Titel:
Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Elektrokleinstfahrzeug (E-Scooter)
Normenketten:
StVG § 1 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, § 24a Abs. 2, Abs. 3
StVG § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. y (idF bis zum 28.7.2021
VwZVG Art. 21a
StVZO § 63a Abs. 1
FeV § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a, § 11 Abs. 8, § 14 Abs. 1 S. 3
FeV Anl. 4 Nr. 9.2.2.
Leitsatz:
Die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Elektrokleinstfahrzeug (E-Scooter) unter der Wirkung von Cannabis, die den Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG erfüllt, begründet Zweifel hinsichtlich der Fahreignung nur für Kraftfahrzeuge, nicht aber für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind (insbesondere Fahrräder), und kann daher auch keine auf solche Fahrzeuge bezogene Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtfertigen. (Rn. 15 – 16)
Schlagworte:
Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier (Kraft-)Fahrzeuge, Fahrt mit einem E-Scooter unter der Wirkung von Cannabis gelegentlicher Cannabiskonsum medizinisch-psychologische Untersuchung, Nichtbeibringung des Fahreignungsgutachtens, Hinreichende Bestimmtheit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und der untergesetzlichen Rechtsgrundlage (offen), E-Scooter, Elektrokleinstfahrzeug, Pedelecs mit Unterstützung, Cannabis
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 21.12.2022 – B 1 S 22.1112
Fundstellen:
VRS , 145
LSK 2023, 4692
NJW 2023, 2363
ZfS 2023, 294
BeckRS 2023, 4692
Tenor
I. Unter Abänderung von Nr. 1 der erstinstanzlichen Entscheidung wird die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt und angeordnet, soweit die Untersagungsverfügung und die daran anknüpfende Zwangsgeldandrohung vom 24. November 2022 sich auf fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge erstreckt, die keine Kraftfahrzeuge sind.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Unter Aufhebung von Nr. 2 der erstinstanzlichen Entscheidung wer-den die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen gegeneinander aufgehoben.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der am … … 2002 geborene Antragsteller wendet sich in diesem Beschwerdeverfahren gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge.
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Durch Mitteilung der Verkehrspolizeiinspektion München vom 14. März 2022 erhielt das Landratsamt Kulmbach, Fahrerlaubnisbehörde, Kenntnis davon, dass der Antragsteller am 29. Oktober 2021 mit einem Elektrokleinstfahrzeug (E-Scooter) unter der Wirkung eines berauschenden Mittels (Cannabis) am Straßenverkehr teilgenommen hat. Dem rechtsmedizinischen Gutachten vom 10. Februar 2022 zufolge wurden bei der entnommenen Blutprobe folgende Werte festgestellt: Tetrahydrocannabinol (THC) 2,5 ng/ml, Hydroxy-THC ca. 0,78 ng/ml, THC-Carbonsäure 33 ng/ml. Im polizeilichen Bericht vom Tattag wird u.a. ausgeführt, der Antragsteller habe nach erfolgter Belehrung angegeben, regelmäßig Marihuana zu konsumieren. Zuletzt habe er vor zwei Tagen zwei Joints geraucht. Die Ordnungswidrigkeit wurde mit einem Bußgeld und einem Fahrverbot geahndet (Bußgeldbescheid vom 5.5.2022, rechtskräftig seit 18.8.2022).
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Mit Schreiben vom 10. Mai und vom 10. Juni 2022 kündigte das Landratsamt dem Antragsteller die Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Mit Schreiben vom 4. August 2022 ordnete das Landratsamt die Beibringung eines solchen Gutachtens bis zum 4. November 2022 zur Klärung der Fragen an, ob der Antragsteller trotz der Hinweise auf gelegentlichen Cannabiskonsum und der Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss geeignet sei zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, zum Führen fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge und zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme). Dieses Gutachten brachte der Antragsteller nicht bei.
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Mit Schreiben vom 10. November 2022 erteilte der Landkreis Dahme-Spreewald dem Landratsamt Kulmbach aufgrund eines Umzugs des Antragstellers nach Schönefeld am 1. Oktober 2022 die Zustimmung zum Abschluss des Verfahrens.
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Nach Anhörung mit Schreiben vom 10. November 2022 untersagte das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 24. November 2022 unter Anordnung des Sofortvollzugs und Androhung eines Zwangsgelds für den Fall der Nichtbeachtung das Führen fahrerlaubnisfreier (Kraft-)Fahrzeuge. Aus der Weigerung zur Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens dürfe auf die Nichteignung zum Führen fahrerlaubnisfreier (Kraft-)Fahrzeuge geschlossen werden. Die Ungeeignetheit bestimme sich nach denselben Vorschriften, die auch für das Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge gälten. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sei die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier (Kraft-)Fahrzeuge ermessensgerecht. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag (Parallelverfahren Az. 11 CS 23.44) entzog das Landratsamt dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds zur Abgabe des Führerscheins.
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Über die gegen beide Bescheide erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Bayreuth noch nicht entschieden. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Untersagung sowie auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. Dezember 2022 abgelehnt. Die Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises Dahme-Spreewald habe der Verfahrensbeendigung durch das Landratsamt Kulmbach zugestimmt. Die Untersagung sei hinreichend bestimmt. Sie erstrecke sich auf sämtliche fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge. Dazu gehörten auch Elektrokleinstfahrzeuge, also beispielsweise Elektroroller. Der Antragsteller besitze nicht die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge. Die Ungeeignetheit ergebe sich aus der Nichtbeibringung des zu Recht angeordneten Fahreignungsgutachtens. Das Landratsamt habe von zumindest gelegentlichem Cannabiskonsum ausgehen dürfen. Die bloße, nicht substantiierte Behauptung des Antragstellers, lediglich einmalig Cannabis konsumiert zu haben, sei nicht ausreichend. Der laut Polizeibericht gegenüber den kontrollierenden Polizeibeamten angegebene Cannabiskonsum zwei Tage vor der Verkehrskontrolle könne den in der entnommenen Blutprobe festgestellten THC-Wert von 2,5 ng/ml nicht erklären, da THC bei inhalativem Konsum sehr schnell vom Blut resorbiert werde und nach einem Einzelkonsum nur sechs bis zwölf Stunden nachweisbar sei. Der Antragsteller müsse daher entweder am Tag der Fahrt nochmals oder aber häufig Cannabis konsumiert haben. Mit der Fahrt am 29. Oktober 2021 habe der Antragsteller gegen das Trennungsgebot verstoßen. Die Beibringungsaufforderung entspreche auch den formellen Anforderungen. Die Fragestellung sei hinreichend konkret und bestimmt. Das Landratsamt habe auch das ihm zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Es ergäben sich auch keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Untersagung zum Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs, auch wenn die Mobilität des Antragstellers aufgrund der umfassenden Untersagungsverfügung für sämtliche fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge in einem größeren Ausmaß tangiert werde. Eine Beschränkung der Untersagung nur auf Kraftfahrzeuge wäre im Hinblick auf die Sicherheit nicht gleich geeignet. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung und der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, die die Kammer allerdings nicht teile, blieben einem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
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Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt der Antragsteller im Wesentlichen ausführen, der Antragsgegner habe dem Prozessvertreter des Antragstellers die Aktenbestandteile hinsichtlich der Zustimmung des Landkreises Dahme-Spreewald zur Verfahrensbeendigung durch das Landratsamt Kulmbach trotz Ersuchens nicht zur Verfügung gestellt. Auch das Verwaltungsgericht habe weder die digitalisierte Behördenakte per beA weitergeleitet noch sei es der Bitte nachgekommen, die Auszüge aus der Behördenakte zu übermitteln, aus denen sich angeblich ergebe, dass der Antragsteller bereits 2021 mit Betäubungsmitteln in Berührung gekommen sei. Wegen Zweifeln an der Unparteilichkeit des Verwaltungsgerichts werde ein Befangenheitsantrag gestellt. Im Übrigen sei der Beschluss des Verwaltungsgerichts fehlerhaft, weil das Gericht seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, der nach Angaben des Antragstellers unzutreffend sei. Dieser habe lediglich einmalig Marihuana konsumiert und sei weder davor noch danach mit Betäubungsmitteln (ausgenommen ärztlich verordneten Medikamenten) in Kontakt gekommen. Es erschließe sich nicht, von welchem eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Jahr 2022 das Verwaltungsgericht ausgehe. Der aktenkundige Vorfall vom 3. März 2021 belege keinen Cannabiskonsum. Der Antragsteller habe die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Aussage zu seinem Cannabiskonsum gegenüber den Polizeibediensteten bei der Verkehrskontrolle am 29. Oktober 2021 vehement bestritten. Er sei von den Polizeibediensteten auch nicht belehrt worden. Den erstinstanzlich erhobenen Einwand hinsichtlich der Anhörung vor Erlass des Bescheids, mit der das Landratsamt eine empfindliche Drohung in Form einer Nötigung gegenüber dem Antragsteller ausgesprochen habe, habe das Verwaltungsgericht unbeachtet gelassen. Unzutreffend seien die Rückschlüsse des Verwaltungsgerichts aus dem am 29. Oktober 2021 festgestellten THC-COOH-Wert von 33 ng/ml auf die Konsumhäufigkeit. Die ermittelten Blutwerte seien zum Beleg eines gelegentlichen Konsums, der zumindest zwei selbstständige Konsumvorgänge voraussetze, wofür die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast trage, nicht geeignet. Eine Umkehr der Beweislast dahingehend, dass der Betroffene einen einmaligen Cannabiskonsum plausibel darzulegen habe, sei mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten Privilegierung des Erstkonsumenten und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vereinbar. Außerdem nehme das Verwaltungsgericht rechtsfehlerhaft an, dass sich aus der Untersagungsverfügung hinreichend bestimmt und klar ergebe, welche Fahrzeuge hiervon umfasst seien. Unklarheiten gingen zulasten der Behörde. Schließlich sei die Untersagung rechtswidrig, weil das Landratsamt hinsichtlich der Beibringungsanordnung nahezu von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen sei, obwohl diese erst bei wiederholten Verstößen gegen das Trennungsgebot zwingend sei und Teile der Wissenschaft einen Verstoß gegen das Trennungsvermögen erst ab einer THC-Konzentration von 3,0 ng/ml im Blutserum annähmen. Außerdem sei die Begründung der Ermessensentscheidung des Landratsamts floskelhaft und nicht einzelfallbezogen. Obwohl das Verwaltungsgericht die generelle Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier (Kraft-)Fahrzeuge als sehr weitreichend ansehe, nehme es an, dass das Landratsamt in Ermangelung der Gutachtensvorlage keine eingeschränkte Entscheidung gegebenenfalls durch Beschränkung auf das Führen von E-Scootern habe treffen können.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Die zulässige Beschwerde hat im tenorierten Umfang Erfolg. Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist voraussichtlich insoweit rechtswidrig, als sie sich auf Fahrzeuge erstreckt, die keine Kraftfahrzeuge (insbesondere Fahrräder) sind. Darüber hinaus ergibt sich aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), nicht, dass die erstinstanzliche Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu beanstanden wäre.
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1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist – wovon auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist – der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – NJW 2021, 1970 Rn. 10 ff.; BayVGH, B.v. 25.4.2022 – 11 CS 21.2988 – juris Rn. 11). Bei der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge handelt es sich im Unterschied zur Entziehung der Fahrerlaubnis um einen Dauerverwaltungsakt, da sich die Regelungswirkung nicht in einem einmaligen Verbot oder einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage in der Vergangenheit erschöpft, sondern sich das angeordnete Verbot fortlaufend verlängert und aktualisiert.
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2. Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2023 (BGBl I Nr. 56), das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Führer eines Fahrzeugs ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist, finden nach § 3 Abs. 2 FeV die Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung.
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Im Falle einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis ist nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung gegeben, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden (Trennungsgebot), kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Begründen bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung, etwa ein Verstoß gegen das Trennungsgebot, kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens anordnen. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 19 m.w.N.).
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a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sind nicht erfüllt, soweit sie sich auf Fahrzeuge erstreckt, die keine Kraftfahrzeuge sind.
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Vorbehaltlich einer abschließenden Prüfung im Hauptsacheverfahren geht der Senat davon aus, dass die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Elektrokleinstfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis, die den Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310, 919), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2023 (BGBl I Nr. 56), erfüllt, jedenfalls keine Zweifel hinsichtlich der Fahreignung für sonstige fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge begründet, die keine Kraftfahrzeuge sind (insbesondere Fahrräder), und daher auch keine auf solche Fahrzeuge bezogene Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtfertigen kann. Dies ergibt sich aus Folgendem:
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Regelt der Gesetzgeber, wie in § 24a StVG, verkehrsrechtlich relevantes Verhalten, hier die Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung berauschender Mittel, in einem Bußgeldtatbestand, so ist diese Regelung insoweit abschließend. Auch im Bereich des präventiven Fahrerlaubnisrechts kann dann vorbehaltlich einer ausdrücklich abweichenden Regelung nicht davon ausgegangen werden, dass darüber hinaus höhere Anforderungen an die Fahreignung, etwa ein bußgeldrechtlich nicht bewehrtes Trennungsgebot gelten würden. Ordnungswidrig nach § 24a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 StVG handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels (u.a. Cannabis) im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz (bei Cannabis: THC) im Blut nachgewiesen wird, es sei denn, die Substanz rührt aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels her (§ 24a Abs. 2 Satz 2, Satz 3 StVG). Der Bußgeldtatbestand ist ausdrücklich auf Kraftfahrzeuge beschränkt und erfasst daher nicht sonstige fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge. Kraftfahrzeuge sind Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein (§ 1 Abs. 2 StVG). Auch Elektrokleinstfahrzeuge (z.B. E-Scooter) sind – ungeachtet des Umstands, dass sie fahrerlaubnisfrei geführt werden dürfen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a FeV) – Kraftfahrzeuge, wenn sie die in § 1 der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung – eKFV) vom 6. Juni 2019 (BGBl I S. 756), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091), festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Für sie gilt daher – bezogen auf Cannabis – der Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG und damit auch das Trennungsgebot gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV.
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Ausschließlich durch Muskelkraft angetriebene Fahrräder sind hingegen keine Kraftfahrzeuge (vgl. § 63a Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung – StVZO – vom 26.4.2012 [BGBl I S. 679], zuletzt geändert durch Gesetz vom 2.3.2023 [BGBl I Nr. 56]). Pedelecs mit Unterstützung sind nach § 1 Abs. 3 Satz 1 StVG ebenfalls keine Kraftfahrzeuge und gelten nach § 63a Abs. 2 StVZO als Fahrräder, wenn sie durch Muskelkraft fortbewegt werden und nur mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet sind, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder früher, wenn der Fahrer im Treten einhält, unterbrochen wird. Diese Fahrzeuge werden daher vom Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG nicht erfasst. Eine Fahrt unter der Wirkung von Cannabis mit einem solchen Fahrzeug kann lediglich dann geahndet werden, wenn sie den Straftatbestand des § 316 oder des § 315c StGB erfüllt, die ausdrücklich für alle Fahrzeuge gelten. Beide Straftatbestände setzen jedoch den konkreten Nachweis voraus, dass der Fahrzeugführer infolge des Genusses berauschender Mittel (hier Cannabis) nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Bei Betäubungsmitteln kann der erforderliche Nachweis einer drogenbedingten Fahrunsicherheit nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Vielmehr bedarf es weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die anhand einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (stRspr, zuletzt BGH, B.v. 2.8.2022 – 4 StR 231/22 – DAR 2022, 642 Rn. 8 m.w.N.). In Fällen, in denen dem Betroffenen eine drogenbedingte Fahrunsicherheit nicht nachgewiesen werden kann und sein Verhalten somit lediglich den Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG erfüllt, bestehen daher keine über die hiervon betroffenen Fahrzeugkategorien hinaus begründeten Zweifel an der Fahreignung für andere Fahrzeugarten, also insbesondere nicht für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind.
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Da der Antragsteller mit seiner Fahrt mit einem E-Scooter unter der Wirkung von Cannabis zwar den Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG, aber keinen Straftatbestand erfüllt hat, beschränken sich die Eignungszweifel daher auf Fahrzeugarten, die von dieser Vorschrift erfasst werden. Die darüber hinausgehende Beibringungsanordnung des Landratsamts vom 4. August 2022, die ausdrücklich auch fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge erfasst, die keine Kraftfahrzeuge sind, erweist sich damit ebenso wie die an die Nichtbeibringung des Gutachtens anknüpfende Untersagungsverfügung vom 24. November 2022 in diesem Umfang als rechtswidrig. Aufgrund der insoweit zu bejahenden Erfolgsaussichten der Klage ist antragsgemäß auch deren aufschiebende Wirkung gegen den angeordneten Sofortvollzug wiederherzustellen (Untersagungsverfügung) bzw. anzuordnen (Zwangsgeldandrohung).
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b) Im Übrigen, also für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge, greifen die zur Beschwerdebegründung erhobenen Einwände nicht durch.
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aa) Gegen die hinreichende Bestimmtheit der Untersagungsverfügung hinsichtlich der der von ihr erfassten Fahrzeugarten bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Untersagt bleibt nach dem soeben Ausgeführten neben der Entziehung der Fahrerlaubnis (dazu die Entscheidung vom heutigen Tage im Parallelverfahren 11 CS 23.44) das Führen fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr. Für Kraftfahrzeuge gilt, wie bereits dargelegt, die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 StVG. Erfasst werden damit insbesondere auch Elektrokleinstfahrzeuge nach § 1 eKFV, also auch E-Scooter, nicht aber die durch § 1 Abs. 3 StVG ausgenommenen Fahrzeuge, etwa Pedelecs. Schiebe- und Greifreifenrollstühle, Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller, Kinderfahrräder, Inline-Skates, Rollschuhe und ähnliche nicht motorbetriebene Fortbewegungsmittel werden ebenfalls nicht erfasst, da sie keine Fahrzeuge sind (§ 24 Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung – StVO – vom 6.3.2013 [BGBl I S. 367], zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.7.2021 [BGBl I S. 3091]). Die Untersagung ist ausdrücklich auf den öffentlichen Straßenverkehr beschränkt und erstreckt sich damit nicht auf Privatgrund, auf dem kein öffentlicher Straßenverkehr stattfindet.
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bb) Der zur Beschwerdebegründung erhobene Vorwurf, das Landratsamt und das Verwaltungsgericht hätten Aktenbestandteile oder die digitalisierte Behördenakte nicht zur Verfügung gestellt, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Erstinstanzlich hat der Bevollmächtigte des Antragstellers die erteilte Zustimmung des Landkreises DahmeSpreewald zur Verfahrensbeendigung zwar bestritten, aber beim Landratsamt vor Bescheiderlass trotz Hinweises auf die Zustimmung in der Anhörung vom 10. November 2022 nicht um deren Zuleitung gebeten. Richtig ist zwar, dass der Bevollmächtigte des Antragstellers das Verwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2022 um Überlassung der Behördenakte bzw. von Aktenauszügen ersucht hat und das Gericht diesem Gesuch vor Erlass des angefochtenen Beschlusses offenbar nicht nachgekommen ist. Allerdings hat der Senat dem Bevollmächtigten des Antragstellers die vollständige Behördenakte auf Ersuchen zukommen lassen und hierdurch rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren gewährt.
21
Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers daran anknüpfend in der Beschwerdebegründung ein Ablehnungsgesuch wegen Zweifeln „an der Unparteilichkeit des Verwaltungsgerichts“ gestellt hat, ohne allerdings den oder die davon betroffenen Richter namentlich zu benennen, kann dieses Gesuch schon deshalb keinen Erfolg haben, weil – worauf der Senat bereits mit Schreiben vom 12. Januar 2023 hingewiesen hat – ein Ablehnungsantrag nur bis zum Erlass der Entscheidung des Instanzgerichts und nicht mehr im Rechtsmittelverfahren gestellt werden kann (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 54 Rn. 22 m.w.N.).
22
cc) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV für die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Abklärung der Fahreignung für fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge liegen vor.
23
(1) Der Verstoß des Antragstellers gegen das auf Cannabis bezogene Trennungsgebot am 29. Oktober 2021 mit einem Elektrokleinstfahrzeug (E-Scooter), für das – wie oben ausgeführt – wie bei fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen der Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG gilt, wurde rechtskräftig durch Bußgeldbescheid geahndet und steht damit hinreichend fest. Er wurde als solcher auch vom Antragsteller nicht bestritten.
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(2) Das Landratsamt durfte auch von gelegentlichem Cannabiskonsum des Antragstellers ausgehen. Gelegentlicher Konsum von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – BVerwGE 165, 215 Rn. 14). Ein Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr ist hierfür nicht erforderlich.
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Bei der Wertung, dass der Antragsteller mehr als einmal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert hat, handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Zwar weist der Bevollmächtigte des Antragstellers zu Recht darauf hin, dass die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast für die gelegentliche Cannabiseinnahme (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FeV) trägt, sodass es zu ihren Lasten geht, wenn diese nicht erweislich ist. Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falles, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument bereits wenige Stunden nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch von der Polizei kontrolliert wird, ist allerdings im Rahmen der Beweiswürdigung die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (BayVGH, B.v. 7.3.2023 – 11 CS 22.2608 – juris Rn. 14; B.v. 28.4.2022 – 11 CS 21.3173 – juris Rn. 16; B.v. 7.3.2022 – 11 CS 22.362 – juris Rn. 15; B.v. 12.11.2021 – 11 CS 21.2536 – juris Rn. 14 f.). Darin liegt keine Umkehr der Beweislast, sondern lediglich eine Wertung im Rahmen der Beweiswürdigung unter Einbeziehung der Mitwirkungsobliegenheit des Betroffenen im Bereich präventiver Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs, für die weder die Unschuldsvermutung noch der Grundsatz ‚nemo tenetur se ipsum accusare‘ gilt.
26
Für diese substantiierte und plausible Darlegung reicht das bloße Bestreiten der Richtigkeit polizeilicher protokollierter Äußerungen oder sonstiger Feststellungen anlässlich der Verkehrskontrolle grundsätzlich nicht aus. Dem polizeilichen Bericht zufolge hat der Antragsteller nach erfolgter Belehrung angegeben, „regelmäßig“ Marihuana zu konsumieren und zuletzt vor zwei Tagen zwei Joints geraucht zu haben. Daran muss er sich festhalten lassen. Zwar kann aus dieser Äußerung nicht ohne Weiteres auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV geschlossen werden, der auch ohne Zusatztatsachen die Fahrungeeignetheit zur Folge hätte. Davon ist aber auch weder das Landratsamt noch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Allerdings ist die protokollierte Angabe zum Zeitpunkt und zum Umfang des vorangegangenen Cannabiskonsums präzise genug, um daraus auf mindestens zwei Konsumvorgänge, nämlich zum einen zwei Tage vor der Kontrolle und zum anderen zeitnah im Zusammenhang mit der Kontrolle, schließen zu können. Behörden und Gerichte dürfen grundsätzlich von der Richtigkeit polizeilicher Sachverhaltsschilderungen ausgehen. Eine Beurteilung sicherheitsrechtlicher Sachverhalte an Hand polizeilicher Feststellungen kann das Ergebnis einer nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Beweiswürdigung sein (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ein Verwaltungsgericht kann sich auch ohne weitergehende Beweisaufnahme schon auf Grund einer Vielzahl polizeilicher Sachverhaltsschilderungen eine Überzeugung vom Vorliegen sicherheitsrechtlicher Tatbestände bilden. Dies schließt es zwar nicht aus, dass konkrete und substantiierte Einwände gegen die polizeiliche Sachverhaltsschilderung und Beurteilung der weiteren Klärung durch das Gericht bedürfen (vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2023 – 11 CS 22.2608 – juris Rn. 17 m.w.N.). An solchen Einwänden fehlt es hier aber.
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Nur ein zeitnaher Konsum vor der Verkehrskontrolle am 29. Oktober 2021 kann zu dem rechtsmedizinisch festgestellten THC-Wert von 2,5 ng/ml im Blutserum ca. 35 Minuten nach dem Ende der Fahrt geführt haben. Denn die im Blut feststellbaren THCWerte sinken bei nur gelegentlichem Cannabiskonsum innerhalb von Stunden auf Konzentrationen im Bereich der bzw. unter die Nachweisgrenze ab (Möller in Hettenbach/Kalus/Möller/Pießkalla/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 3. Aufl. 2016, § 3 Rn. 177, 188, 234; BayVGH, B.v. 29.11.2018 – 11 CS 18.2228 – juris Rn. 20). Anders ist dies bei Dauerkonsumenten, bei denen sich nachweisbare Werte bis zu 48 Stunden halten können (Möller, a.a.O. Rn. 209). Da der Antragsteller Derartiges nicht behauptet hat, ist der bei der Verkehrskontrolle festgestellte Wert nicht durch den von ihm gegenüber der Polizei eingeräumten Konsum von zwei Joints zwei Tage vor der Fahrt zu erklären. Somit ist davon auszugehen, dass er mindestens zweimal, nämlich am 29. Oktober 2021 und zwei Tage davor, und damit gelegentlich Cannabis konsumiert hat.
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(3) Den weiteren aktenkundigen Vorfall vom 3. März 2021 (nicht 2022), bei dem der Antragsteller im Rahmen einer Personenkontrolle einen Grinder mit Marihuanaanhaftungen sowie ein Glas mit einer geringen Menge Marihuana ins Gebüsch geworfen hat, hat weder das Landratsamt noch das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich zum Beleg eines gelegentlichen Cannabiskonsums herangezogen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Vorfall (mit einer unzutreffenden Datierung auf den 3.3.2022, wobei auch der Bevollmächtigte des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 7.3.2023 im Parallelverfahren von einem Schreibversehen ausgeht) insoweit lediglich als zusätzliches und damit nicht tragendes Indiz für einen gelegentlichen Cannabiskonsum gewertet. Ob es sich dabei um einen hinreichend belastbaren Anhaltspunkt handelt, kann daher dahinstehen. Gleiches gilt für den vom Verwaltungsgericht ebenfalls „nur ergänzend“ herangezogenen THC-Carbonsäure-Wert von 33 ng/ml im Blutserum, der nach Ansicht des Senats jedenfalls allein keinen gesicherten Rückschluss darauf erlaubt, dass der Antragsteller gelegentlicher Cannabiskonsument ist. THC-Carbonsäure ist ein Abbauprodukt von THC, das sich bei kontinuierlicher Cannabiseinnahme im Fettgewebe des Konsumenten ansammelt. Zwar ist ab einer THC-COOH-Konzentration von 150 ng/ml im Blutserum von regelmäßigem Cannabiskonsum auszugehen (vgl. BayVGH, B.v. 26.8.2019 – 11 CS 19.1432 – juris Rn. 9 m.w.N.). Deutlich niedrigere THC-COOH-Werte sind aber für das Konsummuster wenig aussagekräftig. Bei Gelegenheitskonsumenten fällt die THC-COOH-Konzentration innerhalb weniger Stunden überwiegend auf unter 20 ng/ml ab (vgl. Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, Blutalkohol 2006, 361/365; Möller in Hettenbach/Kalus/Möller/Pießkalla/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, § 3 Rn. 128, 135), kann aber kurz nach dem Konsum durchaus höhere Werte erreichen, und zwar auch bei einmaligem Konsum (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2006 – 11 CS 05.3394 – juris Rn. 32 ff.; HessVGH, B.v. 15.9.2016 – 2 B 2335/16 – juris Rn. 8, 10; OVG NW, B.v. 5.2.2015 – 16 B 8/15 – juris Rn. 11 f.).
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Vorliegend kommt es darauf aber nicht entscheidungserheblich an, da der gelegentliche Cannabiskonsum des Antragstellers, wie bereits ausgeführt, aufgrund anderer Feststellungen hinreichend gesichert ist.
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dd) Ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde führt der Vorwurf, das Verwaltungsgericht sei nicht auf den erhobenen Einwand eingegangen, das Landratsamt habe mit der Anhörung vor Erlass des Bescheids eine empfindliche Drohung in Form einer Nötigung gegenüber dem Antragsteller ausgesprochen.
31
Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet die Gerichte dazu, entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht muss sich jedoch in den Gründen der Entscheidung nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich auseinandersetzen. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen in seine Erwägung einbezogen hat. Nur wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls klar und deutlich ergibt, dass das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs angenommen werden (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 5 B 75.15 D – juris Rn. 11).
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Davon ausgehend liegt hier keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor, auch wenn das Verwaltungsgericht nicht explizit auf den erhobenen Vorwurf eingegangen ist. Bevor – wie hier – ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem grundsätzlich Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG). Dies hat das Landratsamt mit seinem Anhörungsschreiben vom 10. November 2022 in nicht zu beanstandender Weise getan und den Antragsteller auf die Konsequenzen der Nichtvorlage des Fahreignungsgutachtens und auf die Möglichkeit hingewiesen, zur Vermeidung einer kostenpflichtigen Entscheidung auf die Fahrerlaubnis zu verzichten (vgl. dazu Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsgesetz, 47. Auflage 2023, § 2 StVG Rn. 25) oder sich nochmals zur Sache zu äußern. Darin eine empfindliche Drohung oder gar Nötigung gegenüber dem Antragsteller zu sehen, erscheint fernliegend und abwegig und bedurfte somit zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör keiner Erörterung im angefochtenen Beschluss.
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ee) Schließlich greifen auch die Einwände hinsichtlich der Ermessensausübung des Landratsamts bei Erlass der Beibringungsanordnung nicht durch.
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(1) Die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV steht im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde. Das Landratsamt hat das Ermessen in seiner Beibringungsanordnung vom 4. August 2022 ordnungsgemäß ausgeübt. Es hat den Antragsteller auch hierzu vorher mit Schreiben vom 10. Mai und 10. Juni 2022 angehört und ihm Gelegenheit gegeben, sich zu äußern, wovon der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten auch Gebrauch gemacht hat. In seiner Beibringungsanordnung hat das Landratsamt ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen es sein Ermessen dahingehend ausübt, den Antragsteller zur Vorlage eines Fahreignungsgutachtens aufzufordern. Es ist dabei auch auf den Einwand eingegangen, der festgestellte THC-Wert liege unterhalb von 3 ng/ml im Blutserum. Abgesehen davon, dass beim Antragsteller mit 2,5 ng/ml ein nur wenig niedrigerer Wert vorlag, überschreitet es weder die gesetzlichen Grenzen des durch § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eingeräumten Ermessens noch widerspricht es dem Zweck der Ermächtigung (§ 114 Satz 1 VwGO), wenn bei einem dem Grenzwert von 1,0 ng/ml Blutserum entsprechenden oder nur geringfügig darüber liegenden THC-Wert die Einholung eines medizinischpsychologischen Gutachtens angeordnet wird (BayVGH, B.v. 12.11.2021 – 11 CS 21.2536 – juris Rn. 20). Dies gilt auch für fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge. In der Regel ist dies erforderlich, um aufzuklären, ob der Fahrerlaubnisinhaber künftig zwischen dem seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen wird (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – BVerwGE 165, 215 Rn. 34, 37; BayVGH, B.v. 3.11.2021 – 11 CS 21.1000 – juris Rn. 35). Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt den Konsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, wenn wegen des Cannabiskonsums die Möglichkeit einer Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit besteht. Von einer solchen Möglichkeit kann auch unter Berücksichtigung der Empfehlung der Grenzwertkommission vom September 2015 nach wie vor ausgegangen werden, wenn eine Konzentration von THC von 1 ng/ml oder mehr im Blutserum des Betroffenen festgestellt wird (BVerwG, a.a.O. Rn. 25 ff.; BayVGH, B.v. 12.11.2021 – 11 CS 21.2536 – juris Rn. 15; OVG NW, B.v. 3.2.2023 – 16 B 1590/21 – juris Rn. 17, 24).
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(2) Die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens oder die bloße Vorlage von Abstinenznachweisen, die der Antragsteller offenbar vorgezogen hätte, ist nach § 14 FeV weder vorgesehen noch ausreichend, wenn – wie hier – von gelegentlichem Cannabiskonsum und einem Verstoß gegen das Trennungsgebot auszugehen ist und für einen ärztlich festzustellenden regelmäßigen Cannabiskonsum oder eine -abhängigkeit, die per se zur Fahrungeeignetheit führen, keine ausreichenden Anhaltspunkte vorliegen.
Ohne psychologische Abklärung der Trennungsbereitschaft besteht bei gelegentlichem Cannabiskonsum keine hinreichende Entscheidungsgrundlage für die Fahrerlaubnisbehörde.
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ff) Im Beschwerdeverfahren nicht gerügt und daher hier nicht zu erörtern ist die Frage, wie sich der Umstand auswirkt, dass die Fragestellung in der Beibringungsanordnung des Landratsamts vom 4. August 2022 nur zum Teil, nämlich für fahrerlaubnispflichtige und fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge gerechtfertigt war (vgl. dazu Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 11 FeV Rn. 42c). Diese Prüfung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Dabei wird allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass die zu weitgehende Fragestellung für die Nichtbeibringung des Gutachtens durch den Antragsteller, der sich primär auf einmaligen Cannabiskonsum berufen hat, nicht kausal gewesen sein dürfte.
37
c) Auch im Hinblick auf verfassungsrechtliche Bedenken an § 3 Abs. 1 FeV als Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung sowie an deren Ermächtigungsgrundlage in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG in der bis zum 27. Juli 2021 geltenden Fassung (a.F.), auf die hier abzustellen ist, welche die Beschwerde ebenfalls nicht gerügt hat, die der Senat aber von Amts wegen berücksichtigt (Art. 20 Abs. 3 GG), hat die Beschwerde keinen Erfolg.
38
aa) Zwar ist fraglich, ob die im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses bzw. der letzten Änderung des § 3 Abs. 1 FeV geltende Verordnungsermächtigung (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2020 – 4 C 6.18 – NVwZ 2021, 1624 Rn. 50) für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt hat, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden bzw. sich zumindest mithilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen müssen (vgl. dazu BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – BVerwGE 171, 1 Rn. 32 ff.).
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Der Senat ist allerdings nicht mit der für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG gebotenen Gewissheit davon überzeugt, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. mit dem Grundgesetz nicht vereinbar war (vgl. bereits BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 21.968 – DAR 2021, 584 Rn. 16; B.v. 20.1.2022 – 11 CS 21.2856 – juris Rn. 14 ff.; B.v. 25.4.2022 – 11 CS 21.2988 – juris Rn. 21 ff.). Die Klärung dieser in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage (vgl. OVG Saarl, B.v. 3.5.2021 – 1 B 30/21 – Blutalkohol 58, 284; VG Gelsenkirchen, B.v. 23.9.2021 – 7 L 901/21 – juris Rn. 31 ff.; NdsOVG, B.v. 1.4. 2008 – 12 ME 35/08 – NJW 2008, 2059 = juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 23.4.2015 – 16 E 208/15 – juris Rn. 4 ff.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 6 StVG Rn. 10 und § 3 FeV Rn. 10a; Koehl, NZV 2022, 449/451; ders. SVR 2022, 378/380; Rebler/Müller, DAR 2014, 690/695) muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Der Senat hat daher davon abgesehen, das Eilverfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dem insoweit das Verwerfungsmonopol zukommt, zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. einzuholen. Abgesehen davon geriete eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in einem dann für längere Zeit auszusetzenden Eilverfahren mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG in Konflikt. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist insoweit Zurückhaltung geboten und über den Antrag im Wege einer Abwägung der Interessen der Verfahrensbeteiligten zu entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2021 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). Auch der Frage, ob § 3 Abs. 2 FeV hinsichtlich der Eignungsanforderungen für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge hinreichend bestimmt ist und mit der pauschalen Verweisung auf die für Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber geltenden Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV hinsichtlich der Klärung von Eignungszweifeln angesichts des im Vergleich dazu geringeren Gefährdungspotenzials fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge dem Verhältnismäßigkeitsgebot gerecht wird, wird im Hauptsacheverfahren nachzugehen sein.
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bb) Die somit gebotene Interessenabwägung führt hier dazu, dass die vom Antragsteller begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Untersagung, fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen, abzulehnen ist. Gleiches gilt für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die daran anknüpfende, kraft Gesetzes (Art. 21a VwZVG) sofort vollziehbare Zwangsgeldandrohung für etwaige Verstöße.
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Das Fahren eines fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugs unter einer die Eignung ausschließenden Wirkung berauschender Mittel (hier Cannabis) ist mit der Gefahr schwerer Unfälle nicht nur für den Antragsteller selbst, sondern auch für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer verbunden, etwa mit Blick auf unerwartete Reaktionen oder unkontrolliertes Fahrverhalten auf der Fahrbahn. Eine gefestigte Änderung der Teilnahme am Straßenverkehr mit solchen Fahrzeugen nach Cannabiskonsum, die Gefahren während der Dauer des Hauptsacheverfahrens hinreichend sicher ausschließt, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Dies wäre im Rahmen des von ihm verlangten medizinisch-psychologischen Gutachtens möglich gewesen. Seinen Mitwirkungsobliegenheiten ist der Antragsteller jedoch nicht nachgekommen. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, ihn aufgrund der nach wie vor bestehenden Fahreignungszweifel zum Schutz der Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer bis auf Weiteres von der Teilnahme mit fahrerlaubnisfreien sowie mit fahrerlaubnispflichtigen (vgl. dazu den Beschluss des Senats vom heutigen Tage im Parallelverfahren 11 CS 23.44) Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr auszuschließen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).