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AG München, Endurteil v. 30.08.2023 – 1292 C 816/23 WEG
Titel:

Erfolglose Anfechtung eines Beschlusses der Eigentümerversammlung

Normenkette:
WEG § 16 Abs. 2, § 45
Leitsatz:
2. Ein Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft, dessen Regelungsgehalt sich in der Aufforderung durch den Verwalter erschöpft, den Restaurations-Gastronomiebetrieb einer der Einheiten einzustellen und die Führung eines Restaurations-Gastronomiebetriebes in diesem Laden zu unterlassen, liegt im weiten Ermessensspielraum der Eigentümer, soweit Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der im Streit stehende Betrieb mit den Vorgaben in der Teilungserklärung möglicherweise nicht vereinbar ist und dieser widerspricht. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungseigentümergemeinschaft, Ungültigerklärung, ordnungsgemäße Verwaltung, Ermächtigungsbeschluss, Gastronomiebetrieb
Fundstellen:
BeckRS 2023, 46760
LSK 2023, 46760
ZMR 2024, 349

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.
4. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Ungültigerklärung eines Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 20.12.2022 geltend.
2
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Kläger ist Sondereigentümer der Teileigentumseinheit Nummer 14. Die Gemeinschaft wird von Harald Besser Immobilien verwaltet.
3
Streitgegenständlich sind hier die unter TOP 2 beschlossenen Regelungen. Hinsichtlich des Wortlauts des streitgegenständlichen Beschlusses wird auf das als Anlage zur Klageschrift vom 18.01.2023 vorgelegte Protokoll der Eigentümerversammlung vom 20.12.2022 Bezug genommen.
4
Dieser Beschluss wurde vom Kläger mit der Klageschrift vom 18.01.2023, eingegangen bei Gericht am 19.01.2023 angefochten. Die Anfechtungsbegründung erfolgte mit Schriftsatz vom 17.02.2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag.
5
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, dass die Eigentümer in Teil 1 des Beschlusses die Entscheidung getroffen hätten, den Kläger auf Einstellung des Restaurations-/Gastronomiebetriebes in seiner Teileigentumseinheit außergerichtlich und gerichtlich unter Mandatierung eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.
6
Dies widerspreche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, da den Eigentümern insoweit kein Ermessen eingeräumt sei, weil es sich um einen offensichtlich unbegründeten Anspruch handle. Es bestehe kein Anspruch aus § 14 Abs. 1 WEG, dem Kläger den Betrieb eines Restaurations-/Gastronomiebetriebs zu untersagen. Als Laden werde die Einheit des Klägers in der Teilungserklärung nämlich nur im Zusammenhang mit der Aufteilung und der räumlichen Lage ohne weitere Erläuterungen bezeichnet. Es handle sich somit nicht um eine Zweckbestimmung. Schon aus diesem Grunde sei der Anspruch offensichtlich unbegründet.
7
Weiter hätten die Eigentümer entschieden, den Kläger auf Unterlassung dieses Betriebs auch in der Zukunft in Anspruch zu nehmen. Anhaltspunkte hinsichtlich einer Wiederholungsgefahr, die eine vorbeugende Unterlassungsklage stützen könnten, seien jedoch offensichtlich nicht vorhanden.
8
Auch die Entscheidung, den Verwalter zu ermächtigen, mit einem Rechtsanwalt eine Vergütungsvereinbarung (Streitwertvereinbarung) abzuschließen, sei unzulässig. Angesichts der hierfür gängigen Streitwerte bestehe kein sachlicher Grund, mit einem Rechtsanwalt noch höhere Gebühren zu vereinbaren. Dieser Beschlussteil sei zudem auch intransparent, da sich die Befugnis des Verwalters darauf beziehe, einen Streitwert „innerhalb der Grenzen des § 49 GKG“ zu vereinbaren. Diese Vorschrift beziehe sich aber auf Beschlussklagen, während es hier um eine Leistungsklage gehe. Es bleibe daher unklar, welche Handlungsanweisung dem Verwalter konkret gegeben werden sollte.
9
Auch die Entscheidung, dass der Kläger die Mehrkosten einer Vergütungsvereinbarung zu tragen habe, sei nicht zulässig.
10
Aus dem Beschlusstext ergebe sich nicht, ob hier ein Erstattungsanspruch gegen den Kläger begründet werden solle oder ob es sich um die Festlegung eines Schlüssels nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG handle. Zudem habe die Gemeinschaft auch keine Beschlusskompetenz, einen Zahlungsanspruch zu begründen. Es gelte das Belastungsverbot.
11
Sollte der Beschlussteil als Festlegung eines Kostenverteilungsschlüssels zu verstehen sein, würde eine verschuldensunabhängige Haftung des Klägers für Pflichtverletzungen ermöglicht, was mit dem allgemeinen Verschuldensprinzip nicht zu vereinbaren sei. Der Beschluss sei daher zumindest in Teilbereichen sogar nichtig, was gemäß § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit führe, da die Beklagte durch die Verklammerung in TOP 2 zum Ausdruck gebracht habe, dass es sich bei den einzelnen Beschlussteilen um ein Gesamtprodukt handele.
12
Der Kläger beantragt daher:
Der auf der Eigentümerversammlung vom 20.12.2022 der Wohnungseigentümergemeinschaft ... gefasste Beschluss zu dem Tagesordnungspunkt 2 wird für ungültig erklärt.
13
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
14
Sie führt im Wesentlichen aus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Beschluss um einen reinen Aufforderungs- und Ermächtigungsbeschluss bzw. Vorbereitungsbeschluss dahingehend handele, gegen den Kläger einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Ob ein Anspruch materiellrechtlich tatsächlich bestehe, werde in diesem Verfahren nicht geprüft, sondern erst in einem sich gegebenenfalls anschließenden Hauptsacheverfahren. Die Anfechtung könnte hier allenfalls auf formelle Beschlussfehler gestützt werden, die nicht vorliegen und auch nicht gerügt werden. Der Beschluss regle dagegen das Rechtsverhältnis mit dem Kläger nicht und schaffe auch keine Grundlage für neue Ansprüche gegen diesen.
15
Anhaltspunkte dafür, dass der verfolgte Anspruch offensichtlich nicht bestehe oder der beabsichtigte Rechtsstreit aus anderen Gründen offensichtlich aussichtslos sei, mithin die von der Mehrheit der Wohnungseigentümer vertretene Rechtsposition offenkundig unhaltbar, sei nicht gegeben.
16
Die Eigentümer hätten hier einen weiten Ermessensspielraum wegen der meist schwierigen Erfolgsaussichten. So hätten die Eigentümer auch ein Ermessen dahingehend, das Bestehen von Ansprüchen gerichtlich klären zu lassen, wenn hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Klage durchaus Zweifel bestehen sollten.
17
Während die Beklagte davon ausgehe, gegenüber dem Kläger einen Unterlassungsanspruch zu haben, weil die Nutzung des Ladens als Gastronomiebetrieb eine zweckbestimmungswidrige Nutzung darstelle, sei der Kläger der Meinung, dass es sich dabei um eine zulässige Nutzung handle. Der Anspruch sei damit weder offensichtlich gegeben noch offensichtlich ausgeschlossen.
18
Weiter regle der sogenannte „Beschlussteil 2“ nicht die künftige Unterlassung jeglichen Gastronomiebetriebs, da im ersten Absatz des Beschlusses der Kläger insgesamt aufgefordert werden solle, die zweckbestimmungswidrige Nutzung einzustellen und zu unterlassen. Aufgrund der bestehenden Wiederholungsgefahr bestehe jedoch auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch, da dem Kläger klar gewesen sei, dass die Eigentümer mit einer gastronomischen Nutzung nicht einverstanden sein werden und er dennoch kurze Zeit danach den streitgegenständlichen Gastronomiebetrieb eröffnet habe.
19
Auch die beschlossene Honorarvereinbarung mit einem zu beauftragenden Anwalt sei zulässig, da sich dies ebenfalls im weiten Ermessensspielraum der Eigentümer bewege. Der Beschluss sei zudem bestimmt genug, da im Fall einer Honorarvereinbarung § 49 GKG entsprechend anzuwenden wäre, da sich dieser auf Beschlussanfechtungsklagen beziehe, jedoch nicht direkt auch auf Unterlassungsklagen. § 49 GKG lege zwei Streitwertgrenzen fest, nämlich entweder das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung oder der 7,5-fache Wert des Interesses des Wohnungseigentümers. Dies sei auch der Rahmen, innerhalb dessen mit der zu beauftragenden Rechtsanwaltskanzlei ein Betrag als Streitwert vereinbart werden könne, nach welchem sich sodann die gesetzlichen Gebühren der zu beauftragenden Rechtsanwaltskanzlei richten.
20
Weiter ergebe sich aus dem Beschlusstext klar, dass hier nicht konstitutiv ein Erstattungsanspruch begründet wurde, sondern vielmehr auf der Grundlage des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG in Bezug auf die Mehrkosten der Kostenverteilerschlüssel dahingehend abweichend beschlossen wurde, diese Mehrkosten dem Kläger aufzuerlegen, falls er in dem etwaigen Hauptsacheverfahren unterliegen sollte. Es sei zwar nicht einmal ein sachlicher Grund erforderlich, dieser bestehe jedoch darin, dass der Kläger aufgrund der zweckbestimmungswidrigen Nutzung diese Kosten verursacht hätte. Es sei somit zulässig, diese möglichen Mehrkosten nach dem Verursacherprinzip, dem Kläger aufzuerlegen. Selbst wenn einzelne Teile des Beschlusses – wie nicht – für ungültig erklärt werden würden, hätte dies keine Auswirkungen auf den Rest des Beschlusses, da § 139 BGB restriktiv anzuwenden sei.
21
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
22
Mit Einverständnis der Parteien hat das Gericht das schriftliche Verfahren gewählt, wobei als Zeitpunkt gemäß § 128 Abs. 2 ZPO der 26.07.2023 bestimmt wurde.

Entscheidungsgründe

23
Die Klage ist zulässig.
24
Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig nach § 23 Nr. 2 c GVG und § 43 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 44 WEG.
25
Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.
26
Zwar wurden die Klageerhebungs- und Klagebegründungsfrist des § 45 WEG eingehalten, die unter TOP 2 gefassten Beschlussteile entsprechen jedoch sämtlich den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
27
Der erste Absatz des streitgegenständlichen Beschlusses erschöpft sich mit seinem Regelungsgehalt in der Aufforderung durch den Verwalter, den Restaurations-Gastronomiebetrieb im Laden Nr. 2 einzustellen und die Führung eines Restaurations-Gastronomiebetriebes in diesem Laden zu unterlassen. Eine derartige Aufforderung zu beschließen, liegt im weiten Ermessensspielraum der Eigentümer, soweit Anhaltspunkte – wie hier – dafür ersichtlich sind, dass der im Streit stehende Betrieb mit den Vorgaben in der Teilungserklärung möglicherweise nicht vereinbar ist und dieser widerspricht.
28
Bei Absatz 2 des Beschlusses handelt es sich um einen reinen Vorbereitungs- bzw. Ermächtigungsbeschluss. Auch hier haben die Eigentümer einen weiten Ermessensspielraum, gerade streitige Fragen notfalls auch gerichtlich klären zu lassen. In vorliegendem Fall handelt es sich gerade nicht um einen offensichtlich nicht bestehenden Anspruch, da sich schon aus den rechtlichen Ausführungen des Klägervertreters und des Beklagtenvertreters ergibt, dass hier entgegengesetzte Auffassungen bezüglich der Zulässigkeit des Betriebs einer Gastronomie in der Ladeneinheit des Klägers gegeben sind.
29
Ob der Anspruch tatsächlich besteht, wird in vorliegendem Anfechtungsverfahren nicht geprüft. Dies ist Prüfungsmaßstab eines gegebenenfalls sich anschließenden Hauptsacheverfahrens (st. Rsprch, vergleiche auch die Rechtsprechungsnachweise in der Klageschrift vom 24.04.2023, auf die Bezug genommen wird).
30
Ebenfalls liegt die beschlossene Honorarvereinbarung mit einem zu beauftragenden Rechtsanwalt im weiten Ermessensspielraum der Eigentümer. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Streitwert eines Hauptsacheverfahrens für einen Fachanwalt/Fachanwältin auskömmlich sein werde oder nicht. Die Möglichkeit einer Honorarvereinabrung war nach bis zum 30.11.2020 geltendem Recht ausdrücklich gesetzlich geregelt.
31
Das neue seit 01.12.2020 geltende WEG-Recht untersagt derartige Streitwertvereinbarungen nicht, sodass die Eigentümer weiter im Rahmen ihres Ermessens derartige Regelungen beschließen können. Ein Ermessensfehlgebrauch ist hier nicht ersichtlich, auch nicht, dass der Beschluss zu unbestimmt sei, um die Obergrenze der Streitwertvereinbarung zu bestimmen. § 49 GKG gibt zwei Streitwertgrenzen vor, innerhalb dieser Grenzen kann sodann ein Betrag als Streitwert vereinbart werden.
32
Die Überbürdung von Mehrkosten auf den Kläger beruht nach der Auslegung dieses Beschlusses auf § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG, da im Rahmen der Auslegung auch davon auszugehen ist, dass die Eigentümer keinen nichtigen Beschluss dergestalt fassen wollten, indem sie einen zusätzlichen Erstattungsanspruch begründen. Für einzelne Kosten oder Kostenarten kann gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG ein abweichender Kostenverteilerschlüssel beschlossen werden, der die Überbürdung der Mehrkosten auf den Kläger zulässigerweise daran anknüpft, dass dieser in einem Hauptsacheverfahren unterliegt.
33
Als Unterlegener trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 ZPO.
34
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet auf § 709 ZPO.
35
Der Streitwert war gemäß § 49 GKG mangels anderer bezifferbarer Anhaltspunkte auf einen Wert in Höhe von 10.000,00 € festzusetzen. Dabei wurde die Argumentation des Klägers berücksichtigt, der von vier Beschlussteilen ausging. Das Gericht hält einen Betrag in Höhe von 2.500,00 € pro angefochtenem Beschlussteil für erforderlich, aber auch ausreichend im Sinne des § 49 GKG.