Inhalt

ArbG Passau, Beschluss v. 10.01.2023 – 5 Ca 371/22
Titel:

Einigungsgebühr bei Prozesskostenhilfe für Mehrvergleich

Normenketten:
ZPO § 114, § 278 Abs. 6
RVG § 45, § 48
RVGVV Nr. 1003 Anm. I 1
Leitsatz:
Ein im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt kann nur eine 1,0 Einigungsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert verlangen. Dies gilt auch nach der Änderung des § 48 RVG und der Nr. 1003 RVG VV durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 vom 21.12.2020 (Anschluss an LAG München BeckRS 2022, 6890; anders LAG München BeckRS 2023, 1881 sowie BeckRS 2023, 4792 [Beschwerdeentscheidung in dieser Sache] unter Aufgabe der bisher von der 6. Kammer des LAG München vertretenen Auffassung; s. auch LAG Nürnberg BeckRS 2022, 43506; BeckRS 2021, 26554). (Rn. 14 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Beiordnung, Vergleich, Vergleichsmehrwert, Mehrvergleich, Einigungsgebühr
Vorinstanz:
ArbG Passau, Beschluss vom 26.09.2022 – 5 Ca 371/22
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Beschluss vom 21.02.2023 – 11 Ta 31/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 4794

Tenor

1. Die Erinnerung des dem Kläger im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts vom 27.12.2022 gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 26.09.2022 wird zurückgewiesen.
2. Soweit die Beschwerde nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist, wird sie nicht gesondert zugelassen.

Gründe

1
In dem Erinnerungsverfahren geht es um die Höhe der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung.
2
Mit Schriftsatz vom 25.05.2022 (BI. 1/9 d.A.), beim Arbeitsgericht Passau eingegangen am selben Tag, erhob der Erinnerungsführer als Prozessbevollmächtigter des Klägers für diesen Klage auf Zahlung von ausstehender Vergütung für April 2022 in Höhe von 2.294,00 € brutto, eines Arbeitgeberzuschusses für Internetnutzung für April 2022 in Höhe von 50,00 € netto, eines Fahrtkostenzuschusses für April 2022 in Höhe von 168,00 € netto sowie einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.202,86 € (Klageanträge 1 – 4). Mit den Klageanträgen 5 – 9 begehrte der Kläger die Erteilung mehrerer Arbeitspapiere, nämlich der Meldung zur Sozialversicherung, der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung 2022, eines Zeugnisses, einer Arbeitsbescheinigung und einer Urlaubsbescheinigung. Mit Schriftsatz vom 27.06.2022 (BI. 29/32 d.A.) machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Wege der Klageerweiterung ausstehende Vergütung für Mai 2022 in Höhe von 1.376,40 € brutto, einen Arbeitgeberzuschuss für Internetnutzung für Mai 2022 in Höhe von 30,00 € netto sowie einen Fahrtkostenzuschuss für Mai 2022 in Höhe von 100,80 € netto geltend. Mit gesondertem Schriftsatz vom 28.06.2022 (BI. 1/2 d. PKH-Hefis), eingegangen am selben Tag, beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage, für eventuelle Klageerweiterungen und für einen eventuellen Mehrvergleich nebst seiner Beiordnung. Mit Beschluss vom 29.06.2022 (BI. 36 d.A.) wurde dem Kläger antragsgemäß Prozesskostenhilfe für die Klage sowie für die Klageerweiterung und für die in einem Vergleich miterledigten Ansprüche bewilligt und der Erinnerungsführer beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 28.07.2022 (BI. 45/48 d.A.) reichte der Klägervertreter einen Vergleichsvorschlag ein und bat um die gerichtliche Feststellung des Zustandekommens eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO. Nach Annahme des Vergleichsvorschlags durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.07.2022 (BI. 49/50 d.A.) wurde mit Beschluss vom 29.07.2022 (BI. 51/53 d.A.) festgestellt, dass zwischen den Parteien durch Annahme eines schriftlichen Vergleichsvorschlages der Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO ein gerichtlicher Vergleich zustande gekommen ist. Mit Beschluss vom 01.09.2022 (BI. 66/67 d.A.) wurde der Gegenstandswert für das Verfahren für die Zeit bis zur Klageerweiterung vom 27.06.2022 auf 8.426,86 € und für die Zeit danach auf 9.934,06 € festgesetzt; der Gegenstandswert für den Vergleich wurde auf 12.552,82 € festgesetzt.
3
Im Parallelverfahren 5 Ca 370/22 erhob der Erinnerungsführer als Prozessbevollmächtigter der Arbeitskollegin und zugleich Ehefrau des Klägers für diese mit Schriftsatz vom 25.05.2022 ebenfalls Klage gegen dieselbe Beklagte auf Zahlung von ausstehender Vergütung für April 2022 in Höhe von 2.423,25 € brutto, eines Arbeitgeberzuschusses für Internetnutzung für April 2022 in Höhe von 50,00 € netto, eines Fahrtkostenzuschusses für April 2022 in Höhe von 126,75 € netto, von Nachtzuschlägen für April 2022 in Höhe von 128,83 € netto sowie einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.280,00 € (Klageanträge 1 – 5). Mit den Klageanträgen 6 – 10 begehrte die Klägerin die Erteilung mehrerer Arbeitspapiere, nämlich der Meldung zur Sozialversicherung, der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung 2022, eines Zeugnisses, einer Arbeitsbescheinigung und einer Urlaubsbescheinigung. Mit Schriftsatz vom 27.06.2022 machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Verfahren 5 Ca 370/22 im Wege der Klageerweiterung ausstehende Vergütung für Mai 2022 in Höhe von 1.429,20 € brutto, einen Arbeitgeberzuschuss für Internetnutzung für Mai 2022 in Höhe von 30,00 € netto, einen Fahrtkostenzuschuss für Mai 2022 in Höhe von 100,80 € netto sowie Entgeltfortzahlung für Nachtzuschläge für Mai 2022 in Höhe von 66,96 € netto geltend. Mit gesondertem Schriftsatz vom 28.06.2022 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst seiner Beiordnung. Mit Beschluss vom 29.06.2022 wurde der Klägerin antragsgemäß Prozesskostenhilfe für die Klage sowie für die Klageerweiterung und für die in einem Vergleich miterledigten Ansprüche bewilligt und der Erinnerungsführer beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 28.07.2022 reichte der Klägervertreter auch im Verfahren 5 Ca 370/22 einen Vergleichsvorschlag ein und bat um die gerichtliche Feststellung des Zustandekommens eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO. Nach Annahme des Vergleichsvorschlags durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.07.2022 wurde mit Beschluss vom 29.07.2022 auch im Verfahren 5 Ca 370/22 festgestellt, dass zwischen den Parteien durch Annahme eines schriftlichen Vergleichsvorschlages der Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO ein gerichtlicher Vergleich zustande gekommen ist. Mit Beschluss vom 01.09.2022 wurde der Gegenstandswert für das Verfahren 5 Ca 370/22 für die Zeit bis zur Klageerweiterung vom 27.06.2022 auf 8.808,83 € und für die Zeit danach auf 10.435,79 € festgesetzt; der Gegenstandswert für den Vergleich wurde auf 13.252, 17 € festgesetzt.
4
Mit Festsetzungsantrag vom 14.09.2022 (BI. 1/1 1 d. Kostenhefts) begehrte der dem Kläger im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt (Erinnerungsführer) eine Festsetzung der PKH-Vergütung auf 1.708,84 G. Dabei machte er die Gebühren in voller Höhe einschließlich einer 1,5-Einigungsgebühr hinsichtlich des abgeschlossenen Mehrvergleichs geltend. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit Beschluss vom 26.09.2022 (BI. IX/XII d. Kostenhefts) die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 931, 75 € festgesetzt und den Festsetzungsantrag im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie zum einen ausgeführt, nach dem Grundsatz der kostensparenden Prozessführung hätten die Ansprüche des Klägers und seiner Ehefrau nicht in gesonderten Prozessen erhoben werden dürfen. Hinsichtlich der Einigungsgebühr hat sie darauf verwiesen, dass diese nach der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München nur aus dem 1,O-fachen Satz gemäß Nr. 1000, 1003 VV-RVG entstanden sei.
5
Mit Schriftsatz vom 27.12.2022 (BI. XIII/ XVI d. Kostenhefis), eingegangen am selben Tag, legte der Erinnerungsführer gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 26.09.2022 Erinnerung ein. Er hielt an seinem Festsetzungsantrag vom 14.09.2022 (BI. 1/1 1 d. Kostenhefts) fest und verwies zur Begründung darauf, dass ohne eine Beschränkung im Bewilligungsverfahren die vollen Gebühren gegen die Staatskasse geltend gemacht werden könnten. Eine Beschränkung könne nicht im Festsetzungsverfahren nachgeholt werden. Zur Begründung der begehrten Einigungsgebühr nahm er Bezug auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 23.09.2022 – 2 WF 1 11/22 -. Mit Beschluss vom 02.01.2022 (BI. XVII/XVIII d. Kostenhefis) hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerung nicht abgeholfen und die Erinnerung der Vorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt.
6
Die nach § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG zulässige Erinnerung ist unbegründet.
7
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat bei der Festsetzung der dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung zutreffend zum einen den Grundsatz der kostensparenden Prozessführung zugrunde gelegt und zum anderen lediglich eine 1,O-Einigungsgebühr angesetzt.
8
1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München, dass die Staatskasse nicht verpflichtet ist, auf Kosten des Steuerzahlers Kosten zu tragen, die bei Beachten der Grundsäte einer wirtschaftlichen Prozessführung nicht entstanden wären (vgl. Beschluss vom 17. Juli 2012 – 10 Ta 281/1 1 – mit weiteren Nachweisen). Gebühren, die erst dadurch entstehen, dass Streitgegenstände in gesonderten Klagen statt durch Klagehäufung geltend gemacht werden, sind daher nicht zu erstatten, wenn dies nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entsprach. Zweckentsprechender Rechtsverfolgung entspricht ein derartiges Vorgehen dabei nur, wenn dies notwendig ist. Es entspricht weiter ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München (vgl. Beschluss vom 17. Juli 2012 – 10 Ta 281/1 1 – mit weiteren Nachweisen), dass auch erst im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 Abs. 1 RVG darüber entschieden wird, welche Ansprüche in welcher Höhe die Staatskasse treffen.
9
Im Kostenfestsetzungsverfahren ist also zu prüfen, ob die Geltendmachung von mehreren Ansprüchen gegen eine Partei oder von mehreren Klägern gegen die gleiche Beklagte in getrennten Verfahren ungerechtfertigt erhöhte Kosten verursacht hat. Die Korrektur rechtsmissbräuchlicher Kostenkumulierung erscheint gerade im Kostenfestsetzungsverfahren unverzichtbar. Dass Prozesskostenhilfe für alle Verfahren getrennt bewilligt wurde, steht dem nicht entgegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Frage der Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung nicht oder nicht ersichtlich nachvollziehbar geprüft und Mutwilligkeit konkludent verneint wurde. Welche Kosten zu erstatten sind, wird nicht im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, sondern erst im Kostenfestsetzungsvetfahren entschieden (vgl. LAG München 17. Juli 2012 – 10 Ta 281/1 1 – mit weiteren Nachweisen; OLG Koblenz 17. Juli 2014 – 7 WF 355/14 GMP/Künzl, 10. Aufl. 2022, ArbGG S I la Rn. 100 mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand).
10
Nach diesen Grundsätzen war der Prozessbevollmächtigte des Klägers hier gehalten, bei Erhebung der getrennten Klagen die Grundsätze der Prozesswirtschaftlichkeit zu beachten und den Prozess möglichst zweckmäßig und billig zu gestalten. Der beigeordnete Rechtsanwalt ist auch gegenüber der Staatskasse zur kostensparenden Prozessführung verpflichtet. Er hätte daher die Verfahrensgestaltung wählen müssen, bei der die geringsten Kosten angefallen wären, es sei denn, es hätten vernünftige Gründe vorgelegen, die eine andere Verfahrensgestaltung gerechtfertigt hätten (vgl. LAG München 17. Juli 2012 – 10 Ta 281/1 1 – mit weiteren Nachweisen).
11
Derartige Gründe liegen hier nicht vor. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen die Pflicht zur kostensparenden Prozessführung verstoßen, indem er für den Kläger und seine Ehefrau getrennte Klagen erhoben hat, anstatt deren Forderungen gegen die Beklagte im Wege der subjektiven Klagehäufung geltend zu machen. Getrennte Verfahren verbieten sich dann, wenn die Klagen oder Anträge in engem zeitlichen Zusammenhang gestellt wurden, die Zielrichtung die gleiche ist, insbesondere der Sachvortrag weitgehend übereinstimmt und zu erwarten ist, dass sich der oder die Gegner in etwa in gleicher Weise verteidigen werden, sodass Unübersichtlichkeit und/oder Interessenkonflikte nicht zu erwarten sind (vgl. LAG München 17. Juli 2012 – 10 Ta 281/1 1 – mit weiteren Nachweisen).
12
All diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die in beiden Verfahren erhobenen Klagen und die jeweils geltend gemachten Forderungen stehen in einem engen zeitlichen Zusammenhang. Beide Klagen und die jeweiligen Klageerweiterungen stammen vom gleichen Tag. Die verfolgten Anträge stimmen bis auf den Forderungsbetrag überein mit dem alleinigen Unterschied, dass für die Klägerin im Verfahren 5 Ca 370/22 zusätzlich Nachtzuschläge für April und Mai 2022 geltend gemacht wurden (vgl. die dortigen Klageanträge 4 und 15). Die Sachverhaltsschilderung unterscheidet sich in beiden Verfahren abgesehen von der Angabe der persönlichen Verhältnisse, der vereinbarten Vergütung und der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit kaum. Dasselbe gilt für die Klagebegründung insgesamt, die in beiden Verfahren weitgehend identisch ist. Beiden Klagen liegt hinsichtlich der Forderungen im WesentliChen der gleiche Lebenssachverhalt zu Grunde. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Frage der kostensparenden Prozessführung im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung Berücksichtigung gefunden hätte.
13
Nach alledem hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zu Recht den Klägervertreter mit seinen Ansprüchen gegenüber der Staatskasse so gestellt, als ob dem Grundsatz der kostensparenden Prozessführung Genüge getan wäre, die Gebühren und Auslagen nur einmal, allerdings aus den zusammengerechneten Gegenstandswerten bemessen (vgl. SS 15 Abs. 2, 22 Abs. 1 RVG) und sodann entsprechend dem jeweiligen Gegenstandswert auf beide Verfahren aufgeteilt.
14
2. Dem Erinnerungsführer steht die von ihm geltend gemachte 1,5-Einigungsgebühr aus einem Teil des Gegenstandswerts nicht zu. Vielmehr kann er nur eine 1,0-Einigungsgebühr aus dem Gesamtwert des Vergleichs verlangen.
15
Nach § 48 Abs. 1 RVG a. F. bestimmte sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist. Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV-RVG a. F. entstand die 1,5-fache Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkte sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Nach Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 W- RVG a. F. betrug die Einigungsgebühr 1 wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt wurde oder sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 erstreckte (S. 48 Abs. 3 RVG).
16
Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München (vgl. dazu: LAG München 29. August 2018 – 6 Ta 133/18 –; LAG München 22. Dezember 2016 – 6 Ta 314/16 –) ist hinsichtlich der im Vergleich miterledigten Streitgegenstände bereits dann ein „anderes gerichtliches Verfahren als ein selbständiges Beweisverfahren“ anhängig, wenn – wie hier – ein Verfahren über die Erstreckung der Prozesskostenhilfe anhängig gemacht wird. Das Gericht hat in diesem Fall zumindest zu prüfen, ob die Einbeziehung der außerhalb des Rechtsstreits liegenden Gegenstände in die vergleichsweise Regelung mutwillig im Sinne von § 114 Abs. 2 ZPO erscheint bzw. ob für die miterledigten Gegenstände, wären sie in einem gesonderten Klageverfahren geltend gemacht worden, eine Rechtsanwaltsbeiordnung geboten gewesen wäre (LAG München 22. Dezember 2016 – 6 Ta 314/16 –). In diesem Fall liegt eine Befassung des Gerichts mit den Gegenständen vor, die es rechtfertigt, lediglich die 1 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV-RVG entstehen zu lassen (so auch LAG Baden-Württemberg 7. September 2010 – 5 Ta 132/10 Nach Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 WRVG a. F. löste also bereits der Antrag, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf den Vergleich zu erstrecken, eine Einigungsgebühr von 1,0 aus. Die Einigungsgebühr von 1,5 ist damit ausgeschlossen. Die für die höhere Gebühr nach Nr. 1000 VV-RVG nach dem Gesetzeszweck maßgebliche Überlegung, das Gericht werde durch die miterledigten Ansprüche nicht belastet und das anwaltliche Bestreben, Streitigkeiten möglichst ohne Anrufung des Gerichts beilzulegen, zu fördern und zu belohnen, trifft in einem Fall wie hier nicht zu (LAG München 29. August 2018 – 6 Ta 133/18 –). Für eine Nurprotokollierung entsprechend Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 VV-RVG a. F. wäre vielmehr Voraussetzung, dass kein Verfahren über eine Prozesskostenhilfe anhängig ist. Dies ist im Falle einer beantragten Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf einen Vergleichsmehtwert nicht der Fall (LAG Nürnberg 2. November 2018 – 5 Ta 104/18 –).
17
An dieser Rechtsprechung hält das Landesarbeitsgericht München (Beschluss vom 23.02. 2022 – 6 Ta 20/22 Beschluss vom 23.03.2022 – 6 Ta 275/21 auch nach der Änderung des § 48 RVG und der Nr. 1003 VV-RVG durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 vom 21.12.2020 (BGBI. I § 3229) und in Kenntnis der ausdrücklich zitierten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 6. Juli 2021 – 3 Ta 68/21 –, deren Argumentation mit der vom Erinnerungsführer genannten Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 23.09.2022 – 2 WF 1 11/22 – vergleichbar ist, fest.
18
Auch die Neufassung von § 48 RVG gebietet nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München (Beschluss vom 23.02. 2022 – 6 Ta 20/22 –; Beschluss vom 23.03.2022 – 6 Ta 275/21 –) kein anderes Ergebnis. Auch nach dieser Norm ist Nr. 1003 VV-RVG weiter als Voraussetzung der gesetzlichen Gebührenhöhe zu beachten, die in Fällen wie hier, da eine Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich geboten war, eine Gebühr von lediglich 1,0 vorsieht.
19
Nach Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 VV-RVG n. F. entsteht nur eine 1,0 Einigungsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert nach Nr. 1000 Nr. 1 VV-RVG bzw. nach Nr. 1001 bis 1002 VV-RVG, wenn ein Verfahren über Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung des Vergleiches beantragt wird oder sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 erstreckt (S. 48 Abs. 1, 3 RVG).
20
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 RVG n.F. ist der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse auf die gesetzliche Vergütung gerichtet und bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, soweit nichts anderes bestimmt ist. Erstreckt sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses oder ist die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hierauf beschränkt, so umfasst der Anspruch alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind (S. 48 Abs. 1 Satz 2 RVG n.F.).
21
Das beschließende Gericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die genannten Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts München und schließt sich der dortigen Argumentation an.
22
Nach alledem wird die Erinnerung des Klägervertreters als unbegründet zurückgewiesen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die dem Klägervertreter aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung unter Berücksichtigung der Kostenrechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München zutreffend auf 931, 75 € festgesetzt (vgl. die Aufstellung auf Seite 3 des Beschlusses vom 26.09.2022).
23
3. Das Verfahren über die Erinnerung ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (S. 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
24
4. Soweit die Beschwerde nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist, wird sie nicht gesondert zugelassen. Den zur Entscheidung stehenden Fragen kommt im Hinblick auf die gefestigte Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG).