Titel:
Reichweite der negativen Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls und Revisionsrügen bezüglich des Berichterstattervortrages nach § 324 Abs. 1 StPO
Normenkette:
StPO § 274, § 324 Abs. 1, § 337
Leitsätze:
1. Die (negative) Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls erstreckt sich nicht auf Vorgänge außerhalb der Hauptverhandlung wie hier die vor der Hauptverhandlung erfolgte Berufungsbeschränkung. (Rn. 3) (red. LS Alexander Kalomiris)
2. Mit der Revision kann lediglich geltend gemacht werden, der Berichterstattervortrag und die Verlesung des Ersturteils seien gänzlich unterblieben, nicht aber kann eine etwaige Unvollständigkeit des Vortrags des Berichterstatters gerügt werden. (Rn. 4) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Beweiskraft des Protokolls, negative Beweiskraft des Protokolls, negative Beweiskraft, Berufungsbeschränkung, Berichterstattervortrag, Mängel des Berichterstattervortrags
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 07.12.2023 – 21 NBs 363 Js 125209/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 46420
Tenor
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 7. Dezember 2023 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
1
1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 6. März 2024 Bezug genommen. Ergänzend und zusammenfassend, auch im Hinblick auf das weitere Vorbringen der Revision im Schriftsatz vom 20. März 2024 bemerkt der Senat:
3
Entgegen der Auffassung der Revision erstreckt sich die (negative) Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls jedenfalls nicht auf Vorgänge außerhalb der Hauptverhandlung wie hier die vor der Hauptverhandlung erfolgte Berufungsbeschränkung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 274 Rdn. 9; s. auch Löwe-Rosenberg/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 273 Rdn. 21 a. E.). Sollte dem Revisionsvorbringen zu entnehmen sein, dass in Zweifel gezogen werden soll, dass eine Berufungsbeschränkung tatsächlich erfolgt ist, kann der Senat im Freibeweisverfahren anhand der Akten selbst feststellen, dass dies nicht zutrifft.
4
Soweit die Rüge der Revision dahin auszulegen ist, der Vorsitzende habe in seinem Bericht zum bisherigen Verfahren gemäß § 324 StPO den Umfang der Anfechtung des Ersturteils nicht mitgeteilt, kann dies dem Rechtsmittel ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Mit der Revision kann lediglich geltend gemacht werden, der Berichterstattervortrag und die Verlesung des Ersturteils seien gänzlich unterblieben, nicht aber kann eine etwaige Unvollständigkeit des Vortrags des Berichterstatters gerügt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 324 Rn. 9; KK-StPO/Paul, 9. Aufl. 2023, Rn. 10).
5
Die Feststellungen des Amtsgerichts zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel hat das Berufungsgericht ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 10/11 und 14) zutreffend (vgl. Senatsbeschluss vom 10.12.2021, 206 StRR 449/21, n. v.) als bindend erachtet und hat daher auch abweichende Inhalte des Sachverständigengutachtens nicht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt.
6
Die beanstandeten Ausführungen des Landgerichts zur unterschiedlichen Qualität des vom Angeklagten selbst konsumierten und verkauften Betäubungsmittels (UA S. 16) sind zwar in der Tat missverständlich und insoweit auch rechtlich bedenklich. Angesichts der übrigen Strafzumessungsgründe, insbesondere der erheblichen Wirkstoffmengen und der (auch einschlägigen) Vorstrafen des Angeklagten, kann der Senat jedoch ausnahmsweise ausschließen, dass die Kammer bei Nichtberücksichtigung dieses Gesichtspunktes niedrigere Einzel- und Gesamtstrafen verhängt hätte, so dass das Urteil nicht auf dem Rechtsfehler beruht.
7
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.