Inhalt

OLG Bamberg, Urteil v. 21.03.2023 – 5 U 54/22 V
Titel:

Auslegung eines Prüfungsverzichts in einem Teilungsabkommen

Normenketten:
StVG § 7 Abs. 2
SGB X § 116
AKB § 10
BGB § 133, § 157
Leitsätze:
1. Ein Teilungsabkommen, das einen Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage vorsieht, ist dahin auszulegen, dass der Verzicht auch den Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen Unfallereignis und Verletzung umfasst. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verlangt ein Teilungsabkommen einen adäquaten Zusammenhang zwischen Schadenfall und Gebrauch eines Kraftfahrzeugs, so meint der Schadenfall das Schadenereignis und nicht dessen weitere Folgen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Auslegung eines üblichen Teilungsabkommens ergibt, dass dessen Anwendungsbereich bereits dann eröffnet ist, wenn der Anspruch, sein Bestehen unterstellt, unter das versicherte Wagnis fallen würde. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
gesetzlicher Krankenversicherer, Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, Auffahrunfall, Teilungsabkommen, Auslegung, versichertes Wagnis, Prüfungsverzicht, Schadenfall, adäquate Kausalität
Vorinstanz:
LG Bamberg, Endurteil vom 02.02.2022 – 11 O 160/20 V
Fundstellen:
NJW-RR 2023, 948
r+s 2023, 426
LSK 2023, 4745
BeckRS 2023, 4745

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 02.02.2022, Az. 11 O 160/20 V, abgeändert:
1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 9.543,07 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. aus 8.116,62 € seit dem 18.12.2017 und im Übrigen seit 02.07.2020 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Aufwendungen innerhalb des zwischen den Parteien bestehenden Teilungsabkommens mit einer Quote von 55% zu ersetzen, die der Klägerin aufgrund der Frau ..., entstanden sind und noch entstehen werden.
3. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin 887,03 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 02.07.2020 zu zahlen.
II. Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen die Klägerin 59%, die Beklagte zu 1) 41%.
Von den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz haben zu tragen:
- von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin die Beklagte zu 1) 41%;
- von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) die Klägerin 17%;
- die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) die Klägerin.
Im Übrigen tragen die Parteien die ihnen in der 1. Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 1).
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, verlangt – gestützt auf das am 30.07/09.08.1984 zwischen ihr und der Beklagten zu 1) abgeschlossene Rahmen-Teilungsabkommen (TA) von der Beklagten zu 1), einem Kfz-Haftpflichtversicherer, 55% der Aufwendungen, die ihr aus Anlass eines Unfalls der bei ihr Versicherten ... entstanden sind sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Aufwendungen in Höhe von 55%. Zu dem Verkehrsunfall am 19.11.2016 kam es, weil der Fahrer des bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Fahrzeugs auf das verkehrsbedingt anhaltende Fahrzeug, das von der Versicherten geführt wurde, auffuhr. Die Versicherte hatte das Beklagtenfahrzeug im Rückspiegel näher kommen sehen und sich in Erwartung eines Aufpralls am Lenkrad abgestützt. Sie verspürte unmittelbar nach dem Unfall keine Beschwerden und begab sich nicht in ärztliche Behandlung. 2 Tage später traten Schmerzen im Bereich des rechten Armes bzw. der rechten Hand auf. Die Versicherte begab sich am 22.11.2016 erstmals in ärztliche Behandlung. Bei einer Untersuchung am 29.11.2016 wurde ein posttraumatischer Abriss des Tiefenblatts des triangulären fibrocartilaginären Komplexes diagnostiziert. Die Aufwendungen der Klägerin für Krankenhausaufenthalte, ärztliche Behandlungen, Therapien,
Hilfsmittel, Krankengeld und Lohnersatzleistungen betragen bisher 17.366,43 €. Die Beklagte zu 1) lehnt den Ausgleich ab, weil der nach § 1a Abs. 3 TA erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der diagnostizierten Verletzung und dem Unfall nicht vorliege. Es habe sich bei dem Unfall um einen Bagatellunfall gehandelt, bei dem nur äußerst geringe Kräfte auf den Körper der Versicherten eingewirkt hätten. Beweispflichtig sei für die Kausalität nach dem Teilungsabkommen die Klägerin.
2
Die maßgeblichen Regelungen des Teilungsabkommens (Anlage zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 06.08.2020) lauten wie folgt:
„§ 1a für Schadenfälle der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
(1) Erhebt eine diesem Abkommen beigetretene Betriebskrankenkasse („K“) Schadensersatzansprüche nach § 116 SGB X gegen Kraftfahrzeughalter und -führer, die aus dem Schadenfall bei der „H“ Versicherungsschutz genießen, so erstattet die „H“ der „K“ ohne Prüfung der Haftungsfrage namens der haftpflichtversicherten Personen im Rahmen des bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages und nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen 55% ihrer anlässlich des Schadensfalls aufgrund Gesetzes erwachsenen Aufwendungen.
(2) Eigenes Verschulden des Geschädigten oder das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses (§ 7 Abs. 2 StVG) schließt die Erstattungspflicht der „H“ nicht aus.
(3) Voraussetzung für die abkommensgemäße Beteiligung ist jedoch das Bestehen eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Gebrauch des Kraftfahrzeuges und dem Eintritt des Schadenfalles.
(…)
§ 2
Die Aufwendungen der „K“ unterliegen der Erstattung nach §§ 1a und 1b nur insoweit und solange, als sie sich mit dem sachlich und zeitlich kongruenten Schaden des Verletzten decken (Übergang nach § 116 SGB X).
§ 3
(1) Das Abkommen findet Anwendung, wenn und soweit die „H“ aus dem den Regreßansprüchen zugrundeliegenden Schadenfall Versicherungsschutz zu gewähren hat. In Fällen der Leistungsfreiheit nach § 7 V AKB ist das Teilungsabkommen anzuwenden, soweit die Aufwendungen der „K“ den jeweiligen Leistungsfreibetrag überschreiten.
(2) Unterlassene, verspätete oder nicht ordnungsgemäße Anzeige des Schadenfalles durch die haftpflichtversicherte Person bei der „H“ oder durch den Krankenversicherten bei der „K“ schließt die Anwendung des Abkommens nicht aus.
(3) § 156 Abs. 3 VVG wird durch das Abkommen nicht berührt.
(…)
§ 6 (…)
(3) Alle anderen durch den Schadenfall verursachten Aufwendungen der „K” wie z. B. für:
(…) werden in tatsächlicher Höhe berücksichtigt, wenn und soweit die zugrundeliegenden Regreßansprüche nach § 2 auf die „K” übergegangen sind.“
3
Die Klägerin hat nach Rücknahme ihrer gegen den Beklagten zu 2) als Fahrer des bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Fahrzeugs und nach Teilrücknahme ihrer gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Klage die im Ersturteil wiedergegebenen Anträge gestellt. Es wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bamberg vom 02.02.2022 verwiesen.
4
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach dem Teilungsabkommen die Klägerin den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der diagnostizierten Verletzung und dem Unfall zu beweisen habe. Diesen Beweis habe sie nicht angetreten, sie sei beweisfällig geblieben. Es wird auf die Urteilsgründe Bezug genommen.
5
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin die erstinstanzlich zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Sie wendet sich gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des Teilungsabkommens. Das Landgericht habe das Trennungsprinzip zwischen der Deckungspflicht und der Haftpflichtfrage nicht hinreichend beachtet und deshalb Sinn und Zweck des Teilungsabkommens nicht zutreffend erfasst. Dieser liege in der Kosten- und Zeitersparnis in Massenverfahren durch den Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage. Auch dem streitgegenständlichen Teilungsabkommen liege ein umfassender Haftungsprüfungsverzicht zugrunde. Hierzu gehöre auch die haftungsausfüllende Kausalität. Müsste in Massengeschäften das Vorliegen der haftungsausfüllenden Kausalität jeweils kosten- und zeitintensiv geprüft werden, wäre das Teilungsabkommen sinnlos. Das Teilungsabkommen sei im Streitfall bereits dann anwendbar, wenn der Schadenfall seiner Art nach zum versicherten Wagnis gehöre und der Versicherer im konkreten Fall Versicherungsschutz zu gewähren habe. Beide Voraussetzungen seien erfüllt. Damit bestünde ein Anspruch der Klägerin auf 55% der aufgewendeten Kosten. Die Auslegung des Landgerichts, der Schadenfall im Sinne von § 1a Abs. 3 TA betreffe das Vorliegen einer Körperverletzung, sei fehlerhaft. Hiermit hätten die Parteien vielmehr das versicherte Risiko gemeint.
6
Es wird auf die Berufungsbegründung vom 03.05.2022 (Bl. 189 ff. d. A.) verwiesen.
7
Die Klägerin beantragt,
1. Das am 02.02.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Bamberg, Az. 11 O 160/20 V wird abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.543,07 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. aus 8.116,62 € seit dem 18.12.2017 und im Übrigen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Aufwendungen innerhalb des zwischen den Parteien bestehenden Teilungsabkommens mit einer Quote von 55% zu ersetzen, die der Klägerin aufgrund ..., entstanden sind und noch entstehen werden.
4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 887,03 € vorgerichtliche Anwaltskosten ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
8
Die Beklagte beantragt,
Zurückweisung der Berufung.
9
Sie verteidigt das Ersturteil. Das Teilungsabkommen sei als zwischen Versicherern geschlossener Vertrag auslegungsbedürftig. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 12.06.2007 – VI ZR 110/06 zur Frage, was unter dem Begriff „Schadenfall“ zu verstehen sei, seien auf den Streitfall nicht zu übertragen, weil Gegenstand der dortigen Auslegung ein anderes Teilungsabkommen gewesen sei. Die von der Klägerin gewünschte Auslegung des Teilungsabkommens sei nicht interessengerecht. Sie laufe auf Zahlungsverpflichtungen der Beklagten zu 1) auf „Zuruf“ hinaus. Diese könne – abgesehen von Groteskfällen – auch offensichtlich unbegründete Forderungen nicht abwehren. Für die Auffassung der Beklagten zu 1), wonach die Klägerin gemäß § 1a Abs. 3 TA eine durch den Unfall verursachte Körperverletzung nachzuweisen habe, spreche die systematische Ausgestaltung des Teilungsabkommens. Während in § 2 ausgeführt werde, dass der Erstattung nach den §§ 1a und 1b TA Aufwendungen der Krankenkasse nur insoweit unterliegen, als sie sich mit dem sachlichen und zeitlichen kongruenten Schaden des Verletzten decken, enthalte § 6 Abs. 3 TA die Regelung, dass die dort genannten Aufwendungen der Krankenkasse nur dann berücksichtigt würden, wenn und soweit die zugrunde liegenden Regressansprüche nach § 2 TA auf die Krankenkasse übergegangen seien. Die Formulierung zeige deutlich, dass die Parteien davon ausgegangen seien, dass eine Kausalität nachzuweisen sei. Anders lasse sich die Verwendung des Indikativs nicht erklären. Hätten die Parteien in § 1a Abs. 1 TA einen umfassenden Haftungsprüfungsverzicht regeln wollen, wären auch die Regelungen in § 1a Abs. 3 TA zur adäquaten Kausalität und § 1a Abs. 2 TA zur Unabwendbarkeit und zum Verschulden des Geschädigten überflüssig. Gegen einen umfassenden Haftungsprüfungsverzicht spreche darüber hinaus die Regelung in § 3 TA, wonach das Teilungsabkommen Anwendung finde, solange und soweit Versicherungsschutz besteht. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn die Haftung der Beklagten zu 1) keine Rolle spielen würde.
10
Es wird auf die Berufungserwiderung vom 22.07.2022 (Bl. 218 ff. d. A.) und die weiteren im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
B.
11
Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 9.543,07 € nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € jeweils nebst Zinsen sowie Feststellung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Teilungsabkommen.
I.
12
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist das Teilungsabkommen nicht dahingehend auszulegen, dass der Eintritt des adäquat kausalen Schadensfalls den Nachweis einer unfallbedingten Verletzung der Versicherten erfordert. Das Teilungsabkommen ist dahingehend auszulegen, dass ein Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage vereinbart wurde, von dem auch der Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen Unfallereignis und Verletzung umfasst ist.
13
Das hier vorliegende Teilungsabkommen ist ein Vertrag, der der Auslegung dahingehend unterliegt, dass vom Wortlaut ausgehend der Sinngehalt der Regelungen unter Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ermittelt wird (BGH, Urt. v. 12.06.2007 – VI ZR 110/06, Rn. 10).
14
Der Senat geht bei seiner Auslegung davon aus, dass die Wortwahl im Teilungsabkommen dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses üblichen Sprachgebrauch im Rechtsverkehr zwischen Versicherern entspricht. Danach ist der Begriff „Schadenfall“ in Teilungsabkommen im Zusammenhang mit dem versicherten Wagnis zu verstehen (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juni 2007 aaO, Rn. 11). Bei Kraftfahrzeugunfällen umfasst das versicherte Wagnis nach § 10 AKB die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Schadensersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den Versicherungsnehmer oder gegen mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch den Gebrauch des Fahrzeugs Personen-, Sach- oder Vermögensschäden herbeigeführt werden. Dementsprechend ist im Streitfall nach § 1a Abs. 3 TA Voraussetzung für die Anwendung des Teilungsabkommens der adäquate Kausalzusammenhang zwischen „dem Schadenfall und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs“. Hierdurch soll gewährleistet sein, dass der Haftpflichtversicherer nur in Fällen zu zahlen hat, in denen er zur Deckung verpflichtet sein kann. Andererseits kann die Krankenkasse Ausgleichsansprüche geltend machen, sofern es im Zusammenhang mit dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs zu einem Personenschaden des Krankenversicherten gekommen ist, für den die Krankenkasse Kosten aufgewendet hat (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juni 2007 aaO, Rn. 11). Der Begriff des Schadenfalles bezieht sich somit ausschließlich auf das Schadensereignis als solches und ist nicht gleichzusetzen mit den unfallbedingt hervorgerufenen Folgen und Auswirkungen, die das Unfallgeschehen nach sich zieht.
15
Gegen das Verständnis des Landgerichts und der Berufungserwiderung spricht, dass die Parteien den Begriff „Schadenfall“ im Teilungsabkommen an verschiedenen Stellen verwenden (vgl. z. B. § 1a in der Überschrift, § 1a Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 3 und § 9 Abs. 1). Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsparteien unter dem Begriff „Schadenfall“ dabei unterschiedliches verstanden hätten, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht behauptet. An diesen Stellen wird der Begriff aber unzweifelhaft im Sinne des versicherten Wagnisses verwendet und nicht im Sinne von Körperverletzung oder dem Eintritt eines Gesundheitsschadens. Diese Begriffe würden zahlreichen der oben genannten Regelungen keinen Sinn verleihen.
16
Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) enthalten § 3 Abs. 1 und § 6 Abs. 3 TA keine Einschränkung des Verzichts auf die Prüfung der Haftungsfrage. Nach § 3 Abs. 1 TA, auf den § 6 Abs. 3 TA Bezug nimmt, unterliegen die Aufwendungen der Klägerin der Erstattung nach §§ 1a und 1b nur insoweit und so lange, als sie sich mit dem sachlich und zeitlich kongruenten Schaden des Verletzten decken (Übergang nach §§ 116 SGB X). Dies ist so zu verstehen, dass damit der Einwand der mangelnden zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit behandelt wird. Dies betrifft weder die Haftungsfrage noch die Deckungsfrage, sondern die Frage, ob der Sozialversicherungsträger gemäß § 116 SGB X zur Geltendmachung des Anspruchs des Geschädigten berechtigt ist. Zu prüfen ist deshalb nur, ob der Anspruch, wenn er bestünde, gemäß § 116 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangen wäre (BGH, Beschluss vom 20.09.2011 – VI ZR 337/10).
17
Auch der systematische Aufbau des Teilungsabkommens spricht nicht für die Auslegung der Beklagten zu 1). Die Regelung in § 2 TA, wonach eigenes Verschulden des Geschädigten oder die Unabwendbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG die Erstattungspflicht der Beklagten zu 1) nicht ausschließt, ist im Kontext mit § 1a Abs. 3 TA zu sehen. Die Parteien haben mit der dortigen Regelung und der Begrenzung auf adäquat kausale Schadenfälle offensichtlich die „Groteskfälle“ von der Erstattungspflicht ausgenommen. Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs um Fälle, die schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich eine Schadensersatzpflicht des Versicherungsnehmers nicht hervorrufen können und daher gemäß § 242 BGB von der Erstattungspflicht ausgenommen sind (BGH NJW 1956, 1237). Die Gegenausnahme ist in § 2 TA enthalten und dient ersichtlich nur der Klarstellung. Der Bundesgerichtshof hat bereits mit Urteil vom 23.09.1963 – II ZR 118/60 entschieden, dass durch den im dortigen Teilungsabkommen vereinbarten Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage nach dem Willen der Vertragsschließenden auch ein auf § 7 Abs. 2 StVG gestützter Einwand des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherers ausgeschlossen sein soll. Dies haben die Parteien im Streitfall klargestellt. Weiter haben sie in § 2 TA klargestellt, dass auch eigenes Verschulden des Geschädigten die Erstattungspflicht der Beklagten zu 1) nicht ausschließt.
18
Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) sprechen gegen den in § 1a Abs. 1 TA geregelten umfassenden Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage auch nicht die Regelungen in § 3 TA. Diese sind auch bei Annahme eines umfassenden Verzichts auf die Prüfung der Haftungsfrage nicht überflüssig. Vielmehr werden an dieser Stelle die weiteren Voraussetzungen der Deckungspflicht, insbesondere die Leistungsfreiheit nach § 7 Abs. 5 AKB und die Auswirkungen von Obliegenheitsverletzungen behandelt.
19
Die Auslegung des Teilungsabkommens ergibt somit, dass dessen Anwendungsbereich bereits dann eröffnet ist, wenn der Anspruch, sein Bestehen unterstellt, unter das versicherte Wagnis fallen würde (vgl. auch BGH, Urt. v. 01.10.2008 – IV ZR 285/06). Ob der Anspruch begründet ist, also der Geschädigte unfallbedingte Verletzungen davongetragen hat, ist dagegen unerheblich, weil es dabei um die Haftungsfrage geht, auf deren Prüfung die Parteien verzichtet haben. Der in § 1a Abs. 3 TA geregelte adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem versicherten Haftpflichtbereich betrifft allein die Deckungspflicht.
20
Der ermittelte Sinngehalt des Teilungsabkommens wird auch der Interessenlage der Parteien gerecht. Zur Herbeiführung einer Haftungseinschränkung hätte es den Parteien freigestanden, entsprechend dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt (BGH, Urt. v. 12.06.2007 – VI ZR 110/06) eine Vereinbarung dergestalt in das Teilungsabkommen aufzunehmen, dass die Beklagte zu 1) berechtigt ist, von der Klägerin im Zweifelsfall den Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schadensfall und dem der Kostenforderung zugrunde liegenden Krankheitsfall zu verlangen. Eine solche Einschränkung enthält das Teilungsabkommen vorliegend indes nicht. Wäre es der Beklagten zu 1) gleichwohl gestattet, sich auf das Fehlen eines Ursachenzusammenhangs zwischen Schadensereignis und körperlicher Beeinträchtigung zu berufen, würde das Abkommen letztlich konterkariert werden, da die Beklagte zu 1) durch die Behauptung, die zu regressierenden Aufwendungen beinhalteten keinen unfallbedingt hervorgerufenen Ersatzanspruch, stets auf die Einholung eines Gutachtens hinwirken und ihre Zahlung von dem Nachweis der Ursächlichkeit abhängig machen könnte. Der Sinn der Vereinbarung, die Kosten einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Prüfung der Haftpflicht zu vermeiden, indem allen zwischen den Beteiligten vorzunehmenden Schadensregulierungen eine einheitliche, der Erfahrung nach als Durchschnittswert anzusehende Quote zugrunde gelegt wird, wäre damit infrage gestellt. Eine ohne Prüfung der Haftungsfrage bestehende Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers führt auch nicht zu einer massiven Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts, die das Leistungsvermögen der Beklagten zu 1) als Haftpflichtversicherer gefährden könnte. Die Tatsache, dass die Haftungsfrage bei Eingreifen des Teilungsankommens nicht geprüft wird, wirkt sich je nach Fallgestaltung auch zu Gunsten der Beklagten zu 1) aus. Selbst wenn der bei der Beklagten zu 1) Haftpflichtversicherte den Unfall zu 100% verursacht hätte, hat die Klägerin lediglich die Möglichkeit, 55% der ihr entstandenen Aufwendungen zu regressieren.
II.
21
Die Voraussetzungen für die Anwendung des Teilungsabkommens liegen im Streitfall vor. Der in § 1a Abs. 3 TA genannte Zusammenhang ist gegeben. Das bei der Beklagten zu 1) versicherte Fahrzeug fuhr auf das verkehrsbedingt stehen gebliebene Fahrzeug der Versicherten auf. Ein solcher Verkehrsvorgang liegt auch nicht außerhalb der allgemeinen Verkehrserfahrung, sondern ist typisch. Das von der Versicherungsnehmerin gefahrene Fahrzeug war nach der Verkehrsauffassung an diesem Verkehrsvorgang aktuell und unmittelbar, zeit- und ortsnah beteiligt. Für die Anwendung des § 10 AKB sowie des TA kommt es auch nicht darauf an, ob der Fahrer des haftpflichtversicherten Wagens sich verkehrsgerecht verhalten hat.
22
Auch die weiteren Voraussetzungen der Deckungspflicht nach § 3 TA liegen vor.
III.
23
Die Beklagte zu 1) hat im Rahmen des § 1a TA 55% der erbrachten Aufwendungen zu tragen.
24
Dies sind unstreitig 9.551,54 €. Bei den geltend gemachten, in der Regresskostenaufstellung der Klägerin gelisteten Kosten handelt es sich auch um übergangsfähige Kosten im Sinne des § 116 Abs. 1 SGB X.
25
Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Feststellung der weitergehenden Ersatzpflicht. Dieser Anspruch besteht nicht unbegrenzt und unbedingt, sondern – wie beantragt – nur im vertraglich vorgesehenen Umfang.
IV.
26
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) auch einen Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.
27
Die Beklagte zu 1) hat durch ihr Schreiben vom 13.12.2017 die Begleichung der zum damaligen Zeitpunkt geltend gemachten Kosten in Höhe von 8.116,62 und eine Einstandspflicht abgelehnt. Sie befindet sich daher spätestens seit Zugang dieses Schreibens bei der Klägerin in Höhe von 8.116,62 € in Verzug.
28
Im Übrigen stehen der Klägerin ab 02.07.2020 Prozesszinsen gem. §§ 291 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
29
Aufgrund der Erfüllungsverweigerung konnte die Klägerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung auch ihre Prozessbevollmächtigten bereits vorgerichtlich beauftragen. Hinsichtlich der zutreffenden Berechnung der Anwaltskosten nach dem RVG wird auf die Klageschrift (Bl. 34 d. A.) verwiesen.
30
Der Anspruch auf die Prozesszinsen auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 291 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
C.
31
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
32
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
33
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.