Inhalt

LG Bamberg, Urteil v. 15.12.2023 – 45 KLs 640 Js 3283/22
Titel:

Voraussetzungen des strafbaren Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet in Verbrechensförderungsabsicht

Normenkette:
StGB § 127 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, Abs. 4
Leitsatz:
Der Betrieb einer Onlineplattform, bei welcher der Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zentraler Bestandteil des Forums ist, ist strafbar als Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet in Verbrechensförderungsabsicht gemäß § 127 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, Abs. 4 StGB.  Entscheidend für die Einordnung als „kriminelle Handelsplattform“ ist, dass der verfolgte Zweck jedenfalls auch in der Zurverfügungstellung einer Kommunikationsinfrastruktur besteht, über welche die Nutzer ihre strafrechtlich relevanten Geschäfte anbahnen und abwickeln können. Irrelevant ist dann, wenn daneben auch andere Forenbereiche (ggf. sogar zum überwiegenden Teil) existierten, die allgemeine, nicht strafbare Themen zu Gegenstand hatten. (Rn. 83 – 88) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Onlineplattform, kriminelle Handelsplattform, Verbrechensförderungsabsicht, Kommunikationsinfrastruktur, Handel mit Betäubungsmitteln
Fundstelle:
BeckRS 2023, 46744

Tenor

1. Der Angeklagte … ist schuldig des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet in Verbrechensförderungsabsicht und der Verabredung zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
2. Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verurteilt.
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird angeordnet.
4. Von der erkannten Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten ist ein Teil von 1 Jahr und 8 Monaten vor der Unterbringung in der Entziehungsanstalt vorwegzuvollziehen.
5. Gegen den Angeklagten wird die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.000,- Euro angeordnet.
6. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
A. Persönliche Verhältnisse
I. Lebenslauf
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Der am … in … geborene Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger, ledig, kinderlos und studierte zuletzt Informatik.
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Der Angeklagte wuchs in geordneten familiären und wirtschaftlichen Verhältnissen gemeinsam mit seiner drei Jahre jüngeren Schwester bei seinen miteinander verheirateten Eltern in dem von der Familie bewohnten Eigenheim – einem durch die Familie mühevoll renovierten Bauernhaus – in ländlicher Umgebung in einem Weiler in der Nähe von … auf. Der 1955 geborene Vater hat nach seinem Studium der Elektrotechnik als Außendienstmitarbeiter eines Druckmaschinenherstellers gearbeitet und bezieht inzwischen Rente. Die 1963 geborene Mutter, eine studierte Germanistin und frühere Kinderbuchautorin, arbeitete zuletzt im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Zur gesamten Familie unterhält der Angeklagte ein sehr gutes Verhältnis.
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Im Gegensatz zu der harmonischen Familiensituation gestaltete sich die Kindheit des Angeklagten im sozialen Bereich – insbesondere im Verhältnis zu anderen Kindern – als schwierig und belastend. Der Angeklagte fand unter Gleichaltrigen kaum Anschluss und es gelang ihm nicht, Freundschaften zu schließen, sodass er seine Kindheit als Einzelgänger verbrachte. Insofern verlief seine Kindheit weitgehend freudlos. Im Alter von 14 Jahren schenkte ihm sein Vater seinen ersten Computer – ein Linuxbetriebenes Gerät –, woran der Angeklagte großen Gefallen fand. In der Folgezeit beschäftigte sich der Angeklagte mit großem Interesse mit Themen rund um den Computer – insbesondere Programmierung, IT-Sicherheit und später auch dem D.. Der Angeklagte verbrachte fortan den Großteil seiner Freizeit am Computer und bewegte sich dort insbesondere in Onlineforen – sowohl im Clearnet als auch später im D., dort ab dem Jahr 2017 insbesondere in dem Forum „…“. Hier erfuhr er durch seine Beiträge, die häufig technische Fragestellungen zum Gegenstand hatten, erstmals Bestätigung und Anerkennung außerhalb des Elternhauses. Innerhalb des D.-Forums „…“ wurde der Angeklagte auf Grund seiner Beiträge im Jahr 2018 sogar zum Moderator ernannt, was für ihn zum damaligen Zeitpunkt die größte vorstellbare Wertschätzung und Anerkennung bedeutete. Kurz nach Abschaltung des Forums „…“ im Jahr 2019 gründete der Angeklagte dessen Nachfolgerforum „…“, wozu er Server anmietete und das Forum aufsetzte. In der Folge war der Angeklagte bis März 2022 als Administrator für dieses Forum verantwortlich.
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Die Probleme, Zugang zu Gleichaltrigen zu entwickeln, sowie seine Obsession für das Thema Computer beeinflussten bzw. überschatteten auch die schulische Laufbahn des Angeklagten: Nach dem Kindergarten, den der Angeklagte ab 3 Jahren im nahegelegenen … besucht hatte, wurde er im Jahr 2006 im Alter von 6 Jahren altersgerecht in der Grundschule … eingeschult. Ab der 5. Jahrgangsstufe besuchte der Angeklagte das Gymnasium in …, wobei er die 10. Jahrgangsstufe auf Grund mangelhafter schulischer Leistungen im Alter von 17 Jahren wiederholen musste. Maßgeblicher Grund für die schlechten Noten des Angeklagten war das vorangegangene jahrelange Mobbing durch Mitschüler, das bereits in der Grundschule (mindestens ab der 3. Jahrgangsstufe) begonnen und bis zum Schuljahr 2016/2017 die gesamte Schullaufbahn des Angeklagten bestimmt hat. Insbesondere musste der Angeklagte regelmäßig körperliche Angriffe seiner Mitschüler sowie ständige Hänseleien ertragen. Mit der Wiederholung der 10. Jahrgangsstufe verbesserte sich die soziale Situation des Angeklagten etwas, nachdem er unter den nun jüngeren Mitschülern zumindest teilweise Anschluss gefunden hat. Die geschlossenen Freundschaften fußten dabei jedoch größtenteils auf dem gemeinsamen Konsum von Alkohol. Im Juli 2018 drang der Angeklagte sodann aus Neugier und Spaß an der Grenzüberschreitung unbefugt in das IT-Netzwerk seiner Schule ein, was neben einem Strafverfahren (2 Ds 500 Js 953/18 jug) zum späteren Ausschluss des Angeklagten aus dem Gymnasium … führte. In der Folge setzte der Angeklagte ab dem Schuljahr 2018/2019 seine schulische Ausbildung auf dem …-Gymnasium in … fort, wobei es ihm nicht gelang, neue Freundschaften aufzubauen. Im Jahr 2019 erwarb der Angeklagte dort die allgemeine Hochschulreife mit einem Notendurchschnitt von 3,3.
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Wenige Monate nach dem Abitur verzog der Angeklagte nach … in ein Studenten-Appartement und begann dort im Wintersemester 2019/2020 mit dem Studium der Informatik. Sein Studium finanzierte der Angeklagte – abgesehen von Zuwendungen seiner Eltern – in der Zeit von Oktober 2019 bis März 2020 mit einem Studentenjob im IT-Servicezentrum der Universität …. Nach dem Verlust dieser Stelle, für den der Angeklagte das Bekanntwerden des unberechtigten Eindringens in das IT-System des Gymnasiums … verantwortlich macht, war der Angeklagte – abgesehen von Einnahmen aus gelegentlichen Kurzzeitjobs – auf die weiteren Zuwendungen seiner Eltern angewiesen. In den ersten Monaten ging der Angeklagte seinem Studium noch mit Interesse nach. Nachdem jedoch im Zuge der Coronapandemie der Lehrbetrieb auf Online-Vorlesungen umgestellt wurde und auf Grund seines sich immer mehr verstärkenden Alkohol- und Drogenkonsums, verlor der Angeklagte sowohl Interesse als auch Motivation an der erfolgreichen und zügigen Fortführung seines Studiums rasch. Der Angeklagte lebte ab dem Frühjahr 2020 mehr oder weniger in den Tag hinein und verbrachte seine Zeit vornehmlich am Computer, wobei er zugleich Alkohol und Betäubungsmittel konsumierte. Als Student war er bis zu seiner verfahrensgegenständlichen Festnahme am 25.10.2022 lediglich der Form halber noch eingeschrieben.
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Der Angeklagte verfügt weder über einen Führerschein noch über Vermögen, wohingegen Schulden in Höhe von ca. 20.000,- Euro vorhanden sind. Diese resultieren maßgeblich aus Anwaltskosten aus dem hiesigen Verfahren.
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Der Angeklagte ist derzeit nicht liiert. Seine erste und bis dato einzige Beziehung führte der Angeklagte im Zeitraum von Januar 2020 bis Ende September 2022 mit einer gleichaltrigen Studentin, die er im Rahmen des Studiums in … kennengelernt hat. Seine damalige Lebensgefährtin beendete die Beziehung auf Grund des erheblichen Suchtmittelkonsums des Angeklagten. Finaler Auslöser für die Trennung war das aufbrausende Verhalten des Angeklagten auf Grund von Entzugserscheinungen – die Folge mangelnder Verfügbarkeit von Benzodiazepinen – während eines Besuchs beim Vater der Lebensgefährtin in der Nähe von … kurz vor der Trennung.
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Der Angeklagte wünscht sich, zukünftig ein Leben ohne Alkohol und Drogen führen zu können und hat deswegen während seiner Inhaftierung bereits 50 Termine bei der externen Suchtberatungsstelle wahrgenommen. Sein Ziel ist es, im Rahmen einer stationären Langzeittherapie seine Abhängigkeiten dauerhaft bekämpfen zu können. In Zukunft möchte er seine Fähigkeiten im IT-Bereich auf legale Weise einsetzen und beabsichtigt deswegen, sein Informatikstudium wieder aufzunehmen und anschließend im Bereich der medizinischen Informatik zu arbeiten.
II. Suchtmittelkonsum und Abhängigkeiten
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Der Angeklagte kam zum ersten Mal im Alter von ca. 12 Jahren mit Alkohol in Form von Schnapspralinen in Kontakt. Mit 14 Jahren trank er dann gelegentlich Bier und Eierlikör. Ab dem Alter von 16 Jahren intensivierte sich der Alkoholkonsum. Der Angeklagte begann nun regelmäßig Bier und Schnaps in größeren Mengen zu trinken, zunächst freitags, bald darauf zusätzlich samstags und ab dem Alter von 18 Jahren auch donnerstags. Ab dieser Zeit konsumierte der Angeklagte auch während der Schulzeit Alkohol, wobei er sich in den Pausen im nahegelegenen Supermarkt Bier kaufte. Zu Beginn seines Studiums schwächte sich der Alkoholkonsum des Angeklagten kurzzeitig ab. Mit Beginn der Coronapandemie und der damit einhergehenden Einschränkungen verstärkte sich der Alkoholkonsum hingegen wieder deutlich, wobei der Angeklagte vornehmlich allein in seinem Studentenappartement Bier und Schnaps in größeren Mengen trank. Der übermäßige Alkoholkonsum setzte sich bis zu seiner verfahrensgegenständlichen Festnahme fort, wobei der Angeklagte zuletzt täglich mindestens zwischen drei und sechs Flaschen Bier und zusätzlich Schnaps trank. Ein eigenmotivierter Abstinenzversuch des Angeklagten kurz nach seinem Beziehungsende im September 2022 war nicht von Erfolg gekrönt.
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Mit Drogen kam der Angeklagte erstmals mit 15 Jahren in Form von Cannabis in Berührung, welches er ab dem Alter von 18 Jahren regelmäßig konsumierte. Die konsumierte Menge schwankte, wobei der Angeklagte in Spitzenzeiten 4 bis 5 Gramm täglich, zuletzt sodann noch 1 bis 2 Gramm täglich, konsumierte. Der verringerte Konsum beruhte indes nicht darauf, dass der Angeklagte seinen Drogenkonsum insgesamt einschränken wollte, sondern vielmehr auf dem Einsatz eines Verdampfungsgeräts (sog. Vaporizer), welches die Wirkung des Cannabis deutlich verstärkt. Ebenfalls ab dem Alter von 18 Jahren nahm der Angeklagte zudem regelmäßig Benzodiazepine in Form von Diazepam und Xanax in wechselnden Mengen – mindestens eine und höchstens drei Tabletten täglich – zu sich. Der Konsum von Benzodiazepinen intensivierte sich spätestens im Jahr 2021 deutlich. Nach seinem Beziehungsende brach der Angeklagte den Benzodiazepinkonsum sodann abrupt ab, was erhebliche Entzugserscheinungen zur Folge hatte.
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Neben Alkohol, Cannabis und Benzodiazepinen nahm der Angeklagte etwa alle vier Monate Ecstasy bzw. MDMA sowie gelegentlich Ketamin, Tramadol und Tilidin zu sich.
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Auch hatte er bereits zweimal Kontakt mit Kokain.
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Bei dem Angeklagten besteht eine Abhängigkeitserkrankung von Alkohol gemäß ICD10: F.10.21 (gegenwärtig abstinent aber unter beschützenden Bedingungen), eine Abhängigkeitserkrankung von Cannabinoiden gemäß ICD-10: F.12.21 (gegenwärtig abstinent aber unter beschützenden Bedingungen) und eine Abhängigkeitserkrankung von Benzodiazepinen gemäß ICD-10: F.13.21 (gegenwärtig abstinent aber unter beschützenden Bedingungen), wobei deutlich polytoxikomane Konsumtendenzen vorliegen. Eine Therapie zur Bekämpfung seiner Abhängigkeitserkrankungen absolvierte der Angeklagte bislang nicht.
III. Strafrechtliche Erscheinung
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Der Angeklagte ist bereits zweimal strafrechtlich vorgeahndet:
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Mit Urteil des Amtsgerichts Landau an der Isar vom 11.12.2019 wurde er in dem Verfahren 2 Ds 500 Js 953/18 jug. wegen Ausspähens von Daten (im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten unberechtigten Eindringen in das IT-System des Gymnasiums … am 31.07.2018) zur Erbringung von Arbeitsleistungen verurteilt.
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Mit Urteil des Amtsgerichts Landau an der Isar vom 15.12.2021 wurde dem Angeklagten in dem Verfahren 2 Ds 615 Js 25327/20 jug wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen die Ableistung von 40 Arbeitsstunden auferlegt. Zudem wurde er angewiesen, an einer begleiteten Führung durch das Konzentrationslager Dachau teilzunehmen. Nach vollständiger Ableistung der Arbeitsstunden wurde die genannte Weisung am 12.01.2023 auf Grund der verfahrensgegenständlichen Inhaftierung des Angeklagten gemäß § 11 Abs. 2 JGG aufgehoben, womit die Vollstreckung erledigt war.
B. Sachverhalt
I. Betrieb des D.-Forums „…“ („…“)
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Der Angeklagte betrieb von seinem damaligen Wohnort in der …-Straße X in … … aus seit jedenfalls 01.10.2021 bis zum 16.03.2022 unter dem Nicknamen „…“ das D.-Forum mit Namen „…“ („…“), bei welchem es sich um die nunmehr dritte Version des D.-Forums „…“ handelt.
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Bei „…“ handelte es sich um ein deutschsprachiges Forum mit Verkaufsbereich, welches ausschließlich über das D., einem durch technische Maßnahmen abgeschirmten Bereich des Internets, unter Nutzung des sog. „T.Br.“ erreichbar war. Das Forum ging am 16.03.2022 offline und war zuletzt unter der Domain ... abrufbar. Zuletzt waren ca. 16.000 Nutzer registriert.
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Zum einen bestand „…“ aus einem Forum, in welchem in verschiedenen Beiträgen über Nachrichten und aktuelle Ereignisse, aber auch „Systemhärtung“ (Behebung von Sicherheitsschwachstellen in IT-Systemen) und die Anonymisierung im Internet diskutiert werden konnte.
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Wesentlicher Bestandteil des „…“ – Forums war darüber hinaus aber vor allem auch die Förderung der Begehung rechtswidriger Taten in Form des gewinnbringenden Verkaufs von illegalen Waren, insbesondere von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das „…“ – Forum verfügte über den eigens hierfür angelegten Bereich „M.platz“, welcher einen nicht unerheblichen Anteil des Gesamtforums ausmachte. Der M.platz war in die Unterpunkte „Biete verifiziert“, „Biete“ und „Freihandelszone“ untergliedert, welche sich durch verschieden hohe Anforderungen an die Händler unterschieden; die Bereiche zeichneten sich dabei durch die Reputation der jeweiligen Betäubungsmittelanbieter und dem damit verbundenen Vertrauen sowie der gesicherten Kaufabwicklung aus. Der Bereich „Biete verifiziert“ wies die höchste „Vertrauensstufe“ auf. Die vorgenannten Gliederungspunkte hatten wiederum weitere Untergliederungen zur Spezifikation der gesuchten Waren bzw. Betäubungsmittel wie „Cannabis verifiziert“, „Stimulanzien verifiziert“ oder „Psychedelika verifiziert“.
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Für die Nutzung des Marktplatzes hatte der Angeklagte seiner Absicht entsprechend Regeln veröffentlicht, welche unter anderem die Voraussetzungen nannten, die erfüllt sein mussten, damit ein Verkäufer in einem bestimmten Bereich des Marktplatzes seine Waren anbieten durfte. Diese lauteten auszugsweise wie folgt:
„Voraussetzungen für einen Regelkonformen M.platz Th.:
1. Dein Produkt in aussagekräftiger Menge und daneben ein gedruckter oder handgeschriebener Zettel mit deinem Usernamen, dem aktuellen Datum, der Foren URL und dem Namen des Forums verfügbar auf einem .... H. (…)
4. Behauptungen über den Reinheitsgrad müssen durch gültige Testergebnisse belegt werden (Cannabisangebote im Bezug auf den Wirkstoffgehalt sind davon ausgenommen)
Die Benutzung der Treuhanddienste von … und … ist in der Freihandelszone nicht mehr freiwillig, sondern Pflicht (…)
Die Verschiebung eines Verkäufers in den Biete bzw. den Biete verifiziert Bereich ist immer eine Einzelfallentscheidung. Hierfür kontaktiert IHR bitte den Mod-Bot. Ihr werdet zeitnah verschoben oder über den weiteren Vorgang informiert.“
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Verkäufer (sog. V.en) konnten dann in den jeweiligen Bereichen diverse Betäubungsmittel wie Cannabis oder MDMA und insbesondere auch Kokain, Heroin und vieles mehr direkt anbieten. Je nach „Status“ konnte das Angebot im Bereich „Biete verifiziert“, „Biete“ oder „Freihandelszone“ platziert werden. Die Kontaktaufnahme durch den Kaufinteressenten sowie die Bestellungen und Absprachen bezüglich der Zahlungsmodalitäten erfolgten über persönliche Nachrichten zwischen dem Interessenten und dem V.. Die Bezahlung erfolgte dann direkt über Kryptowährung oder über ein Treuhandsystem des Angeklagten.
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Im oben genannten Tatzeitraum waren folgende V.en auf „…“ aktiv:
a. V. …
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Der V. … bot im Bereich „Psychedelika verifiziert“ LSD in „Schnipselform“ zum Verkauf an. Die Schnipsel sollen nach Angaben des V.s einen Wirkstoffgehalt von 200 µg haben und überdurchschnittlich potent sein. Die Preise staffelten sich von 6,- Euro das Stück „Schnipsel“ bei 1 bis 10 Stück und 4,- Euro pro Stück bei 51 bis 100 Stück.
b. V. …
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Der V. … bot im Bereich „Cannabis verifiziert“ Cannabis zum Verkauf an. Die Preise staffelten sich von 9,- Euro für 1 Gramm bis 800,- Euro für 100 Gramm Cannabis.
c. V. …
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Der V. … bot im Bereich „Cannabis verifiziert“ sowohl CBD- als auch THC-Produkte zum Verkauf an. Im Zeitpunkt der letzten Angebotsaktualisierung vom 23.02.2022 waren hinsichtlich der THC-Produkte noch die Sorten „Original Amnesia“ (THC-Gehalt laut V. ~ 23%), „Enemy of the State (THC-Gehalt laut V. ~ 21%) und „Choco Loco“ (THC-Gehalt laut V. ~ 19%) verfügbar. Die Preise staffelten sich von 10,50 Euro pro Gramm bei einer Bestellung von 5 bis 10 Gramm und 10,- Euro pro Gramm bei einer Bestellung von 11 Gramm bis 20 Gramm.
d. V. …
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Der V. … bot im Bereich „Cannabis verifiziert“ Cannabis und Haschisch zum Verkauf an. Die Preise für Cannabis staffelten sich von ab 8,- Euro pro Gramm für Bestellungen ab 5 Gramm bis 5,- Euro pro Gramm für Bestellungen ab 500 Gramm und für Haschisch ab 6,- Euro pro Gramm für Bestellungen ab 5 Gramm und 5,- Euro pro Gramm ab Bestellungen von 100 Gramm.
e. V. …
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Der V. … bot im Bereich „Cannabis verifiziert“ „Haze“ (eine Cannabissorte) zum Verkauf an. Das Produkt soll nach eigenen Angaben qualitativ hochwertig sein und aus professionellem Anbau stammen. Die Preise staffelten sich von 50,- Euro für 5 Gramm bis 750,- Euro für 100 Gramm.
f. V. …
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Der V. … bot im Bereich „Cannabis verifiziert“ „Schoko THC Pralinchen“ zum Verkauf an. Die Pralinen sollten nach Angaben des V.s 70 bis 80 mg THCGehalt pro Praline enthalten. Die Pralinen konnten nur in Packungen erworben werden, wobei eine Packung 5 Pralinen und damit einen THC-Gehalt von 350 bis 400 mg enthielt. Die Preise staffelten sich von 25,- Euro für 1 Packung und 125,- Euro für 10 Packungen. Weiterhin wurde seitens des V.s THC-Konzentrat/Destillat sowie THC-Öl zum Verkauf angeboten, wobei sich die Preise von 40,- Euro für 1 Gramm bis 70,- Euro für 10 Gramm und bei Resellern (Personen, welche das Produkt beim V. für den eigenen Handel erwerben) 10,- Euro je Gramm ab Bestellungen von 50 Gramm staffelten.
g. V. …
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Der V. … bot im Bereich „Stimulanzien verifiziert“ sowohl Speed als auch MDMA zum Verkauf an. Das Speed soll nach Angaben des V.s aus professionellen, niederländischen Laboren stammen. Die Preise für Speed staffelten sich von 5,50 Euro pro Gramm ab Bestellungen von 10 Gramm bis 3,- Euro pro Gramm für Bestellungen ab 250 Gramm. Das MDMA soll einen Wirkstoffgehalt von 84% gehabt haben. Die Preise für MDMA staffelten sich von 15,- Euro pro Gramm für Bestellungen von 1 bis 4 Gramm und 11,- Euro pro Gramm für Bestellungen ab 50 Gramm.
h. V. …
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Der V. … bot im Bereich „Apotheke“ psilocybinhaltige Pilze zum Verkauf an. Die Preise staffelten sich von 5,- Euro pro Gramm ab 2 Gramm bis 4,- Euro pro Gramm ab 30 Gramm. Nach Angaben des V.s werden für einen „Trip“ ca. 2 Gramm benötigt.
i. …
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Der V. … bot im Bereich „Biete verifiziert“ Dimethyltryptamin (DMT) sowie MDMA zum Verkauf an. Die Preise für DMT staffelten sich von 15,- Euro für 0,125 Gramm bis 249,- Euro für „Freebase“-DMT, 8,- Euro für 0,125 Gramm bis 215,- Euro für 5 Gramm „Changa Wanga“-DMT mit einem Wirkstoffgehalt von 50% DMT und 5,- Euro für 0,125 Gramm bis 130,- Euro für 5 Gramm „Changa Mild“-DMT mit einem Wirkstoffgehalt von 33% DMT.
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Im Rahmen zweier Testkäufe durch nicht offen ermittelnde Polizeibeamte wurden am 09.12.2021 und am 31.01.2022 beim V. … Bestellungen von MDMA getätigt.
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Die Bestellung vom 09.12.2021 betrug 15 Gramm MDMA zum Preis von 0,00246612 Bitcoin (zum damaligen Zeitpunkt ca. 125,- Euro). Geliefert wurden 14,8 Gramm netto MDMA mit einem Wirkstoffgehalt von 75,9%, mithin 11,23 Gramm MDMA-Base.
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Die Bestellung vom 31.01.2022 betrug 100 Gramm MDMA zum Preis von 0,0221 Bitcoin (zum damaligen Zeitpunkt ca. 716,- Euro). Geliefert wurden 97,1 Gramm netto MDMA mit einem Wirkstoffgehalt von 75,9%, mithin 73,7 Gramm MDMA-Base. Dies entspricht der 2,45-fachen nicht geringen Menge.
j. V. …
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Der V. … bot im Bereich „Cannabis verifiziert“ Haschisch- und Marihuana-Sorten zum Verkauf an. Nach Angaben des V.s handelt es sich dabei um ein sorgfältig ausgewähltes Sortiment der wirkungsvollsten und reinsten Haschisch- und Marihuana-Sorten. Die preisliche Ausgestaltung ist nicht mehr nachvollziehbar, da diese nur über einen im Angebots-Thread hinterlegten Weblink einsehbar war und dieser Weblink derzeit nicht mehr abrufbar ist.
k. V. …
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Der V. … bot im Bereich „Stimulanzien verifiziert“ Kokain und Heroin zum Verkauf an. Die Preise für – nach Angaben des V.s – Colombian Fishscale AAA+ Kokain (Bezeichnung für besonderes reines Kokain mit hohem Wirkstoffgehalt) staffelten sich von 70,- Euro für 1 Gramm Kokain bis 55,- Euro je Gramm ab 10 Gramm Bestellmenge, wobei nach Angaben des V.s auch größere Mengen kein Problem sein sollen. Die Preise für – nach Angaben des V.s – pures, sehr potentes und ungestrecktes AAA+ Heroin staffelten sich von 50,- Euro für 1 Gramm bis 40,- Euro je Gramm ab 10 Gramm Bestellmenge. Auch hier wären größere Bestellungen kein Problem gewesen.
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Den Forenregeln des Angeklagten entsprechend, posteten jedenfalls die V.en …, …, …, … und … jeweils ein Bild der von ihnen angebotenen Betäubungsmittel, wobei auf dem jeweiligen Bild ein Zettel mit dem Usernamen des Verkäufers, dem aktuellen Datum und der Warenbezeichnung zu sehen war.
39
Wie sowohl der Angeklagte als auch die V.en wussten, verfügten diese nicht über die zum Umgang mit Betäubungsmitteln oder verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erforderliche Erlaubnis.
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Wie vom Angeklagten beabsichtigt, förderte er durch das von ihm betriebene Internetforum „…“ und insbesondere durch den von ihm eingerichteten, administrierten und mit von ihm aufgestellten Regeln versehenen M.platz das Verbrechen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
II. Online-Shop „…“ („… Inc.“)
41
Am 22.09.2021 gegen 15:40 Uhr schlossen sich der Angeklagte – von seinem Wohnort in der …-Straße X in … … aus handelnd – und die Verurteilten R. und F. aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses auf Dauer zusammen, um Betäubungsmittel – unter anderem Speed und MDMA –, welches die Verurteilten R. und F. zum Teil selbst herstellten, weltweit an verschiedene Abnehmer zu verkaufen und hierdurch Gewinn zu erzielen. Damit wollten sie sich gemeinsam eine Einkommensquelle zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes verschaffen.
42
Die aufgrund Urteils des Landgerichts Bamberg vom 17.01.2023 (rechtskräftig seit 25.01.2023), Aktenzeichen 33 KLs 630 Js 5112/21, verurteilten R. und F. verkauften seit jedenfalls 29.08.2019 aufgrund gemeinsamen Tatentschlusses zusammen mit mindestens vier weiteren Tätern weltweit an verschiedene Abnehmer Betäubungsmittel – unter anderem Speed und MDMA – in nicht geringer Menge.
43
Hierfür betrieben die Verurteilten jedenfalls seit dem 29.08.2019 den Online-Shop „…“ (…). Der Online-Shop wurde zunächst im D. unter „…“ betrieben. Daneben waren die Verurteilen auf verschiedenen Plattformen im D. als Verkäufer (V.en) unter der Bezeichnung „… Inc.“ angemeldet und verkauften auch hierüber Betäubungsmittel. Es handelte sich unter anderem um die Marktplätze …, …, …, …, … und ….
44
Da es aber mit dem vorgenannten Shop zu Problemen kam, suchten die Verurteilten nach einem neuen Shop-System.
45
Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 22.09.2021 kontaktierte der Angeklagte den Verurteilten R. über das D.-Forum „…“ und bot dem Verurteilten an, für ihn einen D.-Web-Shop zum Verkauf von Betäubungsmitteln zu programmieren.
1. Geplanter D.-Shop „… Inc.“
46
Am 22.09.2021 gegen 15:40 Uhr einigten sich der Angeklagte und die Verurteilten R. und F.. Der Angeklagte sollte einen entsprechenden D.-Shop für Betäubungsmittel mit Bestellsystem erstellen und administrieren und hierfür im Gegenzug 4% Kommission sowie einmalig 5.000,- Euro sowie jeweils weitere 1.000,- Euro monatlich für 5 Monate ab Fertigstellung des Shops erhalten.
2. Betriebener Cl.-Shop „www…..to“
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Weiterhin vereinbarten der Angeklagte und die Verurteilten – auf die Initiative des Angeklagten hin – zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 10.10.2021 und dem 14.10.2021, bis zur Fertigstellung des D.-Shops einen Shop zum Verkauf von Betäubungsmitteln im Clearnet, dem frei zugänglichen Bereich des Internets, zu betreiben. Der Angeklagte mietete hierfür einen eigenen Server an und ließ über eine dritte, nicht näher bekannte Person, die auf dem Instant-Messaging Dienst „J.“ unter dem Pseudonym „…“ auftrat, eine entsprechende Webseite erstellen. Diese Website implementierte der Angeklagte sodann auf dem von ihm angemieteten Server und administrierte diese in der Folgezeit. Die Website war ab dem 14.10.2021 unter der Domain www…..to erreichbar war. Der Angeklagte erhielt 1.000,- Euro für das Erstellen und Administrieren der ClearnetWebseite sowie der Verwaltung des dazugehörigen Servers.
48
Auf der Webseite hatten der Angeklagte und die Verurteilten Bilder und Beschreibungen der aktuell verfügbaren Betäubungsmittel eingestellt und den entsprechenden Preis vermerkt. Die Kunden suchten sich die gewünschten Betäubungsmittel aus und gaben sodann per E-Mail an die auf der Webseite ausgewiesene und eigens für diese Webseite erstellte E-Mail-Adresse „….net“ ihre Bestellungen auf. Nach Aufgabe der Bestellungen wurde den Abnehmern sodann eine Bitcoin-Wallet per E-Mail zugesandt, auf die der Kaufpreis transferiert werden sollte. Der Versand der Betäubungsmittel erfolgte sodann aus Deutschland über die Deutsche Post.
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Wie von dem Angeklagten und den Verurteilten F. und R. geplant, gestaltete sich die Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppierung wie folgt:
„Der Verurteilte R. übernahm innerhalb der Tätergruppierung überwiegend die Kommunikation mit den Abnehmern, die Organisation der Shops und die Finanzierung der Betäubungsmittelgeschäfte.“
50
Der Verurteilte F. war zunächst für den Aufbau und die Organisation der Online-Shops zuständig und übernahm im weiteren Verlauf auch die Portionierung und den Versand der ihm zur Verfügung gestellten Betäubungsmittel an die Zwischenhändler und Endabnehmer weltweit.
51
Der Angeklagte ließ die Webseite www…..to durch die Person „…“ erstellen – insofern handelte er absprachewidrig, nachdem die Verurteilten R. und F. davon ausgingen, dass der Angeklagte die Webseite eigenhändig erstellen würde – und administrierte die Webseite. Hierbei brachte er auch eigene Ideen wie die Einführung von Coupon-Rabatten in die Gruppierung ein, welche anschließend auch umgesetzt wurden. Zudem arbeitete er zeitgleich vereinbarungsgemäß an der Erstellung des für das D. bestimmten Shops. Die Webseite www…..to war vom 14.10.2021 bis 22.10.2022 online. Ein Handel mit Betäubungsmittel über die vorgenannte Webseite fand allerdings nur bis zur Festnahme des Verurteilten F. am 15.01.2022 statt.
52
Hinsichtlich des D.-Shops waren die Arbeiten des Angeklagten noch nicht weit fortgeschritten, die zum Betrieb vorgesehenen Server indes bereits bereitgestellt. Der Shop ging maßgeblich aufgrund der Festnahme des Verurteilten F. nie online.
53
Der gemeinsamen Abrede des Angeklagten und der Verurteilten R. und F. entsprechend wurden im Zusammenhang mit der Webseite www…..to im Zeitraum 14.10.2021 bis 15.01.2022 durch mindestens 319 einzelne Bestellungen folgende Betäubungsmittel veräußert:

Produkt

Gesamte Menge in Gramm

Preis in Euro/g

Gesamtumsatz in Euro

MDMA

1305

6,25

8156,25

Champagne (MDMA)

[380]

6,25

2375,-

Speed (Amphetamin)

[320]

7,5

2400,-

Hash

[90]

[7]

630,-

Bullet (Kokain)

[66]

[60]

3960,-

Brick (Kokain)

[55]

[75]

4125,-

4MMC (Mephedron/ Amphetamin)

[38]

7,98

303,24

Mephedron

[10]

7,98

79,80

2 C-B Pulver

[5]

47,96

239,80

Kokain

[1]

[60]

60,-

Gesamt

2.270 Gramm

22.329,09 EUR

Produkt

Gesamte Menge in Stück

Preis in Euro/Stück

Gesamtumsatz in Euro

Punisher (XTC)

3565

1,7

6060,50

Punisher (silber; XTC)

2675

1,7

4547,50

Maserati (XTC)

2420

1,7

4114,-

Red Bull (grau; XTC)

2150

1,7

3655,-

Hofmann (LSD)

2715

2,25

6108,75

Anonymous (LSD)

3335

2,25

7503,75

Phillip Pleins (XTC)

1750

1,7

2975,-

FC Barcelona (XTC)

1900

1,7

3230,-

See No Evil (2C-B)

[250]

1,5

375,-

Louis Vuitton (XTC)

1440

1,7

2448,-

XTC

1000

1,7

1700,-

Mayan Goddess (LSD)

[50]

2,25

112,50

NASA (2C-B)

[200]

1,5

300,-

Maserati (grün; XTC)

[300]

1,7

510,-

Foxes (2C-B)

[30]

1,5

45,-

LSD

[100]

2,25

225,-

LSD (Mayan Goddess oder California Sunshine)

[50]

2,25

112,50

Gesamt

23.930 Stück

44.022,50 Euro

54
Dies entspricht einer Gesamtmenge von 1.685 Gramm MDMA, 368 Gramm Amphetamin, 122 Gramm Kokain und 5 Gramm 2 C-B Pulver sowie 17.200 Stück Ecstasy-Tabletten, 6.250 Stück LSD-Trips und 480 Stück 2C-B Tabletten.
55
Die Wirkstoffgehalte betragen damit 3.470,8 Gramm MDMA-Base, 70,2 Gramm Amfetaminbase, 89,6 Gramm Cocain-Hydrochlorid, 2,03 Gramm 2C-B Base und 184,44 Milligramm LSD.
56
Dies entspricht der 175-fachen nicht geringen Menge.
57
Der Absicht des Angeklagten und der Verurteilten R. und F. entsprechend wurde durch den Verkauf der vorgenannten Betäubungsmittel ein Umsatz von 66.351,59 Euro erzielt.
58
Der Angeklagte und die Verurteilten R. und F. verfügten, wie sie wussten, nicht über die zum Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis. Dem Angeklagten und den Verurteilten R. und F. war auch bewusst, dass die jeweils anderen Mittäter nicht im Besitz einer solchen Erlaubnis sind.
59
Der Angeklagte war zu jedem Zeitpunkt des Tatgeschehens in der Lage, das Unrecht seines Verhaltens einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
C. Beweiswürdigung
I. Keine Verfahrensabsprache
60
In der Hauptverhandlung hat keine Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten im Sinne des § 257c StPO stattgefunden. Die Feststellungen der Kammer beruhen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
II. Feststellungen zu Lebenslauf, Suchtmittelkonsum, strafrechtlicher Erscheinung und Haft
1. Lebenslauf
61
Die Feststellungen zum Lebenslauf beruhen auf den Angaben der Angeklagten zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Hauptverhandlung sowie den Angaben des Sachverständigen Dr. …, dem gegenüber der Angeklagte im Explorationsgespräch vom 16.08.2023 über seinen Werdegang berichtete.
2. Suchtmittelkonsum
62
Die Feststellungen zum Konsumverhalten betreffend Betäubungsmittel und Alkohol beruhen auf den Angaben des Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung sowie auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr. …. Diesem gegenüber hat der Angeklagte umfassend Angaben zu seinem Konsumverhalten gemacht.
3. Strafrechtliche Erscheinung
63
Die Feststellungen zu den Vorahndungen des Angeklagten ergeben sich aus dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 05.10.2023, der die unter A. III. festgestellten Eintragungen enthielt, sowie aus der Verlesung des Tenors des Urteils des Amtsgerichts Landau a.d. Isar vom 15.12.2021 in dem Verfahren 2 Ds 615 Js 25327/20 jug. Die Tatsache, dass die Vollstreckung aus dem genannten Urteil erledigt ist, wurde dem verlesenen Schreiben des Landratsamtes … (in Bezug auf die Arbeitsstunden) sowie dem verlesenen Beschluss des Amtsgerichts Landau a.d. Isar vom 12.01.2023 (in Bezug auf den Besuch des Konzentrationslagers Dachau) entnommen.
4. Haft
64
Die Feststellungen zur Haft wurden aus der Akte getroffen und von dem Angeklagten als zutreffend bestätigt.
III. Zum Tatgeschehen
65
Der Sachverhalt steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der umfassend geständigen Einlassung des Angeklagten sowie auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Übrigen, das keinen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Angeklagten aufkommen ließ.
66
Der Angeklagte räumte die ihm zur Last liegenden Taten in seiner umfangreichen Einlassung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht umfassend ein. In – lediglich geringfügiger – Abweichung zur Anklageschrift ließ sich der Angeklagte hinsichtlich der Bereitstellung des Cl.-Shops „www…..to“ (B.II.1.) glaubhaft dahingehend ein, dass er nicht selbst den Web-Shop programmiert habe. Er habe vielmehr die Person mit dem Alias „…“, die ihm persönlich nicht bekannt sei und deren wahre Identität er auch nicht kenne, über den Dienst „Jabber“ kontaktiert und von dieser einen auf seine Wünsche abgestimmten Web-Shop erworben. Den Web-Shop habe er sodann auf einen zuvor von ihm angemieteten Server implementiert und online gestellt. Nach der zugrunde liegenden Absprache mit den Verurteilten R. und F. hätte er den Web-Shop eigentlich selbst „bauen“ sollen, dies mangels entsprechender Kenntnisse jedoch von dritter Seite erledigen lassen. Den von dem Verurteilten R. erhaltenen Lohn in Höhe von umgerechnet 1.000,- Euro – dieser sei in der Kryptowährung Monero ausgezahlt worden – habe er zeitnah an „…“ weitergeleitet.
67
Der Zeuge KK … berichtete insbesondere darüber, wie der Angeklagte infolge umfangreicher technischer Ermittlungen – hierbei maßgeblich die Auswertung eines norwegischen Webservers mit Daten von „…“ sowie die Auswertung der bei dem Angeklagten sichergestellten Datenträger – als reale Person, die hinter dem Pseudonym „…“ des Forenadministrators von „…“ steht, identifiziert werden konnte. Im Rahmen der Auswertung der sichergestellten Datenträger hätte eine Vielzahl von Dateien u.a. mit Bezug sowohl zu „…“ als zu dem OnlineShop „….Inc“ festgestellt werden können. Weiter berichtete KK … über die Vernehmung des Verurteilten R., der ihm gegenüber umfangreiche Angaben über dessen Kontakt mit „…“ – dem Angeklagten – mittels Jabber sowie über die getroffenen Absprachen mit „…“ in Bezug auf die letztlich nicht zustande gekommene Bereitstellung und Administration eines D.-Shops zum Vertrieb von Rauschgift unter dem Label „… Inc.“ durch „…“ sowie in Bezug auf die übergangsweise tatsächlich erfolgte Bereitstellung des Cl.-Shops „www…..to“ ebenfalls durch „…“ tätigte.
68
Der Zeuge KHK … berichtete als polizeilicher Hauptsachbearbeiter umfassend über den Gang und das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen sowohl in Bezug auf das D.-Forum „…“ als auch in Bezug auf „….Inc“ sowie die jeweilige Tatbeteiligung des Angeklagten. Insbesondere schilderte KHK … ausführlich den Aufbau von „…“, die festgestellte Anzahl der dort registrierten Benutzer, die dort durch „…“ veröffentlichten Forenregeln sowie das Rauschgiftangebot der auf „…“ aktiven V.en sowie das Ergebnis von zwei durchgeführten polizeilichen Testkäufen bei dem V. „…“.
69
Die Kammer konnte sich von der Gestaltung des Forums „…“ sowie dem dort anzutreffenden Betäubungsmittelangebot darüber hinaus durch die Inaugenscheinnahme von entsprechenden Lichtbildern ein eindrucksvolles Bild machen.
70
Der Zeuge KHK … berichtete insbesondere über die Rolle des Angeklagten innerhalb der Gruppierung um die Verurteilten R. und F., wie sie sich aus polizeilicher Sicht nach Durchführung der Ermittlungen dargestellt hat, sowie über die Auswertung von Bestelllisten, die auf Datenträgern des Verurteilten F. aufgefunden werden konnten. Auf Grundlage dieser Bestelllisten habe KHK … die Menge der im Zeitraum des aktiven Betriebs des Cl.-Shops „www…..to“ ab dessen Start am 14.10.2021 bis zur Festnahme des Verurteilten F. Mitte Januar 2022 berechnen können. KHK … schilderte dabei jederzeit nachvollziehbar, dass er im Rahmen dieser Berechnung – insbesondere hinsichtlich der gehandelten Rauschgiftmenge und des erzielten Preises – stets die für den Angeklagten günstigsten Umstände zugrunde gelegt hätte. So habe er insbesondere solche Bestellungen herausgerechnet, bei denen bestimmte Parameter auch eine Bestellung außerhalb des von dem Angeklagten bereitgestellten Web-Shops als möglich erscheinen ließen.
71
Zudem wurden Chatverläufe zwischen dem Angeklagten und dem Verurteilten R. verlesen, aus denen sich – dem Chatverlauf nach auch für den Angeklagten deutlich erkennbar – ergibt, dass R. mit einem weiteren Partner (dem Verurteilten F.) zusammenarbeitete.
72
Abrundend wurden zahlreiche Lichtbilder in Augenschein genommen, so dass die Kammer sich insbesondere ein Bild von Art, Umfang und Auffindeörtlichkeiten der bei dem Angeklagten sichergestellten Datenträger machen konnte.
73
Die unter B.I.i dargestellten Wirkstoffgehalte bezüglich des mittels polizeilicher Testkäufe bei dem V. … bezogenen MDMAs hat die Kammer durch Verlesung der Gutachten des Kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamts vom 14.01.2021 und vom 20.04.2022 festgestellt.
74
Die unter B.II.2. dargestellten Gesamtwirkstoffgehalte hat die Kammer anhand der verlesenen Wirkstoffgutachten des Landekriminalamtes B. vom 14.06.2022 sowie des B. Landeskriminalamtes vom 06.10.2022, in welchen die bei den Verurteilten F. und R. sichergestellten und von diesen zum Verkauf über „…“ bestimmten Betäubungsmittel Untersuchungsgegenstand waren, festgestellt bzw. berechnet.
IV. Feststellungen zu den Abhängigkeitserkrankungen und zur erhaltenen Schuldfähigkeit
75
Die Feststellungen zu den bei dem Angeklagten vorliegenden Abhängigkeitserkrankungen sowie zur vollständig erhaltenen Schuld- und Einsichtsfähigkeit ergeben sich aus den nachvollziehbaren Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. ….
76
Dieser stellte dar, dass sich aus forensisch-psychiatrischer Sicht keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten, der eine solche auch selbst zu keinem Zeitpunkt eingewandt hat, ergeben hätten. Zwar leide der Angeklagte an einer Abhängigkeitserkrankung von Alkohol gemäß ICD-10: F.10.21, einer Abhängigkeitserkrankung von Cannabinoiden gemäß ICD-10: F.12.21 und einer Abhängigkeitserkrankung von Benzodiazepinen gemäß ICD-10: F.13.21, wobei deutlich polytoxikomane Konsumtendenzen vorliegen würden. Allerdings habe sich diese Suchtmittelproblematik bei dem Angeklagten auf die konkrete Tatbegehung jeweils nicht ausgewirkt: So resultiere aus der Suchtmittelproblematik weder eine schwerwiegende Veränderung der Persönlichkeitsstruktur noch eine hirnorganische Schädigung oder eine organische Persönlichkeitsstörung.
77
Auch Entzugserscheinungen, die weder dargetan noch sonst ersichtlich gewesen seien, hätten bei dem Angeklagten keinen Einfluss auf die Tatdurchführung gehabt. Anhaltspunkte für einen schwerwiegenden Rauschzustand hätten laut Sachverständigem ebenfalls nicht vorgelegen, so dass die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit insgesamt nicht beeinträchtigt gewesen sei. Der Sachverständige führte in diesem Zusammenhang auch an, dass die Taten bzw. Tatbeiträgen des Angeklagten komplexe Handlungen darstellen würden, die bei Vorliegen starker Entzugserscheinungen oder einem schweren Rauschzustand nicht durchführbar wären.
78
Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen des gerichtsbekannt sorgfältig und gewissenhaft arbeitenden Sachverständigen, gegen dessen Sachkunde auch die übrigen Verfahrensbeteiligten nichts erinnert haben, an und macht sich diese nach eigener kritischer Prüfung und Würdigung zu eigen.
79
Der Angeklagte war daher im gesamten Tatzeitraum voll schuldfähig.
V. Einstellungen gemäß § 154a Abs. 2 Abs. 1 StPO
80
Hinsichtlich der Tatvorwürfe
- der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln betreffend den ersten Testkauf bei dem V. … vom 09.12.2021,
- der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge betreffend den zweiten Testkauf bei dem V. … vom 31.01.2022,
- des Betreibens krimineller Plattformen im Internet nach der Tatvariante des § 127 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 f) StGB hinsichtlich des Angebots des V.s „…“, welches seinerseits den Straftatbestand des Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG erfüllt
- sowie des Verstoßes gegen das AMG in Bezug auf Arzneimittel, die über www…..to vertrieben wurden, wurde die Verfolgung in der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gemäß § 154a Abs. 2, Abs. 1 StPO auf die übrigen Teile der Taten bzw. die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt.
D. Rechtliche Würdigung
81
Der Angeklagte hat sich auf Grund der festgestellten Sachverhalte wegen Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet in Verbrechensförderungsabsicht gemäß § 127 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, Abs. 4 StGB und Verabredung zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 2 StGB i.V.m. § 30a Abs. 1 BtMG und bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG strafbar gemacht.
82
Die Taten stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, § 53 StGB.
I. „…“ (vgl. B.I.)
83
Der Betrieb des Forums „…“ (B.I.) ist strafbar als Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet in Verbrechensförderungsabsicht gemäß § 127 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, Abs. 4 StGB.
84
Zunächst ist festzustellen, dass „…“ dem Begriff der Handelsplattform i.S.d. § 127 StGB unterfällt. Zum einen ist auch das sog. D. Bestandteil des Internets und damit vom Internetbegriff der Vorschrift umfasst (Kulhanek in: BeckOK StGB, 59. Edition, Stand 01.11.2023, § 127 Rn. 14). Zum anderen handelte es sich bei „…“ um eine Onlineplattform, bei welcher der Handel – vorrangig – mit Betäubungsmitteln in dem Bereich „M.platz“ zentraler Bestandteil des Forums war. Irrelevant ist dagegen, dass neben dem inkriminierten „M.platz“ auch andere Forenbereiche – mit ca. 70% des Contents sogar in der Überzahl – existierten, die allgemeine, nicht strafbare Themen zu Gegenstand hatten. Entscheidend für die Einordnung als „kriminelle Handelsplattform“ ist, dass der verfolgte Zweck jedenfalls auch in der Zurverfügungstellung einer Kommunikationsinfrastruktur besteht, über welche die Nutzer ihre strafrechtlich relevanten Geschäfte anbahnen und abwickeln können. Dies war vorliegend auf Grund des umfangreichen Betäubungsmittelangebots unzweifelhaft der Fall.
85
Die Zweckausrichtung des Forums war dabei auch auf die Förderung von Straftaten – vorliegend den Betäubungsmittelhandel – gerichtet, da der entsprechende Taterfolg objektiv begünstigt bzw. erleichtert werden sollte (vgl. Kulane in: BeckOK StGB, § 127 RNC. 33). Auf Grund einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls – insbesondere den aufgestellten Forenregeln, durch die zum Teil zwingend Angaben zum Reinheitsgrad der Drogen vorgeschrieben waren, des angebotenen Treuhandsystems und auch der Menge an Betäubungsmittelvendoren – ist es zudem ausgeschlossen, dass es sich bei den Betäubungsangeboten lediglich um zwar geduldete, gleichsam aber unerwünschte Angebote vereinzelter „schwarzer Schafe“ gehandelt hat. Bereits der Gliederung des Marktplatzbereiches in Unterbereiche wie „Cannabis verifiziert“, „Stimulanzien verifiziert“ etc. vermochte ein einschlägig bewanderter Interessent problemlos zu entnehmen, dass an diesem digitalen Ort strukturell ein inkriminiertes Angebot vorgehalten wird (vgl. Kulhanek in: BeckOK StGB, § 127 Rn. 41).
86
Die Tatsache, dass die auf „…“ durch die V.en geschalteten Rauschgiftangebote auch Mengen zum Gegenstand hatten, welche die Grenze zur nicht geringen Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG überschritten und damit die Förderung von Verbrechen Zweck des Forums war (§ 127 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB), ergibt sich zum einen bereits aus den bei vielen V.en möglichen Bestellmengen. Exemplarisch seien diesbezüglich der V. „…“, bei dem Kokain und Heroin in Mengen von über 10 Gramm bestellt werden konnten, und der V. „…“, bei dem Haschisch u.a. in Mengen von über 500 Gramm bestellt werden konnte, genannt. Selbst unter Zugrundelegung durchschnittlicher Wirkstoffgehalte und unter Außerachtlassung der teilweise beworbenen sehr guten Qualitäten wäre bei solchen Angebotsmengen die Grenze zur nicht geringen Menge i.S.d. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (teils deutlich) überschritten. Zum anderen wurde vorliegend bei dem zweiten polizeilichen Testkauf bei dem V. … vom 31.01.2022 von diesem eine Menge von 97,1 Gramm MDMA mit einem Wirkstoffgehalt von 73,7 Gramm MDMABase geliefert, womit die Grenze zur nicht geringen Menge (30 Gramm MDMA-Base) deutlich überschritten wurde. Dass es sich hierbei nicht um einen – ggf. nicht von der Zwecksetzung des Forums umfassten – Ausreißer nach oben handelte, wird bereits durch die von dem Angeklagten aufgestellten „Marktplatzregeln“ deutlich, durch welche die Angaben der V.en zum Reinheitsgrad der angebotenen Betäubungsmittel mittels Testergebnissen zu verifizieren waren.
87
Der subjektive Tatbestand ist erfüllt. Der Angeklagte räumte ein, dass ihm bewusst gewesen sei, dass er durch die Bereitstellung und Administrierung von „…“ den groß angelegten Handel mit Betäubungsmitteln unterstützt.
88
Sowohl aus der Einlassung des Angeklagten als auch schon aus den objektiven Umständen – genannt seien erneut u.a. die Forenregeln, die sich explizit an Betäubungsmittelverkäufer gerichtet haben – folgt, dass der Angeklagte zudem in der Absicht der Förderung von Verbrechen gehandelt hat, womit die Qualifikation des § 127 Abs. 4 StGB erfüllt ist. Irrelevant ist diesbezüglich, dass nicht das gesamte Forum den Betäubungsmittelhandel zum Gegenstand hatte, sondern daneben auch legale Inhalte verfügbar waren (vgl. Kulhanek in: BeckOK StGB, § 127 Rn. 65). Zur Klarstellung, dass die Qualifikation des § 127 Abs. 4 StGB erfüllt ist, war zu tenorieren, dass der Angeklagte in Verbrechensförderungsabsicht gehandelt hat.
II. „… Inc.“ (vgl. B.II.)
1. Beabsichtigter D.-Shop „… Inc.“ (vgl. B.II.1.)
89
Die Vereinbarung zwischen dem Angeklagten und den Verurteilten R. und F., wonach der Angeklagte einen Online-Shop für das D. programmieren sollte, über den sodann Betäubungsmittel bestellt und von den Verurteilten R. und F. an die Käufer versendet werden sollten, ist strafbar als Verabredung zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 2 StGB i.V.m. § 30a Abs. 1 BtMG.
90
Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei dem Zusammenschluss zwischen dem Angeklagten und den Verurteilten R. und F. um eine Bande i.S.d. § 30a Abs. 1 BtMG gehandelt hat. Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich auf Grund einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Abrede verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige Taten zu begehen (vgl. Patzak in: Patzak/Volkmer/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz, 10. Aufl. 2022, § 30 BtMG Rn. 19 ff. m.w.N.). Diese Personenanzahl ist vorliegend erreicht, wobei unerheblich ist, dass der Angeklagte ausschließlich mit dem Verurteilten R. kommuniziert hat. Der Angeklagten wusste auf Grund des zwischen ihm und dem Verurteilten R. geführten Chatverkehrs, dass R. gemeinsam mit einem weiteren Partner (= F.) arbeitete, sodass auch dem Angeklagten bewusst war, dass die Unternehmung aus insgesamt drei Personen bestand.
91
Zudem sollten – dies war sowohl dem Angeklagten als auch den Verurteilten R. und F. bewusst – über den durch den Angeklagten zu programmierenden und zu administrierenden Online-Shop auf längere Dauer erhebliche Mengen Betäubungsmittel verkauft werden, sodass bei einem erfolgreichen Betrieb eine Strafbarkeit gemäß § 30a Abs. 1 BtMG vorgelegen hätte.
92
Die abgesprochenen Tatbeiträge des Angeklagten wären auch nicht nur von lediglich untergeordneter Bedeutung gewesen. Dem Angeklagten ist gemäß der getroffenen Absprache innerhalb der Bande die Programmierung des Online-Shops und dessen fortlaufende Administrierung zugefallen. Ohne einen solchen funktionierenden OnlineShop wären die Verurteilten R. und F. auf andere Absatzkanäle angewiesen gewesen. Es handelte sich bei den Tätigkeiten des Angeklagten mithin um Beiträge, die von zentraler Bedeutung für die erfolgreiche Tatbegehung gewesen wären. Der Angeklagte hatte auch ein erhebliches Eigeninteresse an der erfolgreichen Tatausführung, da er neben einer Festvergütung von 10.000,- Euro mit 4% an den zu generierenden Veräußerungserlösen aus dem Betäubungsmittelverkauf beteiligt worden wäre. Bei der verabredeten Tat ist demgemäß von täterschaftlichem Handeln des Angeklagten und nicht nur von einer bloßen Gehilfentätigkeit auszugehen (vgl. hierzu Patzak in: Patzak/Volkmer/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz, § 30 BtMG Rn. 57).
93
Nachdem der Online-Shop nach den glaubhaften Angaben des Angeklagten – die auch mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme übereinstimmen – noch weit von der Fertigstellung entfernt war, wurde die Versuchsschwelle nicht überschritten. Die Strafbarkeit folgt demgemäß aus § 30 Abs. 2 StGB.
2. Cl.-Shop „www…..to“ (vgl. B.II.2.)
94
Der Betrieb des Cl.-Shops „www…..to“ ist strafbar als bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. Abs. 1 BtMG.
95
Zunächst ist festzuhalten, dass hinsichtlich der Bande und der zugrundeliegenden Bandenabrede das unter D.II.1. Geschriebene auch bei der vorliegenden Tat gilt.
96
Bei dem Angeklagten liegt auch in diesem Fall täterschaftliches Handeln und nicht nur eine bloße Gehilfentätigkeit vor. Die Aufgabe des Angeklagten war neben der Programmierung des Online-Shops auch dessen Implementierung auf einem Server und die fortlaufende Administrierung des Online-Shops. Es handelte sich dabei um Tätigkeiten von zentraler Bedeutung für die erfolgreiche Tatbestandsverwirklichung, denn ohne das Handeln des Angeklagten hätte es den verfahrensgegenständlichen Online-Shop „www…..to“ nicht gegeben, sodass über diesen auch keine Betäubungsmittel hätten vertreiben werden können. Dass die Verurteilten R. und F. in diesem Fall möglicherweise alternative Vertriebswege hätten finden können, ist unerheblich. Hypothetische Kausalverläufe sind im Rahmen aktiver Handlungen unbeachtlich (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 27.11.1951 – 1 StR 303/51, BeckRS 1951, 31195443; BGH, Urteil vom 8. 11. 1999 – 5 StR 632/98, NJW 2000, 443).
97
Ebenfalls unerheblich ist, dass der Angeklagte entgegen der Vereinbarung mit R. den Online-Shop nicht selbst programmiert, sondern diesen ohne Kenntnis der übrigen Bandenmitglieder von der Person „…“ zugekauft hat. Für den Erfolg der Bandenabrede ist es nämlich unerheblich, wer den Shop programmiert; entscheidend ist vielmehr die Tatsache, dass ein funktionierender Online-Shop zur Verfügung steht. Einen solchen hat der Angeklagte von „…“ bezogen und sodann „online gestellt“, um dem gemeinsamen Geschäftsmodell zum Erfolg zu verhelfen.
98
Einem täterschaftlichen Handeln des Angeklagten steht auch nicht die relativ geringfügige Entlohnung in Höhe von 1.000,- Euro entgegen. Der – von dem Angeklagten vorgeschlagene – Betrieb des Cl.-Shops „www…..to“ sollte nämlich nur eine Übergangslösung darstellen, bis der geplante D.-Shop seinen Betrieb aufnimmt. Durch den Betrieb des D.-Shops hätte der Angeklagte sodann eine regelmäßige, erhebliche Einnahmequelle erfahren. In dem Cl.-Shop kann mithin gleichsam eine Arbeitsprobe des Angeklagten gesehen werden, die – aus Sicht aller Bandenmitglieder – im Vorgriff auf den dauerhaften Betrieb des D.-Shops die Fähigkeiten des Angeklagten demonstriert. Das Interesse des Angeklagten an einem erfolgreichen Betrieb des Cl.-Shops wird im Übrigen auch durch seinen Vorschlag in Bezug auf die Einführung von Rabatt-Coupons belegt.
99
Nachdem der Angeklagte neben der Bereitstellung und Administrierung des ClearnetShops keine individuellen Tatbeiträge zu einzelnen Umsatzgeschäften getätigt hat, ist bei ihm von einer einheitlichen Tat auszugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 02.06.2022 – 2 StR 12/22, BeckRS 2022, 35259). In Anbetracht der im Zeitraum des Bestehens des Shops umgesetzten Betäubungsmittelmenge – es handelte sich um das 175- fache der nicht geringen Menge – folgt daraus eine Strafbarkeit wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
E. Rechtsfolgen
I. Strafrahmen
1. „…“ (vgl. B.I.)
100
Der Strafrahmen des Qualifikationstatbestandes des § 127 Abs. 4 StGB sieht eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren vor.
2. D.-Shop „…Inc.“ (vgl. B.II.1.)
a) Grundlegender Strafrahmen aus § 30a Abs. 1 BtMG
101
Die Strafe für die Verbrechensverabredung gemäß § 30 Abs. 2 StGB ist zunächst dem § 23 StGB zu entnehmen. Es gilt mithin grundsätzlich der Strafrahmen des verabredeten Delikts (vgl. Cornelius in: BeckOK StGB, § 23 Rn. 3). Zu berücksichtigen ist bei dem Ausgangsstrafrahmen indes auch das eventuelle Vorliegen eines minder schweren Falles (Heine/Weißer in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 30 Rn. 42 m.w.N.). Der gefundene Strafrahmen ist sodann nach §§ 30 Abs. 1 S. 2, 49 Abs. 1 StGB obligatorisch zu mildern.
102
Nachdem die Verabredung auf ein bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gerichtet war, ist der Ausgangsstrafrahmen zunächst dem § 30a Abs. 1 BtMG zu entnehmen, der eine Freiheitsstrafe zwischen 5 und 15 Jahren vorsieht.
b) Minder schwerer Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG
103
Vorliegend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass ein minder schwerer Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG vorliegt, der mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren bedroht ist.
104
Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem solch erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2000 – 3 StR 363/99, NStZ 2000, 254). Hierzu ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (vgl. nur BGH, Urteil vom 5. 6. 2003 – 3 StR 60/03, NStZ 2004, 32, 33; BGH, Beschluss vom 26. 8. 2008 – 3 StR 316/08, NStZ 2009, 37).
105
Bei der diesbezüglichen Prüfung hat die Kammer bedacht, dass es zuerst auf eine Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände ankommt. Erst wenn diese die Annahme eines minder schweren Falls allein nicht zu tragen vermögen, sind zusätzlich auch die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgründen verwirklichenden Umstände in die Bewertung einzubeziehen (vgl. nur BGH, Urteil vom 28.02.2013, 4 StR 430/20; BeckRS 2013, 5335; BGH, Beschluss vom 16.11.2017, 2 StR 404/17, BeckRS 2017, 133725).
106
Bei der vorrangig gebotenen Gesamtwürdigung aller allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkte des hiesigen Falles war zugunsten des Angeklagten maßgeblich sein vollumfängliches, von ehrlicher Schuldeinsicht und Reue getragenes Geständnis zu werten, welches im konkreten Fall in besonders hohem Maße strafmildernd zu berücksichtigen ist, da der Angeklagte durch sein bedingungsloses Einstehen für seine Taten eine in hohem Maße umfangreiche Beweisaufnahme verzichtbar machte. Seine frühen, bereits im polizeilichen Ermittlungsstadium gemachten Angaben zu den objektiven und subjektiven Tatumständen haben sich im gerichtlichen Verfahren fortgesetzt, sodass von Anfang an eine deutliche Abkürzung eines ansonsten komplexen und langwierigen Verfahrensganges möglich war. In erheblichem Maße für den Angeklagten sprach zudem, dass er nach der mit den Verurteilten R. und F. getroffenen Abrede mit den eigentlichen Umsatzgeschäften nichts zu tun gehabt hätte, er also weder die Betäubungsmittel beschaffen noch diese portionieren, verpacken oder versenden sollte. In diesem Zusammenhang war auch zu sehen, dass der Kontakt mit dem Verurteilten R. ausschließlich anonym unter Nutzung von Nicknames im Internet erfolgt ist, sodass die Schwelle zur Tatbegehung geringer war. Besonders zugunsten des Angeklagten war zudem zu sehen, dass er bei der Tatbegehung noch sehr jung und dem Heranwachsendenalter erst wenige Monate entwachsen war. Auch war die allgemeine, vom Einzelgängertum geprägte Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Werdegang, der von jahrelangem Mobbing bestimmt war, zu seinen Gunsten zu würdigen. Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte selbst betäubungsmittelabhängig ist, unter einem gewissen Suchtdruck stand und die Tat maßgeblich dadurch motiviert war, den eigenen Betäubungsmittelkonsum zu finanzieren. Für den Angeklagten spricht auch, dass er mittlerweile von seinem zur Tatzeit bestehenden Weltbild, wonach freie Bürger auch freien Zugang zu Betäubungsmittel haben sollten, nachdrücklich abgerückt ist und diesbezüglich einen ehrlichen Sinneswandel durchlebt hat. Dies wird auch dadurch deutlich, dass der Angeklagte in der Haft an über 50 Suchtberatungsterminen teilgenommen hat – ein Umstand, der bereits für sich zu honorieren ist. Für den Angeklagten spricht zudem, dass sich dieser bereits seit ca. 14 Monaten in Untersuchungshaft befindet und er auf Grund seines jungen Alters und seiner spezifischen Persönlichkeit besonders haftempfindlich ist. In hohem Maße für den Angeklagten spricht zudem dessen in der Hauptverhandlung erklärtes Einverständnis mit der form- und entschädigungslosen Einziehung zahlreicher teils wertvoller Datenträger im Gesamtwert zwischen 2.000,- und 3.000,- Euro – die Kammer hält die diesbezügliche Schätzung des Angeklagten für realistisch –, wobei besonders zu berücksichtigen war, dass eine förmliche Einziehung vieler dieser Gegenstände voraussichtlich nicht möglich gewesen wäre. Nicht zu übersehen war vorliegend auch die Tatsache, dass der geplante D.-Shop von der Fertigstellung noch weit entfernt war. Nicht zuletzt für den Angeklagten spricht zudem, dass dieser nicht einschlägig vorbestraft ist, wobei zugleich zu sehen war, dass geringfügige Vorahndungen vorhanden sind.
107
Zulasten des Angeklagten spricht auf der anderen Seite, dass über den geplanten D.-Shop – für den Angeklagten erkennbar – eine ganz erhebliche Rauschgiftmenge umgesetzt werden sollte, wobei auch harte Drogen wie Kokain verkauft werden sollten. Zugleich ist diesbezüglich aber auch zu sehen, dass etwa mit Haschisch auch sog. weiche Drogen angeboten werden sollten.
108
Im Rahmen der notwendigen Gesamtwürdigung kommt den strafmildernden Aspekten gegenüber den zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigenden Umständen ein so großes Gewicht zu, dass die Annahme eines minder schweren Falles mit einem Strafrahmen von 6 Monaten bis 10 Jahren Freiheitsstrafe gerechtfertigt ist.
109
Nachdem gesetzlich vertypte Milderungsgründe für das verabredete Delikt nicht ersichtlich sind, kommt eine weitere Strafrahmenverschiebung (zunächst) nicht in Betracht.
c) Sperrwirkung
110
Nach Meinung der Kammer ist bei der Bestimmung des für § 30 Abs. 2 StGB relevanten Strafrahmens indes die Rechtsprechung zur sog. Sperrwirkung des § 30 Abs. 1 BtMG bzw. § 29a Abs. 1 BtMG zu berücksichtigen (vgl. zur Sperrwirkung in Fällen der Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag im Fall der versuchten Anstiftung: BGH, Beschluss vom 30.06.2005 – 1 StR 227/05, NStZ 2006, 34).
111
Grundlage der Rechtsprechung zur Sperrwirkung ist der Umstand, dass der Tatbestand des § 30a BtMG (bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) sowohl den Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln; grundsätzliche Strafandrohung: nicht unter 2 Jahren Freiheitsstrafe) als auch den Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; grundsätzliche Strafandrohung: nicht unter 1 Jahr Freiheitsstrafe) konkurrenzrechtlich verdrängt (Patzak in: Patzak/Volkmer/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz, § 30 BtMG Rn. 67; § 30a BtMG Rn. 23).
112
Auf Grund der überzeugenden Überlegung, wonach die Mindeststrafe bei Anwendung des minder schweren Falles gemäß § 30 a Abs. 3 BtMG nicht milder sein darf als auf Grund der Strafrahmen der verdrängten Vorschriften vorgegeben, entfalten die verdrängten Vorschriften eine Sperrwirkung für die Strafuntergrenze, sofern dort nicht auch ausnahmsweise minder schwere Fälle gegeben sind (Patzak in: Patzak/Volkmer/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz, § 30a BtMG Rn. 115 m.w.N.).
(1) Keine Sperrwirkung durch § 30 Abs. 1 BtMG
113
Im konkreten Fall ist in Bezug auf den Tatbestand des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln auf Grund einer erneuten Würdigung sämtlicher bereits unter E.I.2.b) genannter Strafzumessungskriterien – auf die vollumfänglich Bezug genommen wird – vom Vorliegen eines minder schweren Falles i.S.d. § 30 Abs. 2 BtMG (sodann mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 3 Monaten) auszugehen.
114
Dabei war neben den bereits erwähnten, zugunsten des Angeklagten sprechenden Strafzumessungskriterien erneut besonders zu berücksichtigen, dass dieser nach der Bandenabrede jenseits seines allgemeinen Tatbeitrages keinerlei eigenen Tatbeitrag zu den konkreten einzelnen, über den D.-Shop laufenden Umsatzgeschäften hätte leisten sollen.
115
Daneben maß die Kammer dem Umstand, dass über den D.-Shop eine erhebliche Menge an Betäubungsmitteln hätte verkauft werden sollen, nur geringes Gewicht bei. Nach Ansicht der Kammer kann die Rauschgiftmenge beim bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG nur einen lediglich untergeordneten Strafzumessungspunkt darstellen, da eine bandenmäßig gehandelte erhebliche Drogenmenge, die die Grenze zur nicht geringen Menge überschreitet, qua Gesetzes zur Erfüllung des Tatbestandes des § 30a Abs. 1 BtMG führen würde, wobei das verwirklichte höhere Tatunrecht seinen Niederschlag bereits in der durch den Gesetzgeber festgesetzten höheren Strafandrohung erfahren hat. Insofern verbleibt als relevantes Strafzumessungskriterium zulasten des Angeklagten der Umstand, dass auch härtere Drogen über den D.-Shop hätten vertrieben werden sollen.
116
In einer Gesamtschau aller tat- und täterbezogenen Strafzumessungskriterien liegt demnach auch ein minder schwerer Fall gemäß § 30 Abs. 2 BtMG vor.
(2) Sperrwirkung durch § 29a Abs. 1 BtMG
117
Als gleichsam letzte Rückfallebene entfaltet indes die Strafandrohung des § 29a Abs. 1 BtMG (Mindestfreiheitsstrafe: 1 Jahr) eine Sperrwirkung.
118
Nach erneuter Abwägung und Würdigung aller bereits genannten Strafzumessungskriterien – auf die Bezug genommen wird – weicht die verabredete Tat nicht in einem solchen Maße vom typischerweise vorkommenden Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach unten ab, dass der Regelstrafrahmen als nicht mehr angemessen erscheint.
119
Dabei sprach insbesondere die Tatsache, dass eine erhebliche Menge Rauschgift – darunter auch härtere Drogen – hätten gehandelt werden sollen gegen die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 29a Abs. 2 BtMG.
d) Zwischenergebnis zum Strafrahmen
120
Der anzuwendende Strafrahmen sieht demnach eine Freiheitsstrafe zwischen 1 Jahr (folgt aus der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG) und 10 Jahren (folgt aus § 30a Abs. 3 BtMG) vor.
e) Obligatorische Strafmilderung gemäß §§ 30 Abs. 2, Abs. 1 S. 2, 49 StGB
121
Gemäß § 30 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 StGB ist die Strafe, die dem verabredeten Grunddelikt zu entnehmen ist, gemäß § 49 Abs. 1 zwingend zu mildern.
122
Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 Alt. 3 StGB sieht der mögliche Strafrahmen demnach eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 7 Jahren und 6 Monaten vor.
3. Cl.-Shop „www…..to“ (vgl. B.II.2.)
123
Der Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG sieht für bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren vor.
124
Nach den dargestellten Grundsätzen – auf die Bezug genommen wird – gelangt die Kammer auch bzgl. dieser Tat zur Annahme eines minder schweren Falles mit einem Strafrahmen von zunächst 6 Monaten bis zu 10 Jahren. Hierbei waren erneut die bereits unter E.I.2.b dargestellten Strafzumessungskriterien zu würdigen – insbesondere die Tatsache, dass der Angeklagte keine unmittelbaren eigenen Tatbeiträge zu den einzelnen Umsatzgeschäften geleistet hat –, wobei zudem zugunsten des Angeklagten die mit 1.000,- Euro relativ geringfügige Entlohnung und besonders zulasten des Angeklagten die gehandelte Rauschgiftmenge, die die Grenze zur nicht geringen Menge um das 175-fache überstiegen hat, sprachen. Gleichwohl ging die Kammer auf Grund der zahlreichen, teils in ganz erheblichem Maße zugunsten des Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte davon aus, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens des § 30a Abs. 1 BtMG nicht tat- und schuldangemessen wäre.
125
Auch hier sind jedoch die dargestellten Grundsätze zur Sperrwirkung des § 30 BtMG bzw. 29a BtMG – auf die Bezug genommen wird – zu berücksichtigen. Aus den bereits genannten Erwägungen, die im selben Maße auch bei der vorliegenden Tat zu berücksichtigen sind und auf die wiederum Bezug genommen wird, geht die Kammer vom Vorliegen eines minder schweren Falles gemäß § 30 Abs. 2 BtMG, hingegen auf Grund der ganz erheblichen Betäubungsmittelmenge nicht vom Vorliegen eines minder schweren Falles gemäß § 29a Abs. 2 BtMG aus. Die relevante Sperrwirkung ist somit dem § 29a Abs. 1 BtMG zu entnehmen, was – mangels Vorliegens eines gesetzlich vertypten Milderungsgrundes mit weiterer Strafrahmenverschiebung – zu einem Strafrahmen von 1 Jahr bis zu 10 Jahren führt.
II. Konkrete Strafzumessung
126
Bei der Abwägung der jeweils für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer innerhalb der jeweils maßgeblichen Strafrahmens jeweils unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 46 StGB alle zuvor im Rahmen der Strafrahmenwahl genannten Strafzumessungskriterien – sofern sie für die jeweilige Tat Gültigkeit beanspruchen – nochmals herangezogen und geprüft, sowie – erneut – maßgeblich dessen erheblich verfahrensbeschleunigendes und von Reue und Schuldeinsicht getragenes Geständnis sowie seine glaubhafte Distanzierung von den Taten nebst zugehörigem Wandel der Lebensanschauungen berücksichtigt. Auch wurde erneut sein junges Alter zur jeweiligen Tatzeit berücksichtigt, wobei dies in ganz besonderem Maße bei der unter B.I. dargestellten Tat („…“) relevant war, zumal das Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet erst seit dem 01.10.2021 – zu einem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte bereits 21 Jahre alt war – unter Strafe steht und der Angeklagte bei unterstellter früherer Geltung des § 127 StGB auf Grund des bereits seit 2019 andauernden Betriebes von „…“ in den Genuss der Anwendung von Jugendstrafrecht gekommen wäre.
127
Zulasten des Angeklagten hat die Kammer hinsichtlich der unter B.I. dargestellten Tat („…“) vorrangig die große Reichweite der Plattform sowie die hohe Anzahl aktiver V.en, hinsichtlich der unter B.II. dargestellten Taten (verabredeter D.Shop „… Inc.“ und betriebener Cl.-Shop „www…..to“), die enorme Menge des geplanten bzw. tatsächlich umgesetzten Rauschgifts sowie hinsichtlich aller Taten die Tatsache, dass auch härtere und harte Drogen wie Kokain und Heroin (letzteres wiederum nur bei „…“) angeboten wurde bzw. damit gehandelt werden sollte bzw. damit tatsächlich gehandelt wurde, berücksichtigt.
128
Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände sowie sämtlicher weiterer sich aus § 46 Abs. 1, Abs. 2 StGB ergebenden Strafzumessungsgründe ist nach Überzeugung der Kammer für die unter B.I. dargestellte Tat („…“) die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten, für die unter B.II.1. dargestellte Tat (geplanter D.-Shop „…. Inc“) die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und für die unter B.II.2. dargestellte Tat (Cl.-Shop „www…..to“) die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten tat- und schuldangemessen und als Mindestmaß schuldgerechten Ausgleichs geboten.
III. Gesamtstrafenbildung
129
Aus den vorgenannten Einzelstrafen hat die Kammer gemäß §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 S. 2 u. 3 StGB unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände unter Erhöhung der höchsten Einzelstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten und Verbleiben unter der Gesamtsumme der verhängten Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe unter Durchführung eines Härteausgleichs mit der grundsätzlich gesamtstrafenfähigen, indes bereits vollständig vollstreckten Ahndung aus dem Urteil des Amtsgerichts Landau an der Isar vom 15.12.2021 in dem Verfahren 2 Ds 615 Js 25327/20 jug gebildet. Dabei hat die Kammer erneut die Person des Angeklagten und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt und insbesondere auch die Umstände berücksichtigt, dass sämtliche Taten letztlich eng mit der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten zusammenhängen und sich die Tathandlungen zeitlich überschnitten haben, mithin ein enger Gesamtzusammenhang zwischen allen drei Taten bestanden hat.
130
Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände hält die Kammer die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten für tat- und schuldangemessen.
IV. Maßregeln der Besserung und Sicherung
1. Keine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
131
Mangels (überdauernder) psychischer Erkrankung bei dem Angeklagten und mangels Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB zu den einzelnen Tatzeitpunkten kam eine Maßregel nach § 63 StGB von vornherein nicht in Betracht.
2. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB
132
Dagegen war die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB anzuordnen.
133
Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 64 StGB in der seit dem 01.10.2023 geltenden Fassung sind erfüllt. Der Angeklagte weist einen Hang im Sinne der Vorschrift auf. Dieser Hang geht wiederum auf eine Substanzkonsumstörung zurück, infolge derer bei dem Angeklagten eine dauerhafte und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung eingetreten ist, welche ihrerseits fortdauert. Zumindest die unter B.II. dargestellten Taten („… Inc.“) gehen auch überwiegend auf den Hang des Angeklagten zurück. Es besteht zudem die Gefahr, dass der Angeklagte, sollte er keine langfristige Therapiemaßnahme erfahren, weitere erhebliche Straftaten begehen wird. Es bestehen darüber hinaus tatsächliche Anhaltspunkte, dass der Angeklagte durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Zweijahresfrist des § 67d Abs. 1 S. 1 StGB zu heilen und von der Begehung hangbedingter, erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten ist.
a) Hang nebst Substanzkonsumstörung
134
Der Angeklagte weist einen Hang auf, Alkohol und auch Betäubungsmittel in Form von Cannabis und Benzodiazepinen im Übermaß zu sich zu nehmen. Es liegt diesbezüglich auch eine Substanzkonsumstörung vor, die sich – wie bereits ausgeführt – in einer Abhängigkeitserkrankung von Alkohol gemäß ICD-10: F.10.21, in einer Abhängigkeitserkrankung von Cannabinoiden gemäß ICD-10: F.12.21 und in einer Abhängigkeitserkrankung von Benzodiazepinen gemäß ICD-10: F.13.21 manifestiert hat. Der Sachverständige Dr. … hat diesbezüglich nachvollziehbar ausgeführt, dass bei dem Angeklagten nicht nur von einem schädlichen Gebrauch der genannten Substanzen auszugehen sei, sondern vielmehr akute Abhängigkeitserkrankungen vorliegen. Die Kammer teilt diese Einschätzung.
b) Schwerwiegende und dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensgestaltung
135
Der Sachverständige Dr. … führte aus, dass infolge der Abhängigkeiten des Angeklagten keine überdauernde Beeinträchtigung der Arbeits- oder Leistungsfähigkeit eingetreten sei. Zwar sei auf Grund deutlicher Anhaltspunkte – etwa der faktische Abbruch des Studiums – anzunehmen, dass der Angeklagte im Jahr 2022 auf Grund seines Konsums in den genannten Fähigkeiten beeinträchtigt war. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Arbeits- und Leistungsfähigkeit indes wieder vollständig hergestellt.
136
Aus medizinischer Sicht sei indes von einer schwerwiegenden und auch dauerhaften Beeinträchtigung der Lebensgestaltung auszugehen. So sei im Herbst 2022 auf Grund des erheblichen Alkohol- und Drogenkonsums des Angeklagten, der auf der einen Seite zu emotionalen Ausbrüchen und auf der anderen Seite zum sich immer weiter verstetigenden sozialen Rückzug in sich selbst geführt habe, die mehrjährige Beziehung zu dessen damaliger Lebensgefährtin zerbrochen. Überdies habe der Angeklagte durch seinen ständigen, mehrjährigen und übermäßigen Konsum letztlich sein Studium „an die Wand gefahren“. Diese Folgen seines Konsums hätten den Angeklagten in seiner persönlichen Entwicklung deutlich gebremst und im Vergleich zu gleichaltrigen Personen für mehrere Jahre zurückgeworfen. Darüber hinaus sei der Angeklagte jemand, der jedenfalls unter klinischen Aspekten auf Grund seiner gravierenden Süchte dringend eine Maßregel nach § 64 StGB durchlaufen müsse. Wörtlich sagte der Sachverständige in diesem Zusammenhang und mit Blick auf die restriktiveren Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 64 StGB infolge der kürzlichen Gesetzesreform: „Der Angeklagte gehört in die Entziehungsanstalt. Er gehört hingegen nicht zu den Personen, die der Gesetzgeber von einer Maßnahme nach § 64 StGB ausschließen wollte.“
137
Die Kammer folgt hinsichtlich der Einschätzung, dass auf Grund der Substanzkonsumstörung eine dauerhafte und schwerwiegende, noch fortbestehende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung bei dem Angeklagten eingetreten ist, nach eigener kritischer Würdigung und aus eigener Überzeugung dem gerichtsbekannt sehr erfahrenen Sachverständigen, wenngleich klinische Aspekte auf Grund der Neugestaltung des § 64 StGB bei der diesbezüglichen Entscheidung allenfalls von untergeordneter Bedeutung waren. Von entscheidender Bedeutung war vielmehr, dass der Angeklagte infolge seines Konsums Nachteile in seiner Lebensgestaltung in Form eines gescheiterten Studiums sowie des Verlustes einer für den Angeklagten äußerst wichtigen Bezugsperson in Gestalt seiner ehemaligen Lebensgefährtin erlitten hat. Diese Beeinträchtigungen sind im vorliegenden Fall als schwerwiegend anzusehen, was auch an der Emotionslage des Angeklagten in der Hauptverhandlung, als er auf diese Themen zu sprechen kam, mehr als deutlich wurde. Die Kammer sieht diese Beeinträchtigungen auch als dauerhaft i.S.d. § 64 StGB an, da sie den Angeklagten auf nicht absehbare Zeit in seiner Lebensführung beeinträchtigen werden. Insbesondere der faktische Abbruch des Studiums in einer Lebensphase, in denen Gleichaltrige mit vergleichbarer Ausgangslage dem Abschluss eines Studiums und dem baldigen Eintritt in den gehobenen Arbeitsmarkt entgegensehen, wirkt sich auf nicht absehbare Dauer negativ auf den Angeklagten aus. Darüber hinaus ist derzeit nicht absehbar, ob und wann der Angeklagte sein Studium wieder wird aufnehmen können und ob er dieses zu einem erfolgreichen Abschluss wird bringen können, obwohl die dafür erforderlichen grundlegenden Fertigkeiten zweifellos vorhanden sind.
138
Die Kammer ist dabei der Ansicht, dass das Merkmal „dauerhaft“ in § 64 S. 1 StGB nicht im Sinne von „überdauernd“ bzw. „auf alle Zeit“ zu verstehen ist, zumal andernfalls der Anwendungsbereich des § 64 StGB nahezu gen Null tendieren dürfte, da insbesondere in Fallgestaltungen einer überdauernden Beeinträchtigung die ebenfalls von § 64 StGB geforderten Erfolgschancen auf Heilung häufig nicht gegeben sein dürften (man denke etwa an Täter mit alkoholkonsumbedingtem KorsakowSyndrom). Im Übrigen ist auch im Entwurf des Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts hinsichtlich des Merkmals „dauerhaft“ zu lesen: „Das heißt, die Einschränkung darf nicht nur zeitweise eingetreten sein, sondern muss im Tatzeitpunkt für längere Zeit vorhanden gewesen sein. Eine lediglich vorübergehende konsumbedingte Verringerung oder Aufhebung der sozialen Funktionsfähigkeit genügt nicht“ (Bundestagsdrucksache 20/5913, S. 45). Nach dem Gesetzesentwurf zielen „diese erhöhten Anforderungen an die Intensität der Beeinträchtigung […] darauf ab, die Anwendung der Vorschrift insbesondere auch im Bereich des schädlichen Gebrauchs von Substanzen […] auf schwere, tatsächlich behandlungsbedürftige Fälle zu begrenzen“ (Bundestagsdrucksache 20/5913, S. 45). Die Gesetzesbegründung spricht in besonderem Maße dafür, im vorliegenden Fall das Merkmal „dauerhaft“ zu bejahen, nachdem es sich bei dem Angeklagten – auch insofern folgt die Kammer aus eigener Überzeugung der Einschätzung des Sachverständigen – um einen schwer suchtkranken, tatsächlich behandlungsbedürftigen Fall handelt.
c) Kausalität und Kriminalitätsprognose
139
Der Sachverständige Dr. … führte weiter aus, dass er aus medizinischer Sicht davon ausgehe, dass die verfahrensgegenständlichen Taten maßgeblich auf den Hang des Angeklagten zurückgehen würden, da der Angeklagte auf Grund seines eigenen Betäubungsmittelkonsums eine zusätzliche Einnahmequelle habe generieren müssen. Sofern der Angeklagte keine Langzeittherapie erfahre, mithilfe derer er seine Suchtproblematik in den Griff bekommt, würden von ihm weitere erhebliche Straftaten aus dem Bereich der Betäubungsmitteldelinquenz mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein.
140
Auch insofern folgt die Kammer nach Würdigung der Gesamtumstände aus eigener Überzeugung der Einschätzung des Sachverständigen. Nach den glaubhaften Angaben des Angeklagten intensivierte sich insbesondere ab dem Jahr 2020 sein Konsum von Betäubungsmitteln – vor allem von Benzodiazepinen – beträchtlich. Er habe nach dem Verlust seines Studentenjobs fast ausschließlich von Unterstützungsleistungen seiner Eltern gelebt, die nicht selten in Naturalien (Nahrung etc.) bestanden hätten. Er habe schließlich V.en kontaktiert und diesen den Aufbau von Online-Shops gegen finanzielle Beteiligung an den Betäubungsmittelgeschäften angeboten, um seinen gestiegenen Ausgaben aus dem eigenen Drogenkonsum zu finanzieren. Die Kammer ist der Überzeugung, dass zumindest die unter B.II. dargestellten Taten („… Inc.“) maßgeblich dadurch motiviert waren, Erlöse für die eigene Drogensucht zu generieren. Hiergegen spricht bei der Tat unter B.II.2. (Cl.-Shop „www…..to“) nicht, dass der Angeklagte ein nur relativ geringfügiges Entgelt von 1.000,- Euro erhalten hat, welches er zudem zeitnah an „…“ weitergeleitet hat. Der Cl.-Shop sollte nach den glaubhaften Angaben des Angeklagten, die durch das übrige Beweisergebnis gestützt wurden, lediglich als eine Art Zwischenlösung fungieren, bis der avisierte D.-Shop läuft. An den Veräußerungserlösen aus dem D.-Shop hätte der Angeklagte sodann mit 4% Umsatzbeteiligung partizipieren sollen (zusätzlich zu einem festen Betrag in Höhe von 10.000,- Euro). Nach Ansicht der Kammer handelt es sich bei den Taten im Zusammenhang mit „… Inc.“ unter wirtschaftlicher Betrachtung um ein einheitlich zu bewertendes, letztlich nicht zu trennendes Konstrukt. Die dauerhafte Erlösbeteiligung spricht entscheidend dafür, dass der Angeklagte hier handelte, um seine eigene Drogensucht zu finanzieren. Es kann daher letztlich dahinstehen, ob auch die Tat unter B.I. („…“) überwiegend auf den Hang des Angeklagten zurückgeht oder eher seiner Obsession für IT-Themen entsprungen ist.
141
Die Kammer ist darüber hinaus davon überzeugt, dass der Angeklagte, sollte er unbehandelt bleiben, erneut erhebliche Straftaten im Zusammenhang mit dem onlinebasierten Verkauf von Betäubungsmitteln begehen wird, um seine Drogensucht zu finanzieren. Auch insofern folgt sie der Einschätzung des Sachverständigen.
d) Erfolgsaussichten
142
Zu den Erfolgsaussichten der Therapie äußerte sich der Sachverständige auf Grund der Intelligenz des Angeklagten sowie dessen Persönlichkeit sehr optimistisch. Insbesondere die Tatsache, dass der Angeklagte in Haft mehr als 50 Termine bei der Suchtberatung wahrgenommen hat, sah der Sachverständige als vielversprechenden Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Langzeittherapie.
143
Die Kammer folgt auch hier nach eigener kritischer Prüfung und Würdigung der Gesamtlage der Einschätzung des Sachverständigen, wobei die Kammer insbesondere die erfolgte innere Auseinandersetzung des Angeklagten mit dessen Taten und die daraus resultierende ernsthafte Distanzierung davon sowie den krassen Wandel des Angeklagten in dessen Einschätzung zu Drogen im Allgemeinen und den gesetzlichen Beschränkungen zum Zugang zu Rauschgift als äußerst förderlich für den Therapieerfolg einschätzt.
V. Vorwegvollzug
144
Bei einer nach sachverständiger Einschätzung zu erwartenden Therapiedauer von 18 Monaten, der die Kammer nach kritischer Prüfung und Würdigung aus eigener Überzeugung folgt, bedarf es gemäß § 67 Abs. 2 S. 1 u. 2 StGB des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe. Dieser ist ausgehend von der zu erwartenden Therapiedauer gemäß § 67 Abs. 2 S. 3 StGB auf 1 Jahr und 8 Monate zu bestimmen.
145
Hierauf wird im Rahmen der Vollstreckung gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 StGB die bereits vollzogene Untersuchungshaft anzurechnen sein.
F. Einziehungsentscheidung
146
Der Angeklagte erhielt nach seinen glaubhaften Angaben, die durch das Ergebnis der Beweisaufnahme gestützt wurden, für die Bereitstellung und Administration des Cl.-Shops „www…..to“ (B.II.2.) eine Vergütung in der Kryptowährung Monero in Höhe von umgerechnet Höhe von 1.000,- Euro.
147
Dieser Betrag unterliegt der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c StGB.
148
Die Tatsache, dass der Angeklagte diesen Betrag zeitnah an „…“ zur Bezahlung für dessen Programmierarbeiten weitergeleitet hat, ist auf Grund des in § 73d Abs. 1 S. 2 Hs. 1 StGB normierten Abzugsverbots irrelevant, da es sich um Aufwendungen für die Tatbegehung gehandelt hat.
G. Kosten
149
Als Verurteilter hat der Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 465 Abs. 1 StPO.