Titel:
Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen durch Lagerung zum Zweck des Weiterverkaufs
Normenketten:
TabakerzG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 11, § 34 Abs. 1 Nr. 4
RL 2014/40/EU Art. 2 Nr. 40
Leitsätze:
Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch werden auch dann entgegen § 11 TabakerzG in Verkehr gebracht, soweit ein Händler sie zum Zwecke des Weiterverkaufs an gewerbliche Abnehmer oder Endverbraucher lagert. (Rn. 13)
Unter Inverkehrbringen iS des TabakerzG ist nicht nur die Abgabe an Verbraucher, sondern jede Abgabe auf jeder Stufe in der Kette von der Herstellung bis zum Verbraucher zu verstehen (Ergänzung zu BGH BeckRS 1998, 31360771). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tabak, Tabak Pouches, Inverkehrbringen, Lagern, Händler
Fundstellen:
wistra 2023, 351
BeckRS 2023, 46
LSK 2023, 46
LMuR 2023, 163
Tenor
Die Beschwerde des Verteidigers wird nach Maßgabe der Gründe teils als unzulässig, teils als unbegründet verworfen.
Die Beschuldigte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Die Beschuldigte ist Geschäftsführerin der … GmbH (fortan: GmbH) mit Sitz in H. Sie wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschlagnahmebeschluss. Dem liegt zugrunde:
2
In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2022 kontrollierten Beamte des Zolls auf dem Rasthof … an der BAB 7 einen Lkw, der unterschiedliche Tabakerzeugnisse geladen hatte. Die Fahrer hatten die Fracht am Sitz der GmbH aufgeladen und befanden sich auf der Fahrt zum Empfänger, einem gewerblichen Händler, in Italien. Weil nach den Umständen der Verdacht des gewerbsmäßigen Schmuggels bestand, durchsuchten die Zollbeamten am 18. Juli 2022 auf der Grundlage eines am selben Tag erlassenen Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Nürnberg auch die Räume der GmbH gem. § 103 StPO. Die Beschwerde der Beschuldigten gegen die Durchsuchung hat die Kammer mit Beschluss vom 12. September 2022 (12 Qs 43/22) verworfen.
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Am 14. September 2022 ordnete der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Nürnberg die Beschlagnahme zahlreicher im Lager der GmbH sichergestellter Tabakerzeugnisse an. Insoweit bestehe der Verdacht des gewerbsmäßigen Schmuggels und eines Verstoßes gegen § 34 TabakerzG. Am selben Tag legte der Verteidiger hiergegen Beschwerde ein, der der Ermittlungsrichter nicht abhalf. Allerdings vereinbarten Verteidigung und Staatsanwaltschaft, dass die weitere Durchsicht der sichergestellten Unterlagen ausgesetzt wird, bis die Begutachtung der sichergestellten Tabakerzeugnisse im Hinblick auf ihre Steuerbarkeit nach dem Tabaksteuergesetz abgeschlossen ist.
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Nachdem das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) eine Teilbegutachtung von Proben der Tabakerzeugnisse vorgelegt hatte, stellte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Schmuggels am 6. Dezember 2022 gem. § 170 Abs. 2 StPO ein. Aufgrund des Gutachtens sei nämlich davon auszugehen, dass die untersuchten Tabakerzeugnisse kein nach dem Tabakssteuergesetz steuerbarer Rauchtabak seien. Allerdings hält die Staatsanwaltschaft wegen eines Teils der sichergestellten Tabakerzeugnisse eine Strafbarkeit gem. § 34 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe c TabakerzG weiterhin für gegeben, weil diese zum oralen Gebrauch in Verkehr gebracht worden seien. Insofern führt sie das Ermittlungsverfahren fort. Dementsprechend hat sie am 6. Dezember 2022 auch verfügt, nur die nicht zum oralen Gebrauch bestimmten Tabakerzeugnisse an die Beschuldigte herauszugeben.
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Der Verteidiger der Beschuldigten hat mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2022 beantragt, die Beschlagnahme aller sichergestellten Unterlagen und Gegenstände aufzuheben. Aufgrund des Gutachtens sei der Tatverdacht des gewerbsmäßigen Schmuggels nunmehr entfallen. Der Verdacht einer Strafbarkeit nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe c TabakerzG sei nicht gegeben. Mit weiterem Schriftsatz vom 21. Dezember 2022 hat er zudem beantragt, den Durchsuchungsbeschluss aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass die weitere Durchsuchung rechtswidrig sei.
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Die Beschwerde hat insgesamt keinen Erfolg.
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1. Die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ist unzulässig, soweit die Kammer hierüber bereits mit Beschluss vom 13. September 2022 entschieden hat (12 Qs 43/22). Soweit die Durchsuchung noch andauert, weil die zwischenzeitlich ausgesetzte Durchsicht der sichergestellten Unterlagen wieder aufgenommen wurde, ist der Tatverdacht nicht entfallen, sodass die Beschwerde insoweit unbegründet ist. Zwar hat die Staatsanwaltschaft das ursprünglich wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Schmuggels eingeleitete Ermittlungsverfahren nunmehr gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Allerdings hat sich aufgrund der Durchsuchung bei der Beschuldigten ein neuer Tatverdacht wegen des Verstoßes gegen das Tabakerzeugnisgesetz ergeben. Dieser auf einem Zufallsfund (§ 108 StPO) beruhende Tatverdacht rechtfertigt die Fortführung der Durchsicht (vgl. dazu unter 2) und deshalb scheidet die Herausgabe der nunmehr gesichteten Unterlagen - jedenfalls derzeit - aus.
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2. Die Beschwerde gegen die Beschlagnahme von Tabakerzeugnissen ist unbegründet.
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Sie ist dahin zu verstehen, dass sie sich gegen die erfolgte Beschlagnahme nur insoweit wendet, als die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Tabakerzeugnisse noch nicht freigegeben hat; freigegeben hat sie je vier Kartons … und …, sowie einen Karton … In diesem Umfang ist die Beschwerde zulässig, jedoch unbegründet, weil der Verdacht eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 34 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe c TabakerzG besteht und die beschlagnahmten Gegenstände als Beweis- und als Einziehungsgegenstände in Betracht kommen.
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a) Das strafbewehrte Verbot des § 34 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe c mit § 11 TabakerzG betrifft nach der Begriffsbestimmung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG mit Art. 2 Nr. 8 der RL 2014/40/EU vom 3. April 2014 alle Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch mit Ausnahme von Erzeugnissen, die zum Inhalieren oder Kauen bestimmt sind (vgl. Horst in Sosnitza/Meisterernst, LebensmittelR, 183. EL März 2022, TabakerzG § 11 Rn. 4 ff.; Boch, TabakerzG, § 11 Rn. 4; Rohnfelder in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 243. EL August 2022, TabakerzG § 11 Rn. 1).
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Insoweit ist auf der Grundlage der der Verteidigung bekannten, noch nicht abschließenden gutachtlichen Ausführungen des LGL, auf die verwiesen wird, davon auszugehen, dass die noch nicht wieder herausgegebenen Tabakerzeugnisse jedenfalls zum Teil als nicht verkehrsfähige Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch i.S.d. § 11 TabakerzG zu qualifizieren sein könnten. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um sog. Tabak Pouches, d.h. Tabak enthaltende Beutel, die nicht gekaut, sondern in die Mundhöhle gelegt werden, um das Nikotin über die Mundschleimhaut aufzunehmen. Zu verweisen ist hier auf die Ausführungen auf Bl. 459-463 d.A. Insoweit ist auch die potenzielle Beweisbedeutung gegeben, die die Beschlagnahme der Tabakerzeugnisse als Beweismittel rechtfertigt. Die Erzeugnisse werden, soweit noch nicht geschehen, im Einzelnen zu begutachten und rechtlich einzuordnen sein.
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b) Diese Tabakerzeugnisse hat die Beschuldigte mutmaßlich entgegen § 11 TabakerzG in Verkehr gebracht und damit gegen § 34 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe c TabakerzG verstoßen.
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aa) § 1 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG mit Art. 2 Nr. 40 RL 2014/40/EU definiert das Inverkehrbringen u.a. als die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung von Produkten für Verbraucher, die sich in der Union befinden. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b TabakerzG bestimmt weiter, dass diese Definition im Anwendungsbereich des Tabakerzeugnisgesetzes mit der Maßgabe gilt, dass die Bereitstellung von Produkten jede Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit umfasst. Der nationale Gesetzgeber hat mit dieser Maßgabe eine Angleichung an Art. 2 Nr. 1 und 2 der Verordnung (EG) 765/2008 vom 8. Juli 2008 herbeiführen wollen, sodass insbesondere auch die Lagerhaltung vom Inverkehrbringen erfasst sein sollte (BT-Drs. 18/7218, S. 35). Die Bereitstellung von Produkten für Verbraucher, die sich in der Union befinden, müsse so ausgelegt werden, dass der Bedeutungsschwerpunkt nicht so sehr auf dem Definitionsbestandteil Verbraucher, sondern darauf liege, dass jede Bereitstellung auf dem Markt der Europäischen Union gemeint sei - in Abgrenzung zur Vermarktung für Verbraucher in Drittstaaten, wo die Anforderungen der Richtlinie nicht zu erfüllen seien (BT-Drs. 18/7218, S. 36). Dementsprechend versteht auch die Kommentarliteratur unter dem Inverkehrbringen nicht nur die Abgabe an Verbraucher, sondern jede Abgabe auf jeder Stufe in der Kette von der Herstellung bis zum Verbraucher (Horst in Sosnitza/Meisterernst, LebensmittelR, 183. EL, § 1 TabakerzG Rn. 19a; Boch, TabakerzG, § 1 Rn. 9). Die Kammer schließt sich diesem Normverständnis an.
14
bb) Hiervon ausgehend befanden sich die beschlagnahmten Asservate in Lagerhaltung, die als tatbestandliches Inverkehrbringen zu verstehen war. Ausweislich des Durchsuchungsvermerks und des Sicherstellungsprotokolls, in dem bei jedem Asservat auch der Fundort angegeben ist, wurden die beschlagnahmten Tabakerzeugnisse in der Lagerhalle der GmbH, einem Hochregallager, in einzeln bezeichneten Warenreihen, auf Paletten und teils auf dem Gabelstapler vorgefunden. Geschäftsgegenstand der GmbH war und ist der Groß- und Einzelhandel mit Lebensmitteln, Alkohol und Tabakwaren. Damit spricht alles dafür, dass die beschlagnahmten Tabakerzeugnisse für die Abgabe an Einzelhändler oder an Endkunden bestimmt und dazu eingelagert waren.
15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.