Titel:
Vollstreckungsanträge für Vergleich – hinreichende Bestimmtheit des Titels
Normenkette:
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 888
Leitsätze:
1. An einer hinreichenden Bestimmtheit des Titels als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung fehlt es, wenn sich der Beklagte im Vergleichswege verpflichtet hat, der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. An einer hinreichenden Bestimmtheit des Titels als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung fehlt es, wenn sich die Beklagte im Vergleichswege verpflichtet hat, eine Arbeitsbescheinigung „unter Berücksichtigung dieses Vergleiches“ zu erteilen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die teilweise Unbestimmtheit eines Vergleiches führt nicht dazu, dass die Verpflichtungen aus dem Vergleich insgesamt nicht mit Zwangsgeld durchgesetzt werden können. Kann der unbestimmte Teil gestrichen werden, so kann hinsichtlich des Restes ein Zwangsgeld festgesetzt werden. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zwangshaft kann, wenn die Beklagte eine juristische Person ist, nur an ihrem Geschäftsführer vollzogen werden. Zwanghaft kann nicht festgesetzt werden, wenn die Klägerin trotz entsprechenden Hinweises des Gerichts den Namen des Geschäftsführers der Beklagten nicht mitteilt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vergleich, Vollstreckungstitel, unvertretbare Handlungen, hinreichende Bestimmtheit, Zwangsgeld, Zwangshaft, juristische Person, Geschäftsführer, Name des Geschäftsführers
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Beschluss vom 18.03.2024 – 7 Ta 16/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 47488
Tenor
1. Gegen die Beklagte zu 1) wird wegen der Nichterfüllung der Verpflichtung aus Ziff. 3 des Vergleiches des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 24.4.2023 (Aktenzeichen 13 Ca 1390/23), der Klägerin ein qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen und zu übersenden, das sich auf die Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt, ein Zwangsgeld in Höhe von 1.300 € festgesetzt.
2. Gegen die Beklagte zu 1) wird wegen der Nichterfüllung der Verpflichtung aus Ziff. 4 des Vergleiches des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 24.4.2023 (Aktenzeichen 13 Ca 1390/23), der Klägerin eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III zu erteilen und zu übersenden, ein Zwangsgeld in Höhe von 130 € festgesetzt.
3. Im Übrigen wird der Zwangsvollstreckungsantrag zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte zu 1) zu ¾, die Klägerin zu ¼. 5.Der Streitwert für das Zwangsvollstreckungsverfahren wird auf 1.430 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Beklagte zu 1) hat sich durch Vergleich vor dem Arbeitsgericht Nürnberg vom 24.4.2023 verpflichtet, der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen und zu übersenden, das sich auf die Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt (Z. 3 des Vergleiches), sowie der Klägerin eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III unter Berücksichtigung dieses Vergleiches zu erteilen und zu übersenden (Z. 4 des Vergleiches).
2
Der Klägerin wurde am 23.5.2023 Vollstreckungsklausel erteilt, der Vergleich wurde der Beklagten ausweislich Postübergabeurkunde am 14.10.2023 zugestellt.
3
Die Klägerin trägt vor, weder Zeugnis noch Arbeitsbescheinigung seien ihr erteilt worden. Die Beklagte zu 1) hat zum Zwangsvollstreckungsantrag rechtliches Gehör erhalten, sie hat sich nicht geäußert.
4
Die Vollstreckungsanträge sind teilweise nicht zulässig. Zwar ist der Vergleich Vollstreckungstitel, vergleiche § 794 Abs. 1 Z. 1 ZPO, auch handelt es sich bei beiden Verpflichtungen, sowohl der Verpflichtung zur Zeugniserteilung als auch der Verpflichtung zur Erteilung einer Arbeitsbescheinigung, um unvertretbare Handlungen im Sinne des § 888 ZPO.
5
Voraussetzung der Zwangsvollstreckung ist aber immer die hinreichende Bestimmtheit des Titels (§ 253 Abs. 2 Z. 2 ZPO; vgl. z.B. Werner Pfitzer/Birgit Zimmermann in: Natter/Gross, Arbeitsgerichtsgesetz, 2. Auflage 2013, § 62 Zwangsvollstreckung Rnrn. 11 ff).
6
Der Titel in Z. 3 des Vergleiches (Arbeitszeugnis) ist insoweit unbestimmt, als die Klägerin ein „wohlwollendes“ Zeugnis begehrt. Es ist unklar, mit welchen genauen Handlungen die Beklagte die Verpflichtung auf Erteilung eines wohlwollenden Zeugnisses erfüllen kann.
7
Ebenso unbestimmt ist der Vergleich in Z. 4 hinsichtlich der Formulierung, die Beklagte habe eine Arbeitsbescheinigung „unter Berücksichtigung dieses Vergleiches“ zu erteilen. Auch hier bleibt unklar, was die Beklagte tun müsste, um den Vergleich zu erfüllen.
8
Diese teilweise Unbestimmtheit führt allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht dazu, dass die Verpflichtungen aus dem Vergleich insgesamt nicht mit Zwangsgeld durchgesetzt werden könnten. Der unbestimmte Teil kann gestrichen werden, und hinsichtlich des Restes ein Zwangsgeld festgesetzt (vergleiche BAG, Beschluss vom 14.02.2017 – 9 AZB 49/16).
9
Unzulässig ist auch der Antrag auf Festsetzung von Zwangshaft. Die Zwangshaft kann, nachdem die Beklagte eine juristische Person ist, nur an ihrem Geschäftsführer vollzogen werden. Trotz entsprechenden Hinweises hat die Klägerin den Namen des Geschäftsführers nicht mitgeteilt. Zwanghaft kann deshalb nicht festgesetzt werden.
10
Im Übrigen sind die Anträge auf Festsetzung von Zwangsgeld zulässig und auch begründet. Die Klägerin verfügt über Titel, Klausel und Zustellung. Hinsichtlich der Nichterteilung des Zeugnisses erscheint ein Zwangsgeld i.H.v. 1.300 € (ein Bruttomonatsgehalt) als angemessen, hinsichtlich der Nichterteilung der Arbeitsbescheinigung ein Zwangsgeld i.H.v. 10% eines Bruttomonatsgehaltes.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 2 ArbGG, § 891 iVm § 92 ZPO. Die Klägerin ist mit ihrem Antrag teilweise unterlegen, wobei das Ausmaß des Unterliegens mit einem Viertel angesetzt wurde: Die Klägerin erhält zwar Arbeitszeugnis und Arbeitsbescheinigung, jedoch ohne Festlegungen hinsichtlich des Inhaltes und ohne die Möglichkeit der Zwangshaft.
12
Die Entscheidung kann gemäß §§ 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 891 ZPO, 53 Abs. 1 ArbGG durch die Vorsitzende allein ohne mündliche Verhandlung ergehen.