Titel:
Kostenerstattung für Hilfsmittel in der privaten Krankenversicherung
Normenketten:
VVG § 192
BGB § 612 Abs. 2
Leitsätze:
1. Nach § 5 (4) a) RB/KK 2009 sind ausschließlich die dort aufgeführten Hilfsmittel erstattungsfähig. Nach dieser Aufzählung ist nur ein Standardkrankenfahrstuhl, nicht aber ein Aktivrollstuhl vom Versicherungsschutz umfasst. Die W. Laufhilfe ist in der Aufzählung nicht enthalten und fällt auch unter keines der dort genannten Hilfsmittel. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gemäß § 192 VVG ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige sonstige vereinbarte Leistungen zu erstatten. Eine Vereinbarung über die Höhe der für physiotherapeutische Leistungen zu erbringenden Versicherungsleistung besteht vorliegend nicht. Zwar ist in Teil II § 5 (1) TB/KK 2009 eine Begrenzung auf die jeweils geltende Gebührenordnung vorgesehen. Diese gilt jedoch ausweislich der insoweit eindeutigen Überschrift nur für Heilbehandlungen und Vorsorgemaßnahmen, nicht aber für Heilmittel. Damit richtet sich der Anspruch grundsätzlich nach dem Entgelt, das der Versicherungsnehmer aufgrund der von ihm geschlossenen Verträge zu bezahlen hat. Auch im Verhältnis des Klägers zu den Behandlerinnen ist eine Vergütungsvereinbarung nicht vorgetragen, so dass maßgeblich die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird im Hilfsmittelkatalog der Versicherungs- und Tarifbedingungen einer privaten Krankenversicherung ein Standardkrankenfahrstuhl aufgeführt, besteht kein Versicherungsschutz für die Kosten eines Aktivrollstuhls. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Anspruch auf Kostenerstattung besteht nur für diejenigen Hilfsmittel, für deren Anschaffung tatsächlich Kosten angefallen sind. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
5. Kosten für Physiotherapie, die die beihilfefähigen Höchstsätze übersteigen, sind nicht als ortsübliche Vergütung iSd § 612 Abs. 2 BGB anzusehen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
private Krankenversicherung, Kostenerstattung, Hilfsmittel, Aktivrollstuhl, Physiotherapie, ortsübliche Vergütung, beihilfefähige Höchstsätze
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 12.11.2021 – 26 O 5218/16
Fundstellen:
LSK 2023, 47402
BeckRS 2023, 47402
VuR 2024, 276
FDVersR 2024, 947402
r+s 2024, 513
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 12.11.2021, Az. 26 O 5218/16, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.481,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 121,80 € seit 01.01.2017, aus 3.600,50 € seit 01.01.2018, aus 559,60 € seit 01.01.2019, aus 520,30 € seit 01.01.2020 und aus 679,50 € seit 04.01.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 89% und die Beklagte 11%. Von den Kosten der Berufung tragen der Kläger 91% und die Beklagte 9%.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 27.974,15 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Leistungen aus einer zwischen den Parteien bestehenden privaten Krankenversicherung geltend.
2
Streitgegenständlich sind Kosten für die Anschaffung verschiedener Hilfsmittel sowie Kosten für Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie jeweils für die am ....2010 geborene Tochter des Klägers. Zu den Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts vom 12.11.2021 Bezug genommen.
3
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 2.860,13 € stattgegeben. Einen Anspruch auf die geltend gemachten Kosten für Hilfsmittel hat es verneint. Den Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie in den Jahren 2016 bis 2019 hat es – sachverständig beraten – nur in Höhe des zugesprochenen Betrags für gegeben erachtet. Auf die Gründe des landgerichtlichen Urteils vom 12.11.2021 wird Bezug genommen.
4
Mit der Berufung verfolgt der Kläger die in erster Instanz zuletzt geltend gemachten Ansprüche vollumfänglich weiter und beantragt, über den in erster Instanz zugesprochenen Betrag hinaus, die Zahlung eines weiteren Betrags in Höhe von 27.974,15 €.
5
Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren:
I. Das Urteil des Landgerichts München I, Az. 26 O 5218/16 wird aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen wurde.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere € 27.974,15 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus € 8.825,11 seit Rechtshängigkeit, aus € 2.088,27 seit dem 01.01.2017, aus € 4.703,45 seit dem 01.01.2018, aus € 8.623,25 seit dem 01.01.2019 sowie aus € 6.583,70 seit dem 01.01.2020 zu bezahlen.
die Berufung zurückzuweisen.
7
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
8
Der Senat hat mit Beschluss vom 31.03.2023 und mit Beschluss vom 26.07.2023 Hinweise erteilt. Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
9
Das Urteil des Landgerichts ist ganz überwiegend zutreffend. Dem Kläger war lediglich – über den vom Landgericht zutreffend zugesprochenen Betrag hinaus – noch ein weiterer Betrag von 2.621,57 €, mithin insgesamt ein Betrag von 5.481,70 € zuzusprechen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
10
1. Die Entscheidung des Landgerichts ist zutreffend, soweit es den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Kosten für Hilfsmittel (8.825,11 €) abgewiesen hat.
11
Der Ersatz von Kosten für die Hilfsmittel Aktiv-Rollstuhl (5.176,62 € abzgl. des bezahlten Betrags von 500,- € = 4.676,62 €) und W. Laufhilfe (1.712,41 €) ist nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Ein Anspruch auf Ersatz von Kosten für eine Stehorthese (2.436,08 €) besteht nicht, weil die Orthese vom Kläger nicht angeschafft wurde. Der Anspruch auf Ersatz von 443,20 € für die sensomotorischen Fußbettung der ansonsten von der Beklagten erstatteten Fußorthese wurde bereits in erster Instanz fallen gelassen (vgl. Schriftsatz vom 15.05.2020, Bl. 172 d.A.) und ist auch nicht Gegenstand des im Berufungserfahrens gestellten Antrags.
12
a) Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass in den zwischen den Parteien bestehenden Krankenversicherungsvertrag nach dem Tarif EKN, in dem auch die am ....2010 geborene Tochter des Klägers versichert ist, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, Teil I Rahmenbedingungen 2009 (RB/KK 2009) und Teil II Tarifbedingungen (TB/KK) einbezogen sind.
13
Unstreitig waren die oben genannten Allgemeinen Versicherungsbedingungen jedenfalls zunächst einbezogen. Der Kläger behauptet, dass eine Änderung auf den Tarif central.privat und die AVB/VV 2013 (Anlage K1) erfolgt sei. Einen konkreten Vortrag dazu, wann und durch welche konkrete Vereinbarung der Parteien die Änderung des Vertrags auf die neuen Tarif- und Versicherungsbedingungen erfolgt sei, ist in erster Instanz nicht erfolgt (vgl. im Einzelnen dazu Ziffer 1. der Gründe des Beschlusses vom 31.03.2023, Bl. 271/272 d.A.). Der erstmals mit der Berufungsbegründung erfolgte Vortrag, dem Schreiben vom 16.06.2017 hätten die AVB 2013 beigelegen, ist verspätet im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO und daher nicht zu berücksichtigen.
14
Die Beklagte ist der Behauptung des Klägers entgegengetreten und hat dargelegt, dass dem genannten Schreiben die als Anlage B 9 vorgelegten Änderungen der Tarif- und Versicherungsbedingungen beigelegen haben (S. 6 der Berufungserwiderung vom 31.05.2022, Bl. 364 d.A.). Entgegen der Darstellung des Klägers lässt sich dem Schreiben vom 16.06.2017 – wie vom Senat bereits im Hinweis vom 31.03.2023, Seite 3 unten dargelegt – auch nicht eindeutig entnehmen, dass damit die Allgemeinen Versicherungsbedingungen 2013 übersandt und zum Gegenstand des Vertrags gemacht worden seien. Maßgeblich ist für den streitgegenständlichen Zeitraum daher weiterhin der Tarif EKN250 mit den AVB RB/KK 2009 und den TB/KK 2009.
15
b) Nach § 5 (4) a) RB/KK 2009 sind ausschließlich die dort aufgeführten Hilfsmittel erstattungsfähig. Nach dieser Aufzählung ist nur ein Standardkrankenfahrstuhl, nicht aber ein Aktivrollstuhl vom Versicherungsschutz umfasst. Die W. Laufhilfe ist in der Aufzählung nicht enthalten und fällt auch unter keines der dort genannten Hilfsmittel.
16
Hinsichtlich der Stehorthese hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.06.2018 vorgetragen, dass die medizinische Notwendigkeit nicht bestritten werde. Das Landgericht hat zutreffend dargelegt, dass die Stehorthese auch unter den in § 5 (4) a) RB/KK 2009 enthaltenen Begriff des „orthopädischen Stützapparates“ falle. Allerdings bestehe der Anspruch auf die für die Anschaffung der Stehorthese erforderlichen Kosten nicht, weil der Kläger eine entsprechende Orthese bisher nicht angeschafft habe, die Beklagte jedoch nur für dem Kläger tatsächlich entstandenen Kosten Ersatz leiste.
17
Die Entscheidung des Landgerichts ist richtig. Soweit der Kläger mit der Berufung auf die in den AVB 2013 enthaltene Aufzählung der erstattungsfähigen Hilfsmittel und das in den AVB 2013 vorgesehene Hilfsmittelmanagement verweist, verhilft dies der Klage nicht zum Erfolg. Wie oben dargelegt, sind die AVB 2013 nicht in den vorliegenden Versicherungsvertrag einbezogen.
18
2. Hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung von Heilmitteln in Höhe von 22.009,17 € erweist sich die Klage über den zugesprochenen Betrag von 2.860,13 € in Höhe eines weiteren Betrags von 2.621,57 €, mithin in Höhe von insgesamt 5.481,70 € als begründet.
19
a) Nach Ziffer 1.1 e) der als Anlage B 1 vorgelegten Tarifbestimmungen gehören Heilmittel zu den erstattungsfähigen Aufwendungen. Diese sind dann erstattungsfähig, wenn sie medizinisch notwendig sind (Teil I § 1 (2) RB/KK 2009). Nach Teil II § 5 (3) TB/KK 2009 gelten als Heilmittel die im Gebührenverzeichnis der geltenden Gebührenordnung für Ärzte unter Abschnitt E „Physikalischmedizinische Leistungen“ aufgeführten Leistungen, soweit sie von einem Arzt, Zahnarzt, staatlich geprüften Masseur oder medizinischen Bademeister erbracht werden. Zwar ist insoweit ein Anspruch auf Ersatz von durch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden vorgenommenen Behandlungen nicht vorgesehen. Unstreitig hat sich die Beklagte jedoch entschieden, auch insoweit Leistungen zu erbringen.
20
b) Das Landgericht hat – sachverständig beraten – festgestellt, dass im Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2019 für die Tochter des Klägers pro Quartal 45 Einheiten Physiotherapie (als Einzeleinheit) und je 12 Einheiten Logopädie und Ergotherapie medizinisch notwendig waren.
21
c) Die erbrachten Leistungen waren, soweit hier zugesprochen, auch ärztlich verordnet. Die ärztlichen Verordnungen bezogen sich hinsichtlich der Physiotherapie jeweils auf Doppeltermine, also auf je zwei Therapieeinheiten, bei der Logopädie und Ergotherapie auf einzelne Termine zu je 60 min.
22
d) Die Höhe der zu erbringenden Versicherungsleistungen richtet sich – soweit zwischen den Parteien streitig – vorliegend nach der für die erbrachten Leistungen üblichen Vergütung gemäß § 612 Abs. 2 BGB. Gemäß § 192 VVG ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige sonstige vereinbarte Leistungen zu erstatten. Eine Vereinbarung über die Höhe der für physiotherapeutische Leistungen zu erbringenden Versicherungsleistung besteht vorliegend nicht. Zwar ist in Teil II § 5 (1) TB/KK 2009 eine Begrenzung auf die jeweils geltende Gebührenordnung vorgesehen. Diese gilt jedoch ausweislich der insoweit eindeutigen Überschrift nur für Heilbehandlungen und Vorsorgemaßnahmen, nicht aber für Heilmittel. Damit richtet sich der Anspruch grundsätzlich nach dem Entgelt, das der Versicherungsnehmer aufgrund der von ihm geschlossenen Verträge zu bezahlen hat. Auch im Verhältnis des Klägers zu den Behandlerinnen ist eine Vergütungsvereinbarung nicht vorgetragen, so dass maßgeblich die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB ist.
23
Üblich im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB ist grundsätzlich die für eine gleiche oder ähnliche Dienstleistung an dem betreffenden Ort gewöhnlich gewährte Vergütung (vgl. Palandt, BGB, 82. Auflage, § 612 Rdnr. 8). Die Beklagte akzeptiert freiwillig die von den Behandlern angesetzten Preise, soweit sie die als Anlage K8 vorgelegten Höchstbeträge, die nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten den beihilfefähigen Höchstsätzen entsprechen, nicht überschreiten. Für den vorliegenden Fall maßgeblich ist mithin, ob eine höhere als die den beihilfefähigen Höchstsätzen entsprechende Vergütung als üblich im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB anzusehen ist. Der Senat geht – wie im Ergebnis auch das Landgericht – nach Würdigung aller Umstände davon aus, dass jedenfalls eine über den beihilfefähigen Höchstsätzen liegende Vergütung nicht mehr als üblich im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB anzusehen ist. Selbst wenn insoweit – anders als vom Landgericht entschieden – zwischen Leistungen gegenüber gesetzlichen Versicherten einerseits und privat Versicherten andererseits zu unterscheiden wäre, lägen Forderungen, welche die beihilfefähigen Höchstsätze überschreiten, nicht mehr in der Spanne üblicher Vergütungen. Die beihilfefähigen Höchstsätze sind eine geeignete Größe, um das obere Ende der Spanne der üblichen Vergütung zu bestimmen (Staudinger/Gutmann, BGB, Stand 2021, § 630b, Rz. 12). Die Beihilfe erwächst aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und ist Bestandteil der Alimentation der Beamten. Der Dienstherr hat eine medizinisch zweckmäßige, angemessene und ausreichende Versorgung zu gewährleisten (BeckOK Beamtenrecht Bund, Brinktrine/Schollendorf, 31. Edition, Stand: 01.10.2023, § 80 Rz. 11). Die beihilfefähigen Höchstsätze sind in Bezug auf physiotherapeutische Leistungen daher so bemessen, dass damit eine – auch für den Kreis der Selbstzahler – übliche Vergütung, in der Regel bezahlt werden kann. Entsprechend wurden in den vergangenen Jahren die Höchstsätze der Bundesbeihilfeverordnung mehrfach angehoben. Die beihilfeberechtigen Beamten stellen etwas über die Hälfte der in der privaten Krankenversicherung Vollversicherten (vgl. die entsprechende Übersicht unter www.sozialpolitik-aktuell.de auf Basis der Daten des Verbands der privaten Krankenversicherung) und damit eine ganz maßgeblich Gruppe. Die Festlegung der Sätze durch das Bundesinnenministerium erfolgt in Abstimmung mit den jeweiligen Fachverbänden (LG Trier, Urteil vom 29.4.2003 – 1 S 186/02, BeckRS 2003, 30978733). Der Senat hält daher die beihilfefähigen Höchstsätze für eine geeignete Grundlage, um die obere Grenze der üblichen Vergütung zu bestimmen. Auf die Ausführungen in Ziffer 2 des Beschlusses vom 26.07.2023 wird ergänzend Bezug genommen.
24
Ohne Erfolg wendet der Kläger dagegen ein, dass die Beihilfe nicht 100% der entstehenden Vergütungsansprüche abdecke, sondern nur eine Beisteuerung des Dienstherren zu den Behandlungskosten darstelle. Diese Argumentation übersieht, dass zwar tatsächlich die Beihilfe nicht 100% der Behandlungskosten abdeckt, sondern immer nur einen bestimmten Prozentsatz, während für den übrigen Anteil eine (in der Regel private) Versicherung abgeschlossen werden muss. Die beihilfefähigen Höchstbeträge stellen aber jeweils diejenigen Beträge voll dar, zu denen der jeweilige Beihilfesatz bezahlt wird. Sie sind daher – aus den oben genannten Gründen – eine geeignete Grundlage für die Bestimmung der oberen Grenze der Spanne der üblichen Vergütung.
25
Soweit der Kläger mit der Berufung geltend macht, dass es einen Rechtsverstoß darstelle, dass das Landgericht den Sachverständigen auch beauftragt hat, zur Höhe der Vergütung Stellung zu nehmen und dieser dem nachgekommen sei, obwohl die Höhe der Vergütung von Physiotherapeuten nicht zu seinem Fachgebiet gehöre, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige insoweit lediglich angegeben hat, dass für ihn die erheblichen Unterschiede der Kostenansätze zwischen den Therapeuten bei gleicher Methodik nicht nachvollziehbar seien, die Gebührenansätze der Beklagten für die meisten Therapien kostendeckend erschienen und den Höchstsätzen zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Heilmittelverbänden entsprächen und schließlich die Steigerungen der Beträge im Jahr 2019 in der Tagesstätte für den Sachverständigen nicht nachvollziehbar sei (Seite 18/19 des Gutachtens vom 14.02.2021, Bl. 243/244 d.A.), ist schon nicht ersichtlich, dass der medizinische Sachverständige Aussagen außerhalb seines Fachgebiet getroffen hätte. Im Wesentlichen handelt es sich insoweit um allgemein, auch ohne besondere Sachkunde nachvollziehbare Angaben. Den Verweis auf die vereinbarten Höchstsätze hat der Sachverständige mit einer entsprechenden Fundstelle nachgewiesen. Vor allem aber beruht die Entscheidung des Landgerichts zur Frage der Höhe der zu erstattenden Vergütungen nicht auf den Angaben des Sachverständigen. Selbst wenn insoweit eine Rechtsverletzung anzunehmen wäre, wäre diese für die angefochtene Entscheidung nicht erheblich (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Das Landgericht hat in seinem Urteil dargelegt, dass zur Bestimmung der üblichen Vergütung der Kreis aller Versicherten, von denen ca. 90% gesetzlich versichert sind, heranzuziehen sei. Da die beihilfefähigen Höchstsätze deutlich über den Sätzen der gesetzlichen Krankenversicherung lägen, könne die übliche Vergütung nicht über den von der Beklagten als Obergrenze angenommenen beihilfefähigen Höchstsätze liegen. Auf die Angaben des Sachverständigen hat das Landgericht sodann ausdrücklich nur ergänzend Bezug genommen. Die Entscheidung beruht auf den vorangehenden Erwägungen. Der Senat kommt aus den oben dargelegten Gründen zum selben Ergebnis, ohne dass es insoweit auf die Ausführungen des Sachverständigen ankäme. Ein für die Entscheidung erheblicher Rechtsfehler liegt daher insoweit nicht vor.
26
e) Zutreffend hat das Landgericht auf Grundlage der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen entschieden, dass eine medizinische Notwendigkeit für Hausbesuche nicht nachgewiesen werden konnte. Auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 31.03.2023 Ziffer 3.2 wird Bezug genommen. Darüber hinaus ist die Erstattung von Kosten für Hausbesuche im geltenden Tarif nicht vorgesehen. Auch insoweit wird Bezug genommen auf die Ziffer 3.2. des Beschlusses vom 31.03.2023 und Ziffer 1. Absatz 2 des Beschlusses vom 26.07.2023. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 23.08.2023 geltend macht, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen auf die GOÄ verweisen, ist zu berücksichtigen, dass dieser in Teil II § 5 (1) TB/KK enthaltene Verweis ausdrücklich nur für Heilbehandlungen und Vorsorgemaßnahmen gilt, nicht jedoch für Heilmittel (s.o. 2.e)). Wäre dies anders, würde sich – sehr zum Nachteil des Klägers – auch die Höhe der zu erstattenden Vergütung an den in der GOÄ angegebenen Sätzen orientieren.
27
f) Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass auch ein Anspruch auf die Erstattung von Teamgesprächen nicht besteht. Auch insoweit ist eine Erstattung im vorliegenden Tarif nicht vorgesehen. Auf Ziffer 3.1 des Beschlusses vom 31.03.2023 und Ziffer 1. erster Absatz des Beschlusses vom 26.07.2023 wird Bezug genommen.
28
g) Ohne Erfolg macht der Kläger mit der Berufung geltend, dass es sich bei dem Urteil des Landgerichts um eine Überraschungsentscheidung gehandelt habe. Allein dass Ansprüche schlüssig dargelegt sind, bedeutet nicht, dass sie auch begründet sind. Das Urteil ist auch hinsichtlich der Bestimmung der Obergrenze der üblichen Vergütung nicht unstimmig, geschweige denn überraschend. Es hat für die Bestimmung der üblichen Vergütung den Kreis sämtlicher Versicherter herangezogen und – da die für die Mehrheit der gesetzlichen Versicherten gezahlten Sätze unter den für die Beihilfeempfänger gezahlten Sätze liegen – festgestellt, dass die von der Beklagten gewährten beihilfefähigen Höchstsätze jedenfalls über der üblichen Vergütung liegen müssen. Dies ist in sich logisch und konsequent. Auch der Senat kommt letztlich zum selben Ergebnis (s.o.). Eine für die Entscheidung erhebliche Rechtsverletzung liegt insoweit nicht vor. Insbesondere liegt auch keine Überraschungsentscheidung vor. Die Frage, in welcher Höhe abgerechnete Leistungen erstattungsfähig sind, war einer der zentralen und von den Parteien und dem Gericht ausführlich erörterten Gesichtspunkte. Auch das Vorbringen in der Berufung rechtfertigt insoweit im Ergebnis keine andere Entscheidung (s.o.).
29
h) Dies zugrunde gelegt, steht dem Kläger für die Jahre 2016 und 2018 bis 2019 kein über die vom Landgericht zugesprochenen Beträge hinausgehender Anspruch zu. Für das Jahr 2017 ergibt sich über den vom Landgericht insoweit zugesprochenen Betrag von 991,80 € ein weiterer Erstattungsanspruch von 2.621,57 €. Auf die Ausführungen auf Seite 6 bis 9 des Hinweises vom 31.03.2023 und in Ziffer 3 des Beschlusses vom 26.07.2023 wird Bezug genommen.
30
Wie in den genannten Hinweisen im Einzelnen dargelegt, hat die Beklagte hinsichtlich der im Jahr 2016 eingereichten Rechnungen keine Kürzungen wegen Überschreitung der Höchstmenge der verordneten Therapieeinheiten vorgenommen. Soweit die Beklagte Kürzungen vorgenommen hat, weil sie einen Satz von nur 34,30 € statt der abgerechneten Beträge von 35,- € angesetzt hat, hat das Landgericht die jeweiligen Fehlbeträge von insgesamt 151,83 € zugesprochen. Wie oben dargelegt, hat die Beklagte zu Recht die Kosten für Teamgespräche und Hausbesuche nicht erstattet. Ein über den zugesprochenen Betrag hinausgehender Anspruch steht dem Kläger für 2016 nicht zu.
31
Für das Jahr 2017 hat das Landgericht dem Kläger zu Recht aufgrund nicht berechtigter Kürzungen der Höhe der Leistungen für die Logopädie und Ergotherapie einen Betrag von 370,- € zugesprochen. Um diesen Betrag hatte die Beklagte ausweislich ihrer Aufstellung vom 01.07.2020 (Bl. 194 d.A.) die Rechnung der Einrichtung Helfende Hände vom 30.06.2017 gekürzt. Damit sind die Leistungen für Logopädie und Ergotherapie in diesem Jahr vollständig bezahlt. Hinsichtlich der physiotherapeutischen Leistungen hat – wie vom Landgericht zutreffend entschieden – die Beklagte sowohl Kürzungen in der Höhe (bzgl. der Rechnung der Therapeutinnen H. und G.) vorgenommen, als auch weniger Therapieeinheiten bezahlt, als vom Sachverständigen als medizinisch notwendig erachtet wurden. Der Senat hat seiner Entscheidung insoweit zugrunde gelegt, dass der medizinische Sachverständige 45 Therapieeinheiten Physiotherapie im Quartal (mithin 180 Therapieeinheiten im Jahr zu je 45 Minuten) für medizinisch notwendig erachtet hat und dass die Beklagte die Erstattung von höchstens 45,30 € für jede Therapieeinheit (von mindestens 45 Minuten) unstreitig gestellt hat. Dies ergibt einen Betrag von 8.154,- € im Jahr. Da die Beklagte für physiotherapeutische Leistungen im Jahr 2017 nur einen Betrag von 4.910,63 € bezahlt hat, ergibt sich eine noch zu erstattende Differenz von 3.243,37 € für das Jahr 2017, mithin zusätzlich zu den vom Landgericht für die Physiotherapie zugesprochenen 621,80 €, weitere 2.621,57 €. Auf die Ausführungen auf Seite 8 des Beschlusses vom 31.03.2023 und unter Ziffer 3 des Beschlusses vom 26.07.2023 wird Bezug genommen. Der Senat verkennt nicht, dass die Beklagte mit Schreiben vom (Anlage K 24) eine Frequenz von 5 Einheiten Physiotherapie pro Woche zugesagt hatte. Allerdings bezog sich diese Zusage ausdrücklich auf Einzeltermine, so dass die Beklagte – aus der Aufstellung im Schriftsatz vom 01.07.2020 ersichtlich – dieser Zusage entsprechend von den Rechnungen aus diesem Zeitraum jeweils nur die Hälfte der abgerechneten Physiotherapieeinheiten übernommen hat. Da der Sachverständige jedoch 45 Therapieeinheiten (gegebenenfalls auch als Doppeleinheit, dann aber mit der Folge dass sich die Anzahl der Termine halbiert) zu je 45 Minuten als erforderlich angesehen hat und die Beklagte einen Höchstsatz von 45,30 € für jede Therapieeinheit zu je 45 Minuten unstreitig gestellt hat, ist der oben berechnete Betrag für 2017 noch zu erstatten.
32
Im Jahr 2018 hat die Beklagte die Rechnungen der Einrichtung Helfende Hände nur hinsichtlich der Kosten für Teamgespräche – insoweit zu Recht – gekürzt und im Übrigen vollständig beglichen. Auf von Frau H. und Frau G. abgerechnete Therapieeinheiten hat die Beklagte nach ihrer Aufstellung 7.944,80 € erstatte, nach der Aufstellung des Klägers sogar noch etwas mehr. Berücksichtigt man, dass die Beklagte darüber hinaus auch die Kosten für die Physiotherapieeinheiten in der Einrichtung Helfende Hände übernommen hat, ist der Betrag von 8.154,- € im Jahr 2018 jedenfalls deutlich überschritten. Die Beklagte hat im Jahr 2018 darüber hinaus auch mehrfach 50% der für Hausbesuche abgerechneten Kosten übernommen, obwohl darauf kein Anspruch bestand. Ein über den vom Landgericht bereits zugesprochenen Betrag von 538,70 € hinausgehender Anspruch steht dem Kläger daher für 2018 nicht zu.
33
Für das Jahr 2019 ist nur der Behandlungszeitraum bis 06.10.2019 geltend gemacht. Die Kosten für Logopädie und Ergotherapie hat die Beklagte, soweit ersichtlich, vollständig erstattet. Die Kürzungen betrafen die abgerechneten Einheiten für Physiotherapie. Zutreffend hat das Landgericht insoweit angenommen, dass für diesen Zeitraum 138 Therapieeinheiten Physiotherapie zu erstatten waren und daher über die erstatteten 112 hinaus noch weitere 26 Therapieeinheiten zu je 45,30 € zuzusprechen waren. Über den zugesprochenen Betrag von 1.177,80 € hinaus steht dem Kläger auch insoweit kein Anspruch zu.
34
3. Hinsichtlich der zugesprochenen Zinsen hat der Kläger mit der Berufung nichts gegen die Entscheidung des Landgerichts eingewandt.
35
4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 ZPO (Kosten), § 708 Nr. 10, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit), 543 Abs. 2 ZPO (Nichtzulassung der Revision) und §§ 47, 48 GKG (Streitwert). Hinsichtlich der Kosten ergibt sich nunmehr für die erste Instanz ein vom Kläger zu tragender Anteil von 89% und ein von der Beklagten zu tragender Anteil von 11%. Von den Kosten der Berufung haben der Kläger 91% und die Beklagte 9% zu tragen.