Titel:
Einem unterhaltspflichtigen Kind ist im Bereich des Elternunterhalts ein Selbstbehalt zu belassen
Normenketten:
BGB § 528 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 1603 Abs. 1
SGB XII § 93 Abs. 1, § 94 Abs. 1a
Leitsätze:
1. Der Herausgabeanspruch des verarmten Schenkers nach § 528 Abs. 1 S. 1 BGB gehört zu den nach § 93 SGB XII überleitungsfähigen Ansprüchen. (Rn. 16 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Schenkungsrückforderungsanspruch ist ausgeschlossen, solange der Beschenkte aufgrund seiner Einkommens- und/oder Vermögenslage die Gefährdung seines eigenen Unterhaltes oder seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht einwenden kann. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist der Beschenkte ein Kind des Schenkers erfolgt eine Heranziehung des § 1603 Abs. 1 BGB sowie der für den Elternunterhalt entwickelten Maßstäbe. (Rn. 26 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Selbst ausgehend von einer grds. geringeren Schutzwürdigkeit des Beschenkten als Empfänger einer unentgeltlichen Leistung und einer unter teleologischen Gesichtspunkten zu erwägenden abweichenden Behandlung, die der unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit der Beteiligten verstärkt Rechnung trägt, lässt sich eine abweichende Behandlung des dem Beschenkten zuzugestehenden Selbstbehalts mit der systematischen Einheitlichkeit des auf den Unterhalt abstellenden Normenbestandes nur schwer vereinbaren. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine Berücksichtigung des Vermögens von Eltern und Kindern bei geringeren Einkommen sieht § 94 Abs. 1a SGB XII nicht vor. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
6. Das mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz verfolgte Ziel, unterhaltspflichtige Kinder substantiell zu entlasten, indem ein entsprechendes monatliches Nettoeinkommen verbleiben soll, würde verfehlt, wenn einem Pflichtigen mit nur geringfügig über 100.000 EUR liegendem Jahresgesamteinkommen wegen des deshalb von ihm zu leistenden Elternunterhalts ein deutlich geringerer finanzieller Freiraum verbliebe. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
7. Unter Abstellen auf das Angehörigen-Entlastungsgesetz ist unterhaltspflichtigen Kindern im Bereich des Elternunterhalts ein Selbstbehalt von mindestens 5.000 EUR zu belassen. (Rn. 47 – 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Angehörigen-Entlastungsgesetz, Schenkungsrückforderung, Bedürftigkeitseinrede, Unterhaltspflicht, Altersvorsorgevermögen, Leistungsfähigkeit, Selbstbehalt
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 14.04.2022 – 6 O 5822/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 16.04.2024 – X ZR 14/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 47664
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 14.04.2022, Az. 6 O 5822/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Der klagende Sozialhilfeträger hat nach seinem Vortrag für die am ... 2018 verstorbene Mutter des Beklagten ab 27.02.2018 Pflegewohngeld sowie Leistungen nach §§ 61 ff. SGB XII in Höhe von 6.811,44 € erbracht. Am 19.09.2011 war deren Sparkonto mit 20.494,59 € schenkungsweise auf den Beklagten übertragen worden, der derzeit über ein monatliches Bruttoeinkommen von 3.624,68 € (2.806,74 € netto) aus nichtselbständiger Teilzeitbeschäftigung und über ein Barvermögen von 36.500,00 € verfügt.
2
Der Kläger fordert die Schenkung gemäß § 528 BGB zurück, da die Hilfeempfängerin spätestens zum 27.02.2018 verarmt gewesen sei. Er habe den Anspruch durch Überleitungsanzeigen vom 04.03.2020 gemäß § 93 SGB XII, § 14 Abs. 3 APG NRW auf sich übergeleitet. Der Beklagte hat die Einrede des § 529 Abs. 2 BGB erhoben. Ihm müsse ein Altersvorsorgevermögen und ein Notgroschen von 10.000,00 € verbleiben. Zudem sei die Jahreseinkommensgrenze von 100.000,00 € brutto gemäß § 94a Abs. 1a SGB XII, § 16 SGB IV ohnehin nicht erreicht. Der Kläger hat diesbezüglich eingewandt, der standesgemäße Unterhalt des Beklagten sei bei Abstellen auf dessen monatliches Nettoeinkommen bei Herausgabe des Geschenks nicht gefährdet. Das Angehörigen-Entlastungsgesetz spiele bei § 93 SGB XII keine Rolle. Zwar stelle der BGH bei § 529 Abs. 2 BGB im Rahmen der Sicherung des angemessenen eigenen Bedarfs auf die Grundsätze des Unterhaltsrechts ab. Dass dies völlig uneingeschränkt für die Bildung von Altersvorsorgevermögen gelte, sei aber nicht anzunehmen. Ansonsten würde § 528 BGB nahezu vollständig ausgehöhlt. Bei § 529 Abs. 2 BGB könne nur der laufende Bedarf des Beschenkten Berücksichtigung finden. Darüber hinaus sei der Beklagte im Rahmen des § 529 Abs. 2 BGB gehalten gewesen, vollschichtig zu arbeiten.
3
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 6.811,44 € zu zahlen.
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Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Dem Anspruch auf Zahlung von 6.811,44 € gemäß § 528 Abs. 1 BGB i.V.m. § 818 BGB aus übergegangenem Recht nach § 93 Abs. 1 SGB XII stehe die Einrede des § 529 Abs. 2 BGB entgegen, wobei diesbezüglich die einschlägigen familienrechtlichen Bestimmungen und die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Unterhalt heranzuziehen seien.
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Auf das Vermögen des Beklagten könne danach nicht zurückgegriffen werden. Nach § 1603 Abs. 1 BGB sei nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Vermögensverhältnisse außer Stande sei, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eine Verwertung des Vermögensstamms könne nicht verlangt werden, wenn sie den Unterhaltsschuldner von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde, die er zur Erfüllung berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten oder zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts benötige. Kosten einer zusätzlichen Altersversorgung seien bis zur Höhe von 5% des Jahresbruttoeinkommens des Unterhaltspflichtigen abzugsfähig. Sei es ihm gestattet, die dafür notwendigen Beträge zusätzlich zurückzulegen, dann müssten auch die so geschaffenen Vermögenswerte als Alterssicherung dem Zugriff des Unterhaltsgläubigers entzogen bleiben. Hier errechne sich ein Altersvorsorgeschonvermögen von 135.000,00 €, welches das Sparvermögen des Beklagten übersteige. Unerheblich sei, dass das Geschenkte ohne Erbringung einer eigenen Leistung erhalten worden sei. Der BGH lasse an keiner Stelle erkennen, dass bei § 529 Abs. 2 BGB andere Grundsätze gelten könnten. Er verweise uneingeschränkt auf die beim Elternunterhalt bestehenden Verpflichtungen und deren Einschränkungen. Es sei auch nicht ersichtlich, warum der Beschenkte weniger schutzwürdig sei. So mag er es gerade im Hinblick auf das Geschenk unterlassen haben, sich über Jahre anderweitig eine (zusätzliche) Altersvorsorge aufzubauen (vgl. OLG München, Beschluss v. 14.05.2018, 15 U 522/18 m.w.N.). Der Beklagte sei zudem nicht verpflichtet, seine laufenden Einkünfte zur Rückzahlung des Geschenkten einzusetzen. Nach § 94 Abs. 1a SGB XII sei der Übergang von Unterhaltsansprüchen eines Leistungsberechtigten auf den Sozialhilfeträger ausgeschlossen, wenn das jährliche Gesamteinkommen eines gegenüber dem Leistungsberechtigten verpflichteten Elternteils oder Kindes bis zu 100.000,00 € betrage. Zwar komme bei der Schenkungsrückforderung § 94 Abs. 1a SGB XII nicht unmittelbar zur Anwendung. Allerdings habe sich der BGH bezüglich des Anspruchsausschlusses gemäß § 529 Abs. 2 BGB bereits dahin positioniert, dass die Grundsätze des Unterhaltsrechts uneingeschränkt heranzuziehen seien. Auch insoweit sei nicht ersichtlich, warum der Beschenkte weniger schutzwürdig sei als der, der im Rahmen des Unterhaltsrechts verpflichtet sei. Vielmehr lasse sich der Gesetzesbegründung zum Angehörigen-Entlastungsgesetz entnehmen, dass die Entlastung von Angehörigen von pflegebedürftigen Personen möglichst weitreichend sein solle. Das jährliche Einkommen des Beklagten erreiche die Grenze von 100.000,00 € selbst bei unterstellter Vollzeitarbeit nicht.
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Bezüglich der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt des landgerichtlichen Urteils ergänzend Bezug genommen.
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Gegen das am 20.04.2022 zugestellte Urteil hat die Klagepartei mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.04.2022, hier eingegangen am 25.04.2022, Berufung eingelegt und diese mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.05.2022, eingegangen am 11.05.2022, begründet.
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Die Klagepartei hat beantragt, in Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 14.04.2022 nach den in der I. Instanz gestellten Anträgen zu erkennen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Das Landgericht habe einen Anspruch auf Einsatz der laufenden Einkünfte zur Rückzahlung der Schenkung schon deshalb zu Unrecht unter Hinweis auf das Angehörigen-Entlastungsgesetz abgelehnt, weil dieses erst am 01.01.2020 in Kraft getreten sei, wohingegen hier Ansprüche aus der Zeit bis 30.10.2018 betroffen seien.
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Weiter habe es unzutreffend die gesamte familienrechtliche Rechtsprechung zum Unterhalt übernommen und auf den Schenkungsrückforderungsanspruch übertragen. § 529 Abs. 2 BGB wolle nur den angemessenen eigenen Bedarf des Beschenkten schützen. Wenn dessen laufender Unterhalt nicht gefährdet sei, sei die Verlagerung der Notlage vom Schenker auf den Beschenkten nicht gegeben und damit das Geschenk rückforderbar. Wenn darüber hinaus eine Altersvorsorge im Sinne des Familienrechts anerkannt werde, greife dies weit über die Intention des § 529 Abs. 2 BGB hinaus. Die Auffassung des Landgerichts führe zu einer Besserstellung des Beschenkten gegenüber dem Schenker, der sein gesamtes Vermögen für seien Unterhalt einzusetzen habe, während der Beschenkte über den gesicherten, laufenden Eigenbedarf hinaus sein Vermögen behalten dürfe. Der Beklagte habe daher sein Vermögen von 36.500,00 € für die Klageforderung einzusetzen.
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Da sich der Bundesgerichtshof noch nicht mit der Anwendung des Angehörigen-Entlastungsgesetzes auf § 529 Abs. 2 BGB befasst habe, liege hier auch eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb jedenfalls die Revision zuzulassen sei.
12
Der Beklagte hat die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung beantragt.
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Der Senat hat am 20.06.2022 zunächst einen Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erlassen, dann aber nach ergänzendem Vortrag der Klagepartei zur grundsätzlichen Bedeutung der Sache Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, die am 01.12.2022 durchgeführt worden ist.
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Ergänzend wird auf die von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen sowie auf den Inhalt des Hinweisbeschlusses des Senats vom 20.06.2022 und das Verhandlungsprotokoll vom 01.12.2022.
15
Die zulässige, d.h. insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist erfolglos. Der Senat hält daran fest, dass das Landgericht die Klage zutreffend als derzeit unbegründet abgewiesen hat. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von 6.811,44 € nebst Zinsen gemäß § 528 Abs. 1 BGB i.V.m. § 818 BGB aus übergegangenem Recht nach § 93 Abs. 1 SGB XII ist bei Abstellen auf die vorgetragene Einkommens- und Vermögenslage des Beklagten gegenwärtig nicht durchsetzbar.
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1. Der Herausgabeanspruch des verarmten Schenkers nach § 528 Abs. 1 S.1 BGB gehört zu den nach § 93 SGB XII überleitungsfähigen Ansprüchen.
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Die Überleitungsanzeige kann auch nach dem Tod des Schenkers erlassen werden, da der Anspruch auch dann noch geltend gemacht werden kann. Er erlischt insbesondere nicht mit dem Tod des Schenkers, wenn dieser durch die Inanspruchnahme unterhaltssichernder Leistungen Dritter wie dem Sozialhilfeträger zu erkennen gegeben hat, dass er ohne die Rückforderung des Geschenks nicht in der Lage ist, seinen notwendigen Unterhalt zu bestreiten. Dies ergibt sich aus dem Verlust der persönlichen Wahlfreiheit des Schenkers hinsichtlich der Frage, ob er den Anspruch geltend machen möchte oder nicht. Denn diese Wahlfreiheit existiert nicht, wie sich aus § 93 Abs. 1 S. 4 SGB XII ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 25.04.2001 – X ZR 205/99; BeckOK SozR, SGB XII § 93 Rn. 67, beck-online).
18
Der Sozialhilfeträger ist nach Anspruchsüberleitung wie ein Zessionar der neue Gläubiger der Ansprüche des Schenkers. Die ohne die Zustimmung des Schuldners und gegebenenfalls gegen dessen Willen erfolgende Anspruchsüberleitung darf dessen Rechtsstellung in Bezug auf den Bestand, die Höhe und den Inhalt des Anspruchs nicht verschlechtern, während dem Beschenkten alle gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger begründeten Rechtseinwendungen auch gegenüber dem Sozialhilfeträger verbleiben. Demnach muss grundsätzlich auch der Sozialhilfeträger die Notbedarfseinrede gemäß § 529 Abs. 2 BGB in entsprechender Anwendung der §§ 412, 404 BGB gegen sich gelten lassen (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.2018 – X ZR 115/16, NJW 2019, 1229).
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2. Dem geltend gemachten Anspruch steht hier auch vorliegend die erhobene rechtshemmende Einrede des § 529 Abs. 2 BGB entgegen.
20
Danach ist der Schenkungsrückforderungsanspruch ausgeschlossen, solange der Beschenkte aufgrund seiner Einkommens- und/oder Vermögenslage die Gefährdung seines eigenen Unterhaltes oder seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht einwenden kann (BeckOK SozR/Weber, 64. Ed. 1.3.2022, SGB XII § 93 Rn. 87).
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2.1. Abzustellen ist dabei – wie vom Landgericht ausgeführt – auf die einschlägigen familienrechtlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäbe zum Unterhalt für den Schenkungsrückforderungsanspruch gemäß § 528 BGB und damit auch für die Einrede des § 529 Abs. 2 BGB.
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a. In seinen Voraussetzungen entspricht das Leistungsverweigerungsrecht des Beschenkten nämlich ganz dem Verteidigungsmittel, mit dem sich der Schenker gegen die Inanspruchnahme aus seinem Versprechen wehren kann.
23
Dass in § 529 BGB vom „standesgemäßen“ Unterhalt die Rede ist, beruht auf einem Versehen bei der Anpassung der schenkungsrechtlichen Vorschriften an das Unterhaltsrecht: Während in § 519 BGB und § 528 BGB an die Stelle des „standesgemäßen“ der „angemessene“ Unterhalt getreten ist, hat der Gesetzgeber vergessen, diese Änderung auch in § 529 BGB vorzunehmen. Nichtsdestoweniger ist auch hier derselbe Bedarf gemeint, wie ihn §§ 519, 528 BGB auf Seiten des Schenkers voraussetzen (vgl. BGH NJW 2005, 3638) und es finden auch hier die im Unterhaltsrecht für die Bestimmung des angemessenen Unterhalts geltenden Grundsätze Anwendung (vgl. BeckOGK/Harke, 1.4.2022, BGB § 529 m.w.N.).
24
Dies hat der BGH mehrfach bestätigt (vgl. u.a. Urt. v. 11.07.2000 – X ZR 126/98, NJW 2000, 3488; BGH, Urt. v. 11.07.2000 – X ZR 126/98, ZEV 2000, 449).
25
Danach knüpft das Gesetz mit der in § 529 Abs. 2 BGB enthaltenen Bezugnahme auf den Unterhalt des Beschenkten bzw. die ihm obliegenden Unterhaltspflichten an die Begrifflichkeiten des Unterhaltsrechts an, weshalb kein Anlass besteht, für das Schenkungsrecht eigenständige Grundsätze zu Voraussetzungen und Bemessung des Unterhalts zu entwickeln. Weiter wurde zu einem dortigen Fall einer Schenkung durch eine Verwandte ohne Unterhaltsverpflichtung ausgeführt, es erscheine auch sachgerecht, hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Beschenkten die §§ 1603 Abs. 1, 1610 Abs. 1 BGB heranzuziehen und auf die Maßstäbe abzustellen, die die Rechtsprechung zum Erwachsenenunterhalt bei der Unterhaltspflicht gegenüber den eigenen Eltern entwickelt habe. Dem Beschenkten sei bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit im Rahmen des § 529 Abs. 2 BGB grundsätzlich so viel zu belassen, wie er auch gegenüber seinen eigenen Eltern beanspruchen könnte. Für die Heranziehung dieser Maßstäbe spreche auch, dass sich der Beschenkte regelmäßig in einer ähnlichen Lebenssituation befinde wie das erwachsene Kind, das allenfalls wegen einer unerwarteten Hilfsbedürftigkeit einer oder beider Elternteile mit einer Belastung durch die hierdurch entstehenden zusätzlichen Kosten rechnen müsse. Die von Teilen des Schrifttums vertretene Ansicht, dass das Interesse der Allgemeinheit im Zweifel für eine anspruchsgünstige Auslegung der §§ 528ff. BGB spreche, verkennt nach Darlegung des BGH, dass es auch zu Lasten der Allgemeinheit gehe, wenn die Anwendung des § 529 Abs. 2 BGB ausgeschlossen werde; dann nämlich habe der verarmte Beschenkte statt des verarmten Schenkers dem Grunde nach Anspruch auf Sozialhilfeleistungen. Dabei sei es wie bei der Notbedarfseinrede des § 519 Abs. 1 BGB auch bei § 529 Abs. 2 BGB nach Wortlaut und Schutzzweck grundsätzlich unerheblich, wann und wodurch der Notbedarf entstanden sei, d.h. die zum Unterhaltsrecht entwickelten Grundsätze seien auch insoweit unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Schenkungsrechts bei der Bedürftigkeitseinrede des Beschenkten anzuwenden. Dem Beschenkten sei danach die Berufung auf seine eigene Bedürftigkeit gemäß § 242 BGB nur dann zu versagen, wenn er diese, nach Kenntnis davon, dass der Schenker bedürftig ist und deshalb ein Rückforderungsanspruch gemäß § 528 Abs. 1 S.1 BGB gegen ihn geltend gemacht wird, durch Mutwilligkeit herbeigeführt habe (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2000 – X ZR 146/99, NJW 2001, 1207).
26
Ist der Beschenkte ein Kind des Schenkers erfolgt also nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Heranziehung des § 1603 Abs. 1 BGB sowie der für den Elternunterhalt entwickelten Maßstäbe. Gleiches gilt in Fällen, in denen zwischen dem Beschenkten und Schenker mangels (hinreichend enger) familiärer Beziehung keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. b.
27
Zwar wird verschiedentlich darauf verwiesen, der Beschenkte als Empfänger einer unentgeltlichen Leistung sei grundsätzlich weniger schutzwürdig als der Schenker. Eine zu großzügige Betrachtung durch alleinige Anlehnung an die zum Elternunterhalt ergangene Rechtsprechung sei nicht angezeigt. Zu beachten sei, dass die Schenkungsrückforderung sowohl zeitlich als auch der Höhe nach (auf den Wert des Geschenks) begrenzt sei. Damit bestünden Unterschiede zwischen einem Beschenkten und einem Unterhaltsschuldner, so dass eine weniger großzügige Freistellung des Schuldners (Beschenkten) im Rahmen des Rückforderungsanspruchs angezeigt erscheine (vgl. Wedemann NJW 2011, 571 (574); BeckOK SozR/Weber, 64. Ed. 1.3.2022, SGB XII § 93 Rn. 90).
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Dem hat die höchstrichterliche Rechtsprechung aber zutreffend eine Absage erteilt.
29
Selbst ausgehend von einer grundsätzlich geringeren Schutzwürdigkeit des Beschenkten als Empfänger einer unentgeltlichen Leistung und einer unter teleologischen Gesichtspunkten zu erwägenden abweichenden Behandlung, die der unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit der Beteiligten verstärkt Rechnung trägt, lässt sich eine abweichende Behandlung des dem Beschenkten zuzugestehenden Selbstbehalts mit der systematischen Einheitlichkeit des auf den Unterhalt abstellenden Normenbestandes nur schwer vereinbaren. So deckte sich der Wortlaut von § 529 BGB vor der Änderung der §§ 519 und 528 BGB mit diesen Vorschriften und bietet das Redaktionsversehen des Gesetzgebers keinen Anlass, diese Einheit aufzulösen. Für die Berechtigung der Einrede gemäß § 529 Abs. 2 BGB ist es zudem unerheblich, wann und wodurch die eigene Bedürftigkeit des Beschenkten entstanden ist. Zudem entspricht es auch dem Zweck des § 529 Abs. 2 BGB, den Unterhaltsbedarf von Schenker und Beschenkten gleich zu bestimmen, um nicht eine Notlage durch eine andere zu ersetzen. Die Frage, ob eine Notlage gegeben ist oder droht, lässt sich dabei nur nach einheitlichen Maßstäben beurteilen, die hier wie dort dem Unterhaltsrecht entsprechen (vgl. BeckOGK/Harke, 01.04.2022, BGB § 529 Rn. 8; MüKoBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, BGB § 529 Rn.4).
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2.2. Gemäß § 1603 Abs. 1 BGB ist indessen nicht zum Unterhalt und damit nicht zur Herausgabe des Geschenkten verpflichtet, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren bzw. hier den geschenkten Geldbetrag zurückzuzahlen.
31
Leistungsfähig kann dabei nur sein, wer über hinreichendes Einkommen verfügt. Reicht das tatsächliche Einkommen oder, falls dies unterhaltsrechtlich vorwerfbar ist, das fiktive Einkommen zur Erfüllung der Unterhaltspflichten bzw. Rückgewähr des Geschenkten nicht aus, ist gegebenenfalls vorhandenes Vermögen einsetzen, wobei auch insoweit die einschlägigen familienrechtlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäbe heranzuziehen sind.
32
a. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss der Unterhaltspflichtige dabei im Falle der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt keine spürbare und dauerhafte Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus jedenfalls insoweit hinnehmen, als er nicht einen nach den Verhältnissen unangemessenen Aufwand betreibt oder ein Leben im Luxus führt (vgl. u.a. BGH, Beschluss v. 07.08.2013 − XII ZB 269/12, NJW 2013, 3024; Beschluss v. 18.01.2017 – XII ZB 118/16, NJW 2017, 1169).
33
Die Praxis hat dies bislang in der Weise umgesetzt, dass als angemessener Unterhalt bzw. Eigenbedarf im Rahmen des Elternunterhalts die Summe aus einem Sockelbetrag (nach den Unterhaltsleitlinien 2.000,00 € ab 2020) und der Hälfte des diesen Betrag übersteigenden Einkommens angesetzt worden ist (vgl. Doering-Striening/Hauß/ Schürmann, FamRZ 2020, 137, 139).
34
b. Der Gesetzgeber hat aber nunmehr mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz (Gesetz zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe v. 10.12.2019, BGBl. I 2135) mit Wirkung zum 01.01.2020 eine praktisch bedeutsame Beschränkung des nach § 94 SGB XII grundsätzlich vorgesehenen Anspruchsübergangs eingeführt. Die Vorschrift stellt dabei das Korrelat des Rückgriffs durch Anspruchsübergang zu § 93 SGB XII für unterhaltsrechtliche Ansprüche dar.
35
Nach Ansicht des Senats besitzt dieses Gesetz für die Frage der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen aus nachfolgend dargelegten Gründen jedenfalls mittelbar allgemeine Bedeutung.
36
(1) Die Gesetzesbegründung lautet auszugsweise:
37
Mit dem Gesetz sollen Kinder und Eltern, die gegenüber Leistungsbeziehern nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) unterhaltsverpflichtet sind, entlastet werden. Hierzu wird die Unterhaltsheranziehung von Eltern und Kindern mit einem jeweiligen Jahresbruttoeinkommen von bis zu einschließlich 100.000 Euro in der Sozialhilfe ausgeschlossen. … Gleichzeitig wird damit auch ein Signal gesetzt, dass die Gesellschaft die Belastungen von Angehörigen, beispielsweise bei der Unterstützung von Pflegebedürftigen, anerkennt und insofern eine solidarische Entlastung erfolgt. Die Inanspruchnahme unterhaltsverpflichteter Angehöriger soll mit diesem Gesetz erheblich begrenzt werden. Es handelt sich bei dem Vorhaben um eine umfassende und weitreichende Reform des Unterhaltsrückgriffs in der Sozialhilfe. Ziel ist es dabei, den Nachranggrundsatz der Sozialhilfe, insbesondere bei ohnehin schon durch die Hilfebedürftigkeit der Betroffenen belasteten Angehörigen, einzuschränken und somit eine substantielle Entlastung unterhaltsverpflichteter Kinder und Eltern sowie deren Familien zu erreichen (BT-Drs. 19/13399, S. 1).
38
Nach § 94 Abs. 1a SGB XII findet deshalb ein Anspruchsübergang von Elternunterhalt auf den Sozialhilfeträger nur noch ab einem steuerrechtlichen Jahreseinkommen des unterhaltspflichtigen Kindes von mehr als 100.000,00 € statt.
39
Eine Berücksichtigung des Vermögens von Eltern und Kindern bei geringeren Einkommen sieht die Vorschrift nicht vor (LPK-SGB XII/Wolfgang Conradis, 12. Aufl. 2020, SGB XII § 94 Rn. 36).
40
(2) Das Angehörigen-Entlastungsgesetz lässt damit zwar die bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht unberührt, d.h. die unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme wurde nur durch einen eingeschränkten Sozialhilferegress (§ 94 I a SGB XII) erheblich begrenzt (BGH, Beschluss v. 27.10.2021 – XII ZB 123/21, NJW 2022, 331).
41
Der Anspruchsübergang von Elternunterhalt erst ab einem steuerrechtlichen Jahreseinkommen des unterhaltspflichtigen Kindes von mehr als 100.000,00 € ändert also nichts daran, dass ein bedürftiger Elternteil zur Finanzierung seines laufenden Bedarfs zunächst die eigenen Einkünfte, bestehende Ansprüche als auch sein eigenes Vermögen einsetzen muss. Dazu gehören auch Rückforderungsansprüche des Schenkers wegen Verarmung. Der Leistungsträger kann solche Ansprüche weiterhin auf sich überleiten und die Herausgabe des Geschenkes oder des Wertersatzes verlangen. Der Beschenkte kann zudem gegen einen Rückforderungsanspruch nach wie vor die Einrede nach § 529 Abs. 2 BGB erheben, wenn durch die Herausgabe eines Geschenkes der eigene angemessene Unterhalt des Beschenkten gefährdet ist (Kaiser/Schnitzler/Schilling/ Sanders, BGB, Familienrecht, BGB § 1601 Rn. 33, beck-online).
42
Auch wenn sich damit aus der Einkommensgrenze von 100.000,00 € kein unmittelbarer unterhaltsrechtlicher Bezug ergibt, muss sich dies gleichwohl auf das Unterhaltsrecht auswirken. Denn der Gesetzgeber hat nun einen Grenzbereich für Einkommen benannt, bis zu dem er eine Belastung durch den Verwandtenunterhalt selbst bei vorhandenem Vermögen als eine Kindern und Eltern nicht mehr zumutbare Einschränkung der eigenen Lebensführung erachtet und damit einen Sozialhilferegress nicht mehr für gerechtfertigt hält.
43
Nach der Düsseldorfer Tabelle 2020 hat der angemessene Selbstbehalt gegenüber Eltern zwar noch mindestens 2.000,00 € zuzüglich der Hälfte des darüberhinausgehenden Einkommens betragen. Die ab 01.01.2020 geltenden Änderungen durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz wurden dabei aber ausdrücklich noch nicht berücksichtigt.
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Bei der dort herangezogenen Einkommensgrenze hat sich der Gesetzgeber bewusst für die Übernahme des bereits im Grundsicherungsgesetz (2003) verankerten Bruttowertes entschieden, ohne nach der hieraus folgenden Liquidität und anderen für die wirtschaftlichen Verhältnisse bedeutsamen Parametern zu differenzieren. Der Jahreseinkommensgrenze kommt daher nur die Funktion einer einfach handhabbaren Nichtüberprüfungsgrenze zu, durch die der weit überwiegende Teil der Bevölkerung von vornherein nicht mehr durch Unterhaltsansprüche der bedürftigen Eltern belastet werden soll. Das Unterhaltsrecht ist indessen Liquiditätsrecht. Ihm ist eine „Brutto-Einkommensgrenze“ fremd, die bei Selbstständigen, Freiberuflern, abhängig Beschäftigten sowie Beamten und zudem abhängig von der Zusammensetzung der Einkünfte zu völlig unterschiedlichen Nettoeinkommen führt. Bei Einkünften von 100.000,00 € brutto ergeben sich – nach Abzug von Steuern und Vorsorgebedarf – Nettoeinkommen, die von über 5.000,00 € bei Beamten, rund 4.800 Euro bei sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit bis zu 3.100,00 € bei Gewerbetreibenden und Freiberuflern reichen (vgl. Doering-Striening/Hauß/ Schürmann FamRZ 2020, 137 (139)).
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Wird die „Nichtüberprüfungsgrenze“ überschritten, so müssen aber die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes in einem weiteren Schritt diskutiert werden, d.h. auch auf der Ebene des Unterhaltsrechts erscheinen Anpassungen zwingend geboten. Das mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz verfolgte Ziel, unterhaltspflichtige Kinder substantiell zu entlasten, indem ein, wie dargelegt, entsprechendes monatliches Nettoeinkommen verbleiben soll, würde verfehlt, wenn einem Pflichtigen mit nur geringfügig über 100.000,00 € liegendem Jahresgesamteinkommen wegen des deshalb von ihm zu leistenden Elternunterhalts ein deutlich geringerer finanzieller Freiraum verbliebe. Zudem wäre es auch verfassungsrechtlich (Art. 3 Abs. 1 GG) wohl zumindest bedenklich, wenn einem unterhaltspflichtigen Kind auf diese Weise wegen seiner Heranziehung zum Elternunterhalt aufgrund nur geringfügiger Überschreitung des maßgeblichen Gesamteinkommens ein niedrigerer Betrag für die eigene Lebensführung verbleiben würde als einem Geschwisterkind mit nahezu gleichem aber letztlich geringfügig unter 100.000,00 € liegenden Jahresgesamteinkommen, das deshalb keinen Beitrag zum Elternunterhalt zu leisten braucht. Eine Berechnung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit, die entsprechend der Düsseldorfer Tabelle bereits bei unterhaltsrechtlich bereinigten Einkommen von mehr als 2.000,00 € (ab 2020) zu einer Unterhaltspflicht führen würde, harmoniert deshalb nicht mit den Zielen der Reform und der vom Sozialrecht vorgegebenen (unbereinigten) Einkommensgrenze. Da § 16 SGB IV zu den allgemeinen Vorschriften des Sozialversicherungsrechts gehört, bietet es sich an, als Bezugsgröße für eine Neubestimmung des Selbstbehaltes auf ein Jahreseinkommen aus sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit von 100.000,00 € abzustellen. Davon verbleiben nach Abzug von Sozialabgaben, Einkommensteuer und Solidarzuschlag als Nettoeinkommen fast 58.000,00 €. Dieser Betrag wird sich 2021 durch den Wegfall des Solidarzuschlags weiter erhöhen, weshalb als angemessener Eigenbedarf zumindest ein gerundeter Wert von monatlich 5.000,00 € gelten kann. Zur Vermeidung besagter Misshelligkeiten erscheint es also angezeigt, den Selbstbehalt im Bereich des Elternunterhalts mit mindestens diesen Betrag für den Unterhaltspflichtigen anzusetzen (vgl. insbesondere Doering-Striening/Hauß/ Schürmann FamRZ 2020, 137 (139); Schürmann FF 2020, 48 (57); Hauß Elternunterhalt Rn. 563; Hauß FamRB 2020, 76 (78); vgl. auch BeckOK BGB/Reinken § 1601 Rn. 25; Doering-Striening ZErb 2020, 203 (210)), wobei dann allerdings ein weiterer Zuschlag von 50% des darüberhinausgehenden Einkommens in der Regel nicht mehr erforderlich sein dürfte (vgl. BeckOGK/ Wendtland, 1.11.2022, BGB § 1610 Rn. 169.3).
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3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:
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3.1. Der Beklagte verfügt über kein monatliches Nettoeinkommen, dass seine Heranziehung trotz erhobener Bedürftigkeitseinrede gemäß § 529 Abs. 2 BGB rechtfertigen könnte.
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Bezogen auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes, nach der als angemessener Unterhalt bzw. Eigenbedarf im Rahmen des Elternunterhalts die Summe aus einem Sockelbetrag (2.000,00 € ab 2020) und der Hälfte des diesen Betrag übersteigenden Einkommens angesetzt wurde, wäre zwar noch davon auszugehen gewesen, dass dem Beklagten bezogen auf sein Nettoeinkommen von 2.806,74 € – wie seitens des Klägers ausgeführt und nicht weiter in Abrede gestellt – monatlich 500,00 € zur Verfügung standen, um die Rückzahlung der ihm schenkweise zugewandten 6.811,44 € zu bewerkstelligen. Insoweit könnte es als dem Beklagten aufgrund seiner Einkommensverhältnisse möglich und bei Abstellen auf die hierfür erforderlichen Zins- und Tilgungsraten auch wirtschaftlich zumutbar zu erachten sein, einen Kredit zur Rückzahlung dieses nicht sonderlich erheblichen Betrages aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil v. 11.07.2000 – X ZR 126/98; NJW 2000, 3488).
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Unter Abstellen auf das Angehörigen-Entlastungsgesetz ist aber unterhaltspflichtigen Kindern nach dem Willen des Gesetzgebers im Bereich des Elternunterhalts ein Selbstbehalt von mindestens 5.000,00 € zu belassen, wobei sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, wie dargelegt, die Leistungsfähigkeit des Beschenkten nach den Kriterien des Elternunterhalts bestimmt, d.h. bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit im Rahmen des § 529 Abs. 2 BGB ist ihm grundsätzlich so viel zuzubilligen, wie er auch bei Heranziehung zum Elternunterhalt beanspruchen könnte. Dies dürfte zwar dazu führen, dass einer Vielzahl von Schenkungswiderrufen die Bedürftigkeitseinrede des § 529 Abs. 2 BGB entgegengehalten werden kann, d.h. § 528 BGB erheblich an Bedeutung verliert. Es wäre aber mit den Grundsätzen der Auslegung einer Norm nicht zu vereinbaren, den Angemessenheitsmaßstab im Rahmen von § 529 Abs. 2 BGB schärfer zu formulieren als bei § 1603 BGB (vgl. auch Doering-Striening/Hauß/Schürmann, FamRZ 2020, 137, 139).
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Daraus folgt, dass sich der Beklagte als beschenktes Kind, bezogen auf die Intention des Angehörigen-Entlastungsgesetzes und insbesondere der dort vom Gesetzgeber vorgenommenen Grenzziehung, ab wann eine Belastung durch den Verwandtenunterhalt selbst bei vorhandenem Vermögen als eine Kindern und Eltern nicht mehr zumutbare Einschränkung der eigenen Lebensführung zu erachten ist, dem Kläger gegenüber im Rahmen der Bedürftigkeitseinrede darauf berufen kann, dass sein Einkommen unter der nun in § 94 Abs. 1a SGB XII normierten 100.000,00 €-Grenze, d.h. unter dem monatlichen Selbstbehalt von 5.000,00 € liegt und auch bei unterstellter Vollzeitarbeit, wie vom Landgericht ausgeführt, liegen würde. Entgegen dem Einwand des Klägers wäre deshalb bei Abstellen auf das vorgetragene, gegenwärtige und nicht bestrittene monatliche Nettoeinkommen der diesem zuzubilligende standesgemäße bzw. angemessene Unterhalt bei Herausgabe des Geschenks gefährdet.
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3.2. Ist der Beklagte damit bezogen auf sein tatsächliches und fiktives Einkommen nicht als leistungsfähig zu erachten, muss er zur Erfüllung der geltend gemachten Forderung auch nicht auf sein Barvermögen in Höhe von 36.500,00 € zurückgreifen.
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Dies gilt und galt nach Auffassung des Senats bereits ungeachtet der Regelungen des zwischenzeitlich in Kraft getretenen Angehörigen-Entlastungsgesetzes.
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Bezüglich des Elternunterhalts ist nämlich dem unterhaltspflichtigen Kind ein dem Zugriff des Unterhaltsgläubigers entzogenes Altersvorsorgeschonvermögen zuzubilligen, welches hier unstreitig 135.000 € beträgt und damit das Sparvermögen des Beklagten deutlich übersteigt.
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Unter III.2.1. wurde dargelegt, dass und weshalb für den Schenkungsrückforderungsanspruch gemäß § 528 BGB und damit auch für die Einrede des § 529 Abs. 2 BGB auf die einschlägigen familienrechtlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäbe zum Unterhalt abzustellen ist.
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Deren selektive oder eingeschränkte bzw. angepasste Anwendung kommt danach nicht in Betracht, selbst ausgehend von einer grundsätzlich geringeren Schutzwürdigkeit des beschenkten Kindes.
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Eine solche geringere Schutzwürdigkeit ist zudem hier schon nicht erkennbar. Das beschenkte Kind befindet sich regelmäßig in einer ähnlichen Lebenssituation wie ein sonstiges erwachsenes Kind, das allenfalls wegen einer unerwarteten Hilfsbedürftigkeit einer oder beider Elternteile mit einer Belastung durch die hierdurch entstehenden zusätzlichen Kosten rechnen muss. Jedenfalls ohne Anhaltspunkte für eine inmitten stehende Bedürftigkeit des Schenkers muss es deshalb seine Lebensführung grundsätzlich nicht darauf einstellen, dass es das Geschenk zurückzugeben haben könnte. Es kann es deshalb gerade im Hinblick auf das Geschenk unterlassen bzw. unterlassen haben, sich über Jahre anderweitig eine (zusätzliche) Altersvorsorge aufzubauen. Insofern greifen, gerade wenn es um die Frage der Berücksichtigung von Schonvermögen im Hinblick auf die eigene Altersvorsorge geht, dieselben Überlegungen im Rahmen von § 529 Abs. 2 BGB ein wie bei einer „normalen“ Inanspruchnahme auf Elternunterhalt (vgl. auch den im vorliegenden Verfahren beklagtenseits zitierten Beschluss des OLG München v. 14.05.2018, 15 U 522/18).
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3.3. Den Ausführungen zur mangelnden Leistungsfähigkeit des Beschenkten steht hier auch nicht entgegen, dass – wie der Kläger meint – das Angehörigen-Entlastungsgesetz erst zum 01.01.2020 ohne Übergangsregelung in Kraft getreten ist.
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Eine Rückwirkung für Zeiträume davor besteht danach zwar nicht, soweit ein Anspruch vor dem 01.01.2020 übergeleitet wurde (LSG Sachsen-Anhalt Urt. v. 29.4.2021 – L 8 SO 52/20, BeckRS 2021, 33754 Rn. 20, beck-online). Hier ist indessen eine Überleitung erst durch Überleitungsanzeigen vom 04.03.2020 erfolgt.
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Im Übrigen geht es hier schon nicht darum, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch derzeit unmittelbar aufgrund der Anwendung des Angehörigen-Entlastungsgesetzes zu versagen wäre. Der Gesetzgeber hat jedoch mit diesem Gesetz zum Ausdruck gebracht, dass unterhaltspflichtigen Kindern nach seinem Willen in Abweichung von der bisher geübten Praxis im Bereich des Elternunterhalts ein Selbstbehalt von mindestens 5.000,00 € verbleiben soll. Bei gebotenem Abstellen auf die gegenwärtige Leistungsfähigkeit des Beklagten war dem Rechnung zu tragen.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
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2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen vor.
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Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Es ist eine bislang ungeklärte Rechtsfrage, inwieweit sich das Angehörigen-Entlastungsgesetz auf das Unterhaltsrecht, d.h. insbesondere den Elternunterhalt und gegebenenfalls damit auf die Bedürftigkeitseinrede des beschenkten unterhaltspflichtigen Kindes auswirkt. Diese Rechtsfrage dürfte auch in einer Vielzahl von Fällen Relevanz besitzen.