Titel:
Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, Schuldspruchkorrektur und Rechtsfolgen nach Inkrafttreten des CanG
Normenkette:
StPO § 318, § 354; KCanG § 34 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 4
Schlagworte:
Inkrafttreten CanG, Besitz von Cannabis, Schuldspruchänderung, Aufhebung Rechtsfolgenausspruch, Erörterungsmangel
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 29.06.2023 – 1116 Ls 367 Js 122235/22
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 12.04.2024 – 206 StRR 122/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 46765
Entscheidungsgründe
1
Das Amtsgericht München verurteilte den Angeklagten am … wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem wurde die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet, deren Vollstreckung ebenfalls nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Des Weiteren wurde die Einziehung sichergestellter Anbauutensilien angeordnet.
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Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom …, bei Gericht eingegangen am selben Tage, Berufung ein.
3
Gegen dieses Urteil legte auch die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom …, bei Gericht eingegangen am …, Berufung ein.
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Mit der Ladung zur Berufungshauptverhandlung erteilte der Vorsitzende Richter folgenden Hinweis:
In der Anklageschrift und im Urteil des Amtsgerichts München befindet sich ein Schreibfehler.
Nach dem Rechenwerk in der Anklageschrift und im Urteil hatten 322,22 g Marihuana einen Wirkstoffgehalt von mindestens 6,3 %, was 20,29 g THC ergäbe und 198,91 g Marihuana einen Wirkstoffgehalt von mindestens 7,1 %, was 14,12 g THC ergäbe. Insgesamt wären das dann 34,41 g und nicht 32,8 g wie in der Anklageschrift und im Urteil ausgeführt.
Nach dem vorliegenden Wirkstoffgutachten beträgt der Mindestwirkstoffgehalt bei dem gesamten sichergestellten Marihuana einheitlich mindestens 6,3 %.
198,91 g Marihuana hätten dann 12,53 g THC, was insgesamt 32,82 g (abgerundet 32,8 g) THC ergäbe.
Soweit in der Anklageschrift und im Urteil einmal ein Mindestwirkstoffgehalt von 7,1 % ausgeführt wird, muss es insoweit richtig 6,3 % heißen. Wenn dieser Wert entsprechend dem vorliegenden Wirkstoffgutachten korrigiert wird, stimmt das Rechenwerk in der Anklageschrift und im schriftlichen Urteil.
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Nachdem bereits vor Aufruf der Sache feststand, dass der Angeklagte zum Termin zur Berufungshauptverhandlung am …, … Uhr, jedenfalls nicht pünktlich erschienen war, wurde die Berufung der Staatsanwaltschaft vor Aufruf der Sache im Bürowege zur gesonderten Verhandlung abgetrennt.
6
Der Verteidigerin des Angeklagten gelang es, den Angeklagten zu erreichen, sodass dieser um … Uhr im Sitzungssaal erschien.
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Daraufhin wurde die Berufung der Staatsanwaltschaft wieder zur Berufung des Angeklagten hinzuverbundenen und die Berufungshauptverhandlung durchgeführt.
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Nach der Feststellung der Formalien; der Verlesung des Urteilstenor, sowie der Urteilsgründe in I. (ohne Voreintragungen), II. und IV.; der Feststellung, dass Vorgespräche mit dem Zweck eine Verständigung nach § 257 c StPO herbeizuführen nicht stattgefunden haben; der Belehrung des Angeklagten, dass es ihm freistehe sich zur Sache und/oder sich zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu äußern oder nicht auszusagen; der Verlesung des oben genannten Hinweise des Vorsitzenden in der Ladungsverfügung; sowie der Äußerung des Angeklagten zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie zur Sache, beschränkte zunächst der Angeklagte seine Berufung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch, sowie beschränkte anschließend die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Angeklagten die Berufung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch.
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Ziel der Berufung des Angeklagten war eine Reduzierung der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe, die nach dem Antrag seiner Verteidigerin nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann, sowie ein Wegfall der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB. Der Angeklagte selbst hoffte in seinem letzten Wort dagegen weiter auf eine Strafaussetzung zur Bewährung.
10
Ziel der verbleibenden Berufung der Staatsanwaltschaft war eine Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, sowie ebenfalls ein Wegfall der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB.
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In der Berufungsinstanz wurden keine Gespräche mit dem Zweck geführt, eine Verständigung gemäß § 257 c StPO herbeizuführen.
12
Der Angeklagte wurde bereits für die 1. Instanz von der Sachverständigen Dr. … zur Klärung der Frage der Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt der dem Angeklagten angelasteten Straftat, sowie zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 63, 64 StGB begutachtet.
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Im Termin zur Berufungshauptverhandlung vom … teilte der Zeuge PHM … im Rahmen seiner Vernehmung mit, dass in der Wohnung des Angeklagten am … erneut eine Durchsuchung stattfand und hierbei erneut eine Aufzuchtanlage mit Cannabispflanzen, Cannabisprodukte im 3-stelligen Grammbereich, sowie weitere Betäubungsmittel sichergestellt worden seien.
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Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft stellte sodann fest, dass es bei der Staatsanwaltschaft das weitere Verfahren …gab. Diese Akte wurde daraufhin noch in der Sitzung beigezogen.
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Nach dieser Ermittlungsakte fand am …erneut eine Durchsuchung in der identischen Wohnung des Angeklagten statt und wurden hierbei erneut eine Aufzuchtanlage diesmal mit 22 Cannabispflanzen (insgesamt 184 g Blütenstände), weitere (4,87 g + 3,62 g =) 8,49 g Cannabis, 0,176 g Ketamin, 0,28 g Cannabisharz (Haschisch), 2 Tabletten mit einer Zubereitung von 2C-B (4-Brohm-2,5-dimethoxyphenylethylamin, BDMPEA = Betäubungsmittel nach Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG), sowie 1½ Papiertrips 1T-LSD (kein Betäubungsmittel und kein Stoff nach dem NpSG) aufgefunden. Dieses Verfahren wurde seitens der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Dieses Verfahren war der Berufungskammer wie auch der Verteidigerin bislang unbekannt.
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Die Berufungshauptverhandlung wurde daraufhin bis … unterbrochen, um der Berufungskammer und der Verteidigung eine Akteneinsicht in dieses weitere Verfahren zu ermöglichen, sowie der Sachverständigen die Möglichkeit zu geben, auch die in diesem weiteren Verfahren vorhandenen Haargutachten bei der Gutachtenserstattung zu berücksichtigen.
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In Unterbrechung der Vernehmung des Zeugen PHM … verzichtete der Angeklagte auf die bei ihm sichergestellten Gegenstände.
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Die statthaften Berufungen waren zulässig (§§ 312, 314 Abs. 1 StPO).
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Die Berufungen wurden jeweils wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt (§§ 318, 302 Abs. 2 StPO).
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Beide Berufungen erwiesen sich nur hinsichtlich der im amtsgerichtlichen Urteil angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt als erfolgreich. Diese wurde nicht aufrechterhalten.
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Ebenso entfiel die im amtsgerichtlichen Urteil angeordnete Einziehung beim Angeklagten sichergestellter Anbauutensilien, da der Angeklagte insoweit in der Berufungshauptverhandlung auf die sichergestellten Gegenstände verzichtete.
22
Die Berufungsverhandlung hat ergeben:
A. Zur Person des Angeklagten:
23
Der inzwischen Jahre alte Angeklagte ist in … geboren, … …, … und …. Zum Zeitpunkt seiner Geburt führte er den Familiennamen … . Die genauen Umstände seines Namenswechsels konnten nicht geklärt werden. Vermutlich heiratete die Mutter des Angeklagten nach dessen Geburt dessen leiblichen Vater.
24
Der Angeklagte lebt derzeit allein in einem Apartment, das im Eigentum seines Vaters steht.
25
Der Angeklagte schloss die Schule im Jahr … mit der Mittleren Reife ab. Eine 1. Ausbildung zum Zerspannungsmechaniker brach er ab. Eine sich anschließende Ausbildung zum Elektromechaniker brach er ebenfalls ab. Eine weitere 2. Ausbildung zum Zerspannungsmechaniker beendete er in zeitlicher Hinsicht, legte aber nie die Abschlussprüfung ab.
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In der Folge folgten kurzzeitige Beschäftigung bei der …, …, als Kellner und in einem Freibad. Die Beschäftigungen wurden jeweils wegen Unzuverlässigkeit des Angeklagten beendet.
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Seit … ist der Angeklagte keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit mehr nachgegangen.
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Der Angeklagte plant, zukünftig als Gärtner tätig zu werden. Er erklärte, er habe im Internet den Anbau von Cannabis studiert, wolle in diesem Bereich eine Firma gründen und der Allgemeinheit mit der Aufzucht von Cannabispflanzen Gutes tun. Der Angeklagte geht insoweit davon aus, dass er trotz seiner erheblichen Schulden aufgrund der von ihm erwarteten Gesetzesänderungen demnächst in der „Cannabisindustrie“ als selbstständiger Unternehmer tätig werden könne.
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Im Alter von … Jahren wurde beim Angeklagten ADHS diagnostiziert und der Angeklagte wurde für 1 Jahr mit Ritalin behandelt.
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… erlitt der Angeklagte einen Autounfall. Zwar zahlte seine Unfallversicherung an den Unfallgegner …, der Angeklagte fühlt sich allerdings als Opfer dieses Unfalls. Aufgrund dieses Unfalls fühlt sich der Angeklagte als psychisch belastet.
31
Am … wurde der Angeklagte wegen Selbstmordgefährdung in die Psychiatrie eingeliefert. Einen Tag später verließ er die Einrichtung.
32
Mit … Jahren trank der Angeklagte seine ersten alkoholischen Getränke. Mit … Jahren hatte er auf dem Oktoberfest seinen ersten Rausch. Derzeit trinkt er nur gelegentlich in geringen Mengen Alkohol.
33
Der Angeklagte nimmt keine Medikamente.
34
Mit … Jahren rauchte der Angeklagte seine ersten Nikotinzigaretten. Zeitweise rauchte er 1 Schachtel täglich. Noch während der Schulzeit im Alter von … Jahren hörte er mit dem Rauchen auf.
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Mit … Jahren konsumierte der Angeklagte erstmalig Cannabisprodukte. Mit … Jahren konsumierte er täglich. Derzeit konsumiert er dreimal täglich jeweils 0,5 g.
36
Ab dem Alter von … Jahren konsumierte der Angeklagte auch LSD, Amphetamin, MDMA, Ketamin, Pilze, Kokain und Schnüffelstoffe.
37
Im Zeitraum etwa … bis … konsumierte er häufig Kokain, regelmäßig exzessiv Ketamin, regelmäßig intensiv Amphetamin, regelmäßig sehr intensiv MDMA, und regelmäßig, möglicherweise mehrmals täglich Cannabisstoffe.
38
Der Angeklagte verherrlicht den Konsum von Cannabisprodukten und ist nicht bereit, darauf zu verzichten.
39
Den wissentlichen Konsum anderer illegaler Drogen bestreitet er. Er halte sich allerdings häufig auf Partys auf. Dort seien auch viele …-jährige Mädchen. Die würden bei diesen Partys so viele Drogen konsumieren, dass sich dies wahrscheinlich auf seine Haare übertragen habe.
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Beim Angeklagten liegt eine Cannabisabhängigkeit, ICD 10: F 12.2 vor, sowie zusätzlich ein multipler Substanzmissbrauch (Polytoxikomanie) ICD 10: F 19.1.
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Der Angeklagte hat keinerlei Einsicht in seine Suchterkrankung, ist besessen vom Konsum von Cannabis, nicht bereit Verantwortung zu übernehmen. Er ist in seiner Lebensgestaltung bereits erheblich beeinträchtigt, so ist er nicht in der Lage dauerhafte intime oder familiäre Beziehungen einzugehen oder den Anforderungen an einem Arbeitsplatz zu genügen. Bei ihm liegt ein amotivationales Syndrom (AMS) vor (Leistungsminderung und Antriebsstörungen über Gleichgültigkeit bis zu Apathie auf Grund geringer bis fehlender Motivation).
42
Die Lebenseinstellung des Angeklagten zu illegalen Drogen beeinträchtigt den Angeklagten augenblicklich mehr als seine Drogensucht.
43
Der Angeklagte ist ein schwer kranker Mensch, der dringend Behandlung benötigt, derzeit aber nicht bereit ist, sich helfen zu lassen.
44
Der Angeklagte bezieht derzeit Bürgergeld in Höhe von rund … € monatlich, zuzüglich Mietkosten. Er zahlt insoweit … € monatlich an seinen Vater.
45
Der Angeklagte hat nach eigenen Angaben Schulden im 6-stelligen Bereich. Der Angeklagte geht davon aus, in dieser Höhe auch durchsetzbare Schmerzensgeldforderungen zu haben, zum Beispiel gegenüber Polizeibeamten, sodass sein Vermögenstand insgesamt ausgeglichen sei.
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Mit … Jahren erwarb der Angeklagte den Führerschein, dieser wurde ihm allerdings wieder entzogen.
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Der Angeklagte ist bereits wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
Korrigierte Tatbezeichnung: Vorsätzliche Körperverletzung in 2 selbständigen Fällen in Tatmehrheit mit 2 selbstständigen Fällen des Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz
Die Eintragung im BZR entspricht nicht dem vorliegenden Urteil.
Datum der (letzten) Tat: …
Angewendete Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 53, GewSchG § 1 Abs. 1, § 4
120 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
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Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Angeklagte war für etwa 6 Monate der Lebensgefährte der Geschädigten …, geboren am … . Im Rahmen der Beziehung kam es jedenfalls in folgenden zwei Fällen zu körperlicher Gewalt des Angeklagten gegen die Geschädigte:
- 1.
-
Ende …kam es in der Wohnung des Angeklagten in der … in … zu einem Streit um das Handy der Geschädigten. Der Angeklagte hatte es in der Hand und wollte es der Geschädigten nicht wieder geben. Als die Geschädigte nach dem Handy griff – der Angeklagte hielt es in die Höhe – biss der Angeklagte der Geschädigten in das Handgelenk, so dass diese erhebliche Schmerzen erlitt. Die Abdrücke von Ober- und Unterkiefer waren am Arm der Geschädigten zu erkennen. Die Geschädigte hatte den Angeklagten zuvor eventuell provoziert, jedoch nicht angegriffen.
- 2.
-
Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt während der Beziehung – also von … bis …, vermutlich eher am Ende der Zeit – kam es erneut zu einem Streit in der Wohnung des Angeklagten, wobei die Geschädigte die Wohnung gerade verlassen wollte. Der Angeklagte stieß sie von der Wohnungstür weg zu Boden und trat ihr sodann mit seinem Fuß gegen den Kopf. Es konnte nicht mehr geklärt werden, ob der Angeklagten zum Tatzeitpunkt Schuhe trug. Der Angeklagte drückte durch den Tritt den Ohrschmuck der Geschädigten – einen „Tunnel“ – so gegen den Kopf der Geschädigten, dass diese erhebliche Schmerzen erlitt.
- 3.
-
Am … erließ das Amtsgericht München – Familiengericht – eine einstweilige Verfügung gegen den Angeklagten, in welcher ihm jegliche Kontaktaufnahme zur Geschädigten … untersagt wurde. Diese Verfügung erhielt der Angeklagte spätestens am … zur Kenntnis. Gleichwohl schrieb der Angeklagte der Geschädigten am … von einem unbekannten Ort aus drei Nachrichten via Instagramm, wobei er ihr „Herz-Symbole“ schickte. Zudem rief er am … auf dem Handy der Geschädigten an und beteuerte ihr seine Liebe.
Strafantrag wurde in allen Fällen form- und fristgerecht gestellt. Die Staatsanwaltschaft hat zudem das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung befürwortet.
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2. … Amtsgericht Emmerich …-
Tatbezeichnung: Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln
Datum der (letzten) Tat: …
Angewendete Vorschriften: BtMG § 33, § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 1 80 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG).
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Es gelang nicht, diese Strafakte beizuziehen.
52
Die Strafe aus dieser Verurteilung wurde später einbezogen in den Gesamtstrafenbeschluss BZR Nr. 5.
Tatbezeichnung: Vorsätzlicher Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsvertrag in Tateinheit mit vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis
Datum der (letzten) Tat: …
Angewendete Vorschriften: StGB § 52, § 74, PflVG § 1, § 6 Abs. 1, § 6 Abs. 3, StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 21 Abs. 3 Nr. 1
45 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe.
Einziehung (von Tatprodukten, -mitteln und -objekten).
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Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Angeklagte fuhr am … gegen … Uhr mit dem Elektro-Longboard Boosted auf der … in …, obwohl für das Fahrzeug kein Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen war. Zudem war der Angeklagte nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis.
Seine Fahrerlaubnis war ihm durch das … der … mit Bescheid vom …, Az. … zugestellt am …, bestandskräftig seit …, entzogen worden. Eine neue Fahrberechtigung hat der Angeklagte seither nicht erworben.
Dies wusste der Angeklagte.
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Die Strafe aus dieser Verurteilung wurde später einbezogen in den Gesamtstrafenbeschluss BZR Nr. 5.
Tatbezeichnung: Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln
Datum der (letzten) Tat: …
Angewendete Vorschriften: BtMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 33
40 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe.
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG). Maßnahme nach: BtMG § 33.
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Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Am … verbrachte der Angeklagte bewusst und gewollt, und ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Erlaubnis zu sein, in dem Fernlinienbus … von … nach … 0,85 Gramm Haschisch, 0,47 Gramm Marihuana, 0,62 Gramm Marihuana, 0,47 Gramm Marihuana, 0,49 Gramm Marihuana, 0,74 Gramm Marihuana, 0,93 Gramm Marihuana, 0,52 Gramm Marihuana, 0,65 Gramm Marihuana, 0,69 Gramm Marihuana sowie 0,5 Gramm Marihuana (jeweils netto) in einem Einmachglas auf das Bundesgebiet, wo er es am … um … Uhr in dem Bus-Terminal des Flughafens … verwahrte.
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In dieser Sache wurde gegen den Angeklagten vom … bis … (39 Tage) Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt.
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5. … Amtsgericht Emmerich … -
100 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
Aufrechterhaltene Nebenstrafe oder Maßnahme nach Gesamtstrafenbildung.
Einziehung (von Tatprodukten, -mitteln und -objekten).
Nachträglich durch Beschluss gebildete Gesamtstrafe.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom …
Einbezogen wurde die Entscheidung vom …
Tatbezeichnung: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung in 4 tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung in 4 tateinheitlichen Fällen
Datum der (letzten) Tat: …
Angewendete Vorschriften: StGB § 113 Abs. 1, § 52, § 114 Abs. 1, § 114 Abs. 2, § 114 Abs. 3, § 185, § 194, § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 21, § 47 Abs. 2
150 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
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Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Am … gegen … Uhr wurden die Polizeibeamten POMin …, POM … PHM … und PM …zur Wohnung des Angeklagten in die …beordert, da der Angeklagte unmittelbar zuvor über das Kontaktformular der Polizei angab, dass er seinen Lebenssinn verloren hätte und am liebsten nur noch sterben würde. Während die Polizeibeamten die Türe zur Wohnung des Angeklagten aufgrund drohender Eigengefährdung unter Anwendung unmittelbaren Zwanges öffneten, beleidigte der Angeklagte die Polizeibeamten mehrfach mit den Worten „Hurensöhne“, „Verpisst euch, Ihr Drecksbullen“ und „Verpisst euch, Ihr Arschlöscher“, um seine Missachtung diesen gegenüber zum Ausdruck zu bringen.
Zudem drohte der Angeklagte den Beamten damit, sie umzubringen, sofern diese seine Wohnung betreten würden. Der Angeklagte nahm hierbei billigend in Kauf, dass die Beamten die Drohung ernst nahmen und tatsächlich um ihr Leben fürchteten. Nach dem objektiven Erklärungsgehalt war die Drohung auch hierzu geeignet.
Aufgrund seines aggressiven Verhaltens gegenüber den Beamten wurde der Angeklagte von PHM … fixiert, um ihm Handfesseln anzulegen. Während dieser Maßnahme trat der Angeklagte mit dem rechten Bein gezielt in Richtung von PM … Sein Tritt traf den Beamten auf Magenhöhe, wodurch dieser – wie von dem Angeklagten vorhergesehen und billigend in Kauf genommen – nicht nur unerhebliche Schmerzen verspürte. Als der Angeklagte von den Polizeibeamten zu Boden gebracht und ihm die Handfesseln angelegt wurden, trat der Angeklagte mehrfach gezielt in Richtung der eingesetzten Polizeibeamten. Zudem versuchte er sich durch Drehen, Winden und Strampeln dem Griff der Beamten zu entziehen.
Bei der Verbringung zum Dienstfahrzeug versuchte der Angeklagte PM … in den Finger zu beißen. Da dieser seine Hand rechtzeitig wegziehen konnte wurde er entgegen der Absicht des Angeklagten nicht am Finger verletzt. PM … erlitt jedoch aufgrund der Widerstandshandlungen des Angeklagten eine Schürfwunde am linken Unterarm und nicht nur unerhebliche Schmerzen. Dies hatte der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.
Die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme war dem Angeklagten bewusst. Gleichwohl leistete er hiergegen aktiven Widerstand.
Strafantrag wurde von den Polizeibeamten und deren Dienstvorgesetzten form- und fristgerecht gestellt.
Die Staatsanwaltschaft hält hinsichtlich der Körperverletzung wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
Die Fähigkeit des Angeklagten das Unrecht seines Tuns einzusehen, war weder beschränkt noch aufgehoben. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Fähigkeit des Angeklagten entsprechend dieser Einsicht zu handeln, im gesamten Tatzeitraum infolge einer bei ihm vorliegenden Verhaltensstörung durch Cannabinoide erheblich vermindert war. Aufgehoben war seine Steuerungsfähigkeit dagegen nicht.
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Die Strafe aus dieser Verurteilung wurde später einbezogen in den Gesamtstrafenbeschluss BZR Nr. 8.
Tatbezeichnung: Zwei Fälle der Beleidigung jeweils in vier tateinheitlichen Fällen
Datum der (letzten) Tat: …
Angewendete Vorschriften: StGB § 185, § 194, § 53, § 52
45 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
64
Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
- 1.
-
Am … gegen … Uhr beleidigte der Angeklagte, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der … aus, in einem öffentlichen Kommentar auf Facebook die Polizeibeamten PHM …, POM … POMin … und PM … von der Polizeiinspektion … mit den Worten: „… Absolute Untermenschen“ und „Blutrünstige pedophile Tyrannen, die sich am Leid anderer Menschen aufgeilen“, um seine Missachtung diesen gegenüber auszudrücken.
- 2.
-
Am … Uhr beleidigte der Angeklagte, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der …, … aus, in einem öffentlichen Kommentar auf Facebook die Polizeibeamten PHM … POM …, POMin … und PM … von der Polizeiinspektion … als „hässlons“ (Bezeichnung für eine sehr hässliche Person), um seine Missachtung diesen gegenüber auszudrücken.
Strafantrag wurde von den Geschädigten sowie deren Dienstvorgesetztem form- und fristgerecht gestellt.
65
Die Strafe aus dieser Verurteilung wurde später einbezogen in den Gesamtstrafenbeschluss BZR Nr. 8.
66
8. … AG München (D2601) -…-
180 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
Nachträglich durch Beschluss gebildete Gesamtstrafe.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom …
Einbezogen wurde die Entscheidung vom …
Tatbezeichnung: Unerl. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vors. unerl. Anbau von BTM in Tateinheit mit unerl. Besitz von BTM (Anlage 1 zum BtmG)
Datum der (letzten) Tat: …
Angewendete Vorschriften: StGB § 52, § 56, BtMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 3
1 Jahr(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit 4 Jahr(e).
Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 45 Abs. 1 StGB).
Bewährungshelfer bestellt.
68
Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Angeklagte bewahrte am … gegen … Uhr in seiner Wohnung in der … wissentlich und willentlich 100,99 Gramm des Betäubungsmittels Marihuana zum Zwecke des Handeltreibens auf. Zudem hatte er zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem … gegen … Uhr 10 Cannabis-Pflanzen in seiner Wohnung ausgebracht und aufgezüchtet, die jeweils eine Höhe von 10-40 cm erreicht hatten. Der Marihuanaertrag dieser Pflanzen betrug 15,64 Gramm in getrocknetem Zustand.
Die 100,99 g Marihuana hatten mindestens einen Wirkstoffgehalt von 11,3 % THC.
Die 15,64 g Marihuana hatten mindestens einen Wirkstoffgehalt von 5 %THC.
Zumindest drei Viertel des Betäubungsmittels waren zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten an nicht näher bekannte Abnehmer bestimmt.
Wie der Angeklagte wusste, verfügt er nicht über die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
69
In dieser Sache befand sich der Angeklagte vom … bis … in Untersuchungshaft.
70
Da die Berufungen wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurden, ist der Schuldspruch des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts München rechtskräftig geworden; die ihn tragenden tatsächlichen Feststellungen sind bindend und unterliegen nicht mehr der Nachprüfung durch die Strafkammer (§ 327 StPO). Insoweit wird auf die Gründe des Ersturteils (dort Ziffer II.) Bezug genommen, die wie folgt niedergelegt sind.
71
Der offensichtliche Übertragungsfehler im amtsgerichtlichen Urteil wurde hierbei bereits berücksichtigt (vergleiche oben I. 4.-6. Absatz):
Am … übte der Angeklagte aufgrund seiner Abhängigkeit von Cannabis in seiner Wohnung und dem dazugehörigen Kellerabteil in dem Anwesen … wissentlich und willentlich die tatsächlichen Sachherrschaft über insgesamt 522,13 g Marihuana aus. Er beabsichtigte, dass Marihuana selbst zu konsumieren.
Der Wirkstoffgehalt des gesamten Marihuanas betrug mindestens 6,3 % Tetrahydrocannabinol. Dies entspricht insgesamt einer Mindestmenge von 32,8 g Tetrahydrocannabinol. Einen solchen Wirkstoffgehalt hielt der Angeklagte für möglich und nahm ihn billigend in Kauf.
Wie der Angeklagte wusste, hatte er keine Erlaubnis zum Umgang mit Betäubungsmitteln.
Die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, war wieder aufgehoben noch erheblich beeinträchtigt.
72
1. Die unter III. A. getroffenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen, insbesondere zum Werdegang, zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und zum allgemeinen Gesundheitszustand beruhen auf den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung.
73
Der Angeklagte ist davon überzeugt, demnächst eine Erlaubnis zur Gründung einer Firma für den gewerbsmäßigen Anbau von Cannabis zu erhalten und in Zukunft auf diese Weise als selbstständiger Unternehmer tätig zu sein.
74
2. Die Feststellungen zum Cannabiskonsum des Angeklagten beruhen auf seinen insoweit glaubwürdigen Angaben, die durch die beiden Haargutachten im Verfahren … der … vom … (…) und vom bestätigt … werden. Beide Haargutachten wurden in der Berufungshauptverhandlung verlesen.
75
Bis zum Bekanntwerden der beiden Haargutachten aus dem Verfahren … wurde die Behauptung des Angeklagten, er konsumiere keine weiteren illegalen Drogen neben Cannabis, als zutreffend angenommen. Seine diesbezügliche Einlassung ist jedoch durch die beiden genannten Gutachten widerlegt. Die in den Haaren des Angeklagten festgestellten Substanzen können sich dort nur durch den Eigenkonsum der entsprechenden illegalen Betäubungsmittel eingelagert haben.
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In der Berufungshauptverhandlung erklärte der Angeklagte, er habe lediglich Pflanzen angebaut und es dafür nicht verdient, eingesperrt zu werden. Gegenüber der Gutachterin erklärte er, er werde lebenslang Cannabis konsumieren, Cannabis tue ihm gut. Gefängnis wäre ihm lieber, als im 64er zu landen. Als ihm seitens der Gutachterin erläutert wurde, was der § 64 ist, erwiderte er, das klinge für ihn wie ein Zoo, er würde lieber sterben, als in den 64 zu gehen.
77
Die Feststellungen zu den Auswirkungen der Lebenseinstellung des Angeklagten zu illegalen Drogen, sowie den Auswirkungen seines Drogenkonsums, beruhen auf den diesbezüglichen überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen … in der Berufungshauptverhandlung.
78
3. Die Feststellungen zu den Voreintragungen des Angeklagten beruhen auf der Verlesung des Auszuges aus dem Bundeszentralregister vom …, der vom Angeklagten als richtig bestätigt wurde.
79
Die korrigierten Feststellungen zu den verwirklichten Straftatbeständen der Verurteilung BZR Nr. 1, beruhen auf der Verlesung des Urteilstenors des Urteils des Amtsgerichts München vom … (BZR Nr. 1).
80
Die Feststellungen zu den Sachverhalten der einzelnen Vorverurteilungen beruhen auf den insoweit hinsichtlich der Sachverhalte verlesenen Urteilen des Amtsgerichts München vom … (BZR Nr. 1) und vom … (BZR Nr. 9), sowie den insoweit hinsichtlich der Sachverhalte verlesenen Strafbefehle des Amtsgerichts München vom …(BZR Nr. 3), vom … (BZR Nr. 6) und vom …(BZR Nr. 7), sowie des Strafbefehls des Amtsgerichts Nürtingen vom …(BZR Nr. 4).
81
Alle diese Feststellungen wurden vom Angeklagten als richtig bestätigt.
82
4. Am 1. Tag der Berufungshauptverhandlung wurde der Polizeibeamte … als Zeuge vernommen. Nachdem der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft vor der Vernehmung dieses Zeugen ihre Berufungen jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatten, erfolgte die Vernehmung des Zeugen nur noch zur Abklärung, welche Gegenstände beim Angeklagten bei der Durchsuchung am … sichergestellt worden waren, um die Einziehungsentscheidung auf sichere Füße zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte noch nicht auf die bei ihm sichergestellten Betäubungsmittelutensilien verzichtet.
83
Von sich aus erklärte der Zeuge, dass es am … zu einem weiteren Vorfall in der Wohnung des Angeklagten gekommen sei. Es sei durchsucht, eine Aufzuchtanlage aufgefunden und Cannabis im 3-stelligen Grammbereich sichergestellt worden.
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5. Die Bewährungshelferin des Angeklagten Frau … gab als Zeugin in der Berufungshauptverhandlung an, der Angeklagten sei ihr seit … zugeteilt gewesen. Der Kontakt sei mal gut mal schlechter gewesen. Seit … habe es zunächst keinen Kontakt mehr gegeben. Einen Termin habe sie wegen ihrer Erkrankung absetzen müssen. Am Tag vor dem 2. Tag der Berufungshauptverhandlung sei der Angeklagte auf ihre Einladung bei ihr gewesen. Der Angeklagte sei immer nett und höflich gewesen und habe sich sehr mit seiner Opferhaltung beschäftigt. Sie habe gehofft, dem Angeklagten eine stationäre Langzeittherapie nahebringen zu können, dies sei aber nicht gelungen.
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Der Angeklagte hat sich deshalb des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 1 Abs. 1 i.V. mit Anl. I, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 a Abs. 1 Nr. 2, 29 I S. 1 Nr. 1 BtMG schuldig gemacht.
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1. Bei der Strafzumessung war Ausgangspunkt der Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 BtMG, der Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 15 Jahren vorsieht.
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Einerseits lag ausschließlich die Tatbestandsalternative des unerlaubten Besitzes vor, handelte es sich insgesamt um eine sogenannte weiche Droge und waren die Drogen insgesamt für den Eigenkonsum des Angeklagten vorgesehen.
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Andererseits hatte der Angeklagte allerdings eine einschlägige Vorverurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Anbau von Betäubungsmitteln, in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr, deren Vollstreckung zum Tatzeitpunkt und auch heute noch offen ist, von der verbüßten Untersuchungshaft von knapp 1 Monat abgesehen.
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Unter diesen Umständen nahm die Berufungskammer keinen minder schweren Fall gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG an.
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2. Zu Gunsten des Angeklagten wurden bei der konkreten Strafzumessung insbesondere folgende Umstände berücksichtigt:
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Der Angeklagte war bereits in 1. Instanz umfassend geständig und beschränkte seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch. Die Beweislage war allerdings eindeutig.
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Es handelte es sich um eine sogenannte weiche Droge, die sichergestellt werden konnte und mit deren formloser Einziehung der Angeklagte einverstanden war.
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Der Angeklagte verwirklichte lediglich die Tatbestandsalternative des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
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Beim Angeklagten liegt eine eigene Betäubungsmittelabhängigkeit vor.
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Die verfahrensgegenständliche Straftat liegt inzwischen über 1½ Jahre zurück.
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Der Angeklagte ist gesundheitlich schwer beeinträchtigt.
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Der Angeklagte hat mit dem Widerruf der derzeit noch offenen Strafaussetzung zur Bewährung zu rechnen, d.h. konkret mit einem weiteren Strafübel von rund 11 Monaten Freiheitsstrafe.
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Zu Lasten der Angeklagten waren insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen:
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Der Angeklagte hatte zu den Tatzeitpunkten insgesamt 7 Vorverurteilungen, insbesondere eine einschlägige wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war und deren Bewährungszeit sowohl zum Tatzeitpunkt als auch heute noch läuft.
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Es lag eine erhebliche Rückfallgeschwindigkeit vor.
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Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hielt die Berufungskammer eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten für tat- und schuldangemessen.
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Auch bei Anwendung des Strafrahmens, der für minder schwere Fälle gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG vorgesehen ist, hätte die Berufungskammer eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten festgesetzt, die auch beim Strafrahmen des § 29 a Abs. 2 BtMG im unteren Bereich des Strafrahmens gelegen hätte.
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Auch nach den derzeitigen Plänen der Bundesregierung, deren Verwirklichung aus Sicht der Berufungskammer derzeit weder in zeitlicher Hinsicht noch inhaltlich absehbar ist, ganz abgesehen von möglichen Verstößen nach Europarecht, wäre der Besitz von Cannabis in der hier verfahrensgegenständlichen Menge auch zukünftig strafbar.
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Der in den derzeitigen Plänen der Bundesregierung vorgesehene Strafrahmen von 3 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe wurde zu Gunsten des Angeklagten vorsorglich berücksichtigt. Er hätte im konkreten Fall zu keiner anderen Freiheitsstrafe geführt.
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3. Die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.
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a) Beim Angeklagten kann derzeit keine ausreichend günstige Prognose gestellt werden (§ 56 Abs. 1 StGB).
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Ausreichende Anhaltspunkte, die es erlauben, davon auszugehen, dass sich der Angeklagte bereits die Verurteilung ausreichend zur Warnung dienen lassen wird, um künftig – im Gegensatz zur Zeit nach der letzten Verurteilung – nicht mehr straffällig zu werden, sind nicht vorhanden. Die Anhaltspunkte müssten so beschaffen sein, dass nicht nur eine allgemeine Hoffnung besteht, der Angeklagte werde sich künftig straffrei verhalten, sondern es müsste hierfür eine begründete Erwartung festzustellen sein. Eine solche Erwartung bedeutet zwar nicht, es müsse eine sichere Gewähr für künftig straffreie Führung geben. Es würde vielmehr ausreichen, dass die Begehung weiterer Straftaten nicht wahrscheinlich ist, weil die Resozialisierung des Täters auch ohne Vollstreckung der Freiheitsstrafe aussichtsreich ist. Dies lässt sich jedoch unter Berücksichtigung insbesondere der Kriterien des § 56 Abs. 1 S. 2 StGB nicht hinreichend begründen.
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Für den Angeklagten konnte eigentlich nur berücksichtigt werden, dass der Angeklagte im Vergleich zur letzten Verurteilung nicht mehr wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens verurteilt wurde.
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Folgende Punkte zeigten allerdings, dass eine positive Prognose beim Angeklagten derzeit nicht möglich ist:
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Der Angeklagte stand zum Tatzeitpunkt unter einschlägiger offener Bewährung.
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Die Rückfallgeschwindigkeit war sehr hoch.
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Der Angeklagte hat eine unbehandelte Drogenproblematik und jedenfalls derzeit keinerlei Bereitschaft, hieran etwas zu ändern.
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Unter diesen Umständen ist mit weiteren vergleichbaren Straftaten zu rechnen.
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Eine begründete Erwartung künftig straffreien Lebens für den Angeklagten lässt sich unter diesen Umständen derzeit nicht belegen.
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b) Bei Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten liegen beim Angeklagten auch keine positiven besonderen Umstände vor, die die Aussetzung der Vollstreckung einer über 1 Jahr liegenden Freiheitsstrafe gemäß § 56 Abs. 2 StGB rechtfertigen würden.
103
Die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe konnte daher unabhängig voneinander aus 2 Gründen nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Jeder dieser beiden Gründe hätte für sich allein bereits ausgereicht, die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen.
104
Die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB lagen nicht vor.
105
Beim Angeklagten liegt Polytoxikomanie, insbesondere eine Abhängigkeit von Cannabisprodukten vor. Dies hat auch bereits zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Angeklagten geführt, er ist zu dauerhaften intimen oder familiären Beziehungen nicht in der Lage. Alle Arbeitsverhältnisse, die der Angeklagte in den letzten Jahren hatte, scheiterten an seiner Unzuverlässigkeit.
106
Er konsumiert seit mindestens 10 Jahren regelmäßig Cannabisprodukte, zeitweise auch verstärkt andere illegale Drogen und leidet an einem amotivationsellen Syndrom.
107
Beim Angeklagten liegt also ein Hang vor, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen.
108
Die verfahrensgegenständliche Straftat beruht auch auf diesem Hang.
109
Beim Angeklagten sind zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere vergleichbare Straftaten zu erwarten.
110
Insbesondere aufgrund der Einstellung des Angeklagten zu illegalen Drogen und hier insbesondere zu Cannabisprodukten, schloss sich die Berufungskammer den Ausführungen der Sachverständigen an, dass beim Angeklagten derzeit keinerlei Anzeichen für einen möglichen Erfolg einer Behandlung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB vorliegen. Die Lebenseinstellung des Angeklagten ist insoweit schlimmer als seine Sucht. Es ist nicht zu erwarten, dass der Angeklagte unter diesen Umständen überhaupt eine Lockerungsstufe in der Unterbringung erreichen könnte.
111
Da der Angeklagte derzeit Cannabisprodukte verherrlicht und seinen Konsum anderer illegaler Betäubungsmittel abstreitet, ist innerhalb kürzester Zeit mit einem Abbruch einer Behandlung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB zu rechnen.
112
Der Angeklagte ist derzeit zu krank, um sich helfen zu lassen.
113
Mangels jeglicher Erfolgsaussichten konnte die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB nicht angeordnet werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 3 und 4 StPO