Titel:
Keine Sondervergütung des Verwalters ohne vertragliche Abrede
Normenketten:
WEG § 26, § 27
BGB § 812
DSGVO Art. 4 Nr. 7
Leitsätze:
1. Hat der Verwalter keine Sondervergütung für eine Bescheinigung nach §35a EStG vereinbart, darf er diese nicht entnehmen. (Rn. 14 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Regeln der DSGVO muss der Verwalter einhalten, eine Vergütung hierfür ohne besondere Vereinbarung bekommt er nicht. (Rn. 17 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verwalter, Wohnungseigentum, Sondervergütung
Fundstellen:
BeckRS 2023, 47471
LSK 2023, 46761
ZMR 2024, 350
Tenor
1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.524,73 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.12.2022 sowie vorprozessuale Anwaltsgebühren von 887,03 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.12.2022 zu zahlen.
2.Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 8.524,73 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Beklagte war bis 31.12.2021 Verwalterin der Klägerin. Auf der Grundlage der Rechnung mit der Nr. 078-2020-001.1 vom 01.04.2020 überwies die Beklagte unter dem Verwendungszweck „Verwaltungsgebühren DSGVO“ einen Betrag in Höhe von EUR 2.713,20 vom Konto der Klägerin auf ihr Geschäftskonto.
2
Auf der Grundlage der Rechnung mit der Nr. 078-2020-001 vom 21.07.2020 überwies die Beklagte unter dem Verwendungszweck „HHDL“ (= haushaltsnahe Dienstleistungen) einen Betrag in Höhe von EUR 5.087,25 vom Konto der Klägerin auf ihr Geschäftskonto.
3
Im Wirtschaftsjahr 2021 überwies die Beklagte für Servicegebühren an die Hausbank M vom WEG-Konto insgesamt EUR 724,28 an die Hausbank M.
4
Der zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Verwaltervertrag enthält weder für Maßnahmen im Zusammenhang mit der DSGVO noch für die Erstellung der Bescheinigung über die haushaltsnahen Dienstleistungen eine Regelung über eine Sondervergütung, ebenso auch keine Regelung zur Übernahme der Servicegebühren. Ein Beschluss der Eigentümerversammlung oder eine anderweitige Abstimmung mit der Klägerin über eine gesonderte Vergütung liegt jeweils nicht vor.
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Die Klägerin führt aus, dass für die Zahlungen keine Rechtsgrundlage bestanden habe. Hinsichtlich der DSGVO bestünden ggf. Verpflichtungen zu Maßnahmen bei der Beklagten selbst, es gebe jedoch keine Rechtsgrundlage, diese der Klägerin in Rechnung zu stellen. Die Erstellung der Bescheinigung nach § 35a EstG stelle eine Verpflichtung der Verwaltung dar. Eine besondere Vergütung hierfür sei weder vereinbart noch gerechtfertigt. Ein entsprechender Beschluss der Eigentümerversammlung sei nie gefasst worden. Das Softwareprogramm der Hausbank habe die Beklagte für ihre Grundpflichten als Verwalterin genutzt, entsprechend habe sie dies auch selbst zu bezahlen gehabt. Auch insoweit bestehe daher ein Erstattungsanspruch.
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Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin, zu Händen deren Verwalterin, EUR 8.524,73 sowie vorprozessuale Anwaltsgebühren von EUR 887,03 jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 20.12.2022 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte führt aus, dass sie die Bescheinigung über die haushaltsnahen Dienstleistungen auf Wunsch der Mitglieder der Klägerin erstellt habe. Da dies nicht zu den Grundpflichten gehöre, sei eine gesonderte Vergütung zu bezahlen. Die in Rechnung gestellte Vergütung sei ortsüblich und angemessen. Der Wohnungseigentümergemeinschaft obliege die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Der jeweilige Verwalter müsse diese Aufgabe für die Wohnungseigentümergemeinschaft als deren Vertreter erfüllen. Diese Aufgabe gehöre nicht zu den vertraglichen Grundleistungen des Verwalters, daher könne eine Sondervergütung eingefordert werden. Die in Rechnung gestellte Vergütung sei ortsüblich und angemessen.
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Im Übrigen wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Parteien verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht München als Wohnungseigentumsgericht gem. §§ 43 Abs. 2 Nr. 3 WEG, 23 Nr. 2c GVG örtlich und sachlich ausschließlich zuständig.
11
Die Klage ist begründet.
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1. Die Klägerin hat einen Anspruch in der eingeklagten Höhe gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Die Beklagte hat die streitgegenständlichen Beträge jeweils ohne Rechtsgrund erlangt.
13
Einen vertraglichen Anspruch aus dem Verwaltervertrag direkt behauptet die Beklagte selbst nicht. Eine andere Rechtsgrundlage besteht ebenfalls nicht:
a) Haushaltsnahe Dienstleistungen
14
Zwar ist die Erstellung von Bescheinigungen nach § 35a EStG an die einzelnen Eigentümer grundsätzlich keine vom Verwalter kostenfrei zu erbringende Leistung, er kann dafür in der Regel eine angemessene Zusatzvergütung verlangen (vgl. Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums 7. Auflage 2017, § 34 RN 52).
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Diesbezüglich ist eine Vereinbarung über eine entsprechende Sondervergütung möglich, aber auch erforderlich. Eine konkrete Vereinbarung mit der Klägerin bzw. ein entsprechender Beschluss der Eigentümerversammlung liegen jedenfalls unstreitig nicht vor.
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Soweit die Beklagte angibt, dies sei „auf Wunsch der Mitglieder der Klägerin“ geschehen, hat die Klägerin dies bestritten. Nachdem die Erstellung der Bescheinigungen im Übrigen im Individualinteresse der einzelnen Eigentümer und nicht im Interesse der Klägerin liegt, ist ein solcher „Wunsch der Mitglieder“ auch zunächst für das Rechtsverhältnis mit der Klägerin irrelevant. Die Beklagte konnte demnach ohne weitere Klärung – die ihr ohne Weiteres möglich gewesen wäre – nicht davon ausgehen, dass eine derartige zusatzkostenpflichtige Leistungserbringung dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen der WEG entspricht. Auch ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag kommt daher nicht in Betracht.
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b) DSGVO Hinsichtlich der Rechnung vom 01.04.2020 ist zu beachten, dass Verantwortlicher nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die Hausverwaltung selbst ist.
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Die DSGVO verpflichtet den Verwalter als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft und als Dienstleister für Haus- und Wohnungseigentümer zu einmaligen und laufenden zusätzlichen Leistungen. Zur Sicherstellung der Einhaltung der Regelungen der DSGVO ist jede Hausverwaltung von Gesetz wegen verpflichtet. Die Tätigkeit ist damit im Rahmen der regulären Verwaltertätigkeit zu erbringen und mit der regulären Verwalterpauschale abgedeckt (vgl. hierzu auch LG München I, 1 S 3468/22 WEG). Eine „Abwälzung“ der Kosten ohne eine vertragliche Regelung oder einen gesonderten Beschluss auf die Klägerin ist daher nach Auffassung des Gerichts nicht möglich.
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Nachdem hier unstreitig keine vertragliche Regelung vorliegt und auch keine Vereinbarung mit der Klägerin vorliegt, hat die Beklagte die von ihr angesetzten Beträge ohne Rechtsgrund eingezogen.
c) Servicegebühren Hausbank M
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Bei den von der Beklagten bezahlten Kosten an die Hausbank handelt es sich um Kosten für die bereitgestellte Hausverwaltungssoftware. Es handelt sich damit um Aufwendungen zur Erfüllung der eigenen vertraglich geschuldeten Leistungspflicht der Beklagten, die ohne explizite Vereinbarung nicht gesondert vergütet werden kann. Entsprechend kann die Klägerin diese Kosten von der Beklagten zurückverlangen.
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2. Der Anspruch auf die Nebenforderungen gründet sich auf §§ 286, 288, 291 BGB (Zinsen ab Ablauf der mit der anwaltlichen Aufforderung gesetzten Frist, also ab 20.12.2022).
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Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Der Streitwert wurde nach §§ 48 GKG, 3 ZPO auf 8.524,73 EUR festgesetzt.