrten für C durchgeführt, d.h. solche, die nichts mit den Platingeschäften zu tun gehabt hätten. Er habe C zu Geschäfts- und sonstigen Treffen gefahren. Hierbei habe er nie mitbekommen, was Gegenstand dieser Treffen gewesen sei. Zudem habe er weitere Dienste und Fahrten für die Familie C verrichtet. Im Jahr 20xx habe er begonnen für Cs Firma Fahrten nach H zu machen. C habe ihm gesagt, dass das Geschäft erst am Anlaufen sei, die Firma habe nicht viel Geld. Er sei circa zwei bis dreimal im Monat nach H gefahren.
44
Er habe seine Anweisungen von C erhalten, der Rücksprache mit S gehalten habe. In welchem Verhältnis C und S genau gestanden hätten, wisse er nicht. Er habe die Platinmünzen in T bei S abgeholt oder S habe die Platinmünzen manchmal in einem PKW nach P gebracht und er habe diese dann aus dessen PKW übernommen. Er habe von S einen Lieferschein für das Platin erhalten, eine Rechnung für das Gold sowie einen auf Pergamentpapier gedruckten CMR-Frachtbrief. Die Platinmünzen seien in Boxen verpackt und mit Bändern umwickelt gewesen. Er habe diese in einem Koffer transportiert. Er sei mit einem normalen Pkw, den S oder C zur Verfügung gestellt hätten, gefahren. C und S hätten zwar diskutiert, einen richtigen Transporter für die Fahrten nach H anzuschaffen, der anderweitig Verfolgte S habe dies jedoch aus Kostengründen abgelehnt. Auf den Fahrten nach Deutschland sei er oft von der Polizei oder dem Zoll kontrolliert worden. Er habe die Papiere vorgezeigt, es habe nie Beanstandungen gegeben. Vor der ersten Fahrt nach H habe S ihm die Anschrift und den Namen des anderweitig Verfolgten R auf einen Zettel geschrieben. Die Fahrten nach H seien immer nach demselben Muster abgelaufen. Er sei, wenn er die Münzen in T abgeholt habe, immer zwischen 21:30 Uhr und 23:30 Uhr in T losgefahren. Er habe morgens um fünf vor 8 Uhr bei E sein müssen, da er das Gelände um 08:30 Uhr morgens wieder habe verlassen müssen. Wenn er zu früh dran gewesen sei, habe er an einer Tankstelle – aus Sicherheitsgründen unter einer Kamera – versucht zu schlafen. Eine Waffe habe er nie dabeigehabt.
45
Er bestätigte, Goldmünzen in H entgegengenommen zu haben. In der ersten Zeit, in der er nach H gefahren sei, habe er nur Platin übergeben, aber nichts entgegengenommen. Erst später habe er Goldmünzen entgegengenommen. Bei der E M habe er auf einer Rechnung unterschrieben, wenn er das Gold entgegengenommen habe. Er habe die Platinmünzen und, wenn er Goldmünzen erhalten habe, auch diese jeweils mit seiner Handykamera abfotografiert und die Bilder an C und S geschickt.
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Er habe bereits, wenn er in T bzw. P losgefahren sei, von S Rechnungen, die auf die Firma E s.r.o. ausgestellt gewesen seien, für den Weiterverkauf der Goldmünzen erhalten und mitgenommen. Zur Firma E s.r.o. gab er an, dass J2. S, geb. M, aus seiner Sicht nichts mit der Firma zu tun gehabt und sich tatsächlich nur um das Kind der Eheleute S gekümmert habe. Tatsächlich habe S die Firma geleitet. Dieser habe ihm gesagt, wie er mit den Goldmünzen verfahren solle. Er habe die Goldmünzen zu Goldhändlern nach E, L oder B gebracht. Er habe dort kein Bargeld für die Münzen entgegengenommen, sondern um eine Expressüberweisung an S gebeten.
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Pro Fahrt habe er für Benzin und Verpflegung von S. 100,00 EUR erhalten. Eine weitergehende Entlohnung habe er nicht von S erhalten. Hinsichtlich der Beträge in den Tabellen des USB-Sticks (dazu siehe unten E.II.3.b.), teilte er mit, dass es sich bei den Beträgen zum Beispiel um Kosten für private Reisen des C gehandelt habe, die er verauslagt und dann mit S abgerechnet habe.
48
Zu den Lichtbildern mit größeren Bargeldsummen, die auf seinem Handy festgestellt wurden, führte er aus, dass er dem Angeklagten C nie größere Bargeldsummen übergeben habe. Er habe für diesen jedoch in dessen Haus Bargeld sortiert. Teilweise habe er das Bargeld auch zu sich mit nachhause genommen, dort gezählt und dann wieder zu C wieder zurückgebracht.
49
Zum anderweitig Verfolgten W führte er aus, dass er ab und zu zu diesem geschickt worden sei. Er habe diesem Platinmünzen, die er von C oder S erhalten habe, gebracht und von diesem eine Rechnung und Pappschachteln erhalten, die versiegelt gewesen seien. Er habe nie gesehen, was sich in den Pappschachteln befunden habe. Bewusst habe er nie Bargeld vom anderweitig Verfolgten W übernommen.
50
Der Angeklagte nannte zudem Anschriften der in der Anklage genannten Personen D2. K und „V1.“, um die Behörden bei ihren Ermittlungen zu unterstützen.
51
Bezugnehmend auf die Diskrepanzen seiner Angaben in der Hauptverhandlung und der Vernehmung am 18.07.20xx gab er an, dass er nicht bestreite bei der Vernehmung durch die Steuerfahndung am 18.07.20xx die dort im Protokoll niedergelegten Angaben gemacht zu haben, es handele sich jedoch wohl um Missverständnisse. Richtig seien seine Angaben in der Hauptverhandlung.
2. Einlassungen im Ermittlungsverfahren
52
Der Steuerfahnder K, Finanzamt C, gab den Inhalt der Vernehmungen vom 03.11.20xx und 18.07.20xx wieder. Abweichend von den Angaben in der Hauptverhandlung gab der Angeklagte damals insbesondere Folgendes an.
53
Bei der Vernehmung am 03.11.20xx habe der Angeklagte vor allem S belastet, während er sich zu C fast nicht geäußert habe.
54
Abweichend zu seinen Angaben in der Hauptverhandlung habe er in seiner Vernehmung durch die Steuerfahndung C am 18.07.20xx angegeben, Rechnung und Lieferschein für die Platinlieferungen jeweils von C erhalten zu haben. Nur den CMRFrachtbrief habe er von S erhalten. Grundsätzlich sei er von T nach H gefahren. Er habe jedoch auch die Ware bei C aus dem Safe in dessen Garage übernommen. Zum anderweitig Verfolgten W führte er aus, dass er von diesem in R Geld in Boxen erhalten habe, diese dann zu C nach P verbracht habe, wo dieser das Geld in seinen Tresor geschüttet habe. Er habe das Geld sortiert und zurück in den Tresor gelegt. Es handele sich um das auf dem Lichtbild IMG_….HEIC erkennbare Bargeld.
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Der Angeklagte führte zudem aus, dass er im Jahr 20xx mit S mit dem Auto zwecks eines Geschäftstreffens nach Rumänien gefahren sei. Insgesamt sei er zweimal mit S in Rumänien gewesen. In Rumänien habe es eine Person gegeben, die unter dem Spitznamen „D1.“ bekannt gewesen sei und die gut Rumänisch gesprochen habe. Die Person sei 60 Jahre alt und circa 1,80m groß, etwas dicker, mit einem kleinen Bauch gewesen und habe einen Bart gehabt. Er habe diesen auch mit seinem Handy fotografiert. Dieser Mann habe mehrfach bei C in P übernachtet. Die Rufnummer des „D1.“ habe er in seinem Handy unter „...“ oder „...“ eingespeichert.
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Die Kammer überzeugte sich durch die Einvernahme der Zeugin T, die bei der Vernehmung am 18.07.20xx als Dolmetscherin fungierte, sowie der Vernehmungsbeamten K und M von der Steuerfahndung C, dass die Angaben des Angeklagten, so wie von diesem geäußert, im Vernehmungsprotokoll niedergelegt wurden.
3. Ergebnis der Beweisaufnahme a. Verfahrensgang
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Der Zeuge K vom Finanzamt C-Süd berichtete zum Verfahrensgang, dass es im Juni 20xx eine Kontrollmitteilung wegen innergemeinschaftlicher Erwerbe durch das Einzelunternehmen M3. S gegeben habe. In der Folge seien Zahlungseingänge der E M auf dem Konto des Einzelunternehmens S festgestellt worden, weshalb die Steuerfahndung H informiert worden sei. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen seien weitere im Ausland ansässige Firmen, u.a. die T s.r.o., als involvierte Firmen ermittelt worden, weshalb im Oktober 20xx Rechtshilfemaßnahmen veranlasst worden seien mit dem Ziel, bei diesen Firmen zu durchsuchen. Die Rechtshilfemaßnahmen seien erst im Januar 20xx abgeschlossen gewesen. Wegen der Coronapandemie hätten die Durchsuchungen unter anderem bei den genannten Firmen im Ausland und der E M erst im Mai 20xx stattgefunden.
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Der Angeklagte M sei zum Zeitpunkt der Durchsuchungen im Mai 20xx noch nicht bekannt gewesen. Ein Verdacht gegen ihn habe sich erst durch die Auswertung der bei der Durchsuchung sichergestellten Beweismittel ergeben. Beispielsweise sei der Name „L.“ auf den Dokumenten eines USB-Sticks, der bei S sichergestellt worden sei, aufgetaucht und der Name sei auch im T1.-Chat zwischen S und R erwähnt worden. Am 03.11.20xx sei das Wohnhaus des Angeklagten in P durchsucht worden.
59
Der Zeuge KG von der Steuerfahndung des Finanzamtes H führte ergänzend aus, dass aufgrund der Mitteilung des Finanzamtes C-Süd durch die Steuerfahndung H Ermittlungen hinsichtlich der E M eingeleitet worden seien. Im Zeitraum Oktober 20xx bis 29.05.20xx seien Telefonüberwachungsmaßnahmen betreffend die E M durchgeführt worden. Zudem seien Observationsmaßnahmen durchgeführt worden. Am … seien bei der E M Durchsuchungsmaßnahmen erfolgt, bei denen umfangreiche Beweismittel sichergestellt worden seien.
60
Die Feststellungen zur E M ergaben sich aus dem Handelsregisterauszug betreffend die E M mbH vom 10.07.20xx. Die Feststellungen zur B Holding ergaben sich aus dem Handelsregisterauszug betreffend die B GmbH & Co. KG Holding vom 10.07.20xx. Die steuerlichen Daten ergaben sich aus den Umsatzsteuerüberwachungsbögen für die Jahre … und der Umsatzsteuererklärung vom …. Die in Tabelle 4 genannten Feststellungen wurden durch den Zeugen KG in die Hauptverhandlung eingeführt.
61
Die Feststellungen zur W L GmbH beruhen auf dem Handelsregisterauszug vom 28.05.20xx, der notariellen Urkunde vom 04.01.20yy, der Satzung vom 05.10.20xx, der Anmeldung zum Registergericht C vom 04.10.20xx und den notariellen Urkunden vom 22.08.20xx und 02.10.20xx. Die steuerlichen Daten ergaben sich aus den Umsatzsteuerüberwachungsbögen für die Kalenderjahre …. Die in Tabelle 5 genannten Feststellungen wurden durch den Zeugen K in die Hauptverhandlung eingeführt.
62
Die Feststellungen zu den Platinankäufen durch die E M (vgl. D.I., Tabelle 1 und Tabelle 2) beruhen auf den Rechnungen der W L GmbH an die E M im Zeitraum … bis ….
63
Der Zeuge KG führte aus, dass sich der Verdacht, dass die Münzen im Kreis gehandelt würden, bereits durch die Telekommunikationsüberwachung, von der unter anderem der rechtskräftig Verurteilte R betroffen gewesen sei, erhärtet worden sei. R habe sich unter anderem mit S über Münzlieferungen unterhalten. Der Verdacht hinsichtlich eines Umsatzsteuerkarussells sei auch dem Umstand geschuldet gewesen, dass der Handel mit Platinmünzen für sog. Umsatzsteuerkarusselle besonders geeignet sei, denn der Handel damit unterfalle der Umsatzsteuer in Höhe von 19%, zudem seien die Münzen gut transportierbar und hochpreisig.
64
Bei der Durchsuchung des Firmensitzes der E M im … am E Firmensitz seien umfassende Beweismittel, insbesondere Rechnungen, sichergestellt worden. Es sei anhand der Beweismittel nachvollziehbar gewesen, dass die ersten Platingeschäfte der E M in ungewöhnlichem Umfang mit der A G s.r.o. bereits im Jahr 20xx begonnen hätten.
65
Die anderweitig Verfolgten O und C hätten dann Anfang des Jahres 20xx begonnen, ein Umsatzsteuerkarussell aufzubauen, was sich aus dem V2.-Chat aus dem Mobiltelefon des anderweitig Verfolgten O ergeben habe. Eine eindeutige Zuordnung der Nachrichten zu den anderweitig Verfolgten O und C sei anhand der IDs und Mobilnummern möglich gewesen.
66
Die Papierlage habe gezeigt, dass ein Großteil der Platinmünzen in die Slowakei verkauft worden sei. Zudem habe anhand der sichergestellten Rechnungen festgestellt werden können, dass zunächst das Einzelunternehmen M3. S Platinlieferant gewesen sei, dann jedoch durch die W L GmbH ersetzt worden sei. Daneben habe es weitere Platinlieferanten gegeben, die durch die Gruppierung um O gesteuert worden seien. Eine Nachschau an den jeweiligen Geschäftssitzen der Lieferanten habe ergeben, dass dort keine entsprechende Infrastruktur für die Durchführung der Geschäfte vorhanden gewesen sei. Die Verantwortlichen der Lieferanten seien zudem zwar in Deutschland gemeldet gewesen, es habe sich aber nur um Meldeanschriften und nicht um deren tatsächlichen Wohnsitze gehandelt.
67
Der Zeuge berichtete weiter, dass sich aus der Auswertung der Beweismittel ergeben habe, dass die Platingeschäfte Besonderheiten im Vergleich zu anderen Geschäften der E M aufgewiesen hätten. Der Umfang der Geschäfte sei unüblich gewesen. Zum einen sei ein Markt für den Handel mit Platin in diesen Mengen aufgrund der umsatzsteuerlichen Regelung eigentlich nicht vorhanden. Zudem sei auch der Umfang der Geschäfte im Verhältnis der sonstigen Geschäfte bei der E M auffällig gewesen. Bei der E M handele es sich um ein mittelständisches Unternehmen mit tausenden von Kunden, jedoch hätten die Geschäfte der 7-8 Platinlieferanten 37% und damit einen erheblichen Anteil des Umsatzes ausgemacht. Die Preisgestaltung der Platingeschäfte sei auffällig gewesen, denn das Platin sei immer zum Preis von 2%-3% unter dem Börsenwert angekauft worden, unabhängig von Qualität und Art der Münzen. Die Platinmünzen seien zudem durch Kuriere, die die Ware unversichert in PKWs transportiert hätten, angeliefert worden. Zudem sei offenbar geworden, dass die E durch den Weiterverkauf der Münzen an die Abnehmer A G s.r.o. und T s.r.o. finanziell profitiert habe, da diese die Platinmünzen über dem Anschaffungspreis abgenommen hätten.
68
Aus der Auswertung von Goldausgangsrechnungen habe sich ergeben, dass die Platinmünzen im Bruttowert gegen das Gold getauscht worden seien, nur in wenigen Fällen seien Überweisungen erfolgt. Diese Vorgehensweise sei bei der E M einmalig gewesen, d.h. bei anderen Geschäftspartnern sei nicht so verfahren worden, zudem sei die Vorgehensweise unüblich, weil hiermit Geldwäscheverdachtsanzeigen umgangen werden könnten.
69
Die Angaben des glaubwürdigen Zeugen KG waren glaubhaft. Er konnte sich gut erinnern, seine Angaben waren frei von Widersprüchen. Seine Angaben waren mit anderen Beweisergebnissen ohne weiteres vereinbar.
70
Die Kammer konnte die Angaben des Zeugen zum Aufbau des Umsatzsteuerkarussell anhand des V2.-Chats zwischen den anderweitig Verfolgten O und C, der im Zeitraum vom 31.01.20xx bis zum 25.04.20xx vorlag, nachvollziehen. Danach besprachen die anderweitig Verfolgten O und C im V2.-Chat am 02.02.20xx die Gründung von Unternehmen in Deutschland zum Zwecke der Aufnahme von Geschäften mit der E M. Aus der Nachricht des anderweitig Verfolgten O an den anderweitig Verfolgten C vom 15.02.20xx ergab sich, dass ein Interesse an umsatzsteuerpflichtigen Geschäften bestand, denn der anderweitig Verfolgte O schrieb: „Die Hauptsache, sie bezahlen das mit Steuer ein anderes Problem sehe ich nicht.“
71
Der vom Zeugen KG angesprochene ungewöhnliche Umfang der Platingeschäfte wurde zudem durch die E-Mail von T2. S, dem Geschäftsführer der A GmbH mit Sitz in E vom 17.05.20xx an die Generalzolldirektion, Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) bestätigt. S teilte darin mit, dass der A GmbH 120 Stück 1 Unze Platinmünzen (19% steuerpflichtig) angeboten worden seien und durch den Kunden angefragt worden sei, ob man zukünftig wöchentlich entsprechende Geschäfte durchführen könne. S teilte in der EMail seinen Verdacht mit, dass die Umsatzsteuer eventuell nicht ordnungsgemäß abgeführt werde und dass regelmäßige Transaktionen mit Platinmünzen in diesem Umfang im physischen Edelmetallhandel nicht sehr gängig seien.
72
Der Zeuge R bestätigte, dass die Münzen im Kreis gehandelt wurden und dass die Umstände der Platingeschäfte absolut unüblich waren. Zum einen seien diese – nach Vorgaben des anderweitig Verfolgten B zu festen Preisen (insbesondere -2% des Spotpreises) angekauft worden. Sowohl die Menge als auch der Umstand, dass das Platin gegen Gold getauscht worden sei, sei absolut unüblich gewesen. Ihm sei erstmals im Jahr 20xx aufgefallen, dass die Münzen, die sie verkauft hätten, in derselben individuellen und auffälligen Verpackung kurze Zeit später erneut angeliefert worden seien. Genau in diesen Verpackungen seien die Münzen jedoch dann auch wieder bei der E M angeliefert worden. Als ihm dies erstmals aufgefallen sei, habe er sofort – noch im Jahr 20xx – dem anderweitig Verfolgten B davon berichtet. Seinen Vorschlag, die Münzen mit einem Schwarzlichtmarker zu markieren, habe dieser jedoch abgelehnt.
73
Zur Rolle des anderweitig Verfolgten B führte er aus, dass dieser Münzankäufe im Wert von über … EUR, erst habe genehmigen müssen, bevor die Buchhaltung die Zahlung freigegeben habe. Der anderweitig Verfolgte B habe die Preisvorgaben hinsichtlich dieser Geschäfte gemacht. Auch habe er bei den Goldverkäufen oft vorgegeben, wie die Münzen zusammenzustellen seien, was sich nach dem Lagerbestand gerichtet habe. Der anderweitig Verfolgte B habe ihm auch gesagt, dass die Summe der geltend gemachten Vorsteuer den Betrag von einer Million nicht überschreiten dürfe. Entsprechend habe er auch manchmal vorgegeben, dass z.B. noch ein Geschäft durchgeführt werden solle. Die Angaben des glaubwürdigen Zeugen R waren glaubhaft, sie waren mit den übrigen Beweisergebnissen ohne Weiteres in Einklang zu bringen. Er zeigte auch keinen Belastungseifer gegenüber dem Angeklagten oder anderen Involvierten.
74
Aus dem T1.-Chat zwischen R und S, der den Zeitraum 19.08.20xx bis 20.05.20xx umfasste, ergab sich, dass R und S Münzlieferungen besprachen, namentlich die Anzahl der zu liefernden Münzen und die Preise.
75
Zur Abgabe der Vorsteuererklärungen bestätigte die glaubwürdige Zeugin F, ehemalige Buchhalterin der E M, dass sie einmal monatlich die elektronischen Umsatzsteuervoranmeldungen für die B Holding an das Finanzamt gemacht habe. Ihre Angaben waren glaubhaft. Sie zeigte keinen Belastungseifer und war daher als Zeugin glaubwürdig.
76
Die Feststellungen zur A G s.r.o. beruhen auf dem A1. Unternehmensbericht und der beglaubigten Übersetzung des Handelsregisterauszugs der A G s.r.o. Der Kammer lag der Th1.-Gruppenchat zwischen der Verurteilten J, dem Verurteilten JC und dem Verurteilten D, die der Gruppierung um O angehörten, im Zeitraum vom 11.10.20xx bis zum 26.05.20xx vor. Der Zeuge H von der Steuerfahndung H erläuterte dazu, dass ein Vergleich der im Th1.-Gruppenchat ausgetauschten Nachrichten mit den sichergestellten Rechnungen gezeigt habe, dass die in dem Th1.-Gruppenchat abgesprochenen Scheinlieferungen auch so durchgeführt worden seien. Diese Beweisergebnisse wurden auch bestätigt durch die verlesenen in der Hauptverhandlung abgegeben und verschriftlichen Einlassungen der rechtskräftig Verurteilten JC und J und des anderweitig Verfolgten O in den jeweils gegen diesen geführten Strafverfahren vor dem Landgericht M I.
77
Der Zeuge K berichtete zur Durchführung des Umsatzsteuerkarussells ab dem 01.03.20xx. Anfang des Jahres 20xx sei es zu einer Neustrukturierung der Gruppierung gekommen. Die Tätergruppierung habe sich aufgespalten, die E M sei nun von zwei unterschiedlichen Gruppen bedient worden.
78
Die Ermittlungen hätten den tatsächlichen Münzkreislauf nach dem 01.03.20xx ergeben. Die Münzen seien zwischen der E M, der T s.r.o. und der E s.r.o. im Kreis gehandelt worden. Die Rechnungen der E M an die T s.r.o. über Platinverkäufe und die Rechnungen der T s.r.o. an die E s.r.o. über Platinverkäufe hätten bestätigt, dass die Münzen wieder zum rechtskräftig Verurteilten S zurückgelangt seien. Der anderweitig Verfolgte S habe in seinem Verfahren auch eingeräumt, dass er – und nicht seine Ehefrau – die E s.r.o. geleitet habe. Aus den Rechnungen, die bei S sichergestellt worden seien, habe sich ergeben, dass die Platinmünzen von der E s.r.o. an Scheinfirmen in Rumänien, d.h. die D S.R.L. und in Großbritannien ausfrakturiert worden seien.
79
Aufgrund der durch die Steuerfahndung H durchgeführten Telefonüberwachung sei auch der Anschluss des anderweitig Verfolgten C überwacht worden. Am … sei bei dem anderweitig Verfolgten W noch als Zeuge durchsucht worden. Am Tag der Durchsuchung seien mehrere Gespräche zwischen den anderweitig Verfolgten C und W überwacht worden, aus denen sich ein Verdacht hinsichtlich dessen Beteiligung ergeben habe.
80
Durch weitere Durchsuchungen – u.a. bei den nachgenannten Missing Tradern bzw. deren Verantwortlichen – sei die papiermäßige Lieferkette zur W L GmbH festgestellt worden. Die W L GmbH sei demnach durch die M GmbH, diese wiederum von der S UG und diese wiederum vom Einzelunternehmen I1. A beliefert worden. Die Ermittlungen hätten zudem ergeben, dass an den jeweiligen Firmensitzen keine entsprechende Geschäftstätigkeit entfaltet worden sei. Auf dem Handy des W hätten sich Screenshots von Chatnachrichten befunden, denen Anweisungen des C und S zur Rechnungserstellung zu entnehmen gewesen seien. Die Kommunikation des W habe wieder offenbart, dass er die Rechnungen zusammen mit den anderweitig Verfolgten I und WE erstellt habe.
81
Bei der Durchsuchung des Wohnhauses des S sei zudem ein USB-Stick sichergestellt worden, den der anderweitig Verfolgte S mit einem Passwort geöffnet habe. Auf dem USB-Stick seien Buchhaltungs- oder Abrechnungstabellen der Bande gewesen, die den Zeitraum Juni 20xx bis Mai 20xx abgebildet hätten. Der Zeuge K führte hierzu aus, dass der Abgleich der Tabellen mit weiteren Beweismitteln, namentlich sichergestellten Rechnungen, ergeben habe, dass es sich hierbei um die Buchhaltung der Bande gehandelt habe. Es sei nicht das abgebildet gewesen, was man bei einer regulären Buchhaltung des S als Geschäftsführer der W L GmbH hätte erwarten können, d.h. zu welchen Preisen die W L GmbH von der M GmbH Platin bezogen habe, bzw. zu welchem Preis dieses an die E M verkauft worden sei. Vielmehr sei dort abgebildet gewesen, wo die Münzen tatsächlich hergekommen seien, namentlich der Erwerb von der T s.r.o. und als Gewinn die Differenz zwischen Platinankauf und Goldverkauf.
82
Für die W L GmbH seien in den verfahrensgegenständlichen Quartalen keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben worden. Die W L GmbH habe keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. An den Firmensitzen sei keine Infrastruktur für die Durchführung entsprechender Geschäfte vorhanden gewesen. Lediglich Bewegungen auf dem Konto der W L GmbH habe man durch Auswertung der Kontounterlagen feststellen können. Der Zeuge Ö bestätigte die mangelnde Geschäftstätigkeit der W L GmbH am Firmensitz xxstr. xx. Er gab an, dort seine Büroräumlichkeiten in der Nähe seines Imbisses zu haben. Er habe einen Briefkasten mit der Aufschrift M GmbH angebracht für eine Entlohnung von 100 EUR pro Monat. Der Name „W L GmbH“ sage ihm nichts. Herr W, sein Buchhalter, habe mindestens 1x pro Woche die Briefe abgeholt. Pakete oder Päckchen seien nie an die Adresse geliefert worden. Etwas anderes als einen Briefkasten habe er nicht vermietet. Die Angaben des glaubwürdigen Zeugen Ö, der keinen Grund hatte, die Wahrheit zu verschleiern, waren glaubhaft.
83
Die Angaben des glaubwürdigen Zeugen K waren uneingeschränkt glaubhaft. Der Zeuge konnte den Ablauf der Ermittlungen und die gewonnen Ergebnisse widerspruchsfrei und flüssig wiedergeben. Der Zeuge sagte ohne jeglichen Belastungseifer aus.
84
Die Feststellungen zur E s.r.o beruhen darüber hinaus auf der beglaubigten Übersetzung des Handelsregisterauszugs vom 01.02.2023. Die Feststellungen zur T s.r.o. beruhen darüber hinaus auf den beglaubigten Übersetzungen des Handelsregisterauszugs vom 31.01.2023.
85
Die Kammer ist nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Münzen zunächst zwischen der E M und der A G s.r.o. und dann später der T s.r.o. und der E s.r.o. tatsächlich im Kreis gehandelt wurden. Aufgrund der Angaben des Zeugen K und des Zeugen Ö geht die Kammer davon aus, dass die W L GmbH keine Geschäftstätigkeit entfaltete und lediglich als Rechnungsschreiberin diente, um einen unberechtigten Vorsteuerabzug bei der E zu ermöglichen. Die Kammer ist zudem nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der anderweitig Verfolgte B wusste, dass er zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der W L GmbH nicht berechtigt war. Der Zeuge R gab an, dass er den anderweitig Verfolgten B noch im Jahr 20xx darüber informiert habe, dass die Platinmünzen in denselben Behältnissen angeliefert worden seien, in denen er sie losgeschickt habe. Der Zeuge R war glaubwürdig, seine Angaben waren glaubhaft. Er ist für die Taten bereits rechtskräftig verurteilt, d.h. er hat weder einen Vorteil noch einen Nachteil durch die Belastung des anderweitig Verfolgten B zu erwarten. Der Zeuge antwortete ohne Umschweife auch auf Fragen, durch die er sich selbst belastete. Er bekundete glaubhaft, seine Taten zu bereuen. Die Kammer sieht dessen Angaben auch deshalb für glaubhaft an, weil der anderweitig Verfolgte B, gewissermaßen als Patriarch der Firma der seit Jahren im Münzhandel tätig ist, und alle Rechnungen über Platinankäufe im Wert von über … EUR freigeben musste. Die Kammer hält es für lebensfern anzunehmen, dass ihm der äußerst ungewöhnliche Umfang der Platingeschäfte mit seiner hohen wirtschaftlichen Bedeutung für die Firma und deren Missbrauchspotential nicht bewusst war. Von einem Missbrauch musste er spätestens nach der Information seitens des Zeugen R ausgehen. Auch hat er darauf geachtet, dass bestimmte Wertgrenzen nicht überschritten wurden.
86
Die Feststellungen zum Tatbeitrag des Angeklagten beruhen auf der Einlassung des Angeklagten und dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
87
Der Zeuge K führte aus, dass sich aus der Auswertung der Standortdaten der Lichtbilder auf dem Handy des Angeklagten M ergeben habe, dass dieser an allen für die Bande relevanten Örtlichkeiten aufhältig gewesen sei. Die Rolle des Angeklagten sei für das Gelingen des Umsatzsteuerkarussells sehr wichtig gewesen, denn der Transport der Münzen durch eine externe Sicherheitsfirma, hätte die tatsächlichen Lieferwege transparent gemacht. D.h. es wäre nachvollziehbar gewesen, dass die Münzen tatsächlich nicht entsprechend den papiermäßigen Lieferwegen transportiert worden seien. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass er das Vertrauen der übrigen Bandenmitglieder genossen habe. Er habe allein erhebliche Werte transportiert, d.h. zum Beispiel Platinmünzen im Wert von einer Million EUR. Zudem sei bei ihm eine Bankkarte zum Konto der W L GmbH sichergestellt worden, auf dem sich zwischenzeitlich erhebliche Summen befunden hätten.
88
Die Kammer ist nach Durchführung der Beweisaufnahme überzeugt, dass der Angeklagte die in Tabelle 3 genannten Platinanlieferungen durchführte.
89
Dass der Angeklagte Platinanlieferungen durchführte und dabei Gold entgegennahm, räumte er selbst ein.
90
Diese Angaben wurden bestätigt durch die Angaben des Zeugen R, der angab als Angestellter der E Gruppe Kontakt zum Angeklagten gehabt zu haben. Er habe ihn nur unter dem Namen „L.“ gekannt. Das Kommen des Angeklagten mit Waren sei ihm immer vorab von S per E-Mail oder Chat angekündigt worden. Der Angeklagte habe circa 2-mal pro Monat Platin bei der E M mit einem Privat-PKW angeliefert. Die Übergabe der Platinmünzen habe im Firmengebäude der E im 5. Stock in einem Besprechungsraum stattgefunden. Der Angeklagte habe Fotos der Münzen gemacht. Er habe sich mit dem Angeklagten in gebrochenem Deutsch oder Englisch unterhalten, jedoch lediglich Smalltalk über das Befinden oder die Fahrt geführt.
91
Die Angaben des Zeugen R wurden auch gestützt durch die Angaben des Zeugen H. Dieser führte aus, dass der Angeklagte bei einer Observation am 03.02.20xx aufgefallen sei. Er habe den Angeklagten M zudem auf Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras bei der E M am 05.05.20xx und 20.05.20xx, die er gesichtet habe, wiedererkannt.
92
Die konkreten Platinanlieferungen konnten dem Angeklagten anhand von Lichtbildern auf dessen Handy und anhand der (teilweise angebrachten) Unterschriften auf den Goldausgangsrechnungen der E M zugeordnet werden.
93
Der Zeuge KG führte dazu aus, dass die Entgegennahme des Goldes auf den Goldausgangsrechnungen der E M jeweils regelmäßig durch eine Unterschrift auf einer Rechnung quittiert worden sei. Die Rechnungen seien bei der Durchsuchung der E M sichergestellt worden. Den Goldausgangsrechnungen seien jeweils entsprechende Platinrechnungen zugeordnet worden. Er benannte konkret die in Tabelle 3 Nrn. 4, 5, 13 und 26 genannten Lieferungen. Die Kammer hat die Goldausgangsrechnungen der E M an die W L GmbH vom … in Augenschein genommen. Die Kammer hat zum Vergleich des Schriftbildes weitere Unterschriften des Angeklagten, zum Beispiel auf dem Vernehmungsprotokoll vom 18.07.20xx, in Augenschein genommen. Die Kammer ist aufgrund des gleichen Schriftbildes davon überzeugt, dass es sich bei den Unterschriften auf den Rechnungen jeweils um die des Angeklagten handelte.
94
Der Zeuge K führte aus, dass sich auf dem Handy des Angeklagten M Lichtbilder von Platinmünzen und Goldmünzen befunden hätten, die jeweils einer Abholung hätten zugeordnet werden können. Anhand der Meta-Daten habe nachvollzogen werden können, dass die Lichtbilder mit dem Handy des Angeklagten aufgenommen worden seien, zudem habe sich hieraus jeweils eine Aufnahmeörtlichkeit und ein Aufnahmedatum ergeben. Anhand des hinterlegten Datums habe man die Lichtbilder den Platinrechnungen zuordnen können. Er nannte konkret die Lieferungen Tabelle 3 Nrn. 1-3, 5-12, 14-25, 27-34.
95
Die Angaben der glaubwürdigen Zeugen K, H und KG waren glaubhaft. Sie waren in sich und jeweils mit den anderen Beweismitteln vereinbar. Die Kammer ist nach Durchführung der Beweisaufnahme überzeugt, dass der Angeklagte die in Tabelle 3 genannten Lieferungen durchführte. Folgende Lieferungen hat die Kammer ihm nur anhand der Unterschriften auf den Goldausgangsrechnungen zugeordnet: Lieferungen Tabelle 3 Nrn. 4, 5, 13 und 26. Im Übrigen erfolgte die Zuordnung der Lieferungen auf Grundlage der Angaben des Zeugen K zu den Lichtbildern. Es handelte sich um Lieferungen Tabelle 3 Nrn. 1-3, 5-12, 14-25, 27-34.
96
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte die in den Feststellungen genannte Entlohnung erhielt. Die Feststellungen dazu beruhen auf den Abrechnungstabellen auf dem USB-Stick des S. Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass die darin genannten Zahlungen an den Angeklagten – entgegen dessen Einlassung – dessen Entlohnung für Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Umsatzsteuerkarussell abbildeten. Die Kammer geht nach Würdigung aller relevanten Umstände davon aus, dass es sich bei den unter „Kosten“ genannten Beträge, die Namen („L.“, „Ch1.“…) zugeordnet waren, um die monatlichen Auszahlungen an die jeweiligen Mitglieder der Gruppierung handelte. Die Kammer kommt zu dieser Überzeugung, weil in den Tabellen jeweils nur Zahlen im Zusammenhang mit dem Umsatzsteuerkarussell abgebildet waren und die Beträge der Höhe nach auch mit der Rolle der jeweiligen Bandenmitglieder vereinbar waren. Die Einlassung des Angeklagten, er habe private Ausgaben des C mit S abgerechnet, ordnete die Kammer daher als Schutzbehauptung ein.
97
Eine weitergehende Entlohnung konnte die Kammer nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen. Insbesondere konnte die Kammer für die Monate, die nicht von den Tabellen umfasst waren (…) nicht von einer Mindestentlohnung von … EUR pro Monat ausgehen, denn insoweit stand nicht fest, dass diese Entlohnung, die der Angeklagte nach eigenen Angaben monatlich von C erhielt, eine Gegenleistung für die verfahrensgegenständlichen Taten darstellte. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Angeklagte für diesen auch Dienstleistungen erbrachte, die nicht mit den verfahrensgegenständlichen Taten in Zusammenhang standen.
d. Vorsatz des Angeklagten M
98
Die Kammer ist nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Angeklagte M die Haupttaten in deren wesentlichen Merkmalen kannte und in dem Bewusstsein handelte, durch sein Verhalten das Vorhaben der Haupttäter zu fördern.
99
Die Kammer ließ sich hierbei durch folgende Erwägungen leiten.
100
Für den Angeklagten war ersichtlich, dass die Papierlage von den tatsächlichen Lieferwegen abwich. So übernahm er in T oder P Münzen, wobei die W L GmbH ihren Sitz in Deutschland hatte. Anschließend verkaufte er Goldmünzen im Namen der E s.r.o. Der Angeklagte, der für sich in Anspruch nahm, besonders genau zu sein und die Rechnungen immer genau kontrolliert zu haben, konnte – da er Zahlen lesen kann – ersehen, dass die Goldrechnungen umsatzsteuerfrei waren, während die Platinmünzen mit Umsatzsteuer berechnet wurden. Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass er erkannte, dass der Ertrag der Bande aus der Umsatzsteuer generiert wird. Die Kammer folgte nicht seiner Einlassung, dass die Geschäfte für ihn den Anschein der Legalität erweckt hätten. Seiner Aussage war vielmehr zu entnehmen, dass er sich des Sicherheitsrisikos, das mit dem Transport erheblicher Warenwerte in einem normalen PKW verbunden war, durchaus bewusst war. Denn er gab an, dass S und C über die Anschaffung eines Transporters diskutiert hätten und er an Tankstellen unter einer Kamera geschlafen habe. Der Angeklagte wusste zudem, dass zwischen der E s.r.o. und der W L GmbH Personenidentität bestand, dergestalt, dass der rechtskräftig Verurteilte S die Geschäfte beider Firmen leitete.
101
Auch die Tatsache, dass die Münzen tatsächlich angeliefert wurden, spricht nicht gegen die Annahme eines Vorsatzes. Der Zeuge KG führte hierzu aus, dass ein Umsatzsteuerkarussell ohne jegliche physische Lieferung von Waren denkbar sei, die tatsächliche Anlieferung der Waren die Aufdeckung für das Finanzamt jedoch schwieriger mache. Insbesondere hätten die Lieferungen der E M an die T s.r.o. tatsächlich stattgefunden, was die Darstellung innergemeinschaftlicher Lieferungen leichter gemacht habe.
102
Die Kammer würdigte zudem das Aussageverhalten des Angeklagten. Der Angeklagte machte während des Ermittlungsverfahrens und in der Hauptverhandlung teilweise widersprüchliche Angaben. Die Kammer verkennt nicht, dass der Angeklagte sich nicht selbst belasten muss. Jedoch ist die Kammer gehalten, widersprüchliches Aussageverhalten des Angeklagten zu würdigen. Die Angaben in der Hauptverhandlung wichen in einigen Punkten zu seinen Angaben am 18.07.2022 ab. Insbesondere wurden seine Angaben dazu, wo er das Bargeld aus Cs Tresor sortiert habe, durch Auswertung der Meta-Daten der Lichtbilder widerlegt, woraufhin er seine Einlassung korrigierte. Weiterhin machte er in der Hauptverhandlung zu Umständen andere Angaben, die nahelegten, dass die Münzen nicht von der W L GmbH geliefert wurden. So gab er im Ermittlungsverfahren noch an, diese auch von C entgegengenommen zu haben.
103
Aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern ergab sich zudem, dass der Angeklagte im Rahmen seiner Tätigkeit für die Bande mit sehr großen Bargeldmengen zu tun hatte. Unter anderem dem Lichtbild IMG_xx sind 11 Bargeldbündel abgebildet. Drei der Bargeldbündel sind zusammen einfoliert und beschriftet mit: „30K“. Im Rahmen eines legalen Geschäftsgebarens erscheint dies äußerst ungewöhnlich.
104
Nach alledem ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte M die Haupttaten in deren wesentlichen Merkmalen kannte und in dem Bewusstsein handelte, durch sein Verhalten das Vorhaben der Haupttäter zu fördern.
105
Die Feststellungen zum Nachtatgeschehen beruhen auf den Angaben des Zeugen K. Er bestätigte die dort festgestellten Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren. Er führte weiterhin aus, dass der anderweitig Verfolgte I1. A nur aufgrund der Angaben des Angeklagten als Verantwortlicher der D S.R.L. identifiziert werden konnte. Dies habe die Vorbereitung weiterer Ermittlungsmaßnahmen ermöglicht, deren Vollzug noch ausstünde. Zu den Personen „V1.“ und D2. K führte er aus, dass es sich um Randpersonen des Geschehens handele, eine Erkenntnis über deren Beteiligung an den Taten hätten die Ermittlungen nicht ergeben.
106
Der Angeklagte hat sich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in achtzehn tatmehrheitlichen Fällen schuldig gemacht gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, Nr. 5 AO, §§ 27, 28 Abs. 1, 46b Abs. 1 Nr. 1, 53 StGB.
I. Taten 1-13 (Steuerhinterziehung zugunsten der E M)
107
Der Angeklagte hat sich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in dreizehn tatmehrheitlichen Fällen zugunsten der E M schuldig gemacht, §§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, Nr. 5 AO , 27, 53 StGB.
1. Haupttaten des anderweitig Verfolgten B
108
Der Angeklagte B hat sich der Steuerhinterziehung in 13 tatmehrheitlichen Fällen schuldig gemacht, §§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, Nr. 5 AO, 53 StGB.
109
Er machte im Zeitraum März … monatlich jeweils zu Unrecht Vorsteuererstattungen aus den Rechnungen der W L GmbH beim Finanzamt H geltend und verkürzte hierdurch Steuern. Die Taten waren jeweils auch vollendet, da das Finanzamt den Steueranmeldungen jeweils zustimmte, § 168 S. 2 AO.
110
Er wusste, dass er zur Vorsteueranmeldung nicht berechtigt war und handelte auch vorsätzlich im Hinblick auf die übrigen Merkmale des Tatbestands.
2. Beihilfe des Angeklagten
111
Die Tathandlungen des Angeklagten waren als Beihilfe und nicht als mittäterschaftliche Handlung zu werten. Die Abgrenzung der Mittäterschaft zur Beihilfe erfolgt aufgrund einer wertenden Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von der Vorstellung des Angeklagten umfasst sind. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30.6.2005 – 5 StR 12/05, NStZ 2006, 44, 45; BGH, Urteil vom 15.01.1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289 [291]).
112
Der Angeklagte hat lediglich fremdes Tun gefördert. Der Umfang der Tatbeteiligung des Angeklagten ist – im Hinblick auf das Gesamtkonstrukt – als untergeordnet einzuordnen. Auch wenn seine Tatbeiträge wesentlich und für das Gelingen unabdingbar waren, war er letztlich nur ein Rad im Getriebe, das von anderen geplant und organisiert wurde. Er transportiere weisungsabhängig Platinmünzen aus der Tschechischen Republik nach Deutschland, nahm das Gold entgegen und verkaufte dies auf Anweisung von C und S.
113
Er leitete den Ertrag hieraus weiter. Sein subjektives Tatinteresse war untergeordneter Natur, er wurde für seine Handlungen mit … EUR entlohnt.
114
Dem Angeklagten als Gehilfen kann der Gesamtbetrag der von den Haupttätern verkürzten Umsatzsteuern zugerechnet werden. Denn der bei den Taten 1-13 jeweilige von dem Haupttäter verkürzte Umsatzsteuerbetrag (vgl. Tabelle D.V.1.) beruht auf den Beihilfetaten des Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 16.05.2013 – 1 StR 68/13, BeckRS 2013, 10570 Rn. 7). Der Angeklagten ermöglichte durch seine Beihilfehandlungen die Haupttaten in vollem Umfang. Der Angeklagte kannte aus den Rechnungen, die er bei der E M mbH handschriftlich unterzeichnete, die Höhe der verkürzten Umsatzsteuern und nahm daher den Gesamtschaden zumindest billigend in Kauf.
115
Die Tatsache, dass die Beihilfehandlungen des Angekl. erhebliche Zeit vor den jeweiligen Haupttaten lagen, beseitigt die tatsächliche Förderung der Haupttaten durch das Verhalten des Angeklagten nicht. Es ist ausreichend, dass ein Gehilfe die Haupttat im Vorbereitungsstadium fördert (vgl. BGH, NJW 1985, 1035 [1036]; NStZ 2000, 86; Lackner/Kühl, StGB, 23. Aufl., § 27 Rdnr. 3; Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 27 Rdnr. 13), solange die Teilnahmehandlung mit dem Willen und dem Bewusstsein geleistet wird, die Haupttat zu fördern (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 – Vorsatz 9, BGH NJW 2000, 3010).
3. Steuerhinterziehung großen Ausmaßes und bandenmäßige Begehungsweise, § 370 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 5 AO
116
§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO setzt eine Steuerhinterziehung großen Ausmaßes voraus. Der Begriff des großen Ausmaßes ist im Gesetz nicht definiert. Die Rechtsprechung nimmt ein großes Ausmaß bei einem einheitlichen Schwellenwert von 50.000,00 Euro an (BGH, Urteil vom 27.10.2015 – 1 StR 373/15, NStZ 2016, 288, 289). Dieser Schwellenwert war bei den Taten 1-13 jeweils überschritten.
117
Der Angeklagte handelte bei allen Taten als Teil einer Bande. Eine Bande besteht, wenn sich mindestens drei Personen mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen (BGH, Beschluss vom 22.3.2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von mindestens drei Personen, unter anderem C, S und R, die sich zusammenschlossen, um künftig Straftaten im Rahmen eines Umsatzsatzsteuerkarussells zu begehen. Der Angeklagte schloss sich dieser Bande an und war sich bewusst, dass mehrere Bandenmitglieder gemeinsam agierten und führte seine Taten im Rahmen der Bandenabrede aus.
4. Doppelter Gehilfenvorsatz
118
Beim Angeklagten liegt ein doppelter Beihilfevorsatz vor. Der Angeklagte hat die Haupttaten zumindest billigend in Kauf genommen. Ihm war auch die (ungefähre) Höhe der hinterzogenen Umsatzsteuer bekannt. Er nahm es auch zumindest billigend in Kauf, durch seine Beihilfehandlungen diese Haupttaten zu unterstützen.
119
Den Haupttaten konnten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen, d.h. Platinanlieferungen, zugeordnet werden, weshalb Tatmehrheit anzunehmen war (BGH, Beschluss vom 09.05.2019 – 1 StR 19/19, NStZ-RR 2019, 249, 250).
II. Taten 14-18 (Steuerhinterziehung zugunsten der W L GmbH
1. Haupttaten des rechtskräftig Verurteilten S
120
Für den Verurteilten S bestand für die W L GmbH im Jahr 20xx und 20xx eine Pflicht zur quartalsmäßigen Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen. Der Verurteilte S unterließ die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Quartale xx des Jahres 20xx und das x Quartal 20xx.
121
Die Pflicht zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 20xx und 20xx war suspendiert, da das Steuerverfahren gegen den Verurteilten S wegen Hinterziehung der Umsatzsteuern für die Quartale xx 20xx und x 20xx zugunsten der W L GmbH am 05.06.20xx dem Verurteilten S gegenüber bekanntgemacht wurde. Somit erfolgte die Bekanntmachung der Einleitung vor Ablauf der bis zum … bzw. dem … laufenden Erklärungsfrist (§ 149 Abs. 2 AO).
2. Beihilfe des Angeklagten
122
Der Angeklagte war Beihelfer hinsichtlich der Taten 14-18. Eine Verurteilung wegen täterschaftlicher Begehung kommt nur hinsichtlich der Person in Betracht, die zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist (BGH Urteil vom 23.10.2018 – 1 StR 454/17). Der Angeklagte war vorliegend nicht zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet, sondern der hierfür bereits rechtskräftig Verurteilte S. 3. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1, Nr. 5 AO Bei den Taten lag jeweils eine Steuerhinterziehung großen Ausmaßes vor.
123
Der Angeklagte handelte zudem bei allen Taten als Teil einer Bande, wobei er sich mindestens mit dem anderweitig Verfolgte C und den rechtskräftig Verurteilten S und R zusammenschloss. Die Erwägungen unter Ziffer F.I.3. geltend entsprechend.
4. Doppelter Gehilfenvorsatz
124
Beim Angeklagten liegt ein doppelter Beihilfevorsatz vor. Der Angeklagte hat die Haupttaten zumindest billigend in Kauf genommen. Ihm war auch die (ungefähre) Höhe der hinterzogenen Umsatzsteuer bekannt. Er nahm es auch zumindest billigend in Kauf, durch seine Beihilfehandlungen diese Haupttaten zu unterstützen.
125
Grundlage für die Strafzumessung war die Schuld des Angeklagten, wobei auch diejenigen Wirkungen berücksichtigt wurden, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB).
126
Der Regelstrafrahmen des § 370 Abs. 1 AO beträgt Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe.
2. Kein besonders schwerer Fall, § 370 Abs. 3 AO
127
§ 370 Abs. 3 S. 1 AO regelt besonders schwere Fälle und sieht in Satz 1 einen erhöhten Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vor.
128
Die Kammer nahm bei den Taten 1-13 jeweils keinen besonders schweren Fall an.
129
Die Annahme eines besonders schweren Falls nach § 370 Abs. 3 AO setzt beim Gehilfen eine eigenständige Bewertung aller Umstände einschließlich seines Tatbeitrags voraus (BGH, Beschluss vom 22.09.2008 – 1 StR 323/08, NJW 2009, 690 Rn. 22). Maßgeblich ist, ob sich die Beihilfe selbst – bei Berücksichtigung des Gewichts der Haupttat – als besonders schwerer Fall darstellt (BGH, Urteil vom 25.04.2017 – 1 StR 606/16, NZWiSt 2018, 196, 197).
130
Die eigenständige Bewertung aller Umstände ergibt, dass sich die Beihilfe des Angeklagten bei den Taten 1-13 jedoch jeweils nicht als besonders schwerer Fall darstellt, d. h. ein Abweichen von der Regelwirkung veranlasst ist.
131
Die Kammer hat hierzu eine Gesamtbetrachtung vorgenommen, in welche alle Umstände eingestellt und gewürdigt wurden, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kamen, gleichviel, ob sie der Tat selbst innewohnten, sie begleiteten, ihr vorausgingen oder ihr nachfolgten; hier sind auch die Persönlichkeit des Täters, sein Gesamtverhalten, seine Tatmotive und die tatbegleitenden Umstände zu würdigen.
132
Die Kammer hat dabei nicht übersehen, dass sowohl eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB aufgrund des Vorliegens der vertypten Milderungsgründe des § 27 Abs. 2 und § 46b StGB als auch die Abweichung vom Regelbeispiel eines besonders schweren Falles möglich ist und sich daraus zwei unterschiedliche Strafrahmen ergeben, von denen einer für den Täter günstiger ist.
133
Die Kammer hat hier nicht automatisch den günstigeren Strafrahmen gewählt. Sie hat auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommenden Umstände, gleichwohl ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr nachfolgen oder vorausgehen, den für den Täter günstigeren Strafrahmen gewählt (BGH, Beschluss vom 18.12.2019 – 2 StR 512/19, NStZ-RR 2020, 204, 205). Die Kammer ist der Auffassung, dass dieser Regelstrafrahmen angemessen ist, um das Unrecht der Tat abzubilden.
aa. Ohne Heranziehung von vertypten Strafmilderungsgründen
134
Zunächst wurde unter Heranziehung aller unter G.I.3. genannten allgemeinen Strafzumessungsgründe – ohne Heranziehung von vertypten Strafmilderungsgründen (§ 27 Abs. 2, § 46b StGB) – geprüft, ob die Tat als besonders schwerer Fall zu werten ist. Bei Abwägung all dieser Umstände sah die Kammer für ein Abweichen von der Regelwirkung des § 370 Abs. 3 StPO keinen Raum. Der Angeklagte hat einen wesentlichen, für das Gelingen unabdingbaren Tatbeitrag geleistet im Rahmen des hoch kriminell und grenzüberschreitend verwirklichten Gesamtsystems. Darüber hinaus erreicht die Steuerverkürzung jeweils eine Höhe, die sehr deutlich oberhalb der Schwelle zur Steuerhinterziehung großen Ausmaßes liegt. Auch wurde eine Vielzahl von Taten über einen längeren Zeitraum verwirklicht. Auch wurden zwei Regelbeispiele verwirklicht, deren Regelwirkung letztendlich (nur) unter Heranziehung vertypter Milderungsgründe entfällt.
bb. Unter Heranziehung von vertypten Strafmilderungsgründen
(1) Vorliegen von vertypten Strafmilderungsgründen
135
Da der Angeklagte Beihelfer ist, lag der vertypte Strafmilderungsgrund des § 27 Abs. 2 StGB vor.
136
Zudem war die Strafrahmenverschiebung gem. § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB gegeben, die voraussetzt, dass der Angeklagte durch freiwillige Angaben eine Tat aufdeckt, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und eine Katalogtat gem. § 100a Abs. 2 StPO darstellt. Vorliegend stellen die Angaben des Angeklagten zum anderweitig Verfolgten I1. A, der der Beihilfe zur bandenmäßigen Steuerhinterziehung hinreichend verdächtig ist, ein freiwillig offenbartes Wissen dar. Der anderweitig Verfolgte I1. A konnte aufgrund der Angaben des Angeklagten identifiziert werden. Den Ermittlungsbehörden wäre nicht bekannt geworden, dass es sich bei dem anderweitig Verfolgten I1. A um den bis dahin unbekannten Täter handelt. Die Angaben des Angeklagten waren wesentlich. Deswegen hat die Kammer vorliegend ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass beim Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB anzunehmen.
(2) Unter Heranziehung nur eines vertypten Strafmilderungsgrundes
137
Sodann wurde geprüft, ob unter Einbeziehung jeweils eines der gesetzlich vertypten Strafmilderungsgründe der § 27 Abs. 2 oder § 46b StGB neben den bereits unter G.I.3. genannten Strafzumessungserwägungen in die Abwägung ein Abweichen von der Regelwirkung veranlasst war. Angesichts der auch erheblichen strafschärfenden Umstände, lag jedoch auch unter Einbeziehung jeweils nur eines vertypten Strafmilderungsgrunds in die Abwägung kein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände vor, sodass ein Abweichen von der Regelwirkung abzulehnen war.
(3) Unter Heranziehung beider vertypten Strafmilderungsgründe
138
Die Kammer sah jedoch nur unter Einbeziehung beider vertypten Strafmilderungsgründe, namentlich § 27 Abs. 1 und 46b StGB ein Abweichen von der Regelwirkung für veranlasst an. Vor dem Hintergrund einer eigenständigen Bewertung aller Umstände einschließlich des Tatbeitrags des Angeklagten selbst reichte nach Auffassung der Kammer die Heranziehung nur des vertypten Milderungsgrundes des § 27 Abs. 2 StGB bzw. des § 46b StGB allein nicht aus, um das Vorliegen des besonders schweren Falls zu verneinen. Vielmehr sah die Kammer die Regelwirkung des § 370 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 und Nr. 5 AO nur unter Heranziehung beider vertypter Milderungsgründe als widerlegt an. Eine weitere Milderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB erfolgte deshalb nicht. Die Kammer legte den Regelstrafrahmen zugrunde.
139
Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat sich die Kammer gemäß § 46 StGB leiten lassen und dabei auch die Wirkungen berücksichtigt, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB).
140
Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass er sich hinsichtlich der objektiven Tatumstände geständig zeigte.
141
Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass er bereits im Ermittlungsverfahren Angaben, insbesondere zu Lasten der anderweitig Verfolgten S und C, machte. Zudem hat die Kammer strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte während der Hauptverhandlung Angaben zu Lasten der bislang nicht identifizierten „V1.“ und D2. K machte.
142
Die Untersuchungshaft in Deutschland und in der Tschechischen Republik war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, denn der Angeklagte ist besonders haftempfindlich. Die besondere Haftempfindlichkeit ergibt sich daraus, dass der Angeklagte sich nicht mit anderen Mithäftlingen verständigen konnte und die Untersuchungshaft durch seine Erkrankungen erschwert wurde.
143
Zu Lasten hat die Kammer berücksichtigt, dass Gegenstand der Taten eine grenzüberschreitende und hochprofessionelle Vorgehensweise ist. Zudem wurde jeweils eine Steuerverkürzung herbeigeführt, die deutlich über der Schwelle für eine Steuerhinterziehung großen Ausmaßes liegt.
4. Strafzumessung im Einzelnen
144
Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte, insbesondere des Gewichts des jeweiligen Tatbeitrages und der Schadenshöhe, d.h. der Höhe des jeweiligen Verkürzungsbetrages, erachtet die Kammer für die festgestellten Taten folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen, aber auch zur Einwirkung auf den Angeklagten erforderlich:
- Für die Tat Ziffer 1: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten
- Für die Tat Ziffer 2: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten
- Für die Tat Ziffer 3: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten
- Für die Tat Ziffer 4: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr 2 Monaten
- Für die Tat Ziffer 5: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten
- Für die Tat Ziffer 6: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten
- Für die Tat Ziffer 7: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 5 Monaten
- Für die Tat Ziffer 8: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 5 Monaten
- Für die Tat Ziffer 9: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr 4 Monaten
- Für die Tat Ziffer 10: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten
- Für die Tat Ziffer 11: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten
- Für die Tat Ziffer 12: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 7 Monaten
- Für die Tat Ziffer 13: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr 3 Monaten
145
Der Regelstrafrahmen des § 370 Abs. 1 AO beträgt Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe.
2. Kein besonders schwerer Fall, § 370 Abs. 3 AO
146
§ 370 Abs. 3 S. 1 AO regelt besonders schwere Fälle und sieht in Satz 1 einen erhöhten Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vor.
147
Die Kammer nahm bei den Taten 14-18 jeweils keinen besonders schweren Fall an.
148
Die eigenständige Bewertung aller Umstände ergab, dass sich die Beihilfe des Angeklagten bei den Taten 14-18 jeweils nicht als besonders schwerer Fall darstellt, d.h. ein Abweichen von der Regelwirkung veranlasst ist.
149
Die Kammer hat hierzu eine Gesamtbetrachtung vorgenommen, in welche alle Umstände eingestellt und gewürdigt wurden, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kamen, gleichviel, ob sie der Tat selbst innewohnten, sie begleiteten, ihr vorausgingen oder ihr nachfolgten; hier sind auch die Persönlichkeit des Täters, sein Gesamtverhalten, seine Tatmotive und die tatbegleitenden Umstände zu würdigen.
150
Die Kammer hat dabei nicht übersehen, dass sowohl eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB aufgrund des Vorliegens von vertypten Milderungsgründe als auch die Abweichung vom Regelbeispiel eines besonders schweren Falles in Betracht kommt und sich daraus zwei unterschiedliche Strafrahmen ergeben, von denen einer für den Täter günstiger ist. Neben den vertypten Milderungsgründen der §§ 27 Abs. 2, 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB lag auch der Milderungsgrund des § 28 Abs. 1 StGB vor, Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen kann nur derjenige sein, der zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist. Die steuerrechtliche Erklärungspflicht ist ein besonderes persönliches Merkmal bei einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (BGH, Urteil vom 23.10.2018 – 1 StR 454/17).
151
Die Kammer hat hier nicht automatisch den günstigeren Strafrahmen gewählt. Sie hat auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommenden Umstände, gleichwohl ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr nachfolgen oder vorausgehen, den für den Täter günstigeren Strafrahmen gewählt (BGH, Beschluss vom 18.12.2019 – 2 StR 512/19, NStZ-RR 2020, 204, 205). Die Kammer ist der Auffassung, dass dieser Regelstrafrahmen angemessen ist, um das Unrecht der Tat abzubilden.
a. Ohne Heranziehung vertypter Strafmilderungsgründe
152
Zunächst wurden unter Heranziehung aller unter G.I.3. genannten allgemeinen Strafzumessungsgründe – ohne Heranziehung eines oder mehrerer vertypten Strafmilderungsgründe (§§ 27 Abs. 2, 46b Abs. 1 Nr. 1, 28 Abs. 1 StGB) – geprüft, ob die Tat als besonders schwerer Fall zu werten ist. Bei Abwägung aller relevanten Umstände sah die Kammer für ein Abweichen von der Regelwirkung des § 370 Abs. 3 StPO keinen Raum. Der Angeklagte hat einen wesentlichen, für das Gelingen unabdingbaren Tatbeitrag geleistet im Rahmen des hoch kriminell und grenzüberschreitend verwirklichten Gesamtsystems. Darüber hinaus erreicht die Steuerverkürzung jeweils eine Höhe, die sehr deutlich oberhalb der Schwelle zur Steuerhinterziehung großen Ausmaßes liegt. Auch wurde eine Vielzahl von Taten über einen längeren Zeitraum verwirklicht. Auch wurden zwei Regelbeispiele verwirklicht, deren Regelwirkung letztendlich (nur) unter Heranziehung vertypter Milderungsgründe entfällt.
b. Unter Heranziehung nur eines vertypten Strafmilderungsgrundes
153
Sodann wurde geprüft, ob unter Einbeziehung jeweils eines der gesetzlich vertypten Strafmilderungsgründe der §§ 27 Abs. 2, 46b StGB oder 28 Abs. 1 StGB neben den bereits unter G.II.4. genannten Strafzumessungserwägungen in die Abwägung ein Abweichen von der Regelwirkung veranlasst war. Angesichts der auch erheblichen strafschärfenden Umstände, lag jedoch auch unter Einbeziehung jeweils nur eines vertypten Strafmilderungsgrunds in die Abwägung kein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände vor, sodass ein Abweichen von der Regelwirkung abzulehnen war.
c. Unter Heranziehung zweier vertypter Strafmilderungsgründe
154
Die Kammer sah jedoch nur unter Einbeziehung zweier vertypter Strafmilderungsgründe ein Abweichen von der Regelwirkung, nämlich der § 27 Abs. 2 StGB und § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB, für veranlasst an. Die Kammer legte den Regelstrafrahmen zugrunde.
3. Fakultative Milderung gem. §§ 28 Abs. 1 i.V.m. § 49 StGB
155
Vorliegend waren jedoch die Voraussetzungen der Strafrahmenverschiebung gem. §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB gegeben. Nach Maßgabe des 49 Abs. 1 StGB führt dies zu einem Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 3 Jahren und 9 Monaten.
156
Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat sich die Kammer gemäß § 46 StGB leiten lassen und dabei auch die Wirkungen berücksichtigt, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB).
157
Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass er sich hinsichtlich der objektiven Tatumstände geständig zeigte.
158
Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass er bereits im Ermittlungsverfahren Angaben machte, insbesondere zu Lasten der anderweitig Verfolgten S und C. Zudem hat die Kammer strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte während der Hauptverhandlung zu Lasten von „V1.“ und D2. K machte.
159
Die Untersuchungshaft in Deutschland und in der Tschechischen Republik war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, denn der Angeklagte ist besonders haftempfindlich. Die besondere Haftempfindlichkeit ergibt sich daraus, dass der Angeklagte sich nicht mit anderen Mithäftlingen verständigen konnte und die Untersuchungshaft durch seine Erkrankungen erschwert wurde.
160
Zugunsten des Angeklagten wurde berücksichtigt, dass bei den Taten 14-18 kein reeller finanzieller Schaden zu Lasten des Fiskus entstand, dieser vielmehr durch Begehung der Taten 1-13 eingetreten ist.
161
Zu Lasten hat die Kammer berücksichtigt, dass Gegenstand der Taten eine grenzüberschreitende und hochprofessionelle Vorgehensweise ist. Zudem wurde jeweils eine Steuerverkürzung herbeigeführt, die deutlich über der Schwelle für eine Steuerhinterziehung großen Ausmaßes liegt.
162
Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte, insbesondere des Gewichts des jeweiligen Tatbeitrages und der Schadenshöhe, d.h. der Höhe des jeweiligen Verkürzungsbetrages, erachtet die Kammer für die festgestellten Taten folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen, aber auch zur Einwirkung auf den Angeklagten erforderlich:
- Für die Tat Ziffer 14: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 7 Monaten
- Für die Tat Ziffer 15: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten
- Für die Tat Ziffer 16: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr
- Für die Tat Ziffer 17: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten
- Für die Tat Ziffer 18: eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten
163
Unter nochmaliger Berücksichtigung und Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hat die Kammer daher unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe von 1 Jahren 8 Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten gemäß §§ 53, 54 StGB für tat- und schuldangemessen erachtet.
164
Neben den bereits erwähnten Gesichtspunkten, unter denen dem Einräumen der objektiven Tatumstände besonderes Gewicht zukam, hat die Kammer auch in besonderem Maße den Umstand berücksichtigt, dass zwischen den Taten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang bestand. Die Kammer hat zudem die Haftempfindlichkeit des Angeklagten berücksichtigt. Zudem wurde im Rahmen der Gesamtstrafenbildung ein Härteausgleich vorgenommen. Dem Angeklagten droht eine Vollstreckung der durch das im Urteil des Bezirks T verhängte und im Beschluss des Landgerichts H bestätigten Strafe (siehe C.V.2.). Mit dieser Strafe hätte eine Gesamtstrafe gebildet werden können. Eine Gesamtstrafenbildung mit ausländischen Strafen scheidet jedoch aus; da die Einbeziehung in eine neue Gesamtstrafe dazu führt, dass die frühere Verurteilung nicht mehr vollstreckt werden darf, ist sie aufgrund des darin verbundenen Eingriffs in die Rechtskraft der ausländischen Verurteilung und die Vollstreckungshoheit des ausländischen Staates aus völkerrechtlichen Gründen unzulässig (stRspr; vgl. NStZ 2021, 217, BGH NStZ-RR 2018, 333). Der Täter soll jedoch durch den Zufall gemeinsamer oder getrennter Aburteilung weder besser noch schlechter gestellt werden (BGHSt 43, 79,80). Diesem Rechtsgedanken ist auch dann Rechnung zu tragen, wenn eine im Ausland und eine im Inland begangene Straftat jedenfalls vom zeitlichen Ablauf her gleichzeitig hätten abgeurteilt werden können; denn auch insoweit hängt die getrennte oder gemeinsame Aburteilung von Umständen ab, auf die der Angeklagte keinen Einfluss hat (vgl. BGHSt 43, 79 (80)). Der konkreten Darlegung und Begründung des aus der unterbliebenen Gesamtstrafenbildung resultierenden Nachteils bedarf es nicht (EuGH (Zweite Kammer), Urteil vom 12.01.2023 – C 583/22 PPU).
I. Einziehung gem. § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB
165
Der Angeklagte erhielt eine Entlohnung i.H.v. insgesamt … EUR. Er erlangte den Betrag „für die Tat“ im Sinne des §§ 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB. Dies ist der Fall, da der Angeklagte sie als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln erhalten hat und dies gerade nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruht (BGH, Beschluss vom 27.3.2019 – 2 StR 561/18, NJW 2019, 2182 Rn. 8). Gegen den Angeklagten war die Einziehung von Wertersatz für die Taterträge in dieser Höhe anzuordnen, §§ 73 Abs. 1 Alt. 2, 73c StGB.
II. Keine Einziehung gem. §§ 73 Abs. 1, 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB
166
Eine weitergehende Einziehung von Wertersatz gemäß §§ 73 Abs. 1, 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB war nicht anzuordnen. Ein abzuschöpfender messbarer wirtschaftlicher Vorteil des Angeklagten, in Form einer Steuerersparnis, hat sich in dessen Vermögen tatsächlich nicht niedergeschlagen.
167
Vermögensvorteile sind im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB und § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB „durch“ die rechtswidrige Tat erlangt, wenn sie dem Tatbeteiligten (§ 73 Abs. 1 StGB ) oder Drittbegünstigten (§ 73b Abs. 1 StGB ) aufgrund der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BGH, Beschluss vom 14.10.2020 – 5 StR 229/19, NStZ 2021, 355; BGH, Urteil vom 07.03.2019 – 5 StR 569/18, NStZ 2019, 272) . Vorliegend unterfallen die rechtswidrigen Taten im materiellen Sinn gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB dem Vorwurf der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO , also die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen zu haben und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt zu haben. Ein abzuschöpfender messbarer wirtschaftlicher Vorteil des Angeklagten aus dieser Tat ergäbe sich hier nur, soweit sich die vorliegende Steuerersparnis in dessen Vermögen tatsächlich niedergeschlagen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 05.06.2019 – 1 StR 208/19, NJW 2020, 79, 80; BGH, Beschluss vom 14.05.2020 – 1 StR 555/19, NStZ-RR 2020, 348, 349). Dies ist nach den hier getroffenen Feststellungen aber gerade nicht der Fall.
168
Durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für die W L GmbH wurde nichts aus der Tatbestandsverwirklichung erlangt. Die unterlassenen Umsatzsteueranmeldungen führt nicht dazu, dass sich ein Vermögensvorteil im Vermögen der W L GmbH niederschlägt, sondern der (abzuschöpfende) Vermögensvorteil tritt nur im Vermögen desjenigen ein, der auf Grundlage von Scheinrechnungen unberechtigt Vorsteuerabzüge geltend macht (vgl. BGH, Beschluss vom 05.06.2019 – 1 StR 208/19, NJW 2020, 79, 80; BGH, Beschluss vom 14.05.2020 – 1 StR 555/19, NStZ-RR 2020, 348, 349).
169
Eine abzuschöpfende Steuerersparnis trat nur bei der E M ein, welche durch den im Hinblick auf die Scheinrechnungen ungerechtfertigten Vorsteuerabzug ihre Zahllast verminderte.
170
Der Angeklagte hat nichts „durch die Tat“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB erlangt, indem er das Gold jeweils bei Abgabe der Platinmünzen entgegennahm.
171
Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegen Vermögensgegenstände, die der Täter oder Teilnehmer durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat, zwingend der Einziehung. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB ist ein Vermögenswert wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann.
172
Der Angeklagte erlangte das Gold jeweils nicht unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestand:es, denn der aus der Steuerhinterziehung erlangte Vermögensvorteil war im Zeitpunkt der Übergabe des Goldes jeweils noch nicht eingetreten.
173
Der abzuschöpfende Vorteil in Form der Verminderung der Zahllast entstand bei der E M erst nach Abgabe der jeweiligen Voranmeldung. Aufgrund der vorliegenden Scheinrechnungen können die jeweiligen Lieferungen exakt einem bestimmten Voranmeldungszeitraum zugeordnet werden. Der Angeklagte nahm das Gold jeweils zu einem Zeitpunkt entgegen, als die Voranmeldung noch nicht abgegeben war. Es handelt sich daher also nicht um eine Steuerersparnis, die aufgrund der jeweiligen von der E M zu einem späteren Zeitpunkt abgegebenen Voranmeldung entstanden ist. Es handelt sich vielmehr um eine Vorauszahlung, die unabhängig vom – noch in der Zukunft liegenden – Eintritt des Taterfolgs gewährt wird.
174
Der Angeklagte hat die Goldmünzen auch nicht „für die Tat“ gem. § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB, denn „Für die Tat“ erlangt sind Vermögenswerte, die dem Täter nicht nur gelegentlich einer Straftat, sondern als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, die aber nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen. Es handelt sich vorliegend nicht um eine Gegenleistung.
175
Die in der Tschechischen Republik erlittene Auslieferungshaft war im Verhältnis 1:1 anzurechnen. Anhaltspunkte, die eine höhere Anrechnung rechtfertigen könnten, liegen aufgrund der Schilderungen des Angeklagten über die Umstände des Vollzuges in der Auslieferungshaft nicht vor.
176
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1 S. 1 StPO.